Weltbank fordert weitere kapitalistische Marktreformen in China

Ein Arbeitspapier der Weltbank setzt sich für eine dramatische Verschärfung der kapitalistischen Marktreformen in China ein. Es wurde in Zusammenarbeit mit Teilen der neuen Kapitalistenklasse angefertigt, die in Verbindung mit der KP Chinas steht, und ist der Beginn scharfer gesellschaftlicher und politischer Konflikte.

Weltbankpräsident Robert Zoellick war letzte Woche zu Besuch in China, um einen 468-seitigen Bericht mit dem Titel „China 2030“ abzuliefern. Er wurde zusammen mit dem Development Research Center angefertigt – einer Denkfabrik, die dem chinesischen Staatschef Wen Jiabao unterstellt ist. Der Bericht wurde im Jahr 2010 von Wens wahrscheinlichem Nachfolger, Vizepremier Li Keqiang, in Auftrag gegeben. Er ist der wichtigste Vertreter von Präsident Hu Jintaos sogenannter Kommunistischer Jugendliga-Fraktion in der neuen Generation der KP-Führer, die dieses Jahr eingesetzt werden soll.

Das angebliche Ziel des Berichtes ist es, China zu helfen, bis 2030 eine Gesellschaft mit hohen Einkommen zu werden. Es soll ein ähnlich hohes Pro-Kopf-Einkommen erreicht werden wie heute in Südkorea. Das tatsächliche Ziel ist es, die noch im Staatsbesitz befindlichen Großunternehmen und Banken zu privatisieren - obwohl sie bereits von hohen Bürokraten wie Privateigentum geführt werden – oder sie an ausländische Firmen und Privatunternehmen zu verkaufen.

Das Papier der Weltbank ist ein Zeichen für die Versuche der derzeitigen Führung, die Agenda für die nächste, die „fünfte Generation“ von Führern vorzugeben. Diese Generation besteht größtenteils aus „Prinzen“ – den Kindern hochrangiger Bürokraten von heute und gestern. Die Prinzen sind zwar keine zusammenhängende politische Tendenz, aber viele haben die Kontrolle über große Staatsunternehmen übernommen, nachdem das Regime sie in den 1990ern in Aktiengesellschaften umgewandelt hatte.

Beispielsweise wurde vor kurzem Wens milliardenschwerer Sohn Wen Yunsong zum Vorsitzenden des Staatsunternehmens China Satellite Communications Company ernannt. Nach dieser Ankündigung ging der Aktienkurs des Unternehmens um 50 Prozent nach oben. Wens Vorgänger Zhu Rongji ernannte seinen Sohn Lewin Zhu zum Chef der China International Capital Corporation, einer der führenden Investmentbanken, die unter Beteiligung von Morgan Stanley und Pekings Staatsfonds gegründet wurde. Die Tochter des ehemaligen Premiers Li Peng, Li Xiaolin, ist Vorsitzende von China Power International Development – einem Vorzeigeunternehmen, das an der Börse von Hongkong von einem wichtigen staatlichen Energieunternehmen geführt wird.

Der nächste logische Schritt für diese privilegierte Schicht wird es sein, ihr Privateigentum an diesen Unternehmen weiter zu konsolidieren. Angetrieben werden sie dabei von der Angst vor der Arbeiterklasse angesichts des ungelösten weltweiten Wirtschaftszusammenbruchs. Zoellick erklärte auf seiner Pressekonferenz: „Wie die chinesische Führung weiß, ist ihr derzeitiges Wachstumsmodell nicht mehr finanzierbar.“

In dem Bericht heißt es, dass Chinas rapides Wachstum in den vergangenen dreißig Jahren, dessen Grundlage billige Arbeitskraft, kapitalintensive Investitionen, Konzentration auf Export und die Unterdrückung des Binnenkonsums waren, zu Ende geht.

In den vergangenen zehn Jahren wurde diese Expansion durch schuldenfinanzierte Ausgaben und Immobilienblasen in Amerika und Europa verlängert, wodurch Absatzmärkte für die Produkte aus chinesischen Sweatshops entstanden. Dieses Wachstumsmodell ist mit dem Börsenkrach von 2008 zusammengebrochen. Es gibt in den USA keine Zeichen für einen größeren Aufschwung und die europäische Staatsschuldenkrise droht, die Weltwirtschaft in eine noch schlimmere Rezession zu stürzen als die von 2008-09

Selbst gemäß den oberflächlich optimistischen Vorhersagen der Weltbank, dass China bis 2030 die USA als stärkste Wirtschaftsmacht überholen werde – sofern es nicht zu Kriegen oder sozialen Unruhen komme –, besagt die Wachstumsvorhersage, dass dieses in den Jahren bis 2030 langsam auf fünf Prozent sinken werde, nur noch halb so viel wie in den letzten 30 Jahren.

Angesichts der Tatsache, dass jedes Jahr Millionen von Arbeitern und Schulabgängern eine Stelle finden müssen, droht nach dieser Vorhersage eine soziale Explosion. In dem Bericht wurde die Frage gestellt: „Kann Chinas Wachstum weiterhin eines der höchsten der Welt sein, auch wenn es sich verlangsamt? Und kann es dieses schnelle Wachstum aufrechterhalten, ohne die Welt, die Umwelt und das Gefüge der eigenen Gesellschaft zu gefährden?“

Obwohl die Weltbank zuversichtlich ist, dass China die Krise lösen kann, erfordert die empfohlene Lösung weitrechende Umstrukturierungen im Interesse der westlichen Konzerne und des Finanzkapitals.

Der Bericht fordert Unterstützung für den Privatsektor, darunter Maßnahmen wie die „Senkung von Schranken für den Beginn und das Ende von Firmenbeteiligungen und „die Zerschlagung von staatlichen Monopolen in wichtigen Industrien (Öl, Chemie, Stromnetz und Telekommunikation).“ Weiterhin wird dazu geraten, das Wachstum kleiner und mittelständischer Unternehmen zu fördern und ihnen Zugang zu Finanzierungenen zu gewähren; die Spezialisierung von Regionen und Gemeinden zu stimulieren und „durch Wettbewerb spontane Reformen in staatlichen Unternehmen anzuregen.“

Nach harten Sanierungsmaßnahmen vor allem im Zeitraum von 1998 bis 2002, durch die mehr als 60 Millionen Arbeiter aus staatlichen und kollektiv geführten Unternehmen entlassen wurden, wurden die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen in Privatfirmen oder Tochterunternehmen von internationalen Konzernen umgewandelt. Die verbleibenden Großkonzerne, an denen der Staat Hauptanteilseigner ist, machen nur noch drei Prozent aller chinesischen Firmen aus, erwirtschaften aber immer noch 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Kern davon sind etwa 120 führende Unternehmen, die wichtige Branchen wie das Bankwesen, Energie und Telekommunikation kontrollieren, sowie „Säulenindustrien“ wie die Eisen- und Stahl-, Auto- und Chemieindustrie.

Zu diesem Kern gehören die meisten der 61 chinesischen Unternehmen, die im Aktienindex Fortune Global 500 aufgelistet sind. Damit ist China das am drittstärksten vertretene Land nach den USA (133) und Japan (68). Die Industrial and Commercial Bank of China war im Jahr 2010 die profitstärkste Bank der Welt, noch vor der Bank of America; hauptsächlich, weil sie durch strenge Auflagen für ausländische Finanzinstitute im chinesischen Finanzsystem geschützt war.

Amerikanische Investmentbanken haben eine wichtige Rolle darin gespielt, die früher hochverschuldeten chinesischen Staatsbetriebe in lukrative Aktiengesellschaften umzuwandeln. Von 1993 bis 2010 konnten sie 650 Milliarden Dollar für sie aufbringen und ihnen damit zu internationaler Bedeutung verhelfen.

Seit im Jahr 2008 die Finanzkrise ausgebrochen ist, hat das westliche Finanzkapital jedoch versucht, die bestehenden Arrangements zur Teilung der Gewinne, die es mit den kapitalistischen Günstlingen der KPCh ausgehandelt hat, abzuändern. Es wird gefordert, dass Peking Wirtschaftsbereiche öffnet, die bisher für ausländische Investoren verschlossen waren. Wichtige chinesische Unternehmer, die mit westlichen Konzernen zusammenarbeiten, fordern ebenfalls Reformen für einen „fairen“ Wettbewerb und ein Ende des Schutzes für „privilegierte“ Unternehmen.

Unter den Bürokraten, die gewinnträchtige Positionen in den führenden Unternehmen inne haben, gibt es Widerstand gegen den Verlust ihres privilegierten Zugangs zu staatlichen Krediten und geschützten Marktanteilen. Außerdem kursiert die Befürchtung, weitere Marktreformen könnten den Widerstand der Arbeiterklasse entfachen.

Dieser Konflikt zeigte sich auch bei Zoellicks Pressekonferenz. Ein Akademiker der „neuen Linken“, Du Jianguo, stand auf, um gegen die Empfehlungen der Weltbank, staatliche Unternehmen zu privatisieren, zu protestieren. Er sagte, es sei „Gift“ für die chinesische Wirtschaft und das Volk, „einen Konkurrenten der westlichen Konzerne zu eliminieren.“

Diese „neulinke“ Tendenz, die Mitte der 2000er Jahre aufkam, hat nichts mit Sozialismus zu tun. Ihr Programm beruht auf wirtschaftlichem Nationalismus und Protektionismus, von dem wichtige Teile der Wirtschaftselite profitieren. Autokonzerne beispielsweise und besonders die „Großen Vier“ Unternehmen im Staatsbesitz, sind stark von staatlichen Subventionen und Begrenzungen des Einflusses ausländischer Teilhaber abhängig, was die großen internationalen Konzerne zwang, mit ihnen Joint Ventures einzugehen.

Zoellick erklärte, es läge allein bei Peking, ob es die Vorschläge der Weltbank annehme. Wie die KPCh mit ihren internen Konflikten zurechtkommen wird, bleibt abzuwarten, aber eines ist sicher: Wenn die kapitalistische Elite Chinas sich diesen Forderungen unterordnet, oder sich weigert, sich noch mehr für das internationale Kapital zu öffnen, wird sie gezwungen sein, die schon jetzt brutale Ausbeutung der chinesischen Arbeiter noch zu steigern. Dieser Prozess wird nicht zu einer „Gesellschaft mit hohen Einkommen“ führen, sondern zu einer revolutionären Explosion der Arbeiterklasse.

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