Finanzmärkte fordern härteres Vorgehen gegen ägyptische Arbeiter

Die Ratingagentur Middle East Ratings and Investor Service (MERIS) hat Ägypten aufgrund neuer politischer Unruhen mit weiteren Kreditherabstufungen gedroht. MERIS-Chef Amr Hassanin sagte der ägyptischen Zeitung Al-Ahram am Montag, Ägyptens Kreditwürdigkeit könnte bis auf zwei Stufen über der von Griechenland sinken. Erst letzte Woche stufte Fitch Ratings Griechenland von CCC auf C herunter.

Seit den revolutionären Aufständen gegen Hosni Mubarak am 11. Februar vor einem Jahr haben die internationalen Ratingagenturen Ägypten viermal heruntergestuft. Die letzte Herabstufung durch Standard & Poor’s auf „B“ – fünf Stufen unter Investment-Niveau – kam nach dem Massaker nach einem Fußballspiel in Port Said mit 74 Toten, das zu Massenprotesten gegen die von den USA unterstützte Militärjunta führte.

Dass MERIS Ägypten mit Griechenland vergleicht, zeigt, welche Politik das Finanzkapital in Ägypten erwartet. Mithilfe der internationalen Ratingagenturen versucht es, das Land unter eine de-Facto-Diktatur des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu stellen.

In Griechenland führt die Troika – IWF, Europäische Zentralbank und Europäische Union - einen sozialen Krieg gegen die Arbeiterklasse. Während die griechischen Arbeiter ums Überleben kämpfen, hat die Finanzelite des Landes etwa 560 Milliarden Euro auf ausländische Konten gebracht – mehr als doppelt so viel wie die Gesamtsumme der griechischen Staatsschulden.

Die bisherige Politik der Wirtschaftsliberalisierung, Privatisierung und Haushaltskürzungen, die IWF und Weltbank durchgesetzt haben, hat zu den verzweifelten Bedingungen geführt, die im Januar letzten Jahres zu Aufständen der ägyptischen Arbeiterklasse und schnell zum Sturz der Diktatur von Mubarak führten. Diese Bedingungen haben sich unter der Militärjunta, die an die Stelle Mubaraks getreten ist, nicht verbessert. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar am Tag.

Die Arbeitslosigkeit und die Nahrungsmittelpreise steigen, aber die internationalen Banken und die herrschende Klasse Ägyptens arbeiten zusammen, um die Bevölkerung auszuplündern.

Im Januar nahm das ägyptische Regime die Gespräche mit dem IWF über ein Darlehen von 3,2 Milliarden Dollar wieder auf. Am 19. Februar kündigte Finanzminister Mumtaz Al-Said an, dass Ägypten den Vertrag im März unterzeichnen werde.

Letzten Juni lehnten die Junta und die provisorische Regierung unter Premierminister Essam Sharaf ein Darlehen vom IWF ab, nachdem Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate zehn Milliarden Dollar Hilfe für Ägypten versprochen hatten. Allerdings gab der derzeitige Premierminister Kamal al-Ganzouri in seiner ersten offiziellen Rede im ägyptischen Parlament zu, dass „sehr wenige dieser Versprechen erfüllt wurden.“

Ganzouri wurde vom herrschenden Obersten Militärrat als Ersatz für Sharaf an die Macht gebracht, nachdem es im letzten November zu Massenprotesten gegen seine Regierung gekommen war. Er war unter Mubarak von 1996 – 1999 Premierminister und spielte laut Said Hirsh, einem Analysten für den Nahen Osten bei dem Beratungsunternehmen Capital Economics eine „wichtige Rolle bei der Verbesserung der Beziehungen zu IWF und Weltbank.“

In den letzten Monaten hat sich die wirtschaftliche Lage in Ägypten verschlimmert. Das Haushaltsdefizit wird im Verlauf des Geschäftsjahres 2011/12 vermutlich die Marke von 144 Milliarden Ägyptischen Pfund, bzw. 8,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten. Ägyptens Devisenreserven sind von 30 Milliarden Dollar im letzten Februar auf 16 Milliarden gesunken. Seit Oktober gibt die ägyptische Zentralbank (CBE) jeden Monat zwei Milliarden Dollar aus, um das ägyptische Pfund gegenüber dem Dollar im Wert zu halten. Hirsh von Capital Economics warnte vor der Gefahr einer „völlig unkontrollierten Geldentwertung.“

Im Januar hieß es in einem Monatsbericht der ägyptischen Zentralbank, die Inlandsschulden beliefen sich auf insgesamt 1,095 Billionen ägyptische Pfund, etwa 69,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Auslandsschulden beliefen sich Ende 2011 auf 34,9 Milliarden US-Dollar, 1,2 Milliarden mehr als im Vorjahr. Laut MERIS bewegen sich Ägyptens Schuldenindikatoren auf das Niveau der griechischen zu.

Wie in Griechenland, wird die Wirtschaftspolitik, die der IWF fordert, unter anderem der Abbau von Lebensmittelsubventionen, keines der Probleme lösen, sondern sie vergrößern und den Weg für eine noch brutalere Ausbeutung der Arbeiterklasse freimachen.

Ein anonymer ägyptischer Staatsdiener, der die Gespräche mit dem IWF genau verfolgte, sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch: „Der IWF stellt in seiner Vereinbarung Bedingungen für die Zahlung des Geldes. Eine davon ist eine Senkung des Haushaltsdefizits.“ Er fügte hinzu: „Diese Bedingungen werden politische Folgen haben.“

Die herrschende Elite Ägyptens weiß, dass die Maßnahmen, die das internationale Finanzkapital fordert, zu einer Verschärfung des Klassenkampfes führen werden. Als der IWF und das ägyptische Regime im Jahr 1977 das letzte Mal Subventionen kürzten, brachen im ganzen Land Hungeraufstände aus, die von der Armee niedergeschlagen wurden.

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