Perspektive

Die Weltwirtschaft steht am Wendepunkt

Vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 entschieden sich bedeutende Teile der herrschenden Elite, Obama nach der Finanzkrise, die durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers in Gang gesetzt worden war, zu unterstützen. Sie rechneten damit, dass ihnen die von der Obama-Kampagne verbreiteten Illusionen in die „Hoffnung“ und den „Wechsel, an den ihr glauben könnt“ angesichts der Welle von Feindseligkeit gegenüber der Regierung Bush eine Atempause verschaffen würden.

Vier Jahre später nimmt die Desillusionierung zu und trifft mit einer Wende in der US- Wirtschaft und der Weltwirtschaft zusammen, die zu einer Intensivierung des internationalen Klassenkampfes führen wird. Vereinfacht ausgedrückt, stoßen die Maßnahmen, die von Regierungen und Finanzbehörden in aller Welt getroffen wurden, um eine finanzielle Kernschmelze und eine globale Depression zu vermeiden, an die Grenzen ihrer eingeschränkten Wirksamkeit.

In den USA sind viele Großkonzerne nach der „Restrukturierung“ von General Motors, wo die Einstiegslöhne auf nur 14 Dollar pro Stunde gedrückt wurden, in der Lage gewesen, ihre Profite zu erhalten und in vielen Fällen sogar zu steigern.

Aber das Programm der Kostensenkung angesichts sinkender Erträge und nachlassender Nachfrage kann nicht unbegrenzt weitergehen. Investitionen – der sicherste Indikator für zukünftige Bedingungen – verbleiben auf historisch niedrigem Niveau und haben im dritten Quartal ein Null-Wachstum verzeichnet.

In den vergangenen vier Jahren hat die US-Zentralbank Federal Reserve alles getan, um die Finanzinstitute und die Banken zu stützen, indem sie endlos ultra-billiges Geld zur Verfügung gestellt und so die Bestände der Fed um etwa 2,5 Billionen Dollar erhöht hat. Aber das Adrenalin finanzieller Stimulierung verliert nach und nach seine Wirksamkeit.

Die Politik der Fed ist von den Zentralbanken in aller Welt kopiert worden. Die Finanzvermögen in ihren Bilanzen sind von etwa sechs Billionen Dollar auf achtzehn Billionen angewachsen. Das entspricht etwas weniger als einem Drittel des globalen Bruttoinlandproduktes. Wie der Finanzjournalist Satyajit Das kürzlich bemerkte: „Die Weltwirtschaft ist nach monetärem Heroin süchtig“, wobei immer höhere Dosen „notwendig sind, nur um die Handlungsfähigkeit des Patienten zu erhalten.“

Das Schuldenniveau von Regierungen ist erheblich angewachsen, nachdem private Bankschulden in öffentliche Schulden umgewandelt wurden. Die Verschuldung von elf Großmächten ist von 381 Prozent im Jahr 2007 auf 417 Prozent im Jahr 2012 angestiegen. Das Programm aller kapitalistischen Staaten besteht darin, sich diese massiven Ausgaben zur Unterstützung der Banken durch horrende Sparprogramme zurückzuholen. Sie alle zielen darauf ab, Sozialleistungen drastisch zu kürzen und die Arbeiterklasse in die Armut zu treiben.

Als die Krise ausbrach, behaupteten verschiedene Finanzkommentatoren und Medienvertreter, China und andere sogenannte „Schwellenmärkte“ würden in der Lage sein, sich von den großen Wirtschaften „abzukoppeln“ und neue Zentren für das Wachstum der Weltwirtschaft hervorzubringen.

Kurzfristig wurden diese Illusionen durch das anhaltende Wachstum der chinesischen Wirtschaft geschürt, da die Ausgabenpolitik der Regierung und ihre Kreditausweitung – von Goldman Sachs als größtes Ankurbelungsprogramm in der Wirtschaftsgeschichte bezeichnet – eine Flut an Investitionen auslöste.

Aber die Maßnahmen des chinesischen Regimes setzten voraus, dass die Exportmärkte des Landes – vor allem Europa und Amerika – sich erholen würden. Diese Illusion ist nun gründlich zerstört und die dem chinesischen Ankurbelungspaket innewohnenden Grenzen werden deutlich sichtbar.

David Pilling, China-Korrespondent der Financial Times, geht davon aus, dass sich die wirtschaftliche Stimmungslage in China in den vergangenen Monaten „deutlich eingetrübt“ hat. Die chinesische Wachstumsrate ist seit sieben Monaten rückläufig und hat jetzt ihren niedrigsten Stand seit 1999 erreicht.

Das Ausmaß des Investitions-Booms war so gewaltig, dass man schätzt, dass die Hälfte der chinesischen Infrastruktur in den vergangenen sechs Jahren entstanden ist. Das Wirtschaftswachstum, das sich auf Investitionsausgaben von etwa fünfzig Prozent des BIP stützt, lässt sich nicht halten. Einige Wirtschaftskommentatoren sprechen offen von der Unvermeidlichkeit einer Krise.

Die jüngsten Zahlen aus dem Euroraum, einem Wirtschaftsblock, der 20 Prozent des globalen BIP umfasst und größer als die chinesische wie auch die amerikanische Wirtschaft ist, sind der deutlichste Ausdruck eines weltweiten Trends zur Rezession. Diese Woche korrigierte die europäische Kommission ihre Voraussage für das BIP fürs kommende Jahr von 1 Prozent auf nur noch 0,1 Prozent. Für dieses Jahr wird eine Schrumpfung um 0,4 Prozent erwartet.

Bedeutsamerweise war der Hauptgrund für die Revision nach unten der Rückgang der deutschen Wirtschaft. Ihr wird für das kommende Jahr ein Wachstum von nur 0,8 Prozent vorausgesagt, verglichen mit früheren Voraussagen von 1,7 Prozent. In den Schlüsselsektoren der deutschen Wirtschaft sind Massenentlassungen angekündigt worden. Mario Draghi, Präsident der EZB, kommentierte die Zahlen mit der Bemerkung, Deutschland sei bisher von den Problemen der Eurozone abgeschottet gewesen, doch diese Phase gehe jetzt zu Ende.

Es wird erwartet, dass die Arbeitslosigkeit in Europa auf mehr als zwölf Prozent ansteigt. Das bedeutet, dass sich die depressionsartigen Zustände wie in Griechenland und Spanien über den ganzen Kontinent ausbreiten werden.

Während das Wirtschaftswachstum nachlässt, wird die finanzielle Instabilität in der gesamten Eurozone zunehmen. Die Bedrohung durch eine weitreichende globale Krise durch einen Zahlungsausfall Griechenlands, Spaniens oder eines anderen Landes rückt näher. Dabei beschränken sich die Probleme nicht auf die sogenannten Länder der Peripherie.

Die Aussichten für deutsche Banken bleiben negativ und die Sorgen angesichts der Lage der französischen Banken nehmen zu. Eine größere Krise ist bisher vermieden worden, da die EZB den geldhungrigen Banken eine Billion Euro zur Verfügung gestellt und sich verpflichtet hat, die Anleihen hochverschuldeter Länder aufzukaufen. Aber kein noch so hoher Betrag der EZB kann das Hauptproblem aus der Welt schaffen – dass die großen europäischen Bankhäuser und Finanzinstitutionen nicht vor Liquiditätsproblemen, sondern vor der Zahlungsunfähigkeit stehen.

Angesichts des gegenwärtigen Zusammenbruchs der globalen kapitalistischen Wirtschaft besteht die Antwort der herrschenden Klasse in aller Welt in der Intensivierung der Angriffe auf die Arbeiterklasse. Die wiedergewählte Regierung Obama hat sich als erstes die Durchsetzung weitreichender Kürzungen zum Ziel gesetzt, vor allem im Sozialbereich. In Europa werden die Sparprogramme, die in Griechenland und Spanien zu depressionsartigen Zuständen geführt haben, verschärft. Und in China treffen die Stimulierungsmaßnahmen der vergangenen vier Jahre auf die Mauer des globalen Wirtschaftsabschwunges.

Die Wende in der Weltwirtschaft stellt die Arbeiterklasse vor entscheidende politische Herausforderungen. Der erste Schritt, um sie zu meistern, besteht in der Erkenntnis, dass das kapitalistische System versagt hat und dass es keine Rückkehr zu „normalen“ Bedingungen geben wird.

Die „neue Normalität“ bedeutet eine Rückkehr zu den Bedingungen der Großen Depression – Krieg, Massenarbeitslosigkeit und diktatorische Herrschaftsformen. Für die Arbeiterklasse bedeutet das die Notwendigkeit, einen politischen Kampf zum Sturz des historisch überkommenen Profitsystems zu beginnen und den Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft in Angriff zu nehmen.

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