Perspektive

Der Betrug mit der “Haushaltsklippe”

Kaum nimmt der amerikanische Kongress nach den Thanksgiving-Feiertagen seine Beratungen wieder auf, da gehen die Medien mit ihrer Propaganda wegen der so genannten „Haushaltsklippe“ wieder in die Offensive.

Begleitet vom Schaukampf, den sich die Obama-Regierung und die Republikaner im Kongress um die Abwendung der angeblichen Katastrophe von automatischen Steuererhöhungen und Haushaltskürzungen am 1. Januar liefern, werden hinter dem Rücken der amerikanischen Bevölkerung detaillierte Pläne für beispiellose Kürzungen bei Medicare, Medicaid und den Renten ausgearbeitet.

Die beiden großen Parteien sind sich in ihrer Zielsetzung einig: Sie werden Sozialprogramme kürzen, auf die Millionen Arbeiter für ihre Gesundheitsversorgung und Renten angewiesen sind. Der Streit geht im Wesentlichen darum, wie die Kürzungen so verpackt werden können, dass in der Bevölkerung die größtmögliche Verwirrung geschaffen und die wahren Vorgänge verschleiert werden.

Präsident Obama will es vor allem so erscheinen lasen, als ob das Zusammenstreichen von Sozialprogrammen, die Millionen vor der Armut bewahren, unausweichlich sei. Gleichzeitig wird dieser reaktionäre Angriff mit dem Feigenblatt der „Fairness“ versehen.

Die überparteiliche Verschwörung gegen die amerikanische Bevölkerung zeigte sich in einer Ankündigung des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner. Er sagte, dass die Republikaner Erskine Bowles treffen würden, den früheren Stabschef von Präsident Bill Clinton und gemeinsamen Vorsitzenden der Defizit-Kommission, die Präsident Obama 2010 eingesetzt hatte. Bowles und sein Republikanischer Kollege, der ehemalige Senator Alan Simpson, schlugen Maßnahmen zur Reduzierung des Defizits um vier Billionen Dollar vor. Sie sollen vor allem durch Einschränkungen bei Medicare und den Renten und drastische Kürzungen bei anderen Sozialprogrammen, sowie eine Steuer-“Reform“ erwirtschaftet werden, die die Steuersätze für Konzerne und Reiche senkt.

Obama hat seine Forderung nach Sozialkürzungen mit dem Vorschlag “ausbalanciert”, die „reichsten Amerikaner ein wenig mehr Steuern zahlen“ zu lassen. Die Republikaner sind inzwischen bereit, die Steuereinnahmen zu erhöhen, wehren sich aber gegen eine Erhöhung der Steuersätze.

Obamas Forderung nach einer minimalen Erhöhung der Steuern für Höchstverdiener, ob durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder durch die Verminderung von Abzugsmöglichkeiten, ist nichts als ein Täuschungsmanöver. Jede geringfügige Steuererhöhung, die möglicherweise für die Reichen beschlossen würde, würde mehr als wettgemacht durch die „umfassende Steuerreform“, die beide Parteien befürworten.

Republikaner und Demokraten fordern die Heraufsetzung des Bezugsalters für Renten und Medicare und eine „Bedürftigkeitsprüfung“ für den Bezug dieser grundlegenden Sozialleistungen.

Der letzte Vorschlag ist besonders hinterhältig. Er würde anfänglich damit gerechtfertigt, dass wohlhabenden Rentnern die Bezüge gekürzt und damit Gelder eingespart würden. Aber sein wirklicher Zweck bestünde darin, Medicare und die Renten aus einem universellen Sozialprogramm in ein Armutsverhinderungsprogramm zu verwandeln. Das würde den Weg für immer härtere Kürzungen und die schlussendliche Abschaffung der Programme frei machen. Sowohl Renten, als auch Medicare würde am Ende das gleiche Schicksal ereilen wie die bedürftigkeitsorientierte Sozialhilfe, die von einer anderen Demokratischen Regierung, nämlich der von Bill Clinton, abgeschafft wurde.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, schloss am Montag nicht aus, dass sich die Obama-Regierung eine solche radikale Verwandlung der von der Regierung finanzierten Gesundheits- und Rentenprogramme vorstellen könne.

Die ständige Behauptung, dass “kein Geld” für Sozialprogramme da sei, ist eine Lüge. Die amerikanischen Konzerne sitzen momentan auf Bargeld in Höhe von zwei Billionen bis neun Billionen Dollar. Sie weigern sich, dieses Geld zu investieren und Arbeiter einzustellen, weil die „Unsicherheit“ hinsichtlich der Gesundheitskosten und der Wirtschaftsregulierung angeblich zu groß ist. Anders ausgedrückt erpresst die Wirtschafts- und Finanzelite die amerikanische Bevölkerung, um ihre Agenda der Zerstörung aller sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse im letzten Jahrhundert durchzusetzen.

Billionen Dollar Steuergelder wurden den Banken in Form von „Rettungspaketen“ übergeben und weitere Billionen sind in imperialistischen Kriegen im Nahen und Mittleren Osten, Zentralasien und Nordafrika verschleudert worden. Die Profite der Unternehmen, die Bezahlung der Konzernvorstände und die Vermögen des obersten Prozents der Bevölkerung waren noch nie größer.

Die offizielle Debatte über die “Haushaltsklippe” beruht auf einigen unausgesprochenen Annahmen wie z.B.:

  • Der Reichtum der herrschenden Klasse ist unantastbar. Die volle Last der von der herrschenden Elite aufgehäuften Schulden muss der Arbeiterklasse aufgebürdet werden.
  • Die ungeheuren Ausgaben des Militär- und Geheimdienstkomplexes in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar pro Jahr können nicht nennenswert reduziert werden.

Diese unausgesprochenen Annahmen hinter der „Haushaltsklippe“ sind mit dem grundlegenden Klasseninteresse verbunden, das auch hinter der Sparpolitik steht. Das Defizit und die Schulden sind Ausdruck der Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus. Die eigentliche Frage ist, welche Klasse für die Krise bezahlen soll: Die Arbeiterklasse durch ihre Verarmung und Unterdrückung, oder die herrschende Klasse durch die Abschaffung ihrer Kontrolle über die Produktivkräfte der Gesellschaft.

Die Arbeiterklasse muss für ihr eigenes Programm kämpfen. Sie muss darauf bestehen, dass alle Menschen das Recht auf ein würdiges Leben haben: auf einen angemessen bezahlten Arbeitsplatz, auf wirtschaftliche Sicherheit, Nahrung, Wohnung, Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Durchsetzung dieser Rechte ist allerdings nicht mehr mit der fortgesetzten Herrschaft der Wirtschafts- und Finanzelite vereinbar.

Zwischen diesen beiden antagonistischen Prinzipien – dem Recht der Reichen, Reichtümer anzuhäufen und dem Recht aller Menschen auf ein anständiges Leben – kann es keinen Kompromiss geben. Karl Marx drückte das so aus: „Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt“. Die Frage, wer für die Krise des Kapitalismus bezahlt, wird durch den Kampf der Klassen entschieden.

Wenn es der herrschenden Klasse gelingt, die Errungenschaften des letzten Jahrhunderts rückgängig zu machen, dann wird die Arbeiterklasse in Armut und industrieller Sklaverei versinken.

Die Stärke der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Menschheit, steht dieser Agenda entgegen. Aber die Arbeiterklasse kann ihre Interessen nur verteidigen, wenn sie sich mit dem Programm des Sozialismus bewaffnet und von einer revolutionären Partei geführt wird. Das Ziel muss die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und die Reorganisierung der Gesellschaft entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft und nicht zum Zweck des privaten Profits sein.

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