Die Troika fordert weitere Kürzungen in Griechenland

„Dies werden die letzten Kürzungen sein“, hatte der griechische Premier Andonis Samaras versichert, um den massiven Widerstand gegen das EU-Diktat unter Kontrolle zu bringen. Doch nur einen Tag, nachdem das Parlament am Sonntag den Spar-Haushalt für 2013 verabschiedet hatte, kündigte die Troika an, dass in den nächsten drei Jahren weitere Kürzungen von mindestens 17,4 Milliarden Euro nötig seien.

Der am Montag in Teilen vorgestellte Bericht der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission bescheinigt der griechischen Regierung zwar, die bisherigen Kürzungen „sehr ambitiös“ umgesetzt zu haben, zeichnet aber ein verheerendes Bild der Wirtschaftsentwicklung des Landes.

Als Erfolg bezeichnet der Bericht, dass es der Regierung gelungen sei, Lohnkürzungen und Arbeitsmarktreformen gegen allen Widerstand durchzusetzen. Griechenland sei dadurch wieder „wettbewerbsfähig“ geworden. Die bisherigen Sparprogramme haben zu einer Arbeitslosigkeit von mittlerweile 25,3 Prozent, unter Jugendlichen sogar von 58 Prozent geführt. Laut Bericht sind die Löhne in den letzten drei Jahren um durchschnittlich mehr als 15 Prozent gesunken – während die Massensteuern massiv angehoben wurden.

Besonders hart wurde der Bildungs- und der Gesundheitsbereich getroffen. Der Vorsitzende des griechischen Verbandes für Intensivmedizin warnte am Mittwoch, dass die Kürzungen an den Krankenhäusern des Landes zu einer lebensgefährlichen Situation geführt hätten. Die Betten der Intensivstationen seien um über 20 Prozent reduziert worden und reichten bei Weitem nicht mehr zur Behandlung der Notfallpatienten aus. Immer mehr Griechen fehlt zudem jegliche Krankenversicherung.

Diese als Erfolg bezeichnete Entwicklung hat dabei nicht zu einer Lösung, sondern zu einer Verschärfung der Schuldenkrise Griechenlands geführt. Daran lässt der Troika-Bericht keine Zweifel. Die Rezession in Griechenland falle „tiefer als erwartet“ aus, heißt es in dem Bericht. Sie werde in diesem Jahr etwa sechs und im nächsten Jahr mindestens 4,2 Prozent betragen. Deshalb bleibe es in diesem Jahr trotz aller Sparprogramme bei einem Primärdefizit von 1,5 Prozent. Ursprünglich war die Troika von einem leichten Primärüberschuss ausgegangen. Der Primärhaushalt bezeichnet die Ein- und Ausgaben des Staates ohne Berücksichtigung des Schuldendiensts.

In der Folge steigt die Schuldenlast Griechenlands dramatisch an. Es wird damit gerechnet, dass sie schon im kommenden Jahr über 190 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen wird. Die Troika-Vertreter fordern trotzdem weitere Kürzungen von 17,4 Milliarden Euro bis 2016. Die Folgen werden für die griechischen Arbeiter katastrophal sein.

Schon der jetzige Bericht war mit zusätzlichen brutalen Sparmaßnahmen verbunden. Eigentlich hätte er schon im Juni veröffentlicht werden sollen. Die Troika hatte die Fertigstellung aber immer wieder verzögert, um der Regierung neue Einsparungen zu diktieren und deren Umsetzung bis auf die Ministerialebene vorzuschreiben. Sie zögerte die Auszahlung der nächsten Tranche an Hilfskrediten über 31,5 Milliarden Euro immer wieder hinaus. Ohne sie wäre Athen binnen Wochen bankrott.

Schließlich verabschiedete das Parlament am Mittwoch letzter Woche die geforderten Kürzungen über 13,5 Milliarden Euro sowie weitgehende Arbeitsmarktreformen. Die Sparmaßnahmen umfassen Lohnkürzungen von bis zu 30 Prozent, Massenentlassungen sowie Einsparungen bei den Renten, im Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Doch auch diese brutalen Angriffe reichen den Vertretern der EU und des IWF nicht aus. Sie halten am Spardiktat fest und wollen es auf ganz Europa ausweiten. Aufgrund der tiefen Rezession gerät ihr eigentlicher Zeitplan für die Ausplünderung der griechischen Arbeiter allerdings in Verzug. Eigentlich hätte die Schuldenquote Griechenlands bis 2020 auf 120 Prozent gesenkt werden sollen. Doch das ist mit den bisher beschlossenen Hilfskrediten und selbst mit den zusätzlichen Haushaltskürzungen nicht mehr einzuhalten.

Die bisher veröffentlichten Teile des Troika-Berichts lassen deshalb die Schuldentragfähigkeit Griechenlands noch offen. Die Finanzminister der Eurogruppe hatten am Montag angekündigt, das Ziel einer Schuldenquote von 120 Prozent bis 2022 zu strecken. Dies würde bedeuten, dass sich Griechenland erst in zehn Jahren wieder Geld an den Kapitalmärkten leihen könnte und bis dahin von den Hilfskrediten der EU abhängig wäre. Das Spardiktat und die regelmäßigen Troika-Visiten würden so lange aufrecht erhalten.

Ein solches Szenario würde Berechnungen zufolge weitere 32,6 Milliarden Euro an Hilfskrediten erfordern. Da einige nationalen Regierungen der Eurozone schon bei den bisherigen Rettungsschirmen große Schwierigkeiten hatten, sie in den Parlamenten durchzusetzen, werden verschiedene Alternativen dazu diskutiert. So könnten dem Land die Zinsen für die bisherigen Hilfskredite erlassen oder deren Laufzeiten verlängert werden. Beides würde allerdings unmittelbar die jeweiligen Staatshaushalte belasten.

Über diese Fragen sind heftige Konflikte innerhalb der Troika entbrannt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker widersprach IWF-Chefin Christine Lagarde in der Nacht zum Dienstag der zweijährigen Verlängerung der Schuldenziele heftig. „Wir haben hier ganz klar verschiedene Ansichten“, sagte sie und betonte, dass der IWF an den bisherigen Zielvorgaben festhalte. Als Juncker auf den EU-Plänen beharrte, verdrehte Lagarde demonstrativ die Augen.

Um die Schuldenquote bis 2020 auf 120 Prozent zu senken, empfiehlt sie einen Schuldenschnitt für die öffentlichen Gläubiger Griechenlands. Zu Beginn des Jahres hatten bereits die privaten Gläubiger auf 53,5 Prozent des Nominalwerts ihrer Anleihen verzichtet und dafür Bürgschaften von der EU erhalten. Lagardes Pläne sehen vor, dies nun auch auf die Kredite der Euroländer, der EZB sowie des IWF auszudehnen.

Ein solcher Schuldenschnitt würde die Haushalte der beteiligten Länder direkt belasten. Waren alle bisherigen Hilfszahlungen in Form von Krediten gewährt worden, müsste das Geld bei einem Schuldenschnitt real abgeschrieben werden. Allein den deutschen Haushalt würde eine solche Maßnahme um bis zu 17,5 Milliarden Euro belasten.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat diesen Plänen deshalb eine Absage erteilt. Der IWF, der stark von US-amerikanischen Interessen dominiert ist, will hingegen, dass die Schuldenkrise in Europa schnell stabilisiert wird, und ist nicht bereit, selbst weitere Gelder für die Griechenlandrettung aufzubringen. Schon beim zweiten Rettungspaket für Griechenland hat er sich stark zurückgezogen.

Bei allen Differenzen sind sich die Vertreter der Troika in einer Frage einig: dass die Kürzungen in Griechenland und in ganz Europa weitergehen und die Banken und Spekulanten auf Kosten der Arbeiter mit frischem Kapital versorgt werden sollen. Das ist das unmissverständliche Signal des Troika-Berichts.

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