Eine wichtige Untersuchung der Weltwirtschaft

Der Bericht einer großen amerikanischen Analysegruppe hat die Vorstellung widerlegt, dass China (oder ein anderes so genanntes aufstrebendes Land) als Grundlage für eine Ausdehnung der globalen kapitalistischen Wirtschaft dienen könnte, sei es kurzfristig oder längerfristig.

Das Forschungsinstitut Conference Board gab Anfang des Monats mehrere wirtschaftliche Prognosen heraus, die sich auf einen Zeitraum bis 2025 erstrecken. Wikipedia bezeichnet dieses Institut als unvoreingenommene und “vertrauenswürdige Quelle für Statistiken und Trends, die vielleicht nur vom amerikanischen Büro für Labor Statistics übertroffen wird”.

Der Bericht beginnt mit dem Hinweis, die globale Wirtschaft müsse noch „die Folgen der Krise von 2008-2009 abschütteln“, und das globale Wachstum sei 2012 auf nur noch drei Prozent zurückgefallen, ungefähr ein halbes Prozent weniger, als der langfristige Trend vor der Krise gewesen war.

“Diese Verlangsamung wird sich wahrscheinlich fortsetzen. Reife Volkswirtschaften laborieren noch an den Wunden der Krise von 2009-2009. Aber anders als 2010 und 2011 haben die aufstrebenden Märkte das nicht wettgemacht und werden das auch 2013 nicht tun“, heißt es weiter im Bericht.

Noch bedeutsamer waren die langfristigen Vorhersagen. Der Conference Board sagte voraus: „Das Gesamtwachstum in Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften wird von 5,5 Prozent in 2012 auf 4,7 Prozent in 2013 fallen. In China wird das Wachstum wahrscheinlich von 7,8 Prozent auf 6,9 Prozent fallen und in Indien von 5,5 auf 4,7 Prozent.“ Der Rückgang werde sich in der überschaubaren Zukunft fortsetzen.

Wie es heißt, sollen 2012 bis 2025 die “aufstrebenden Länder und Entwicklungsländer“ mit einer Rate von 3,3 Prozent wachsen. Das heißt, dass das erwartete Wachstum in diesen Weltregionen hinter die frühere Trendrate der gesamten Weltwirtschaft zurückfallen wird, obwohl man gerade von diesen Regionen erhoffte, sie würden die Grundlage für neue Wirtschaftsexpansion liefern.

Am auffälligsten ist das verminderte Wachstum in China und Indien. Mehrere Analysten hatten erwartet, gerade dies würde die Weltwirtschaft langfristig antreiben. Die Voraussagen gehen jedoch davon aus, dass das jährliche Wachstum in China in den Jahren 2013-2018 auf durchschnittlich 5,5 Prozent zurückgehen und von 2019 bis 2025 sogar auf nur noch 3,7 Prozent absinken wird.

“Die entsprechenden Zahlen für Indien lauten 4,7 und 3,9 Prozent, für Brasilien 3,0 und 2,7 Prozent. Mitte des nächsten Jahrzehnts werden die aufstrebenden Märkte das Wachstum der Industrieländer immer noch deutlich übertreffen, aber nicht mehr so stark wie auf dem Höhepunkt der Boomjahre von 2006 bis 2012, als die Wirtschaften Chinas, Indiens und Brasiliens durchschnittlich um 10,4, 7,8 bzw. um 3,8 Prozent wuchsen.“

Der Beitrag der so genannten BRIC-Staaten könnte sogar noch viel geringer sein. Der Conference Board warnte, in seinem „pessimistischen Szenario“ werde das Wachstum Chinas von 2013 bis 2018 nur noch 3,4 Prozent und von 2019 bis 2025 nur noch 2,5 Prozent betragen.

Der Chefökonom des Conference Board, Bart van Ark, erklärte: „Der langfristige globale Rückgang, den wir bis 2025 erwarten, wird seine Ursachen in erster Linie in strukturellen Anpassungen in den aufstrebenden Märkten haben. Weil China, Indien, Brasilien und andere einen Reifeprozess von schnellem, investitionsgetriebenem Aufholwachstum hin zu einem ausgewogenern Modell durchmachen, werden die strukturellen Geschwindigkeitsbegrenzungen ihrer Volkswirtschaften vermutlich abnehmen und das globale Wachstum bremsen, obwohl wir in den Industrieländern nach 2013 wieder Wachstum erwarten.“

Die Erwartung, China und Indien könnten eine neue Basis für globales Wachstum abgeben, war schon immer eine Illusion. Sie ging von der Annahme aus, dass das schnelle Wachstum des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts ständig anhalten werde.

Dieses Szenario ignorierte völlig die Tatsache, dass die neuen Wachstumszentren keineswegs in der Lage waren, sich von den fortgeschrittenen kapitalistischen Wirtschaften zu “entkoppeln“, sondern vielmehr von ihnen abhängig waren und sind. Chinas Wachstum zum Beispiel beruhte darauf, dass das Land zum Billiglohnproduzenten für die großen transnationalen Konzerne wurde, deren Hauptmärkte in Europa und den Vereinigten Staaten liegen.

Jene Märkte erlebten infolge der Finanzkrise ein deutliches Schrumpfen, das bis heute anhält. Angesichts des Verlustes von 23 Millionen Arbeitsplätzen in 2008-2009 reagierten die chinesische Regierung und ihre Finanzbehörden mit dem wohl größten Konjunkturprogramm der Wirtschaftsgeschichte. Sie erhöhten die Staatsausgaben und weiteten die Kreditvergabe aus, um Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen zu vermeiden.

Allerdings setzten diese Maßnahmen auf die Hoffnung, dass sich Bedingungen wie vor 2008 wieder einstellen würden. Das ist nun nicht geschehen. Die amerikanischen und europäischen Märkte stagnieren oder schrumpfen weiter.

Die Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft in den vergangenen vier Jahren beruhte auf einer massiven Erhöhung der Investitionen, die heute etwa fünfzig Prozent des BIP betragen. Dieser Prozess ist nicht nachhaltig. Es gibt Schätzungen, nach denen die Hälfte der chinesischen Immobilien und Infrastruktur in den vergangenen sechs Jahren entstanden ist.

Aber die Unfähigkeit Chinas, eine neue Basis für globales Wachstum zu liefern, geht über seine Abhängigkeit von den schrumpfenden Exportmärkten in den USA und Europa hinaus.

Das Wirtschaftswachstum der USA, das in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts begann und die Grundlage für den Nachkriegsboom abgab, basierte auf einer tiefen und weitreichenden Entwicklung der Produktivkräfte. Das System der Fließbandproduktion, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf andere große kapitalistische Länder ausdehnte, erhöhte die Arbeitsproduktivität und schuf so die Grundlage für kapitalistische Expansion.

Anders als in den USA war die wirtschaftliche Expansion Chinas nicht von einer ähnlichen Entwicklung der Produktivkräfte begleitet. Sein Wachstum wurzelte in einer Übernahme der Fließbandproduktion, nicht in der Entwicklung eines neuen Produktionsregimes. China war zwar in der Lage, die Profite zu erhöhen, aber nicht durch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität, sondern durch die Ausbeutung ultra-billiger Arbeitskraft.

Der begrenzte Anstieg des Wirtschaftswachstums, der darauf folgte, ist jetzt an seine Grenze gestoßen. Das macht die Untersuchung des Conference Board klar. Sie macht deutlich, dass vor uns nicht die Schimäre einer kapitalistischen Expansion auftaucht, sondern eine neue Periode intensivster Klassenkämpfe. Denn die globalen Konzerne und das Finanzkapital versuchen, ihre Profite dadurch zu sichern, dass sie die Position der Arbeiterklasse in der ganzen Welt brutal angreifen.

Loading