Perspektive

Wie weiter in Griechenland?

Die Streiks und Massenproteste der vergangenen Tage sind eine beeindruckende Demonstration der Stärke, derer die griechische Arbeiterklasse fähig ist. Sie legte das Land 48 Stunden lang still, nahezu alle staatlichen und viele private Unternehmen befanden sich im Ausstand. Hunderttausende äußerten so ihre Opposition gegen das Spardiktat der Regierung Samaras und der Europäischen Union, welches das Land in den Abgrund führt und die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhe treibt.

Das Ausmaß der Proteste zeigt, dass die Arbeiterklasse den sozialen Angriffen und auch den faschistischen Banden, die in den vergangenen Wochen Immigranten terrorisierten, als gesellschaftliche Kraft die Stirn bieten kann. Das gilt nicht nur für Griechenland, sondern auch für Spanien und Portugal, wo es in den vergangenen Wochen ebenfalls Massenproteste gab, sowie für alle anderen europäischen Länder.

Doch die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter stehen in krassem Gegensatz zur Politik der Gewerkschaften und ihrer politischen Verbündeten, wie der Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA) und anderer pseudolinker Kräfte. Sie lehnen es strikt ab, die Regierung Samaras zu stürzen und mit der Europäischen Union zu brechen – obwohl dies die einzige Möglichkeit ist, die Sparmaßnahmen zu stoppen.

Sie stellen sich an die Spitze der Proteste, um zu verhindern, dass diese die Regierung oder die Mitgliedschaft in der Europäischen Union gefährden. Sowohl die Gewerkschaftsführer wie SYRIZA-Chef Alexis Tsipras betonen immer wieder, dass sie an der griechischen EU-Mitgliedschaft unter allen Umständen festhalten und die Rückzahlung der griechischen Staatsschulden an die internationalen Banken garantieren wollen.

Bei allen historischen Unterschieden zwischen dem Europa der 30er Jahre und der heutigen Lage in Griechenland und Europa als Ganzem, sind die Lehren der damaligen Zeit von größter Bedeutung. Insbesondere der Verrat der stalinistischen Volksfront an den Massenkämpfen der Arbeiter enthält wichtige Erfahrungen. Die Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die Parteien und Institutionen des „demokratischen“ Staates und die Klasseninteressen, denen er dient, hielt die Arbeiter davon ab, ihre eigene sozialistische Lösung der kapitalistischen Krise zu entwickeln. Das Fehlen der entschiedenen Initiative der Arbeiterklasse öffnete extrem rechten und faschistischen Kräften den Weg, die vom Staatsapparat finanziert und ermutigt wurden.

Auch heute besteht wieder die Gefahr, dass die politische Lähmung der Arbeiter rechten Kräften Auftrieb gibt. Noch sind die faschistischen Banden von Chrysi Avgi, die auf den Straßen Griechenlands ihr Unwesen treiben und dabei von der Polizei unterstützt werden, klein im Vergleich zu den Massen, die die Arbeiterklasse aufbieten kann.

Aber die historische Krise des Weltkapitalismus und das Spardiktat der EU treiben den Niedergang der griechischen Gesellschaft schnell voran. Große Teile der Arbeiter- und Mittelklasse stürzen ins Elend. Der Klassenkonflikt spitzt sich zu. Weist die Arbeiterklasse keinen politischen Ausweg, besteht die Gefahr, dass sich verzweifelte Schichten der Mittelklasse nach rechts orientieren. Die wachsenden Umfragewerte von Chrysi Avgi, die schon jetzt mit 18 Abgeordneten im Parlament sitzt, zeigen, dass diese Gefahr keineswegs nur hypothetisch ist.

Die brutalen Angriffe auf die griechischen Arbeiter sind ebenso wie die wachsende Gefahr von Faschismus und Diktatur das Ergebnis einer Politik, die nicht bloß in Athen, sondern von der gesamten europäischen Bourgeoisie in allen Ländern der EU verfolgt wird.

Die griechischen Arbeiter werden gezwungen, für die Krise des gesamten kapitalistischen Systems zu zahlen. Die Verteidigung ihrer sozialen und politischen Rechte ist eine gesamteuropäische Aufgabe, die nicht nur die Mobilisierung der griechischen Arbeiter, sondern ihrer Kollegen in allen Ländern des Kontinents erfordert.

Der Schlüssel zur Lage in Griechenland und ganz Europa ist die Entwicklung einer unabhängigen revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse. Das erfordert einen politischen Bruch mit den Gewerkschaften und ihren pseudolinken politischen Verbündeten, die alles tun, um eine solche Bewegung zu unterdrücken und die Arbeiter an die herrschende Klasse und ihre Institutionen zu fesseln.

Die griechischen Arbeiter müssen sich unabhängig von den Gewerkschaften und ihren politischen Verbündeten organisieren. Sie müssen Aktionskomitees aufbauen, die die Verteidigung der Arbeitsplätze und sozialen Rechte in die Hand nehmen, den Schutz vor faschistischen Angriffen organisieren und alle Teile der Arbeiterklasse vereinen. Sie müssen für eine Arbeiterregierung kämpfen, die die großen Konzerne und Banken enteignet und das wirtschaftliche Leben so umgestaltet, dass es nicht den Profitansprüchen der internationalen und einheimischen Finanzaristokratie dient, sondern den gesellschaftlichen Bedürfnissen der breiten Bevölkerung.

Um ein solches Programm zu verwirklichen, muss eine neue revolutionäre Partei aufgebaut werden, eine griechische Sektion des Internationalen Komitee der Vierten Internationale. Das Internationale Komitee verkörpert die historische Kontinuität der marxistischen, trotzkistischen Bewegung. Es vertritt ein internationales, sozialistisches Programm. Es kämpft für den Sturz der Europäischen Union und für den Aufbau Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa.

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