US-Oberbefehlshaber in Afghanistan in Petraeus-Untersuchung verwickelt

In Washington herrscht Krisenstimmung, die durch den Rücktritt von General David Petraeus als CIA-Chef ausgelöst wurde, nachdem das FBI in einer außerehelichen Affäre ermittelte. Sie hat sich vertieft, nachdem Petraeus‘ Nachfolger als Oberbefehlshaber in Afghanistan, General John Allen, mit dem Skandal in Verbindung gebracht wurde.

Die Obama-Regierung hatte am Dienstag angekündigt, Allens Nominierung zum Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa auszusetzen. Gegen den General waren Anschuldigungen erhoben worden, er habe sich „unangemessene Kommunikation“ mit der Frau aus Tampa, Florida, zu Schulden kommen lassen, deren Beschwerde beim FBI zu der Untersuchung gegen Petraeus und seinem Rücktritt führte. In den letzten zwei Jahren wurden etwa 20.000 bis 30.000 Emails ausgetauscht.

Das Pentagon erklärte nicht, was an den E-Mails „unangemessen“ war. Das warf die Frage auf, ob es dabei um Sexuelles oder um Sicherheitsfragen ging. Ein anonymer hoher Vertreter des Verteidigungsministeriums sagte der Times jedoch, dass der Inhalt einiger E-Mails „kokett“ war.

Die Angelegenheit wird vom Generalinspekteur des Verteidigungsministeriums untersucht. Unter bestimmten Umständen ist Ehebruch nach Militärrecht ein strafbares Vergehen. Obama veröffentlichte zwar eine Stellungnahme, in der er Allen lobte, die amerikanischen Besatzungstruppen in Afghanistan „kompetent“ geführt zu haben. Gleichzeitig drängte die Regierung den Senat jedoch, General Joseph Dunford zügig zu bestätigen, der Allen in Kabul ablösen soll.

Die Frau, der Allen angeblich die E-Mails geschickt hat, war Jill Kelley, eine Frau aus der besseren Gesellschaft von Tampa und Gattin eines Arztes. Im Juni wandte Kelley sich an einen persönlichen Freund beim FBI in Tampa und beschwerte sich über anonyme belästigende Emails.

Das FBI nahm eine Untersuchung auf und konnte die belästigenden Emails einer verheirateten Reserveoffizierin der US Army und Absolventin von West Point namens Paula Broadwell zuordnen, die im Januar eine schmeichelhafte Biografie von General Petraeus veröffentlicht hatte. Laut Darstellung des FBI enthüllte die Untersuchung jedoch einen ausgiebigen Austausch von Emails zwischen Broadwell und Petraeus. Beide bestätigten die Affäre in späteren Vernehmungen.

Ein hochrangiger Vertreter des Pentagon sagte der Nachrichtenagentur AFP, es gäbe die entfernte Möglichkeit, dass die Emails zwischen Allen und Kelley etwas mit Petraeus zu tun haben könnten. Allen hat jedes Unrecht geleugnet.

Die 37-jährige Kelley war ehrenamtlich für die Armee tätig und veranstaltete Partys auf der McDill Air Force Base in Tampa, Florida, an denen auch ranghohe Offiziere teilnahmen. In Tampa befindet sich das Hauptquartier des Central Command, das die amerikanischen Militäroperationen im Nahen Osten und Zentralasien leitet. Petraeus war von 2008 bis 2010 Chef des Central Command. In der gleichen Zeit war General Allen stellvertretender Oberbefehlshaber des Central Command. Er übernahm den Posten als Oberbefehlshaber im Jahr 2010, als Petraeus zum Kommandanten der US-Truppen in Afghanistan ernannt wurde. Dann wurde er Petraeus‘ Nachfolger in Afghanistan, nachdem dieser von Obama zum Chef der CIA ernannt worden war.

Die Emails, die Broadwell anonym an Kelley geschickt hatte, scheinen von Eifersucht motiviert gewesen zu sein. Sie enthielten Warnungen an Kelley, sich von Petraeus fernzuhalten. Mitarbeiter von Petraeus betonten, Kelley und ihr Mann seien nur Freunde der Familie gewesen.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Kelley Abbe Lowell engagiert hat, den Anwalt, der Präsident Bill Clinton bei seinem Amtsenthebungsverfahren verteidigt hat, außerdem Judy Smith, die „Krisenmanagerin“ von Washington, DC, die unter anderem Monica Lewinsky und Enron vertreten hat.

Inzwischen hat das FBI auch eine Untersuchung gegen den Agenten aufgenommen, mit dem sich Kelley ursprünglich in Verbindung gesetzt hatte. Er wurde von seinen Vorgesetzten angewiesen, sich von dem Fall fernzuhalten, da er laut einem Bericht im Wall Street Journal vom Dienstag persönlich von ihr besessen ist. Laut seiner Darstellung haben FBI-Beamte erfahren, dass der Agent Kelley vor Beginn der Untersuchung Fotos von sich geschickt hat, die ihn „oben ohne“ zeigen.

Der Agent war scheinbar davon überzeugt, dass das FBI die Affäre um Broadwell und Petraeus unter den Tisch kehren würde, und wandte sich an den republikanischen Kongressabgeordneten für Washington David Reichert. Reichert gab die Information an hohe Republikaner weiter, darunter den Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Eric Cantor aus Virginia. Dieser informierte das FBI über das Sicherheitsrisiko, verheimlichte aber die Untersuchung gegen Petraeus.

Der Skandal hat jetzt nicht nur zwei höchst sensible amerikanische Geheimdienste erfasst, sondern auch die Militärführung. Es ist klar, dass er eine tiefe politische Dimension hat und viele Fragen aufwirft, die noch nicht beantwortet sind.

Zum Einen ist keineswegs klar, warum das FBI eine so große Untersuchung organisieren sollte, wenn es sich anfangs nur um einen normalen Fall von Cyber-Stalking handelte, für den sich nur wenige Polizeibehörden interessieren würden. Laut dem Journal war es den FBI-Beamten zu Beginn der Untersuchung nicht klar, dass es in den Emails um Petraeus ging.

Die nächste Frage ist, warum das FBI weder das Weiße Haus noch die Führer der Geheimdienstausschüsse im Kongress von Ermittlungen gegen den CIA-Chef informiert hat. Laut der offiziellen Darstellung wurde der nationale Geheimdienstdirektor James Clapper erst am Wahltag von der Untersuchung in Kenntnis gesetzt, obwohl sie schon im Juni begonnen hatte. Präsident Obama wurde erst am 8. November, zwei Tage nach der Wahl, informiert.

Die Behauptung des FBI, es sei nicht verpflichtet, das Weiße Haus oder die entsprechenden Ausschüsse im Kongress zu informieren, weil es bei der Untersuchung nicht um Geheimdienstangelegenheiten, sondern um Internetkriminalität ging, ist wenig glaubwürdig. Spätestens als klar war, dass es um den CIA-Chef ging, war es eindeutig eine Geheimdienstangelegenheit.

Es wurde auch bekannt, dass Justizminister Eric Holder letzten Sommer von der Untersuchung erfuhr, aber angeblich vergaß, den Präsidenten zu informieren.

Scheinbar wollte entweder die Obama-Regierung die Sache bis nach der Wahl unter dem Tisch halten, oder das FBI hat sich entschlossen, auf eigene Faust zu handeln und dies aus unbekannten Gründen vor dem Weißen Haus zu verheimlichen. Es gibt schon lange scharfe Spannungen und Revierstreitigkeiten zwischen dem FBI und der CIA.

Die demokratische Senatorin von Kalifornien und Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, Dianne Feinstein, hat zugesagt, dass ihr Ausschuss untersuchen werde, warum das FBI sie nicht über die Untersuchung informiert hat, obwohl das Gesetz vorschreibt, dass es die Geheimdienstausschüsse des Repräsentantenhauses und des Senats über Ermittlungen auf dem Laufenden halten muss, wenn es um die nationale Sicherheit geht.

Auch die Feststellung des FBI, dass es schon früh zum Schluss gekommen sei, es gebe keine Hinweise darauf, dass Paula Broadwell vertrauliche Informationen vom CIA-Chef erhalten habe, obwohl während der Untersuchung auf ihrem Computer Geheimdokumente gefunden wurden, wirft Fragen auf. Außerdem ist es offensichtlich, dass die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, da FBI-Agenten am Montagabend Broadwells Haus in North Carolina durchsuchten und Kisten voll mit Dokumenten heraustrugen.

Broadwell selbst hatte damit geprahlt, dass sie durch ihre Beziehung zu Petraeus einzigartigen Zugang zu Geheimdienstinformationen habe. Während einer Podiumsdiskussion beim Apen Security Forum im Juli erklärte sie: „Mir wurde die Gelegenheit gegeben, bei sehr wichtigen Treffen neben General Petraeus zu sitzen. Ich sitze morgens bei Treffen in SCIFs (streng abgeschirmten Einrichtungen), höre mir vertrauliche Reden über Terrorismus an und so weiter.“

In einer Rede, die sie letzten Monat an der Universität von Denver hielt, sprach Broadwell über bisher unveröffentlichte Informationen über den Anschlag auf das amerikanische Konsulat und die geheime CIA-Anlage in Bengasi am 11. September, bei der der amerikanische Botschafter und drei weitere Amerikaner umkamen.

„Ich weiß nicht, wie viel Sie davon wissen, aber die CIA-Mitarbeiter hatten mehrere libysche Milizionäre gefangen genommen, und man glaubt, dass der Anschlag das Ziel hatte, diese Gefangenen zu befreien“, sagte sie.

Broadwell wuste auch ziemlich genau über die Spezialeinheit Bescheid, die ursprünglich auf den Anschlag in Bengasi reagieren sollte. Sie beschrieb sie als „eine Gruppe von Delta Force-Mitgliedern.“ Im gleichen Gespräch berief sie sich auf Petraeus und erklärte, er habe „mit dem Chef des CIA-Postens in Libyen korrespondiert. Innerhalb von 24 Stunden wussten sie genau was passiert war”.

Ein Sprecher der CIA leugnete kategorisch, dass sie in ihrer Anlage in Bengasi Gefangene festgehalten habe.

Petraeus sollte diese Woche vor dem Geheimdienstausschuss des Senats über den Anschlag in Bengasi aussagen. Zuerst wurde gemeldet, er werde nach seinem Rücktritt nicht aussagen, aber die Vorsitzende des Ausschusses Feinstein erklärte am Dienstag, sie sei bereits dabei, schon für Freitag eine geheime Anhörung mit dem ehemaligen CIA-Chef zu organisieren.

In einem Interview mit der New York Daily News deutete Paula Broadwells Vater Paul Krantz an, dass die Geschichte um eine außereheliche Affäre zwischen seiner Tochter und Petraeus nur ein Ablenkungsmanöver sei, um eine tiefere Krise zu vertuschen.

„Dabei geht es um etwas ganz anderes, und die Wahrheit wird herauskommen“, erklärte er. „Es wird noch viel mehr herauskommen, warten Sie ab. Es geht viel mehr vor sich, als es den Anschein hat.“

 

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