Raumsonde erreicht nach 35 Jahren interstellaren Raum

Fünfunddreißig Jahre sind vergangen, seitdem die beiden Voyager-Raumsonden gestartet wurden. Beide bereiteten den Weg zum Studium des äußeren Sonnensystems, Voyager 2 ist bislang die einzige Raumsonde, die Uranus (1986) und Neptun (1989) erreichte. Voyager 1 ist gegenwärtig die weitest entfernte und schnellste Raumsonde, die noch immer in Betrieb ist und bald das Sonnensystem verlassen und in interstellaren Raum eintreten wird.

Beide Raumfahrzeuge haben seit langem die ursprünglichen Missionserwartungen übererfüllt. Voyager 1 und Voyager 2 starteten am 5. und 20. September 1977. Das Ziel war es, erste aussagefähige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun zu erhalten. Nach dem Vorbeiflug von Voyager 2 an Uranus im Jahr 1989, entschied man, beide Raumsonden in Betrieb zu lassen und die Bordinstrumente für Erkenntnisse zu nutzen, die jenseits des Planeten zu gewinnen sind. So begann das Voyager-Programm zur Erkundung des äußeren Planetensystems und des interstellaren Raums.

Die wissenschaftliche Arbeit, die hinter beiden Raumsonden steckt, war von Beginn an wegweisend. An Bord beider befindet sich eine identische Apparateausrüstung: Instrumente zur Abbildung von Objekten in ultravioletter, sichtbarer und infraroter Wellenlänge, Instrumente zur Messung geladener Teilchen und Magnetfelder, die jeder Planet aufweist, Instrumente zur Untersuchung der kosmischen Strahlung im Teilchenmeer zwischen den Planeten sowie zur Aufzeichnung der Zusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften der Atmosphären der äußeren Planeten.

Zwei herausragende Entdeckungen der Voyager-Sonden sind die aktiven Vulkane auf dem Jupitermond Io sowie die Komplexität der Saturnringe. Voyager 1 hat erstmals einen Blick auf die atmosphärischen Strukturen des Saturnmondes Titan geworfen und Voyager 2 ist nach wie vor die einzige Raumsonde, die Uranus und Neptun aus der Nähe studieren konnte.

Die jüngsten Daten, welche die beiden Voyagersonden übermittelt haben – insbesondere Voyager 1, da sie weiter vorgestoßen ist –, betreffen die Grenzen des Sonnensystems.

In jeder Sekunde emittieren Partikel aus der Sonne mit einem durchschnittlichen Materialgewicht von 1,4 Milliarden Kilogramm. Diese Partikel, bekannt als der Sonnenwind, bewegen sich entlang des Magnetfeldes der Sonne, bis sie in Wechselwirkung mit dem Gas der Milchstraßengalaxie kommen. Sobald der Sonnenwind diesen interstellaren Bereich trifft, verringern die Partikel ihre Geschwindigkeit. Dieser Bereich wird Heliosheath (Sonnenumhüllung) genannt.

Im Jahr 2010 spürte Voyager 1 Partikel auf, die sich mit null Geschwindigkeit relativ zur Sonne bewegen. Dieses Gebiet erhielt den Namen Stagnationszone.

Außerdem entdeckten die beiden Sonden, beginnend mit dem Jahr 2007, Blasen in einem Umfang von 100 Millionen Meilen, welche durch die Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem interstellaren Medium entstehen. Sie haben ihre Ursache im Orientierungsverlust des Sonnenmagnetfeldes nahe des äußeren Randes des Heliosheath, darüber hinaus wirkt die Verlangsamung des Sonnenwindes ein. Die Voyager-Sonden, die ihre Mission fortsetzen, werden zum besseren Verständnis der Entstehung der Blasen beitragen.

Kürzlich stellte Voyager 1 bedeutende Veränderungen in seiner Umgebung fest. Die Intensität der magnetischen Feldlinien der Sonne hat sich verdoppelt und die kosmische Strahlung aus der Galaxie hat sich verhundertfacht. Aufgrund dieser Messungen erwartet die NASA, dass Voyager 1 im Jahr 2014 einen scharfen Rückgang geladener Teilchen in seiner Nähe sowie eine vollständige Veränderung der Ausrichtung des Magnetfeldes registrieren wird; in diesem Augenblick wird Voyager 1 das erste interstellare Raumfahrzeug der Menschheit werden.

Die Voyager-Missionen haben auch eine kulturelle Bedeutung. Beide führen eine mit Gold überzogene phonografische Kupferscheibe mit sich. Sie haben eine Hülle aus Aluminium und Uranium-238. Ihr Inhalt besteht aus dem Klang des „Grußes“ in 55 Sprachen, außerdem eines Grußes an fremde Lebewesen, falls welche sich der Sonde bemächtigen sollten. Der weitere Inhalt besteht in Musik, darunter Bach, Beethoven, Guan Pinghu, Mozart, Stravinsky, Blind Willie Johnson, Chuck Berry und Kesarbai Kerkar, einer Aufnahme der menschlichen Gehirnströme sowie einer Reihe Bildaufnahmen von der Erde.

Die Aufnahmen, die die Voyager-Sonden mit sich führen, sind ähnlich wie diejenigen, mit welchen Pioneer 10 und 11 bestückt sind. Dies ist ein Versuch, einer fremden Intelligenz, die die Sonden entdecken sollte, etwas Verständliches zu übermitteln. Die Platte weist auch eine Abbildung der Sonne in Relation zu vierzehn Pulsaren auf, um eine Positionsbestimmung unseres Sonnensystems innerhalb der Milchstraßengalaxie zu ermöglichen.

Die Entfernung und die Möglichkeiten der Voyager-Sonde haben auch das Foto von der Erde angeregt, welches Carl Sagan als „hellblauen Punkt“ bekannt machte. Voyager 1 hat es 1990 aufgenommen, nachdem die primäre Mission vollendet worden war und die Sonde sich umwendete, um ein Bild von der Erde aus sechs Milliarden Kilometer Entfernung aufzunehmen. Die Erde ist ein einzelnes Pixel auf dem Bild, oder wie Sagan es ausdrückte: „ein Staubkorn, das in einem Sonnenstrahl schwebt.“

Voyager 1 und 2 wurden am Ende der großen Drangperiode der NASA gestartet, die in den 1960er und 1970er Jahren den Weltraum in Angriff nahm. Diese Projekte waren eine der Folgen der geopolitischen Notwendigkeit, die Sowjetunion auf allen Gebieten der Weltraumforschung zu überbieten. Die beiden Sonden waren das Ergebnis eines zurückgeschraubten „Grand Tour“-Programms (Große Planetare Rundreise). Das ursprüngliche Konzept sah die Entsendung mehrerer Sondenpaare zu den äußeren Planeten vor, darunter die Vorbeiflugmissionen Jupiter-Saturn-Pluto und Jupiter-Uranus-Neptun. Die endgültige Mission wurde stattdessen auf zwei Missionen reduziert: Voyager 1, der zum Jupiter und Saturn reiste und Voyager 2, der sich zum Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun begab.

Heute gibt es bei der NASA keine solchen Visionen. Voyager war die letzte Anstrengung im Wettlauf um den Weltraum; die technologischen Meisterleistungen wurden durch die Konkurrenz der Vereinigten Staaten mit der UdSSR angespornt. Ohne eine rivalisierende Supermacht in der Weltarena und mit dramatisch erschöpften Ressourcen, die Folge des lang anhaltenden wirtschaftlichen Niedergangs sind, wurde das amerikanische Weltraumprogramm drastisch zurückgeschraubt.

Es sollen hier nicht die Leistungen geschmälert werden, die immer noch erreicht werden – darunter die laufende Arbeit am Hubble-Weltraumteleskop, die Cassini-Mission zum Saturn und die kürzlich erfolgte Landung von Curiosity auf dem Mars. Das höchst menschliche Streben nach Entdeckungen indessen – dies soll hier betont werden! – wird so lange verkümmern, solange es dem privaten Profitstreben untergeordnet bleibt.

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