Diskussion in Jackson Hole zeigt sich verschärfende Wirtschaftskrise

Den Höhepunkt des diesjährigen Symposiums in Jackson Hole von Bankern und Ökonomen am letzten Freitag und Samstag bildete zwar die Rede des Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Ben Bernanke, aber es gab noch weitere wichtige Beiträge.

Wie Bernankes Rede, in der er implizit versprach, dass die Fed auch weiterhin Milliarden Dollar an billigem Geld ins Finanzsystem pumpen würde, wiesen alle Reden auf die eine oder andere Weise auf den Zusammenbruch der Weltwirtschaft hin.

Vier Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hat die Versammlung in Jackson Hole gezeigt, dass die Zentralbanker nicht nur keine Lösung für die Krise haben, sondern nicht einmal verstehen, wie das System funktioniert, das sie angeblich beherrschen.

Bernanke schnitt seine Bemerkungen für die Öffentlichkeit zurecht und verbarg seine Forderung nach weiteren Geschenken an die Banken hinter der Notwendigkeit, die Wirtschaft anzukurbeln und die zerstörerischen Auswirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Aber obwohl die Fed durch quantitative Lockerung den Finanzunternehmen und der Wall Street Gewinne eingebracht hat, hatte dies keine Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

Das offensichtliche Versagen der Politik, für ein wirkliches Wachstum zu sorgen und das Fehlen von Erklärungen waren das Thema einer Rede des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Fed Donald Kohn.

„Was hält die Wirtschaft zurück? Warum haben wir schon so lange eine so unglaublich günstige Geldpolitik, aber so wenig Wachstum? Das wird wohl ein Rätsel bleiben,“ sagte er.

Kohn wusste keine Antwort: „Wir werden weiterhin versuchen, die Ausgaben von der Zukunft in die Gegenwart zu bringen, mit immer niedrigeren Zinssätzen... Es geht Vieles vor sich, was wir nicht verstehen,“ fuhr er fort.

Adam Posen, der gerade seine Zeit bei der Bank of England beendet hat, stellte dieselbe Frage. „Warum konnten all diese kurzfristigen Zinssätze die Wirtschaft nicht wieder zum Laufen bringen?“

Der Chef der Fed-Niederlassung in St. Louis James Bullard fragte, ob die amerikanische Wirtschaft „im Zuge dieser riesigen Finanzkrise durch einen Strukturwandel“ gegangen sei. Scheinbar sei die Wirtschaft vor der Krise in eine Richtung, danach in eine andere gelaufen, erklärte er.

Diese Einschätzung wurde durch Zahlen aus einem Aufsatz des Ökonomen der Columbia University Michael Woodford gestützt, der zeigte, dass das nominelle Bruttoinlandsprodukt der USA (ohne Inflationsausgleich) im Jahr 2012 15,6 Prozent niedriger lag als vor 2008.

Die weltweiten Statistiken sprechen die gleiche Sprache. Die großen Wirtschaftsmächte, die für etwa 60 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes verantwortlich sind – die USA, Großbritannien, Kanada, die Eurozone und Japan – haben die Zinssätze ihrer Zentralbanken seit fast vier Jahren bei einem Prozent oder weniger gehalten. Dennoch stagnieren diese Volkswirtschaften entweder oder verzeichnen nur ein niedriges Wachstum, die Arbeitslosigkeit liegt bei insgesamt fast 30 Millionen. Diese Stagnation wirkt sich außerdem auf China, Indien und Brasilien aus, Staaten, von denen man hoffte, dass sie für ein globales Wirtschaftswachstum sorgen würden.

Die Konferenz war überschattet von der Krise in der Eurozone, obwohl sie in den Beiträgen kaum erwähnt wurde. EZB-Präsident Mario Draghi sollte am zweiten Tag eine Rede halten, sagte aber ab, angeblich aus Arbeitsüberlastung. Der EZB-Vorstand wird sich am Donnerstag treffen, um über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen die Zentralbank spanische und italienische Staatsanleihen kaufen wird, um die Zinsen niedrig zu halten und eine Finanzkrise zu verhindern. Ende Juli versicherte Draghi, er werde „tun was nötig ist,“ um den Euro zu schützen, aber seither waren sich die europäischen Zentralbanker uneins darüber, wie das umgesetzt werden soll.

Der stellvertretende Verwaltungsdirektor des Internationalen Währungsfonds David Lipton äußerte sich am Rande des Symposiums über die Krise der Eurozone.

„Europa hat Entscheidungen getroffen, und jetzt ist es für die Europäer Zeit... sich zu bewegen und sie umzusetzen,“ erklärte er gegenüber Reuters. Lipton erklärte, die Märkte seien während des nördlichen Sommers durch die Aussagen von Regierungschefs und die jüngsten Erklärungen von Draghi beruhigt worden, und die Zinsen seien gesunken. Aber jetzt sei es Zeit zum Handeln.

Besorgt darüber, wie sich in den USA der weitere Misserfolg im Kampf gegen die Krise der Eurozone auswirken wird, erklärte er: „Ich denke, eine Umkehrung der Stimmung... könnte diese Lage noch mehr zuspitzen, daher ist es für Europa wichtig, einen Fuß vor den anderen zu setzen und damit zu beginnen, ihre Entscheidungen umzusetzen.“

Nach jeder großen Wirtschafts- und Finanzkrise machen sich die Mythenschreiber und Verteidiger der kapitalistischen Wirtschaft daran, die Lüge zu verbreiten, es seien „Lehren gezogen worden“ und es werde gehandelt, um weitere Krisen zu verhindern. Diese Krise ist keine Ausnahme. Aber auch wenn dies nicht beabsichtigt war, wurde die Behauptung, mehr Regulierung könnte einen weiteren Zusammenbruch verhindern, durch die Erklärungen von Andrew Haldane, dem Direktor für Finanzstabilität der Bank of England, glatt widerlegt.

Er forderte einfache Regulierungen und erklärte, nicht einmal Computer könnten alle Variablen in den verknüpften und komplexen Finanzmärkten erkennen. Er erklärte, die internationalen Regeln für Kapitalanforderungen für internationale Banken seien von 30 Seiten im Jahr 1996 auf 304 Seiten im Jahr 2004 und 616 im Jahr 2010 angewachsen. Banken müssten jetzt mit mehreren Millionen Kennzahlen kalkulieren und ihre Entscheidungen auf Schätzungen und Modelle mit zweifelhaften Annahmen basieren statt wie früher auf harte Zahlen.

Haldane warnte, Banken gleichen heute „schwärzesten Dunkelkammern,“ ohne jede Transparenz. Die Option, Regulierer zu beauftragen, um eine weitere Krise zu verhindern, verglich er damit, einem Hund zu befehlen, eine Frisbeescheibe zu fangen und dazu Newtons Gesetz der Schwerkraft anzuwenden.

Haldane klammerte sich aber an die Hoffnung, dass einfachere Regulierungen das Finanzsystem wieder unter Kontrolle bringen würden. Die wirkliche Lage jedoch fasste Marx vor mehr als 160 Jahren zusammen.

„Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse,“ schrieb er, „die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.“

Die Krise, die das Leben von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt verheert, kann nicht durch komplexere oder einfachere Regulierungen bewältigt werden, sondern nur durch den Sturz des Profitsystems und die Verstaatlichung der Banken und des Finanzsystems.

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