Perspektive

Politische Fragen im Kampf gegen die faschistische Goldene Morgenröte

Zehntausende versammeln sich heute auf dem Syntagma Platz in Athen, um ihre Ablehnung der faschistischen Gruppe Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) zu demonstrieren und deren Angriffe auf Einwanderer, Linke und Homosexuelle zurückzuweisen.

Aber seitens der Veranstalter ist die Demonstration ein zynischer Betrug. Sie zielt darauf ab, die Parteien zu rehabilitieren, die die Hauptverantwortung für den Aufstieg der Goldenen Morgenröte tragen. Gleichzeitig verstärken die Organisatoren ihr eigenes Bündnis mit eben diesen Parteien.

Ein ganzer Strauß pseudolinker Gruppen wie die International Workers Left (DEA) und Xekinima fordern die “Einheit der Linken” oder “eine Einheitsfront der Linken” gegen die faschistische Bedrohung. Damit meinen sie die Unterordnung des Kampfs der Arbeiterklasse gegen die Goldene Morgenröte unter die sozialdemokratische Pasok, die Gewerkschaften und Syriza (Koalition der radikalen Linken).

Der Aufstieg der Goldenen Morgenröte ist der Preis dafür, dass diese Parteien entweder direkt die soziale Konterrevolution in Griechenland durchgesetzt haben, oder im Fall von Syriza die Verteidigung des griechischen Kapitalismus und die Erhaltung der Europäischen Union ins Zentrum ihrer Politik stellen.

Pasok hat Griechenland von 2009 bis 2012 regiert und alle Forderungen der Troika (aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond) im Dienst der griechischen Banken und Wirtschaft gegen die Arbeiterklasse durchgesetzt. Als sie die Wahl 2012 verlor, trat sie als Juniorpartner in eine Koalition mit der rechten Partei Neue Demokratie (ND) ein, um die brutalen Sparmaßnahmen fortzusetzen.

Linke Einheit” mit Pasok bedeutet auch Einheit mit der Neuen Demokratie und der Bourgeoisie. Das ergibt sich aus der Unterstützung des Protests durch Pasok-Führer Evangelos Venizelos, Ministerpräsident Antonis Samaras und Fotis Kouvelis von der Demokratischen Linken (einer Abspaltung von Syriza), dem dritten Koalitionspartner in der Regierung. Kouvelis erklärte: „Die demokratischen Kräfte müssen eine Brandmauer gegen all jene errichten, welche die Demokratie angreifen.“

Die Gewerkschaften haben die griechische Arbeiterklasse allein in den letzten vier Jahren zu neunzehn Generalstreiks aufgerufen, außerdem haben sie zahllose Einzelstreiks und Proteste organisiert. Hunderttausende Arbeiter haben daran teilgenommen, um gegen die Zerstörung ihrer Arbeitsplätze, Löhne und ihres Lebensstandards zu protestieren. Aber die Gewerkschaftsführer sorgen systematisch dafür, dass die Kämpfe politisch folgenlos bleiben, indem sie sich weigern, zum Sturz der jeweiligen Regierung zu mobilisieren, die diese Angriffe durchsetzt, und indem sie ihr Bündnis mit Pasok aufrechterhalten.

Für Syriza, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und die diversen Gruppen, die in Antarsya (der Antikapitalistischen Linken Kooperation für den Umsturz) zusammengeschlossen sind, ist die Verteidigung der Gewerkschaften das alles überragende Ziel.

Syriza ist inzwischen die größte Oppositionspartei, weil sie in Worten die Sparmaßnahmen ablehnt. Aber die Partei spricht für eine kleinbürgerliche Schicht, die von der EU lediglich einige Zugeständnisse bei der Geschwindigkeit und der Tiefe der Kürzungen verlangt, um eine wirkliche Oppositionsbewegung der Arbeiterklasse verhindern zu können. Unmittelbar vor der Parlamentswahl im Juni prahlte Parteiführer Alexis Tsipras: „Syriza ist heute die einzige politische Bewegung in Griechenland, die unserem Land wirtschaftliche, soziale und politische Stabilität geben kann.“ Das werde „der Eurozone nützen“ und „die Gemeinschaftswährung retten“. Als die Koalitionsregierung unter der Führung der ND mit der Sparpolitik weitermachte, erklärte Tsipras: „Es ist jetzt nicht die Zeit, die Regierung zu stürzen.“

Monatelang bereiste Tsipras die Hauptstädte Europas, um Kanzlerin Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande und anderen zu versichern, dass Syriza die wirtschaftliche und soziale Ordnung verteidigen werde.

Der Aufstieg der Goldenen Morgenröte war möglich, weil sie die politische Lähmung der Arbeiterklasse durch diese Tendenzen und durch den Opportunismus von Syriza im Besonderen ausnutzen konnte. Die Faschisten kritisieren Syriza regelmäßig als „zweiten Aufguss von Pasok“ und als Partei des Establishments und preisen sich selbst als revolutionäre Alternative an. Die Goldene Morgenröte prahlt, eine Syriza-Regierung werde nur ihr selbst den Weg zur Macht ebnen.

Die Goldene Morgenröte profitiert auch vom Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit der regierenden Parteien, die in der jüngsten Kampagne „Xenios Zeus“ zum Ausdruck kamen. Diese Kampagne zielte darauf ab, 65.767 angeblich illegale Einwanderer festzunehmen und auszuweisen. Wie bekannt wurde, bestehen die Sturmtruppen der Faschisten zu einem großen Teil aus Polizisten außer Dienst. Mindestens die Hälfte der Athener Polizisten haben für die Faschisten gestimmt.

Unter diesen Bedingungen auch nur einer der etablierten Parteien demokratische Verdienste zuzubilligen, ist grotesk. Die griechischen Arbeiter leiden unter einer de facto Diktatur der Banker und der Wirtschaftsinteressen. Diese setzen eine Politik durch, die zu Massenarbeitslosigkeit, der Zerstörung von Sozialstaat, Gesundheitsversorgung und Bildung und zu offener Armut geführt hat.

Arbeiter und Jugendliche müssen nicht nur aus der aktuellen Situation Lehren ziehen, sondern auch aus den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit. Die zentrale Lehre der 1930er und 1940er Jahre lautet, dass die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die angeblich demokratische Bourgeoisie durch die stalinistischen und reformistischen Parteien zum Sieg des Faschismus in einem Land nach dem anderen führte und in einem Krieg endete, der Europa zerstörte.

Von 1936 an wurde Griechenland von einer Polizei- und Militärdiktatur regiert, bevor es erst vom faschistischen Italien und dann von Nazi-Deutschland und Bulgarien besetzt wurde. Die Besatzer fanden in der Bourgeoisie Kollaborateure. Viele von ihnen überlebten den Krieg als wichtige Führer in Politik und Wirtschaft und bildeten schließlich unter dem Kommando des CIA-Agenten Oberst Georgios Papadopoulos die Führung des „Obristenregimes“ von 1967 bis 1974.

Jedes Vertrauen in die Bourgeoisie und ihre politischen Verteidiger hätte heute genauso tragische Konsequenzen.

Die griechischen Arbeiter und Jugendlichen müssen den Kampf gegen die Goldene Morgenröte mit ihren eigenen Mitteln und Methoden aufnehmen. Sie müssen Verteidigungskomitees in allen Arbeitervierteln und Wohngebieten von Einwanderern aufbauen. Sie müssen verstehen, dass es nicht um die Verteidigung der „griechischen Demokratie“ geht, womit nur die Verteidigung des griechischen Kapitalismus gemeint ist, sondern um die Schaffung wirklicher Demokratie durch die soziale Revolution.

Notwendig sind eine politische Offensive und die Aufnahme von Arbeitskämpfen mit dem Ziel, eine Arbeiterregierung zu schaffen. Die Vermögen der Banken und Konzerne müssen enteignet werden, um den Reichtum Griechenlands zur Finanzierung von sozialen und wirtschaftlichen Programmen zu nutzen, Arbeitsplätze zu schaffen und Bildung, Wohnungen und Gesundheitsversorgung bereitzustellen.

Diese Aufgabe können die griechischen Arbeiter nicht alleine schaffen. Dieser Kampf muss bewusst als Teil einer breiteren politischen Mobilisierung der europäischen Arbeiterklasse gegen die Europäische Union und ihre Regierungen und für die Errichtung der Arbeitermacht in den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa geführt werden. Dieser Kampf erfordert den Aufbau neuer, wirklich sozialistischer Parteien, d.h. von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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