Hollywood ehrt Elia Kazan

Teil 3: Manches Verhalten kann man nicht entschuldigen

"Der eine wußte, was der andere dachte. Höfgen dachte von Ihrig, wie Ihrig von Höfgen: Ja ja, mein Lieber, du bist ein genau so großer Schuft wie ich selber." - Klaus Mann, "Mephisto"

Die Zitate zu Beginn jedes Kapitels stammen aus "Mephisto", dem bemerkenswerten Roman von Klaus Mann, Thomas Manns Sohn. Die Hauptperson des Buchs ist Hendrik Höfgen. Mit dieser Figur zeichnete Mann, ich zitiere eine jüngere englisch-sprachige Ausgabe, ein "nur spärlich verhülltes Porträt seines früheren Schwagers, des Schauspielers Gustav Gründgens. Gründgens war mit Klaus Manns Lieblingsschwester Erika verheiratet und anfänglich ein begeisterter Verfechter des Kommunismus gewesen. Unter der Schirmherrschaft von Feldmarschall Göring machte er eine phantastische Karriere in Nazi-Deutschland." Höfgen konnte Karrierismus, Selbstbetrug und Opportunismus nicht widerstehen. Und er war nicht der einzige Künstler oder Intellektuelle, der dem Sirenengesang des Nationalsozialismus erlag. Die Entscheidung, die Kazan Anfang der 50er Jahre treffen mußte - Widerstand oder Anpassung an die Reaktion - stellte sich in der Erfahrung dieses Künstlers mit dem deutschen Faschismus in ihrer schärfsten Form.

Was Kazans Schicksal betrifft, so wirft es viele Fragen auf, von denen keine hier erschöpfend beantwortet werden kann: Warum war vom Standpunkt der herrschenden Klasse aus die McCarthy-Ära notwendig? Warum gab es relativ wenig Widerstand gegen diesen so außergewöhnlich reaktionären Trend? Und - ganz allgemein gefragt - warum ist es in Amerika so schwierig, einen prinzipiellen Standpunkt zu vertreten?

Im Gegensatz zu der oberflächlichen Meinung bürgerlicher Historiker liberaler oder konservativer Couleur ist die amerikanische Bevölkerung nicht grundsätzlich gegen radikale Veränderungen, nicht einmal gegen eine soziale Revolution eingestellt. Die USA waren einer sozialen Revolution in den dreißiger Jahren viel näher, als die Experten je zugeben würden. Bedeutende Schichten der Bevölkerung kamen zum erstenmal in Kontakt mit linken Ideen und fühlten sich davon angezogen. Diese Erfahrung war erschreckend und ernüchternd für die Bourgeoisie. Die Argumentation, daß die McCarthy-Bewegung nur ein Ausbruch von Paranoia war, der in keiner Beziehung zur wirklichen Stärke der radikalen Bewegung stand, wird nicht von Tatsachen gestützt. Die Kommunistische Partei, die trotzkistische Bewegung und die sozialdemokratischen Parteien waren rein zahlenmäßig vielleicht relativ schwach, aber das Engagement der Bevölkerung für eine progressive und demokratische gesellschaftliche Veränderung - das aus dem Kampf gegen den Faschismus resultierte - war aufrichtig.

Schließlich enthält die Geschichte der Vereinigten Staaten ein ganz besonderes ideologisches Erbe. Um das Volk zu hintergehen, beruft sich das politische Establishment oft auf vergangene Kämpfe um "Freiheit", "Gleichheit" und "Demokratie", und versucht dieses Erbe für sich zu reklamieren. Dabei läuft es natürlich Gefahr, daß die Menschen diese Kämpfe um große Ideale, die tatsächlich stattgefunden und große Opfer gefordert haben, auch heute noch ernst nehmen und sie am Ende sogar fortsetzen und vertiefen wollen.

In keinem Land der Welt ist die Kluft zwischen dem politischen Anspruch und der sozialen und politischen Realität tiefer. Wenn sie die Möglichkeit hätten, diese Frage zu analysieren, könnten sehr viele Menschen leicht verstehen, daß der Sturz des Kapitalismus folgerichtig die großen Kämpfe des neunzehnten Jahrhunderts gegen Monarchie, Kolonialismus und Sklaverei ablöst. Mit vollem Recht könnte man sagen, daß die Mächtigen - angesichts einer im höchsten Maße proletarisierten Bevölkerung und hochentwickelten Wirtschaft - unerbittlich gegen den Sozialismus kämpfen, gerade weil er eine so vernünftige und einleuchtende Perspektive bietet.

Die gesellschaftliche Entwicklung geht natürlich nicht auf diese Art und Weise vonstatten - in formal logischen Schritten -, sondern durch den lebendigen Kampf, in dem das Bewußtsein, die Bereitschaft und das Selbstvertrauen der kämpfenden Parteien eine entscheidende Rolle spielt. Um zu erklären, warum die McCarthy-Bewegung trotz der starken demokratischen Traditionen der amerikanischen Bevölkerung und ihrer potentiellen Sympathie für den Sozialismus ein so leichtes Spiel hatte, müssen bestimmte soziale und kulturelle Probleme berücksichtigt werden.

Man sollte nicht außer Acht lassen, daß die Hexenjagd zwar eine ausdauernde und fanatisch betriebene Kampagne, im Großen und Ganzen jedoch nicht von physischer Unterdrückung begleitet war. Natürlich gab es das entsetzliche Beispiel der Rosenbergs. Außerdem mußten einige Mitglieder der Kommunistischen Partei ins Gefängnis; und viele Linke verloren ihr Einkommen. Aber eine große Zahl, wie auch Kazan, kapitulierten ohne Angst vor irgendwelchen besonderen Vergeltungsmaßnahmen. Viele Zeitgenossen bestätigen, daß Kazan seine Karriere am Theater oder in Europa hätte fortsetzen können. Gerade dies macht sein Verhalten so aufschlußreich.

Warum haben so viele Vertreter besonders der liberalen und künstlerischen Intelligenz so wenig Rückgrat gezeigt? Es reicht nicht aus, auf persönliche Schwächen, individuelle oder kollektive, zurückzugreifen.

Die Sache entbehrt nicht der Ironie: Zwar gelten die USA als Land des Individualismus, aber es gibt wohl nirgendwo auf der Welt einen so intensiven, unerbittlichen Anpassungsdruck. Kazan sagt vermutlich die Wahrheit, wenn er beteuert, er habe es nicht "für Geld" getan. Wahrscheinlicher ist, daß er aus Angst vor sozialer Ächtung und Verlust der Anerkennung ausgesagt hat.

Letztendlich hängen der große Lohn der Anpassung wie auch der hohe Preis für Widerstand mit dem Zustand des US-Kapitalismus zusammen. Um Ende der vierziger Jahre ihre Ideologie der verbrannten Erde zu lancieren, mußte die amerikanische Bourgeoisie überhaupt erst einmal die Möglichkeit dazu haben. Sie war als mächtigste herrschende Klasse der Welt aus dem Krieg hervorgegangen; sie verfügte über eine fast unangefochtene wirtschaftliche Vorherrschaft und riesige finanzielle Ressourcen. Ihr Staat stand im Ansehen, eine zentrale Rolle bei der Niederschlagung von Nazi-Deutschland gespielt zu haben, ein Ruf, den die amerikanische Kommunistische Partei durch ihre greuliche superpatriotische Losung ("Kommunismus ist der Amerikanismus des 20. Jahrhunderts") noch verstärkte. Die herrschende Klasse in Amerika befand sich in der einzigartigen Position, Bestechung, Schmeichelei und Einschüchterung gleichzeitig einsetzen zu können, um eine tatsächliche oder potentielle Opposition zu neutralisieren.

Die ideologische Schwäche der Bevölkerung spielte natürlich auch eine Rolle. Das Fehlen einer starken sozialistischen Tradition, ein relativ niedriges Niveau des Klassenbewußtseins und die Unfähigkeit, aus Erfahrungen allgemeine politische Schlußfolgerungen zu ziehen, machten viele Menschen für antikommunistische Propaganda empfänglich, und das ganz besonders unter Bedingungen eines generell steigenden Lebensstandards und wirtschaftlichen Aufschwungs. Auf die Intelligenz wirkte sich verheerend aus, daß es kaum eine Opposition mit ausgeprägtem Klassenbewußtsein gab. Der Stalinismus hatte in den späten dreißiger Jahren entscheidend zu diesem Problem beigetragen, als er den Kampf für sozialistische Politik unter Künstlern und Intellektuellen durch seine zynische Kampagne für "Freundschaft mit der Sowjetunion" (d. h. "Freundschaft" mit der Bürokratie und Schweigen über Stalins Verbrechen) ersetzte.

Persönlichkeiten wie Elia Kazan schlossen sich auf dem Höhepunkt der Depression der antikapitalistischen sozialen Bewegung an. Sobald die Stimmung umschlug, rächte sich jedoch, daß sie vieles nicht duchdacht und nur unkritisch übernommen hatten. Zu diesem Zeitpunkt (gegen Ende der vierziger Jahre) waren sie wohlhabend oder dabei, es zu werden, anerkannt und vom Show Business gefeiert. Und deshalb waren Kazan und andere nicht bereit, sich der Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse und der sozialen Sache zu erinnern, an die sie einmal geglaubt hatten. Nachdem sie den Ruhm gekostet hatten, konnten sie den Gedanken an Isolation nicht mehr ertragen. Denn in Amerika ist man ein Nichts, eine menschliche Null, solange man nicht ein Star ist, vom Erfolg überwältigt. Sich gegen die offizielle Gesellschaft zu stellen, bedeutet vor allem, ein Leben außerhalb des Rampenlichts zu führen.

Wenn man die Frage stellt, warum es in den USA so schwierig ist, Rückgrat zu zeigen, dann stößt man auf eine weitere Frage, die damit zusammenhängt: Warum ist es so schwer, in den USA ein großer Künstler zu sein? Weil große Kunst außergewöhnliche geistige Unabhängigkeit und Stärke erfordert, enorme Kraft, äußerem Druck zu widerstehen, und die unnachgiebige Verteidigung der eigenen inneren Wahrheit. Solange es an diesen Qualitäten mangelt, kann sich Kunst nicht voll entfalten.

Kazan, Budd Schulberg und die übrigen Denunzianten handelten wie nichtswürdige Feiglinge, um ihre eigene Karriere zu retten. Sterling Hayden war in seiner Autobiographie ehrlich genug, das zuzugeben. Er schreibt: "Ich denke an Larry Parks, der sich selbst dem Vergessen anheim gegeben hat. Nun ja, ich habe diesen Fehler nicht gemacht, auf keinen Fall. Ich war ein wirklich guter Wurm, was das Kriechen angeht... Ich habe [damals] eine Rolle nach der anderen bekommen... Sie standen alle Schlange, um so schnell wie möglich aus meinem neuen Status als sauberer Kulturheld Profit zu schlagen." Kazan rettete seine Haut und drehte nach seiner Denunziation noch elf Filme. Aber was war von ihm noch übrig?

Man könnte mir vorwerfen, daß ich mich zu sehr um das Schicksal eines Menschen kümmere, der sich so schändlich verhalten hat. Das Interesse an der Kunst und an Künstlern verpflichtet mich jedoch, eine Art Rechenschaft darüber abzulegen. Wenn man gegen das eigene bessere Ich handelt, wie Kazan es getan hat, dann setzt das einen Prozeß der inneren Selbstvernichtung in Gang, der sehr langsam vonstatten gehen kann, je nach dem moralischen Zustand des Individuums. Marlon Brando, vielleicht einer der größten Schauspieler, mit denen Kazan arbeitete, hat den vom Regisseur angerichteten Schaden nicht voll erfaßt, aber die menschliche Dimension verstanden, als er feststellte, daß "Kazan anderen sehr geschadet hat, am meisten aber sich selbst".

Die Worte "Kazan" und "Denunziant" verschmolzen ab diesem Zeitpunkt zu einem Begriff. Vom Standpunkt der geistigen und künstlerischen Entwicklung Kazans aus war das Schlimmste an seinem Handeln, daß es ihn unausweichlich dazu verdammte, sich für den Rest seines Lebens zu rechtfertigen. Er sollte nie mehr den Luxus genießen, sich aufrichtig einem anderen Problem widmen zu können. Er zerstörte seine eigene künstlerische Bewegungsfreiheit.

Zweifellos hat Kazan ganz einfach versucht, sich von einer Vergangenheit zu lösen, der gegenüber er keine Verpflichtung oder Sympathie mehr empfand, und die drohte, seine vielversprechende Karriere zu vernichten. Niemand ist verpflichtet, Ideen treu zu bleiben, die er inzwischen ablehnt. Aber auf die Seite des Todfeinds jedes sozialen Fortschritts überzugehen, ist etwas anderes. Kazan dachte, er könne ungestraft mit der Geschichte Katz und Maus spielen. Aber wenn es eine Lehre aus dem Debakel seines Lebens und seiner Karriere gibt, dann lautet sie: Ein solches Handeln hat Konsequenzen.

Kazans Autobiographie hinterläßt einen besonders schalen Nachgeschmack. Sie enthält einige recht treffende Schilderungen von Personen und künstlerischen Unternehmungen, viele bekannte Namen und jede Menge Frauengeschichten. Im Kern geht es in diesem Buch jedoch um Selbstmitleid, Selbstbeobachtung und Rechtfertigung. "Jeder hat seine Gründe", schreibt er. Dieser Satz, der seit Jean Renoir ein geflügeltes Wort ist, klingt aus Kazans Mund recht übel. Er meint damit: Jeder hat seine Gründe ein Schwein zu sein.

Seine Autobiographie, A Life,hat einen provokativen Grundton. Es ist eine Art von künstlerischem Bekenntnis, wie es in den letzten Jahrzehnten Mode geworden ist. Der Autor erzählt von all den scheußlichen Dingen, die er getan hat, und verhöhnt den Leser mehr oder weniger: Ja, ich bin ein Arschloch, und was hältst Du davon? Und immer läuft es darauf hinaus, daß es zur künstlerischen Persönlichkeit gehört, ein Schwein zu sein; und je größer die künstlerische Persönlichkeit, um so größer das Schwein. Kazan versucht uns glauben zu machen, und vielleicht glaubt er es selbst, daß die Denunziation seiner früheren Genossen nicht schlimmer sei, als die Manipulation eines Schauspielers bei den Dreharbeiten oder das Betrügen seiner Frau.

Jedenfalls läßt sich nicht alles dadurch entschuldigen, daß man ein Talent oder sogar Genie ist. Marxisten halten es für notwendig, eine künstlerische Leistung objektiv einzuschätzen. Natürlich muß man zwischen dem Künstler und seiner Kunst unterscheiden. Es liegt uns fern, alle Abfalltonnen nach Beweisen für die diversen Sünden eines Dichters, Malers oder Komponisten zu durchwühlen. Aber der Unterschied ist relativ und nicht absolut. Die Menschheit darf mit Recht erwarten, daß dem Künstler ihre Sorgen - in einem sehr allgemeinen Sinn - am Herzen liegen. Wir sprechen hier nicht von der etablierten Gesellschaft mit ihrer hohlen und doppelzüngigen Moral, sondern von der leidenden Menschheit, die keine Lobby hat. Mitleid, eine demokratische Grundeinstellung, selbst eine Art Würde - ist das zuviel verlangt?

Natürlich bringen auch unvollkommene menschliche Wesen Kunst hervor, und nicht nur Kunst. Sie verletzen andere und sich selbst, aber warum sollte man solche unvermeidlichen Fehler und Übeltaten zur Tugend oder gar zum Programm erheben? Die Geschichte lehrt uns, daß die Klassengesellschaft gelegentlich begabte Menschen derart verstümmelt, daß sich in ihnen künstlerischer Genius und persönliche Niedertracht vereint. Warum sollte man darin nicht einfach einen unglücklichen Umstand sehen, ein weiteres Zeichen dafür, daß diese Gesellschaft mit der Forderung nach menschlichem Glück unvereinbar ist, und nicht als Beweis, daß Genialität Niederträchtigkeit voraussetzt?

Kunst kann vieles, aber nicht alles erklären. Wir hören uns Richard Wagners Musik (oder Teile davon) mit Genuß an, aber das vertreibt den Gestank seines Antisemitismus nicht, noch seiner insgesamt miesen Auffassungen. Offen gesagt, man erinnert sich an ihn sowohl wegen seiner Musik, als auch wegen seiner Ideen. Ist es denn nicht von Bedeutung, daß die kollektive Erinnerung der Menschheit einen Mozart höher schätzt als einen Wagner; einen Van Gogh höher als einen Degas, einen Döblin höher als einen Céline und einen Breton höher als einen Eliot?

Was Kazan angeht, so bringt er auf Seite 600 seiner Autobiographie die Dinge ganz gut auf den Punkt: "Über Jahre hinweg habe ich mich, was Politik betrifft, als begeisterten Liberalen bezeichnet und legte all die öffentlichen Glaubensbekenntnisse ab, aber die Wahrheit war - und ist -, daß ich wie die meisten von euch ein Bourgeois bin. Ich gehe herum und bin charmant zu den Leuten, aber wenn es zu einer Krise kommt, dann zeigt sich, daß ich ein Mensch bin, der sich, wie die meisten Künstler, nur für eine einzige Sache interessiert: für sich selbst."

Eine bemerkenswerte Aussage. Kazan meint, daß er hier besonders clever ist, daß er eine zentrale, wenn auch unangenehme allgemeingültige Wahrheit verkündet. In Wirklichkeit offenbart er nur sein außergewöhnliches Spießbürgertum. Was ist die Logik dieser Bemerkung? Daß das Leben in erster Linie darin besteht, daß man sich um sich selbst kümmert, und Kunst vermutlich insofern nützlich sein kann, als sie einem dazu verhilft, eben dies zu tun. Wer Kunst so als Mittel zum Zweck, als etwas Äußerliches versteht, das nicht aus der Bestimmung der eigenen Existenz hervorgeht, ist als Persönlichkeit nicht ernst zu nehmen. Ein großer Künstler, man könnte sagen ein wirklich ambitionierter Künstler muß verstehen, daß das, was mit seiner Kunst passiert, viel wichtiger ist als sein persönliches Schicksal.

Marx, der dies verstand, schrieb 1842: "Der Schriftsteller betrachtet keineswegs seine Arbeiten als Mittel. Sie sind Selbstzwecke, sie sind so wenig Mittel für ihn selbst und für andere, daß er ihrer Existenz seine Existenz aufopfert, wenn's not tut, und in anderer Weise, wie der Prediger der Religion zum Prinzip macht: ‘Gott mehr gehorchen, denn den Menschen.'" (Marx Engels Werke Bd. 1, S. 71)

Kazans Erklärung ist eine Verleumdung der Kunst und ein Versuch, seine eigenen Vergehen zu verharmlosen, indem er behauptet, jeder wäre zu so etwas fähig. Nicht jeder, nur ein bestimmter Typus. Daß die gegenwärtige kulturelle Landschaft von Künstlern wimmelt, die nur an sich selbst denken, ist unter anderem dem Vorbild und Vermächtnis Elia Kazans und seinesgleichen zuzuschreiben. Die Medien verfassen Loblieder auf Kazan, weil er ihrer Vorstellung von einem Künstler entspricht: ein Mann oder eine Frau, die anspruchsvolle Arbeit leisten können - aber nichts, was allzu beunruhigend wäre; bereit, für politische Prinzipien einzutreten - solange das keine Scherereien mit der Obrigkeit bereitet; der Kunst ergeben - es sei denn, sie verlange zuviel.

Die Ehrung Kazans ist Bestandteil eines Trends zur allgemeinen Rehabilitierung von Antikommunismus und der McCarthy-Ära. Eine Zeitlang war es in gewissen Kreisen Mode, "links" zu sein. Jetzt spürt man einen großen Hunger, ein tiefes Bedürfnis seitens einiger ehemaliger Liberaler und Radikaler, sich im Nachhinein bei den Hexenjägern einzuschmeicheln, um endlich auf der "Seite der Sieger" zu stehen. Dies ist der Auftakt und eine Blankovollmacht für einen erneuten, ernsten Angriff auf demokratische Rechte.

Indem sie Kazan applaudieren, applaudieren die Mitglieder der Akademie sich selbst. Was drücken sie damit aus? "Unter ähnlichen Umständen würden wir ganz genauso handeln." Das Establishment der Filmindustrie macht den Künstler-Denunzianten zum Vorbild für Gegenwart und Zukunft. Eine solche Ehrung kann zu nichts Gutem führen. Wir verurteilen die Entscheidung der Akademie. Man hüte sich vor denjenigen, die Feigheit und Mangel an Prinzipien belohnen! Wie James P. Cannon, ein aufrichtiger Antistalinist, zwei Monate nach Kazans Aussage vor dem HUAC in bezug auf ein anderes typisches Exemplar der McCarthy-Ära, Whittaker Chambers, erklärte: "Der amerikanische Kapitalismus, der zu verfaulen begann, bevor er zur Reife gelangte, bejubelt die Spitzel und Denunzianten, die andere verraten und sich selbst bereichern, als Verkörperung seiner höchsten Werte. An ihren Helden sollt Ihr sie erkennen."

Bibliographie:

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Howard Zinn, A People's History of the United States, New York: 1980

Siehe auch:
Teil 1: Die Entscheidung Elia Kazan den Ehren-Oscar zu verleihen
(27. März 1999)
Teil 2: Antikommunismus und Filmindustrie
( 31. März 1999)
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