Internet Vandalen bedrohen demokratische Rechte im World Wide Web

Die Verursacher der koordinierten Angriffe, durch die Anfang letzter Woche der Zugriff auf bekannte Websites verhindert wurde, sind ebenso wie ihre Motive bisher nicht bekannt. Aber unabhängig davon, wer diese Aktionen unternommen hat und was die subjektiven Absichten der Täter waren, objektiv ist die Attacke auf das Internet ein reaktionärer Angriff auf demokratische Rechte.

Der Versuch, den relativ offenen Charakter des Internets auszunutzen, um gezielt Websites zu behindern, ist ein Sabotage-Akt, der keinen fortschrittlichen Inhalt haben kann. Außerdem nutzt er nur jenen wirtschaftlichen und politischen Kräften, die das World Wide Web unter Kontrolle bekommen und den freien Informationsfluss und Meinungsaustausch über dieses machtvolle internationale Medium beschränken wollen.

An drei aufeinanderfolgenden Tagen wurden führende Websites durch einen sogenannten "Denial of Service" (DoS) Angriff getroffen. Während die für einen solchen Angriff benötigte Technik nicht besonders aufwendig ist, deutet das Ausmaß der Angriffe auf beträchtliche Vorplanung und mit hoher Wahrscheinlichkeit die koordinierten Anstrengungen von mehreren Hackern hin.

Bei einem DoS-Angriff werden ein oder mehrere Computer so programmiert, dass sie wiederholt Anfragen an eine Website schicken, bis hin zu mehreren Tausend pro Sekunde. Dadurch wird die Website überlastet und normale Besucher erhalten keinen Zugriff auf die Site mehr. Es wird vermutet, dass die für die Angriffe der letzten Woche verantwortlichen Personen zunächst unbemerkt ein dafür vorgesehenes Programm auf Dutzenden, wenn nicht Hunderten von unverdächtigen mit dem Internet verbundenen Computern installierten. Dann wurden diese Programme dazu veranlasst, gleichzeitig die anvisierten Websites mit vielen Tausenden von Nachrichten und Anfragen zu überfluten.

Am Montag war das Internet-Portal Yahoo, dessen täglicher Besucherverkehr (42 Millionen Besucher) an zweiter Stelle hinter AOL liegt, drei Stunden lang lahmgelegt. Am Dienstag wurde die Online-Buchhandlung Amazon stark getroffen, Time Warners CNN war zwei Stunden lang beeinträchtigt und die Auktions- bzw. Handels-Websites Ebay und Buy.com waren fast den ganzen Tag über kaum oder gar nicht zu erreichen. Am Mittwoch war ZDNet, eine Website mit aktuellen technischen Nachrichten, zwei Stunden lang offline und der Wertpapier-Handel E-Trade war mehrere Stunden sporadisch gestört.

Auch große Internet Provider wie die zu MCI WorldCom gehörende Firma UUNet und Microsofts MSN berichteten über Verlangsamungen und Störungen als Ergebnis der Angriffe auf die betoffenen Websites. Die Firma Keynote Systems, die die Zugriffsgeschwindigkeit von Websites misst, berichtete am Mittwoch, dass es während der Angriffe acht Sekunden dauerte, um die Homepage einer typischen Website abzurufen, und damit etwa doppelt so lange, wie in den zwei Wochen vorher.

In Washington kündigte die Generalbundesanwältin Janet Reno an, dass das FBI mit der Untersuchung der Internet-Angriffe begonnen habe. Reno sagte, dass dem Justizministerium die "Motive hinter diesen Angriffen nicht bekannt" seien. Allerdings haben einige Beobachter darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt möglicherweise nicht ganz zufällig war. Sie verwiesen darauf, dass viele der wichtigsten Internet Sicherheits-Experten des Landes eine Konferenz der North American Network Operators' Group in San Jose in Kalifornien besuchten, als die Angriffe begannen. Der Angriff auf Yahoo begann nur Minuten nachdem ein Experte des Forschungsinstituts von AT&T eine Rede über DoS-Angriffe und Maßnahmen zu deren Abwehr beendet hatte.

Diese Akte von Cyber-Vandalismus spielen direkt in die Hände von Regierungsstellen, die größere polizeiliche Eingriffsmittel für das Internet fordern. Die Untersuchung des FBI wird zweifellos benutzt werden, um zu testen, wie weit der Staat in der Lage ist, den Verehr auf dem Internet zu beobachten und den Ursprung der Nachrichten herauszufinden. Das FBI hat bereits begonnen, die elektronischen Aufzeichnungen der getroffenen Firmen und ihrer Partner im Web zu untersuchen. Das FBI sammelt Log-Dateien von Internet Service Providern, aus denen abzulesen ist, woher die Datenpakete kamen.

FBI-Direktor Louis Freeh drängt seit einiger Zeit den amerikanischen Kongress dazu, dem FBI größere Vollmachten beim Abhören und Überwachen von nationalen Telefon- und Computer-Netzwerken zu erteilen. Im letzten Juli verbreitete die Clinton-Administration einen Plan für ein umfangreiches Software-System zur Beobachtung von Regierungs-Computern und möglicherweise derjenigen der Privatindustrie. Dieses als "Federal Intrusion Detection Network" oder Fidnet bezeichnete System hat Bürgerrechtsexperten alarmiert, die erklärten, dass es zur Einschränkung der Privatsphäre im Internet benutzt werden könnte.

Es ist zu früh zu sagen, ob die Verantwortlichen für die Angriffe der letzten Woche aus dem Milieu von Anti-Cyber Aktivisten kamen, die in der modernen Technik eine bösartige Macht sehen. Aber auch wenn sich diese Vermutung als falsch herausstellt, unterstreichen die Ereignisse der letzten Woche dennoch den reaktionären Kern dieser besonderen Form von kleinbürgerlicher Politik. Weit entfernt davon, Ausdruck einer demokratischen Gesinnung zu sein, bekunden die heutigen Maschinenstürmer einen morbiden Pessimismus und ein tiefes Misstrauen in die Fähigkeit der Werktätigen, eine breite Bewegung für fortschrittliche und revolutionäre Veränderungen aufzubauen.

Derartige Versuche, das Internet zu behindern, wenden sich auch nicht gegen seine zunehmende Kontrolle durch mächtige Wirtschaftsunternehmen oder gegen die Einschränkung seiner politischen und intellektuellen Ausdrucksmöglichkeiten, die ein unvermeidbares Nebenprodukt der Kommerzialisierung des Mediums sind. Im Gegenteil, sie fördern das Bestreben von Unternehmen und Regierungen, das demokratische Potential des Internets zu auszuhöhlen.

Ereignisse wie die Cyber-Angriffe der letzten Woche ergänzen die antidemokratischen Tendenzen, die eine Folge der zunehmenden Monopolisierung des Internets und der Telekommunikations-Industrie insgesamt sind, wie sie in der vor kurzem angekündigten Fusion von AOL und Time Warner zum Ausdruck kommt.

Siehe auch:
AOL übernimmt Time Warner
(27. Januar 2000)
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