Die traurige Hinterlassenschaft von Hafiz al Assad

Die politische Laufbahn des syrischen Präsidenten Hafiz al Assad, der am 10. Juni nach dreißig-jähriger Herrschaft starb, zeugt von der organischen Unfähigkeit der arabischen Bourgeoisie, dem Streben der arabischen Massen nach Freiheit von ausländischer Dominanz, nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu entsprechen.

Assad wurde oft als "starker Mann" bezeichnet, und tatsächlich ließ er jede Opposition gegen seine Herrschaft rücksichtslos niederschlagen. Doch wie so oft, diente auch Assads harte Hand als letzte Zuflucht eines schwachen Regimes.

Assads Herrschaft war ein einziger Eiertanz. Im Inneren manövrierte er zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessen und Fraktionen, die sich an Religion, Clan oder Geographie anlehnten. Er bediente sich diplomatischer Mittel, griff aber durchaus auch auf Palastintrigen, politische Säuberungen oder den Henkersstrick zurück. Schließlich begab er sich in die Obhut von Sponsoren, die mächtiger waren als er. Während der ersten zwanzig Jahre seiner Herrschaft, die in die Zeit des Kalten Krieges fielen, war er ein Klient der Sowjetunion. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR zog es ihn immer unwiderstehlicher zu der amerikanisch-israelischen Achse hin.

Das Fehlen jeder tatsächlichen Unabhängigkeit schlug sich in Assads außenpolitischem Schlingerkurs ebenso nieder wie in dem krassen Widerspruch zwischen seinen Worten, die gar nicht anti-zionistisch genug sein konnten, und seinen Taten. Assad gehörte zwar der sogenannten "Abwehrfront" gegen Israel an, dennoch schlug er in Sachen Verrat an den Palästinensern alle Rekorde seiner Amtskollegen in der Region, die sich in ihrem Verhalten gegenüber den traditionellen Feinden der arabischen Massen auch nicht mit Ruhm bekleckerten.

In der westlichen Presse wurde Assads charakteristische Unentschlossenheit und sogar Lähmung - wenn es nicht gerade um die Niederschlagung einer inneren Opposition ging - im allgemeinen als Modus Operandi eines Meistertaktikers aufgefasst. In Wirklichkeit widerspiegelte sich in diesen Merkmalen die ausweglos kompromittierte Position der arabischen nationalen Bourgeoisie - einer Gesellschaftsklasse, die zu ihrem Unglück in der Epoche des Imperialismus entstand, als der Weg der Nationenbildung, wie ihn in früheren Jahrhunderten England, Frankreich, die USA und andere Länder beschritten hatten, Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung nicht länger offen stand.

Schwach, zerstritten, zum einen mit unzähligen Fäden an die vorkapitalistischen Clanstrukturen und die großen Grundbesitzer gebunden, zum anderen in wirtschaftlicher Abhängigkeit von westlichen Geldgebern befangen - in dieser Lage schufen sich die arabischen bürgerlichen Führer aufgeblähte Militär- und Geheimdienstapparate, nicht um die einst den Palästinensern gehörenden Gebiete zu befreien, sondern um die Ausdehnung Israels abzuwehren und die eigene Bevölkerung zu unterdrücken. So verhielt sich das ganze Genre - Mubarak in Ägypten, König Hussein in Jordanien, Saddam Hussein im Irak, Assad in Syrien.

Weil Syrien jedoch im Unterschied zu seinen östlichen Nachbarn über keine riesigen Ölvorkommen verfügte, konnte Assad noch weniger als die irakischen Baathisten auch nur Ansätze zu einer modernen industriellen Wirtschaft und einem Sozialstaat schaffen. Weniger noch als Saddam Hussein konnte er seine Abhängigkeit von Polizei, Militär und Geheimdiensten mit Verweisen auf einen gewissen gesellschaftlichen Fortschritt rechtfertigen.

Die Anfänge der Karriere Assads

In Assads Geburtsjahr 1930 war Syrien noch französisches Protektorat. Er gehörte der kleinen Gemeinde der alewitischen Schiiten an, während das Land mehrheitlich von sunnitischen Moslems bewohnt war. Die Alewitenstämme galten der Kolonialmacht Frankreich als Werkzeuge der alten Strategie des Teile und Herrsche; sie genossen daher bestimmte Privilegien. Assad durfte als erster seines Dorfes eine höhere Schule in Latakia besuchen, wo ihn bald die politische Massenbewegung erfasste, die im Jahr 1946 schließlich zum Abzug der Franzosen aus Syrien führte.

Das neue unabhängige Syrien, das von großen landbesitzenden Familien beherrscht wurde, wurde gleichbedeutend mit politischer Instabilität. Verschiedene Regierungen lösten sich per Staatsstreich ab. Die vorherrschenden Richtungen des politischen Lebens waren der arabische Nationalismus, der Stalinismus der Kommunistischen Partei Syriens (die sich an den arabischen Nationalismus anpasste) sowie der islamische Fundamentalismus. Im Alter von 16 Jahren schloss sich Assad der neugegründeten Arabischen Sozialistischen Baath-Partei an, deren Name in der Übersetzung "Arabische Wiedergeburt" lautet. Sie vertrat einen säkularen, in sozialistische Phraseologie gekleideten pan-arabischen Nationalismus.

Assad trat in die Luftwaffe ein und stieg rasch auf. Er wurde zur Ausbildung in die Sowjetunion geschickt, später nach Ägypten. Das war Ende der fünfziger Jahre, zur Zeit der vergeblichen Versuche, Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik zusammenzuschließen. Im Jahr 1963 ergriff die Baath-Partei in Damaskus die Macht, und Assad wurde Kommandeur der Luftwaffe. Im Jahr 1966 stürzte ein radikaler linker Flügel innerhalb der Baath-Partei die Fraktion, die drei Jahre zuvor die Regierung gestürzt hatte. Im Alter von 35 Jahren wurde Assad zum Verteidigungsminister ernannt.

Trotz seiner frühen Beziehungen zum linken Parteiflügel war Assads Aufstieg zur Macht mit einer rechtsgerichteten Reaktion gegen den ursprünglichen Radikalismus der Baath-Partei verknüpft, und zwar nach der verheerenden Niederlage der arabischen Truppen im Krieg mit Israel 1967. Die syrischen Truppen, deren Reihen durch ständige Staatsstreiche und innere Kämpfe dezimiert worden waren, konnten der militärischen Stärke der Israelis nicht standhalten. Sie hielten zwar am längsten durch, mussten aber am Ende die Golanhöhen räumen. Die Niederlage stärkte die konservativen Kräfte innerhalb der Baath-Partei und das Militär, zu dessen Sprecher Assad wurde.

Vor allem ein Ereignis trieb die Konflikte in der syrischen Baath-Partei auf die Spitze und begründete Assads zweifelhaften Ruhm. Es folgte der Entsendung von syrischen Panzern nach Jordanien im September 1970, mit der die palästinensische Bevölkerung, die dort die Mehrheit bildete, gegen König Hussein unterstützt werden sollte.

Assads Außenpolitik und die Palästinenser

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) war eine radikale nationale Bewegung, die viel Unterstützung in der Bevölkerung gewann, nachdem sich die arabischen Regierungen durch das Debakel von 1967 diskreditiert hatten. König Hussein unternahm einen Angriff auf die PLO-Truppen in Jordanien, weil es deren erklärte Politik war, seine und die übrigen Monarchien im Nahen Osten zu stürzen.

Die jordanische Regierung wurde umgehend sowohl von Israel als auch den USA unterstützt. Letztere entsandten ihre Sechste Flotte in das östliche Mittelmeer. Syrien und Irak unterstützten beide die Palästinenser, und Syrien entsandte eine Panzerbrigade nach Jordanien. Doch Verteidigungsminister Assad opponierte gegen die militärische Unterstützung der Palästinenser, weil er fürchtete, dass Syrien in einen ausgewachsenen Krieg mit Israel hineingezogen werden könnte. Als die syrischen Panzer unter jordanischen Beschuss gerieten, weigerte er sich, ihnen Deckung aus der Luft zu geben, so dass die Brigade zum Rückzug gezwungen wurde. Nun waren die Palästinenser isoliert. In Pogromen, die als "schwarzer September" in die Geschichte eingingen, metzelten Husseins Truppen Tausende nieder.

Assads Verrat an den Palästinensern in Jordanien wurde zum Muster künftiger ähnlicher Vorfälle. Besonders berüchtigt war Assads duldende Mitwirkung an dem Massaker der libanesischen Falangisten an Palästinensern im Beiruter Flüchtlingslager Tel al Zaatar 1979.

Wenige Wochen nach dem schwarzen September, im November 1970, ergriff Assad an der Spitze eines Militärputsches in Damaskus die Macht. Er festigte seine Stellung, indem er Schlüsselpositionen insbesondere im Militär, in den Sicherheitsdiensten und in der Regierungsbürokratie mit Mitgliedern seines Alewitenclans besetzte. Assads Machterhalt, dem die westlichen Regierungen heute dreißig Jahre Stabilität in Syrien zuschreiben, wurde weitgehend durch den umfassenden Einsatz von 15 verschiedenen Geheim- und Sicherheitsdiensten sowie eine rigide staatliche Kontrolle der Medien und aller Kommunikationsformen gewährleistet.

Assad stellte sich gern als Verteidiger und Freund des palästinensischen Volkes dar. Doch seine Unterstützung der Palästinenser war stets den nationalen Interessen Syriens nachgeordnet, die wiederum mit dem Erhalt seines eigenen Regimes gleichgesetzt wurden. Wiederholt überließ er die Palästinenser ihrem Schicksal, um Syrien vor dem Zorn Israels und der USA zu bewahren. Seine "Unterstützung" für die palästinensische Sache war genau genommen der Versuch, die palästinensischen Massen zu dominieren und sie als Faustpfand seiner außenpolitischen diplomatischen Manöver und seiner innenpolitischen Machtpolitik zu benutzen. Schon 1966, als Arafat erstmals die syrische Kontrolle abzuschütteln versuchte, ließ Assad ihn und einige seiner wichtigsten Anhänger 55 Tage lang im Gefängnis Mezze einsperren.

Im Jahr 1973 führte Syrien gemeinsam mit Ägypten einen erfolglosen Krieg gegen Israel, um die Golanhöhen zurückzuerobern. Danach begann der ägyptische Präsident Anwar Sadat, den USA und Israel offene Avancen zu machen. Zwei Jahre später brach im Libanon der Bürgerkrieg zwischen der von Israel unterstützen faschistischen Christenmiliz, den Falangisten, und den verarmten Schiiten- und Drusengemeinden sowie palästinensischen Flüchtlingen aus, die insgesamt die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Assad war der Meinung, ein neuerlicher umfassender Krieg mit Israel müsse nun um jeden Preis verhindert werden.

Als sich eine mögliche Zweiteilung des Libanon abzeichnete, ging Syrien mit Unterstützung der Arabischen Liga ein faktisches Bündnis mit Israel ein. Es intervenierte, um eine Niederlage der Falangisten zu verhindern, und ermöglichte ihnen die Belagerung der Palästinenserlager Karantina und Tel al Zaatar. 2000 Flüchtlinge wurden ermordet.

Im Juni 1982 marschierte Israel in den Libanon ein, nachdem seine Söldnermiliz, die Südlibanesische Armee, die Palästinenser nicht hatte niederschlagen können. Arafat und Assad kamen überein, dem israelischen Angriff gemeinsam zu widerstehen. Nachdem jedoch die israelische Luftwaffe an einem einzigen Tag das Raketensystem der Syrer zerstört und 40 ihrer Flugzeuge abgeschossen hatte, womit jede Aussicht auf weitere Unterstützung aus Moskau gestorben war, stimmte Assad einem Waffenstillstand zu, ohne mit Arafat auch nur Rücksprache zu halten. Dieser Waffenstillstand ist nach wie vor in Kraft.

Der syrische Waffenstillstand ebnete Israel den Weg zur Belagerung Beiruts, in deren Verlauf rund 18.000 Menschen getötet und 30.000 verletzt wurden. Als Gegenleistung für die Aufhebung der Belagerung verlangten die Israelis die Ausweisung der PLO aus dem Libanon. Sie sahen tatenlos zu, wie ihre Falange-Milizen die Palästinenser in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila massakrierten.

Ungeachtet seiner pan-arabischen Rhetorik waren Assads Beziehungen zu dem anderen Baath-Regime im benachbarten Irak stets gespannt gewesen, und nach Tel al Zaatar hatten sie sich rasch verschlechtert. Die Konflikte zwischen Syrien und dem Irak drehten sich um Spaltungen innerhalb der Partei und um Interessengegensätze in der Region, beispielsweise um die Kontrolle über das Wasser des Euphrat, um verschiedene Öl-Pipelines und um weitere wirtschaftliche Fragen. Als das islamische Regime des Iran unter Ajatollah Khomeini dem Irak 1980 den Krieg erklärte, unterstützte Syrien den Iran.

Repression im Innern

Wenn Tel al Zaatar als Symbol für Assads Doppelzüngigkeit gegenüber den Palästinensern gelten kann, so zeigte sein mörderischer Angriff auf seine eigene Bevölkerung in der Stadt Hama, wie rücksichtslos er jede Abweichung im Innern niederschlug. Das Massaker von Hama fand vor dem Hintergrund einer tiefen Wirtschaftkrise statt, in der die soziale Ungleichheit ebenso wie die Unzufriedenheit zugenommen hatte.

Von 1977 an hatte Assad einer wachsenden Opposition seitens der Moslemischen Bruderschaft und anderer, vorwiegend sunnitischer Gruppen gegenüber gestanden. Im Juni 1979 versuchten sie ihn zu stürzen; die Moslemische Bruderschaft ermordete 50 alewitische Kadetten an der Militärakademie Aleppo. Ein Jahr später wurde Assad mit Granaten angegriffen. In einer Racheaktion ließ sein Bruder Rifaat, der die syrischen Sicherheitskräfte leitete, mehr als 250 religiöse Regimegegner in ihren Gefängniszellen erschießen.

Im Februar 1982 brach in Hama ein Aufruhr der Moslemischen Bruderschaft aus. Beamte der Baath-Partei wurden getötet, und von den Moscheen aus rief man zu einem nationalen Aufstand auf. Assad übte brutale Rache. Das Militär walzte die halbe Stadt nieder und schlachtete zwischen 10.000 und 25.000 Menschen ab.

Man schätzt, dass zwischen 1982 und 1992 Tausende wegen politischer Abweichung verhaftet und Zehntausende hingerichtet wurden. Amnesty International hielt jüngst in einem Bericht fest, dass nach wie vor Tausende politische Gefangene ohne vorangegangenen Prozess eingekerkert sind und dass sich zahlreiche Regimekritiker im Ausland befinden.

Assad geht auf die USA und Israel zu

Ungeachtet seiner schwierigen Beziehungen zu den wichtigsten kapitalistischen Mächten trieb Assad die Annäherung seines Landes an den Westen als erster voran. Im Mai 1973 nahm er die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien wieder auf, 1974 jene zu den USA und Deutschland. Dennoch brandmarkte Washington Syrien wegen seiner Unterstützung für diverse terroristische Gruppen und wegen der Unterstützung des Iran in den achtziger Jahren als Paria.

Bei seinem Umgang mit dem Westen stützte sich Assad auf den militärischen und politischen Beistand der UdSSR. Im Vergleich zu der üppigen Unterstützung, welche die USA Israel gewährten, nahmen sich Kredite, Hilfsleistungen und militärische Hardware aus der Sowjetunion jedoch recht kläglich aus. Außerdem belasteten Assads politische Machenschaften die syrische Wirtschaft. Die Golfstaaten strichen Wirtschaftshilfen wegen seiner Unterstützung für den Iran, und der Westen verhängte Handelssanktionen.

1989 stellte Moskau die Waffenlieferungen an Syrien ein. Die Krise, die zwei Jahre später zum Zusammenbruch der Sowjetunion führen sollte, trat immer offener zutage. Assad reagierte auf diese Entwicklung, indem er die Pose eines Gegners der imperialistischen Mächte weitgehend ablegte. Er stellte sich hinter die USA und schickte während des Golfkrieges von 1990/91 Truppen, um gemeinsam mit dem westlichen Bündnis gegen seinen alten Rivalen Irak vorzugehen.

Zwar dienten nur einige tausend syrische Soldaten als Reservetruppe in Saudi Arabien, dennoch war die bloße Anwesenheit von Soldaten aus einem arabisch-nationalistischen Land ein großer propagandistischer Erfolg für die USA. Nach seiner Unterstützung für die Bombardierung des Irak lieferte Assad Informationen über Geiseln und geplante Terroranschläge auf westliche Ziele. Er wies einige der meistgesuchten Terroristen, wie Carlos ("der Schakal") aus Damaskus aus. In jüngerer Zeit verwies er auf den Druck der USA hin Abdullah Öcalan, den Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, des Landes und schuf dadurch die Voraussetzung für dessen Schauprozess vor einem türkischen Gericht.

Als Gegenleistung für Syriens Rolle im Golfkrieg drückte der Westen beide Augen zu, als Assad seine Truppen weiter in den Libanon vorrücken ließ und 1991 in Beirut eine pro-syrische Regierung einsetzte, die das Land de facto zu einem Satelliten von Damaskus machte.

Im selben Jahr erklärte sich Assad zur Teilnahme an bilateralen Gesprächen über eine Beilegung des arabisch-israelischen Konflikts in Madrid bereit, obwohl er sich lange Zeit gegen Separatabkommen mit Israel ausgesprochen hatte. Bis heute war Syrien allerdings nicht in der Lage, eine endgültige Lösung mit Israel zu finden. Die Ursache liegt zum Teil darin, dass die inneren wirtschaftlichen und sozialen Spannungen, die sich daraus ergeben würden, dem brüchigen syrischen Staat den Garaus machen könnten. Vor gar nicht langer Zeit hatte Assad noch geäußert, man würde ihn umbringen, falls er ein für Syrien nachteiliges Abkommen aushandele.

Assads Hinterlassenschaft

Das Lob der internationalen Staats- und Regierungschefs, das Assad nach seinem Tod zuteil wurde, bringt deren Anerkennung für seine Rolle zum Ausdruck. Assad hatte die revolutionären Bestrebungen der arabischen Massen niedergehalten. Er wird in Washington, London und Paris betrauert, weil sein plötzlicher Abgang als zusätzlicher destabilisierender Faktor in einer Region wirkt, die ohnehin voller explosiver Widersprüche steckt.

Die syrische Wirtschaft befindet sich heute in schlechter Verfassung. Die Ölförderung ist auf 400.000 Barrel am Tag gesunken, eine Steigerung ist kaum in Sicht. Für den Unterhalt des Staatsapparates und des öffentliches Dienstes, der einst breiten Bevölkerungsschichten zu Lohn und Brot verhalf, ist kein Geld mehr da. Die Wende zu Privatisierung und Integration in die Weltwirtschaft bedroht den Reichtum und die privilegierte Stellung von Assads schmaler politischer Machtbasis. Das Pro-Kopf-Einkommen geht zurück; Syrien hat eine der höchsten Geburtenraten der Welt, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 25 Jahre.

Assads Hinterlassenschaft bietet ein trauriges Bild, ist aber keine Ausnahme. Ungeachtet unterschiedlicher Wurzeln und einer anderen Geschichte schlug er am Ende im wesentlichen denselben Weg ein wie König Hussein von Jordanien und dessen langjähriger Gegenspieler Arafat.

Unter verschiedenen Flaggen hat die arabische Bourgeoise versucht, auf "natürliche Weise" die Führung der unterdrückten Massen gegen imperialistische Vorherrschaft zu übernehmen. Im Falle der pan-arabischen Bewegung und des Baathismus versprach sie, den Aufbau einer "arabischen Nation" mit einem egalitären, dem Sozialismus entsprechenden Gesellschaftssystems zu verbinden. Dabei halfen ihr die stalinistischen Parteien; sie ordneten die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse der Bourgeoisie und deren nationalistischem Programm unter.

Die Geschichte Syriens und des gesamten Nahen Ostens hat den negativen Beweis erbracht, dass die von Leo Trotzki erarbeitete marxistische Theorie der permanenten Revolution richtig ist. In Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung - selbst, wenn sie riesige Ölreichtümer besitzen - ist die einheimische Bourgeoisie organisch unfähig, die Arbeiter und unterdrückten Massen zu führen, wenn es um die Überwindung der verbliebenen feudalen Rückständigkeit und kolonialen Unterjochung geht. Ihre Interessen sind an jene der imperialistischen Mächte geknüpft und ihnen untergeordnet - wirtschaftlich, politisch und militärisch. Es geht ihr in erster Linie darum, die von der Arbeiterklasse ausgehende innere Bedrohung ihrer Herrschaft niederzuhalten.

Um die arabischen Massen zu befreien, um Demokratie und soziale Gleichheit herbeizuführen, bedarf es einer neuen Perspektive und einer neuen Führung. Deren Grundlage wird gegenwärtig durch die ökonomischen Bedingungen geschaffen, die jetzt im Nahen Osten entstehen. Sie stärken die soziale Stellung der Arbeiterklasse und werden den arabischen und jüdischen Arbeitern helfen, das destruktive Erbe zionistischer Unterdrückung und national-religiöser Feindseligkeit zu überwinden.

Die arabische, jüdische und iranische Arbeiterklasse muss sich von der politischen Bevormundung durch ihre kapitalistischen Herrscher befreien und sich auf eigene Beine stellen. Sie muss den beengenden Rahmen des Nationalismus überwinden und sich zum Ziel setzen, die gesamten unterdrückten Massen des Nahen Ostens in einer sozialistischen Föderation zu vereinen. Das ist die einzige erfolgversprechende Strategie, um den Zionismus zu überwinden, die nationale Unterdrückung der palästinensischen Massen zu beenden und die sozialen Interessen der arbeitenden Bevölkerung in der gesamten Region zu wahren. Sie sollte eingehen in einen weltweiten Kampf für den Sozialismus, der gemeinsam mit den Arbeitern in den USA und den übrigen imperialistischen Ländern geführt werden muss.

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