Die politische Sackgasse des Labour-Zionismus

Teil 2 - Die Annäherung zwischen den Labour-Zionisten und dem revisionistischen Zionismus

Die Labour-Zionisten hatten im wesentlichen mit dem Britischen Mandat, das durch den Völkerbund 1922 erteilt worden war, zusammengearbeitet. 1938 jedoch - nach zwei Jahren ununterbrochener arabischer Unruhen, nicht nur in Palästina, sondern in der gesamten Region und mit der wachsenden Aussicht auf Krieg mit Deutschland - gelangte Großbritannien zu der Überzeugung, dass seine weiterreichenden Interessen im Nahen Osten von der Unterstützung der benachbarten arabischen Regime abhingen. Es revidierte seine Politik der begrenzten Unterstützung für die Zionisten und zog sich auf die Pläne der Peel-Kommission von 1937 zurück, die eine Aufteilung Palästinas zwischen Juden und Arabern vorsahen. 1939 schlug es vor, Palästina in zehn Jahren die Unabhängigkeit zu gewähren, mit Beschränkungen für die jüdische Einwanderung und den Landankauf. Die Juden sollten eine Minderheit in einem unabhängigen arabischen Palästina werden.

Von da an ließen die Labour-Zionisten, die ihren Traum vom jüdischen Staat platzen sahen, die bisherige zionistische Politik der Behutsamkeit und der graduellen Entwicklung fallen und arbeiteten mit ihren Erzfeinden, den rechten Zionisten, bekannt unter dem Namen Revisionisten, zusammen; die Revisionisten orientierten sich an den faschistischen Regimen in Deutschland, Italien und Polen.

Wladimir Jabotinsky, der Gründer der jüdischen Legion und Führer der Revisionisten, hatte nie an die naive Illusion Ben Gurions geglaubt, die Palästinenser würden eines Tages stillschweigend die jüdische Herrschaft über ihr Land hinnehmen. In einem Artikel von 1923 mit dem Titel "Die eiserne Mauer" schrieb Jabotinsky: "Die zionistische Kolonisierung muss entweder beendet oder gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung durchgeführt werden. Diese Kolonisierung kann deshalb nur fortgesetzt werden und Fortschritte machen, wenn sie unter dem Schutz einer Macht steht, die unabhängig von der einheimischen Bevölkerung ist - einer eisernen Mauer, die in der Lage ist, dem Druck der einheimischen Bevölkerung zu widerstehen. Das ist in toto (im Ganzen) unsere Politik gegenüber den Arabern.. Eine freiwillige Aussöhnung mit den Arabern kommt nicht in Frage, nicht jetzt und nicht in der nahen Zukunft."

Jabotinsky wurde immer feindlicher gegenüber der seiner Meinung nach zu geduldigen Haltung der Zionisten gegenüber Großbritanniens mangelhafter Wahrnehmung seiner Verpflichtungen gegenüber den Juden. Er forderte, Transjordanien, das vom britischen Mandat ausgenommen war, in die jüdische nationale Heimat in Palästina mit einzuschließen. Er verspottete die Labour-Zionisten, die davor zurückscheuten, ihre eigenen bewaffneten Kräfte wiederaufzubauen, die nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst worden waren. "Wenn man ein Land kolonisieren will, in dem schon Menschen leben, dann muss man die Besetzung dieses Landes vorsehen oder irgendeinen,reichen Mann' oder Wohltäter finden, der diese Besetzung für dich durchführt. Oder ansonsten die Kolonisierung aufgeben; denn ohne bewaffnete Macht, die jeden Versuch, diese Kolonisierung im Keim zu ersticken oder zu verhindern, physisch unmöglich macht, ist eine Kolonisierung unmöglich, nicht,schwierig' oder,gefährlich', sondern UNMÖGLICH!... Der Zionismus ist ein Kolonisierungsabenteuer und deshalb steht und fällt er mit der Frage der bewaffneten Kräfte. Es ist wichtig ... Hebräisch zu sprechen, aber bedauerlicherweise ist es noch wichtiger, schießen zu können - ansonsten ist die Sache der Kolonisierung erledigt."

1932 war Jabotinsky gezwungen, aus der Zionistischen Weltorganisation (WZO) auszutreten, als sein geheimes Abkommen bekannt wurde, Petlyuras' ultranationalistischer und mörderischer ukrainischer Regierung bei ihrem Exilanten-Marsch in die von den Bolschewiki beherrschte Ukraine zu folgen. Zwei Jahre später brach er mit der offiziellen zionistischen Führung und gründete die Revisionistische Partei, die zu den zionistischen Braunhemden wurden. Sein Stil ahmte immer mehr den Militarismus eines Mussolini und Hitler nach, obwohl Jabotinsky sich selbst nie als Faschisten bezeichnete. "Die Zeit ist offensichtlich gekommen, wo es einen einzigen, prinzipienfesten Beherrscher der Bewegung, einen,Führer' geben muss, obwohl ich dieses Wort immer noch hasse. Dennoch, wenn es einen geben muss, dann wird es einen geben", schrieb er 1932 in einem Brief.

Die Beziehungen zu den Labour-Zionisten verschlechterten sich, und es wurde allgemein angenommen, dass die Revisionisten in die Ermordung von Chaim Arlosoroff, dem politischen Sekretär der Jüdischen Behörde, verwickelt waren. 1934 gründete Jabotinsky in Opposition zur WZO, die er als zu zaghaft und kompromissbereit ansah, die Neue Zionistische Organisation. Obwohl Jabotinsky verstand, dass die Zionisten ohne die britische Unterstützung zu schwach waren, um zu überleben, beabsichtigte er, nicht länger als nötig an den Rockschößen der Briten zu hängen. Er war sich seiner Ziele sehr bewusst. "Wir wollen ein jüdisches Empire", erklärte er einem Journalisten 1935.

Er gelangte zu der Überzeugung, dass die faschistischen Diktatoren Europas bessere Verteidiger der Zionisten wären als die Briten. Wie Lenni Brenner ausführlich in dem Buch "Zionismus im Zeitalter der Diktatoren" erklärt, rührten die Revisionisten nicht den kleinen Finger, um gegen die Verfolgung der europäischen Juden zu kämpfen, sondern arbeiteten mit den Faschisten zusammen mit dem Ziel, eine Masseneinwanderung nach Palästina in Gang zu setzen, um dadurch das zionistische Projekt überlebensfähig zu machen.

Die Revisionisten führten eine Terrorkampagne durch, die darauf abzielte, die Briten zu vertreiben und einen jüdischen Staat auf dem gesamten Gebiet des biblischen Palästina einschließlich Transjordaniens zu errichten. Da die Juden in Palästina eine Minderheit waren, bedeutete ein solcher Staat notwendigerweise die Vertreibung der arabischen Bevölkerung, um seinen jüdischen Charakter sicherzustellen.

Dies war die Partei, mit der die Labour-Zionisten in den späten 30er Jahren zu einer Übereinkunft gelangten. Während ihre Methoden sich unterschieden, trafen sich nun ihre Wege.

Das Wesen des zionistischen Staats

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die britische Politik angesichts der wachsenden Feindseligkeit und der Unruhen in Palästina erneut: Sie schlugen einen Zwei-Nationen-Staat vor. Als sowohl die Araber als auch die Juden dies zurückwiesen, verwies Großbritannien den Konflikt an die Vereinten Nationen, und rechnete voll und ganz damit, dass die UNO Palästina wieder an die Briten weiterreichen würde, um sich darum zu kümmern. Aber Londons Hoffnungen, den Konflikt in seinem Sinne zu regeln, wurden durchkreuzt.

Die USA waren entschlossen, Großbritannien als die vorherrschende Macht in dem an Öl reichen Nahen Osten zu ersetzen und die Beratungen über Palästina zu kontrollieren. Der israelische Historiker Ilan Pappe erklärt in seinem Buch "Die Entstehung des arabisch-israelischen Konflikts 1947-1951", dies habe dazu geführt, dass in das UNO-Sonderkomitee für Palästina (UNSCOP), "unerfahrene Mitglieder aus allen Teilen der Welt berufen wurden, die sehr wenig oder gar nichts über die regionale Situation wussten". Deshalb "schlugen sie einen jüdischen Staat vor, in dem die Hälfte der Bevölkerung Araber sein würde". Wie der Rest der Welt, war die UNSCOP tief betroffen vom Schicksal der Juden, das sie auf einer Reise durch die Vertriebenenlager Europas kennen gelernt hatten. Da die USA sich 1947 geweigert hatten, eine größere Zahl von jüdischen Flüchtlingen aufzunehmen, schien ein jüdischer Staat die einzige Lösung.

Die Schaffung eines jüdischen Staats wurde von Millionen von Menschen überall auf der Welt mit Sympathie betrachtet; man war entsetzt über der Katastrophe, die über die europäischen Juden hereingebrochen war. Die Großmächte einschließlich der Sowjetunion und nur mit Ausnahme Großbritanniens, unterstützten seine Errichtung, allerdings aus eigenen Interessen heraus. Sie sahen es als eine Möglichkeit, Großbritanniens Einfluss im Nahen Osten zu blockieren. Die UNO stimmte für eine Aufteilung Palästinas und begrüßte es als ein neues, fortschrittliches Gebilde, welches sich dem Aufbau einer demokratischen und gleichberechtigten Gesellschaft für das aufs Grausamste unterdrückte Volk Europas widmen werde.

Sobald Ben Gurion Israels Unabhängigkeit erklärt hatte, brach Krieg zwischen den Arabern und Juden aus, die in der Lage waren, mehr Land zu besetzen als in den Teilungsplänen von 1937 oder 1947 für sie vorgesehen war. Obwohl die Juden weniger als zehn Prozent des Landes besaßen, hatte dies das Muster der jüdischen Siedlungstätigkeit bestimmt, die vorwiegend städtischer Natur waren. Israel wurde auf 80 Prozent des Landes errichtet, das von den Briten während der Mandatszeit kontrolliert worden war. König Abdullah von Transjordanien, Großbritanniens Vasall, besetzte den Rest.

Während die Perspektive der Revisionisten immer darin bestanden hatte, ganz Palästina zu erobern, einschließlich Transjordaniens, war Ben Gurion pragmatischer in Bezug auf die Größe des zionistischen Staates. Zuerst einmal einen jüdischen Staat errichten, egal wie klein, die Grenzen konnten später immer noch zurechtgerückt werden.

Die Revisionisten organisierten terroristische Aktivitäten, die von bewaffneten Banden wie Irgun- und Stern- durchgeführt und von den Labour-Zionisten sanktioniert wurden. Das spielte eine wichtige Rolle bei der Vertreibung der Palästinenser aus ihren Häusern. Ben Gurion selbst unterstützte die paramilitärische Hagana, die zum größten Teil unter der Kontrolle der Histadrut/Mapai-Partei stand und der Vorläufer der israelischen Armee wurde, um die Palästinenser aus ihren Häusern zu vertreiben. Die wesentliche Voraussetzung für die Gründung des israelischen Staats war die Vertreibung der Palästinenser von ihrem Land und die Übernahme ihres Landes; den Palästinensern wurde das Schicksal zuerteilt, als Flüchtlinge in den Nachbarstaaten und über die ganze Welt verstreut zu werden.

Zur gleichen Zeit, als er Hunderttausende von Palästinensern zu Flüchtlingen machte, verabschiedete der neue Staat das "Rückkehrer-Gesetz", mit dem Juden überall auf der Welt die Türen geöffnet wurden, um in Israel zu leben. In der Folge des Zweiten Weltkriegs lebten Hunderttausende von Juden in Vertriebenenlagern überall in Europa unter hoffnungslosen Bedingungen. Da nur wenige Länder bereit waren, sie aufzunehmen, war Israel die einzig mögliche Heimat.

Israel versuchte, sowohl eine Zufluchtsstätte für Juden zu sein als auch durch die Einwanderung aktiv die Arbeitskräfte aufzubieten, die notwendig waren, damit der soeben flügge gewordene Staat überleben und die jüdischen Unternehmen florieren konnten.

Obwohl Israels Unabhängigkeitserklärung nach dem Muster der französischen Erklärung der Menschenrechte und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gestaltet worden war, war sie ein völliger Betrug. Die Labour-Zionisten, die in den nächsten 30 Jahren in Israel regieren sollten, setzten die demokratischen Versprechen, die darin enthalten waren, niemals in Gesetze um.

Die Mapai/Labour-Party entwickelte nie eine Verfassung oder eine Charta von Grundrechten. Sie legte in der Verfassung nie die Trennung von Staat und Religion fest, genauso wenig entwickelte sie ein liberales Konzept der Staatsbürgerschaft, das allen die gleichen Rechte zuerkennt. Die arabischen Einwohner wurden unter Kriegsrecht gestellt, das erst 1966 aufgehoben wurde. Sie legalisierte mit mehreren Gesetzen die Enteignung arabischen Lands, das durch Vertreibung der Palästinenser in Besitz genommen worden war, und diese Gesetze verhindern auch, dass das Land den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben wird. Bis letztes Jahr, als der Oberste Gerichtshof anders entschied, war es Palästinensern verboten, Land in Israel zu kaufen. Darüber hinaus war es Parteien, die Israels Existenzrecht bestritten, verboten, an den Wahlen teilzunehmen. Bis zum Abkommen von Oslo 1993 erkannte Israel das Recht der Palästinenser auf Unabhängigkeit nicht an.

Kurzum: Israels Existenz hing ab von der Unterstützung der USA und der Sowjetunion, die den Staat Israel einer feindlichen arabischen Welt aufzwangen. Er hatte keine politische Legitimität. Vom ersten Tag an war es ein Land, das im Krieg mit seinen Nachbarn lag und sich auf ethnische Säuberungen gründete. Nationalismus wurde das Leitmotiv der israelischen Gesellschaft. Die Labour-Zionisten errichteten ein Regime, welches seinen palästinensischen Bürgern die elementarsten Grundrechte verweigerte. Die Ungleichheit war als Basis seines Rechtssystems verankert.

Die Regierungen der Labour-Zionisten nach der Unabhängigkeit

Die Labour-Zionisten beherrschten das Land aufgrund ihrer Kontrolle der politischen Parteien und der Streitkräfte für die nächsten 30 Jahre. Von 1949 an, als die Interimsregierung zurücktrat, bis 1977 wurde Israel von Koalitionen unter der Führung der Mapai regiert. Bis zu seinem Ausscheiden 1963 war Ben Gurion die beherrschende politische Figur und diente während des größten Teils dieser Zeit als Premierminister.

Ironischerweise waren es genau die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die die Labour-Zionisten mit in Gang gesetzt hatten, die schließlich ihre soziale Basis untergruben und ihr politisches Programm gegen Mitte der 70er Jahre obsolet werden ließ.

Labour initiierte ein Programm schneller wirtschaftlicher Expansion, das, mit Ausnahme der ölreichsten Staaten, im Nahen Osten beispiellos dastand. Von 1948 bis 1970 wuchs das Bruttosozialprodukt um zehn Prozent und das Pro-Kopf-Einkommen um fünf Prozent im Jahr. Israels Bevölkerung verstädterte in wachsendem Maße. Die Beschäftigung im Agrarbereich fiel von 20 Prozent im Jahr 1948 auf 6 Prozent im Jahr 1980. Obwohl die Beschäftigtenzahlen in der Industrie konstant bei 25 Prozent verharrten, überdecken diese Zahlen die Verlagerung von kleinen zu großen Unternehmen, unter denen der High-Tech-, Diamanten-, Finanz- und Banken-Bereich immer wichtiger wurden.

Die wirtschaftliche Entwicklung war das Ergebnis einer ganz speziellen Reihe von Umständen: der lange Nachkriegsaufschwung, Subventionen und Kredite für Investitionen aus Übersee und der ständige Zustrom von Einwanderern.

Die rasche wirtschaftliche Expansion resultierte zum Teil daraus, dass 25 Prozent des jährlichen Einkommens investiert wurde. Allerdings kam fast nichts von diesen Investitionen aus Israel; faktisch die gesamte Summe entstammte ausländischer Hilfe. Eine der Hauptquellen war die jüdische Diaspora, die bis 1967 200 Millionen Dollar im Jahr und in den folgenden sechs Jahren gewaltige 700 Millionen Dollar pro Jahr beitrug. Die deutschen Reparationszahlungen waren in den ersten Jahren ebenfalls eine wichtige Finanzquelle: 125 Millionen Dollar pro Jahr bis 1966. Und selbst als die Reparationszahlungen eingestellt wurden, wurde die westdeutsche Hilfe sogar auf einem noch höheren Niveau fortgesetzt.

Die Auswanderung aus Europa nach dem Krieg lieferte sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte, die es Israel ermöglichten, die Produktivität seiner traditionellen Industrie beträchtlich zu steigern und einen neuen High-Tech-Sektor zu entwickeln, speziell in der Waffen- und Luftfahrt-Industrie. Der ständige Zustrom von Juden aus dem Nahen Osten und Nordafrika stellte, zusätzlich zu den schlecht bezahlten israelischen Arabern, eine Armee billiger Arbeitskräfte zur Verfügung und sorgte damit für wachsende Inlandsnachfrage. Die Histadrut, oder Allgemeine Arbeitervereinigung, behielt ihre Position als wichtigste wirtschaftliche Institution bei; sie war gleichzeitig Gewerkschaft, Arbeitgeber, Bankier, Sparkasse und Anbieter von Sozialversicherungs- und Wohlfahrts-Dienstleistungen. 1983 hatte sie 1,6 Millionen Mitglieder, beschäftigte mehr als 250 000 Menschen und besaß das größte Industrie-Unternehmen, die Koor Industries. Sechzig Prozent der israelischen Einwohner waren abhängig von ihrem Sozialversicherungssystem. Sie spielte eine entscheidende Rolle dabei, den Klassenkonflikt im Interesse der zionistischen Elite zu lenken und im Zaum zu halten.

Einer der ersten Schritte Israels war es, seine militärischen Kräfte zu einer schlagkräftigen Kampftruppe umzugestalten. Sie sollte Israels militärische Anforderungen erfüllen, aber auch als wichtiges Instrument dienen, die Einwanderer aufzufangen, zu erziehen und ihnen die Idee einer gemeinsamen israelischen Staatsbürgerschaft zu vermitteln.

Vor der Gründung des Staats Israel bestand die Armee aus verschiedenen Partei-Milizen. Ben Gurion beeilte sich, die Aktivitäten sämtlicher Truppen, die seinen politischen Gegnern unterstellt waren - den Revisionisten, einschließlich der Irgun- und Stern-Banden -, unter seine Kontrolle zu bringen. Er vereinigte sämtliche Partei-Milizen, einschließlich Mapais Hagana, unter einem Dach, um eine einheitliche nationale Armee zu schaffen., die Israelischen Verteidigungskräfte (Israel Defence Force, IDF), die formal unabhängig von der Parteipolitik waren. Die höheren Ränge bestückte er allerdings mit Personal aus Teilen der Hagana, auf die er sich verlassen konnte. Ein großer Teil der IDF-Offiziere rekrutierte sich aus den fünf Prozent von Israelis, die in den Kibbutzim lebten, einer Hochburg der Labour-Zionisten.

Die IDF bestand aus Heer, Marine und Luftwaffe mit allgemeiner Wehrpflicht, zwei Jahre für Männer und einem Jahr für Frauen. 1975 wurde der Dienst auf drei beziehungsweise zwei Jahre angehoben. Die Männer waren bis zum Alter von 50 Jahren verpflichtet, jedes Jahr mehrere Wochen Reservedienst zu leisten. Zusätzlich gab es ein gewisses Kontingent an Offizieren und Unteroffizieren, die auf der Basis von festen Zeitverträgen angestellt waren. Die IDF beruhte auf einem System rascher Mobilisierung, das 1967 über eine Armee von 300.000 und 1982 von 500.000 Mann verfügen konnte, ohne dass die Bevölkerung Israels entsprechend gewachsen wäre. Zwei Drittel der aktiven Armee von 174 000 Mann waren Wehrpflichtige. Die IDF wurde zu einer der am besten ausgerüsteten und ausgebildeten Armeen der Welt und eine der wenigen, die ihre eigenen Atomwaffen entwickelte. Obwohl das amerikanische Verteidigungsministerium einen großen Teil der Kosten trug, beeinflusste diese Finanzlast alle politischen Entscheidungen hinsichtlich Israels Entwicklung nach 1967. Von 1948 bis 1978 wuchs Israels Militärhaushalt jedes Jahr um 21 Prozent. Diese Zahlen vertuschen allerdings das noch raschere Anwachsen nach 1967. Von sechs Prozent des gesamten Haushalts in den frühen 50er Jahren stiegen die Militärausgaben auf einen absoluten Höhepunkt von 47 Prozent im Jahr 1976.

1951 schuf Ben Gurion Geheimdienste, die direkt dem Premierminister unterstellt waren: den Auslandsgeheimdienst Mossad, den Inlandsgeheimdienst Shin Bet und den Militärgeheimdienst Aman. Mossad wurde sehr bald für seine Beteiligung an illegalen und blutrünstigen Aktivitäten zur Unterstützung des zionistischen Staats, seiner Gönner, Anhänger und jedem, der ihm nützlich sein konnte, berüchtigt.

Israels isolierte Lage in der Region bedeutete, dass es entscheidend war, mächtige Schutzherren auf internationaler Ebene zu gewinnen. Schon sehr früh hatte die sowjetische Bürokratie aus eigenen internen Gründen Israel fallen gelassen - sie war gegen die Auswanderung jüdischer Dissidenten. Ben Gurion handelte rasch, um die Reparationszahlungen aus Westdeutschland sicherzustellen, die die israelische Wirtschaft in den ersten Jahren stützten. Er führte Israel aus dem Block der neutralen Staaten heraus und nahm eine prowestliche Orientierung an. Das führte zu der strategischen Allianz mit Frankreich und Großbritannien, die Israels diplomatische, wirtschaftliche und militärische Position in den 50er Jahren stärkte.

Der wirkliche Durchbruch gelang Israel jedoch in der Mitte der 60er Jahre, als es auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges die finanzielle Unterstützung der USA gewann. Obwohl Präsident Truman 1947 die Errichtung des Staates Israel als Teil des amerikanischen Plans, die wichtigste Macht im Nahen Osten zu werden, unterstützte, wurde Washingtons Haltung gegenüber Israel dennoch durch seine Beziehungen mit den alten Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien beeinflusst. 1956 hatte Präsident Eisenhower die Androhung wirtschaftlicher Sanktionen benutzt, um die von Frankreich und Großbritannien unterstützte israelische Armee zum Rückzug aus Suez zu zwingen. Erst als sich Ägypten, die größte arabische Macht der Region, dem sowjetischen Lager anschloss, entwickelten die USA ein ernsthaftes Interesse an Israel.

Letztendlich wurden die USA die größte Hilfsquelle für Israel. Während Amerika vor 1967 vergleichsweise wenig Hilfe zur Verfügung stellte (50 Millionen Dollar im Jahr), wuchs diese Hilfe bis zum Jahr 1986 auf gewaltige 3 Milliarden Dollar an (1,2 Mrd. Dollar Wirtschaftshilfe und 1,8 Mrd. für Militärausgaben). Dadurch wurde Israel zum Empfänger der höchsten Pro-Kopf-Hilfe der USA in der Welt. Anders als das Geld aus der Diaspora und Westdeutschland wurden 90 Prozent der Hilfsgelder der amerikanischen Regierung in Form von Anleihen und nicht als Subventionen gezahlt, was zu einer immer größeren Last an Zinsen und Schuldrückzahlungen führte.

Mitte der 60er Jahre begann die relative politische und soziale Harmonie innerhalb Israels zu zerbrechen. Ein großer Teil der Einwanderer, die in den 50er und 60er Jahren ins Land gekommen waren, stammten aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Sie waren weniger gut ausgebildet und kamen meist ohne Geld. Sie waren oft gezwungen, in den sich erst entwickelnden Grenzstädten zu leben, wo es meist keine sozialen Annehmlichkeiten gab, wo sie unterbezahlte Jobs annahmen und oft arbeitslos waren. Und noch schlimmer war, dass sie die Hauptlast des israelischen Zermürbungskriegs mit seinen feindlichen Nachbarn trugen. 1959 gab es einen Aufstand marokkanischer Juden in Haifa wegen ihrer Lebensbedingungen. Ihre Misere verschlimmerte sich auch weiterhin, speziell während der Rezession Mitte der 60er Jahre, was die Histadrut ignorierte, die versuchte, die Lohnerhöhungen im Interesse der europäischen Juden niedrig zu halten.

Die sozialen Spannungen innerhalb Israels wuchsen, da die Regierung weder soziale noch wirtschaftliche Maßnahmen ergriff, um die Situation zu verbessern. Die Labour-Zionisten reagierten auf die wachsenden internen Spannungen und den außenpolitischen Konflikt, der zum Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967 führte, indem sie ihren verhassten Rivalen, die Herut-Partei, in eine Regierung der nationalen Einheit aufnahmen.

Menachem Begin war der Führer der Herut-Partei, der Nachfolgerin von Jabotinskys Revisionistischer Partei und dem Vorläufer von Likud. Begin war Mitglied der terroristischen Irgun-Miliz gewesen und befehligte 1948 während des Kriegs zwischen Arabern und Juden das berüchtigte Massaker in Deir Yassin, bei dem alle 254 Einwohner des Dorfes umgebracht wurden. In seinem Buch "Die Revolte - Die Geschichte der Irgun" berichtet Begin mit hämischer Freude von dem Massaker: "Die Legende von Deir Yassin half uns speziell bei der Rettung von Tiberias und der Eroberung von Haifa... Sämtliche jüdischen Streitkräfte konnten nach Haifa durchkommen wie ein Messer durch Butter. Die Araber begannen in Panik zu fliehen und riefen nur Deir Yassin... Die Araber überall im Land waren von grenzenloser Panik ergriffen und begannen zu fliehen, um ihr Leben zu retten."

Zuvor war Herut wegen seiner unablässigen Forderung nach einem "Groß-Israel" (die Ausweitung des zionistischen Staates auf das gesamte britische Mandatsgebiet und Jordanien) aus den Labour-Koalitionsregierungen ausgeschlossen gewesen. 1967 schlug jedoch seine Stunde. Ihre expansionistischen Forderungen, die die Labour-Zionisten während des Kampfs gegen das britische Mandat nur aus pragmatischen Gründen zurückwiesen, hatten jetzt die Chance auf Verwirklichung. Ben Gurions Grenzen konnten nun zurechtgerückt werden.

Teil 3 - Der Sechs-Tage-Krieg" vom Juni 1967 - ein Wendepunkt in der Entwicklung Israels

Loading