Was die Anhörungen über den 11. September ans Licht brachten

Teil 3: CIA und Al-Qaida

Im Folgenden der dritte Teil einer Artikelserie über die Anhörungen in Washington zum 11. September 2001, die sich mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon befassten.

Die Zeugenaussagen vor der Kommission zum 11. September haben die wiederholten Behauptungen der Bush-Regierung vollständig widerlegt, niemand habe sich vorstellen können, dass Flugzeuge entführt und als Massenvernichtungswaffen eingesetzt würden. Condoleezza Rice, Bushs nationale Sicherheitsberaterin, hatte dies im Mai 2002 behauptet, als bekannt wurde, dass die CIA den Präsidenten bereits am 6. August - sechs Wochen vor den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon - darüber informiert hatte, dass von Seiten von Osama Bin Laden ein Terroranschlag innerhalb der USA drohe.

Die CIA hatte sowohl 1995 als auch 1997 Einschätzungen zur Nationalen Sicherheit (NIE) herausgegeben, die vor Terrorattacken auf wichtige Landziele in Washington und New York und vor dem Einsatz entführter Flugzeuge warnten. Auf diese Tatsache machten CIA-Beamte in den Medien aufmerksam. Sie reagierten damit auf Kritik, die in dem vorläufigen Bericht der Kommission zum 11. September geäußert wurde.

Die Einschätzung von 1995 erwähnte Al-Qaida nicht ausdrücklich, führte jedoch die Bedrohung durch islamistische Fundamentalisten an, die sich gegen die US-Präsenz im Nahen Osten richte. Ein nicht genannter hoher Geheimdienstbeamter wurde von Associated Press zitiert. Ihm zufolge habe die Einschätzung von 1997 "auf Bin Laden und seine Anhänger und deren Drohungen hingewiesen und festgestellt, dies könne auf Anschläge in den USA hindeuten".

Weiter heißt es in der Darstellung von Associated Press : "Der Geheimdienstbeamte sagte auch, dass die Einschätzung von 1995 zwar nicht Bin Laden oder Al-Qaida namentlich benannt, jedoch ganz deutlich davor gewarnt habe, dass islamistische Terroristen darauf bedacht seien, Schläge gegen besondere Ziele in den USA - wie die vom 11. September - zu führen. Der Bericht von 1995 habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein hohes Risiko bestünde, dass die zivile Luftfahrt, Erkennungszeichen der Stadt Washington wie das Weiße Haus oder das Capitol und Gebäude der Wall Street als Ziel von Terrorattacken muslimischer Extremisten ausgewählt würden, sagte der Geheimdienstbeamte."

Der Bericht von 1997 enthielt präzisere Einzelheiten über Bin Laden, die auf den Aussagen eines ehemaligen Spitzenmannes von Al-Qaida beruhten, der ausstieg, als die Gruppe 1996 ihre Operationen vom Sudan nach Afghanistan verlegte. Der vormalige Terrorist wandte sich an eine US-Botschaft in der Region und bot umfangreiche Informationen an.

Der stellvertretende CIA-Direktor John McLaughlin sagte der Kommission zum 11. September, dass der Bericht von 1997 "die Information enthielt, Personen aus dem Umkreis von Bin Laden hätten in den USA Stützpunkte, und deshalb schlossen wir in zunehmendem Maße auf die Wahrscheinlichkeit von Terrorangriffen Bin Ladens in den USA. Das war meiner Meinung nach das wichtigste Ergebnis im 97-er Bericht."

Afghanische Mujaheddin

Die Kommission befasste sich kaum mit den langjährigen Beziehungen der CIA zu Al-Qaida. Und doch hatte die CIA selbst einst die fundamentalistisch-islamistischen Mujaheddin organisiert, damit sie gegen das Sowjet-gestützte Regime in Kabul kämpften. Richard Ben Veniste, Demokrat und ehemaliges Mitglied im Watergate-Untersuchungsausschuss, ging in einem kurzen Wortwechsel mit CIA-Direktor George Tenet auf dieses Thema ein. Das Gespräch verlief wie folgt:

Ben Veniste : Gestützt auf die Theorie, dass die Feinde unserer Feinde unsere Freunde sein können, unterstützte die CIA die gegen die Sowjets in Afghanistan kämpfenden Mujaheddin massiv. Was mich jedoch verblüfft und beunruhigt, George, ist folgendes: Die CIA kannte die Neigungen und den Fremdenhass dieser islamistischen Gruppen, die sie ausgebildet und ausgerüstet hat, versuchte jedoch nicht, sie in späteren Jahren, als die gemeinsame Aufgabe beendet war, weiterhin aufmerksam zu beobachten oder zu unterwandern. Warum nicht?

Tenet : Nun, zunächst gab es eine Vereinbarung zum gegenseitigen Vorteil, weil wir einen gemeinsamen Feind hatten. Wenn Sie sich unsere damaligen Planungen ansehen, so stießen wir bei unserer Rückkehr auf Leute, die schon für uns gearbeitet hatten und wieder Teil unserer Netzwerke wurden. Aber man fand auch Leute, die als Dschihadisten gegen uns kämpften. Es gibt heute in Afghanistan Leute, die gegen uns kämpfen, die wir seit langem kennen, und solche, die auf unserer Seite stehen. Ich denke wir waren da im Vorteil, weil wir die einzelnen Personen kannten, wer sie waren und wie ihre Verbindungen aussahen, das war ein Plus. Aber Sie wissen, dass wir die Russen vertrieben und uns danach im wesentlichen aus Afghanistan zurückzogen. Und die Taliban kamen hoch, beherrschten das Land und ermöglichten es einer Terrororganisation, das Land zu führen.

Ben Veniste : Aber in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um Leute handelt, die für das Töten ausgebildet waren, die Ausländer in muslimischen Ländern hassten, was ja auch die Grundlage dafür war, dass sie die Russen rauswarfen, denken Sie nicht, Sie hätten effektiver sein können, wenn sie einige dieser Personen, wie zum Beispiel Osama Bin Laden, im Auge behalten hätten?

Tenet : Gut, aber wir haben ihn nicht ausgebildet, Richard. Aber der springende Punkt ist: Ein Kerl wie Massud (Mohammed Schah Massud, Führer der Nordallianz, der am 9. September 2001 getötet wurde), das ist jemand, den wir in diesem Konflikt trafen und mit dem wir auch weiter arbeiteten. Ich denke, Du weißt, dass wir solche Leute weiter im Auge behielten. Wir haben nicht alle diese Leute weiter beobachtet. Viele von ihnen tauchten als Dschihadisten in andern Konflikten der Welt wieder auf."

Ben Veniste fragte nur flüchtig, und Tenets Antworten warfen mehr Fragen auf, als sie beantworteten. Er räumte ein, dass die CIA besonders in Afghanistan enorme Möglichkeiten hatte, Al Qaida zu unterwandern, weil sie langjährige Beziehungen zu den antikommunistischen islamischen Fundamentalisten unterhielt, die man unter CIA-Chef William Casey in den achtziger Jahren für den Krieg gegen die Sowjetunion rekrutiert hatte.

Aber nach Tenets Eingeständnis, er "denke, wir waren da im Vorteil, weil wir die einzelnen Personen kannten, wer sie waren und wie ihre Verbindungen aussahen", ließ die Kommission das Thema auf sich beruhen.

Dennoch machen diese Worte den Widersinn der Behauptung deutlich, dass man den Anschlägen vom 11. September nichts hätte entgegensetzen können, weil die CIA keinen "Stützpunkt" innerhalb des Al-Qaida-Lagers gehabt habe. Es wurde klar, dass die CIA in Afghanistan viel besser in der Lage war, Bin Ladens Bewegung und ihre Operationen einzuschätzen und sogar zu beeinflussen, als dies bei anderen Bewegungen in vielen Teilen der Welt der Fall war. Die Frage, die in der Kommission nicht und in der Öffentlichkeit kaum gestellt wurde, lautet, wann oder sogar ob die CIA ihre frühere Waffengemeinschaft mit Bin Laden beendet hat.

Inkompetenz oder Sabotage?

Vor diesem Hintergrund muss man die Behauptung beurteilen, Fälle des Versagens der CIA bei den Ermittlungen gegen Al-Qaida seien mit "Fehlern" zu erklären, wie es der vorläufige Bericht der Kommission oder die im Fernsehen übertragenen Befragungen der Hauptzeugen darstellen. Die angeführten Fälle deuten weniger auf Inkompetenz hin, als auf ein systematisches Muster, nach dem ein effektives Vorgehen gegen Al-Qaida-Führer verhindert wurde. Es handelt sich um folgende Fälle:

* Bereits 1999 erhielt die CIA vom deutschen Geheimdienst den Namen und die Telefonnummer eines zukünftigen Entführers, Marwan al-Shehhi, dem mutmaßlichen Piloten des United Airline Fluges 175, der in einen Turm des World Trade Center einschlug. Aber al-Shehhi wurde nie ausfindig gemacht, obwohl er diese Rufnummer die ganze Zeit bis unmittelbar vor den Anschlägen vom 11. September nutzte.

* Wie schon in einem früheren Teil dieser Serie erwähnt, erfuhr die CIA zu Beginn des Jahres 2000, dass zwei der zukünftigen Entführer, Khalil al Mihdhar und Nawaf al Hazmi, an einem Al-Qaida-Treffen in Malaysia teilnahmen. Bei einer geheimen Durchsuchung des Hotelzimmers al Mihdhars hatte man seinen Pass kopiert. Der Pass enthielt einen Visumstempel, der ihm die Einreise in die USA ermöglichte. Als die beiden in Begleitung eines dritten Al-Qaida-Mitglieds nach Bangkok flogen, gab die CIA die Information über ihre Ankunft in Bangkok nicht rechtzeitig weiter, so dass man die Spur der verdächtigten Terroristen mit US-Visa verlor. Die Agentur behauptet, erst hinterher erfahren zu haben, als al Mihdhar und al Hazmi einen Flug von Bangkok nach Los Angeles gebucht und ihren Zielort mit New York City angegeben hatten.

* Die CIA informierte bis August 2001 keine amerikanische Polizei- oder Sicherheits-Behörde über den US-Aufenthalt der beiden verdächtigen Al-Qaida-Mitarbeiter seit Frühjahr 2000. In dieser Zeit standen al Mihdhar und al Hazmi im Telefonbuch von San Diego. Al Hazmi nahm Flugunterricht und al Mihdhar beantragte und erhielt ein Wiedereinreisevisum vom Außenministerium, das nie gebeten worden war, seinen Namen auf die Liste zur Überwachung von Terroristen zu setzen. Die Namen der beiden Männer erreichten das FBI-Büro von Los Angeles erst am 11. September 2001, wenige Stunden, nachdem sie an Bord von Flug 77 der American Airlines gegangen waren, die sie entführen und mit der sie ins Pentagon rasen sollten.

Die europäische Presse berichtete über Vermutungen, die CIA habe auch mit andern Entführern Kontakt gehabt, doch weder amerikanische Medien noch die Kommission zum 11. September gingen der Sache nach. Die ARD und der britische Guardian berichteten Ende 2001, der mutmaßliche Anführer Mohammed Atta sei vom amerikanischen Geheimdienst im Jahr 2000 einige Monate lang beobachtet worden. In dieser Zeit reiste er zwischen Hamburg und Frankfurt hin- und her und kaufte große Mengen Chemikalien, aus denen man Explosivstoffe herstellen konnte. Noch in den ersten Monaten des Jahres 2001 reiste Atta mehrmals in die USA, wurde aber von der Einwanderungsbehörde nicht aufgehalten, obwohl sein Touristenvisum abgelaufen war.

Noch einmal - der seltsame Fall des Zacharias Moussaoui

Die bei weitem wichtigste Enthüllung über die Rolle des CIA in der Zeit vor dem 11. September lieferte in den Kommissionsanhörungen der Fall Zacharias Moussaouis, des Al-Qaida-Helfers, der heute wegen seiner mutmaßlichen Verbindungen zu Al-Qaida im Gefängnis sitzt. Er wurde am 13. August 2001 wegen Verstoßes gegen die Einwanderungsbestimmungen verhaftet, nachdem er in Minneapolis in einer Flugschule durch sein Verhalten Verdacht erweckt hatte. Er wollte dort eine Boeing 747 fliegen lernen, obwohl er nur wenig Ausbildung auf kleinen Maschinen hatte und keine weitere Flugerfahrung mitbrachte. Er war laut, intolerant und zahlte in bar.

Wie heute bekannt ist, erkannten die FBI-Agenten in Minneapolis, dass Moussaouis Fall möglicherweise von großer Bedeutung war. Sie baten in der FBI-Zentrale in Washington um die Genehmigung, bestimmte Standarduntersuchungen und eine Durchsuchung des Computers des Verdächtigen durchführen zu dürfen. Doch der Abteilungsleiter David Frasca lehnte ab. Führende FBI- und Justizbeamte sagen aus, sie hätten von diesem Antrag vor dem 11. September keine Kenntnis gehabt.

Die Aussagen vor der Kommission zum 11. September ergaben aber, dass diese Information zur CIA weitergeleitet wurden und dort direkt in die Führungsspitze gelangten. Mit dem Fall Moussaoui befassten sich CIA-Beamte, die in einer gemeinsamen Task Force von CIA und FBI in Minneapolis/St.Paul arbeiteten. Sie leiteten die Informationen eine Woche nach Moussaouis Festnahme an ihren operativen Leiter James Pivatt und den stellvertretenden CIA-Direktor McLaughlin weiter und um den 23. oder 24. August an Tenet selbst.

Tenet sagte vor der Kommission zum 11. September aus, dass er die Information "islamischer Fundamentalist lernt fliegen" über Moussaoui erhalten und gelesen hatte. Seine Reaktion auf dieses außergewöhnliche Dokument - dessen Existenz und Namen bisher nie veröffentlicht worden war - bestand in noch ungewöhnlicherer Passivität. Nach einer Dekade gehäufter Warnungen vor Terroranschlägen der Al-Qaida und Drohungen, dass Flugzeuge entführt und als Waffen missbraucht werden könnten, las der CIA-Direktor den Bericht und tat nicht das Geringste.

Der Bericht der Kommission hielt fest: "Ende August wurden der DCI [Geheimdienstdirektor, d.h. Tenet] und andere CIA-Beamte durch ein Dokument mit Namen ‚Islamischer Fundamentalist lernt fliegen’ über die Festnahme Moussaouis informiert... Diese Nachricht zog offenbar keine Warnungen nach sich."

Eine Woche später, am 31. August, informierte Tenet Bush über die jüngsten Erkenntnisse über Terrorattacken, erwähnte aber den Fall Moussaoui nicht. Auch am 4. September verschwieg er denn Fall, als führende Regierungsbeamte bei einem Meeting im Weißen Haus eine neue Sicherheitsdirektive des Präsidenten zum Terrorismus bestätigen mussten.

Tenet sagte, er selbst habe das Thema nicht angeschnitten, weil er davon ausgegangen sei, dass die von Richard Clarke geführte Antiterrorgruppe des Weißen Hauses es übernehmen werde. Aber Clarke wurde nie informiert, obwohl am 26. August sogar der französische Geheimdienst das FBI darauf hinwies, dass Moussaoui schon zur Zeit des Tschetschenienkrieges Verbindungen zu Al-Qaida gehabt habe und damals bereits islamische Fundamentalisten für den Krieg gegen Russland anwarb.

Der zeitliche Ablauf und der politische Kontext dieser Ereignisse rücken Tenets Verhalten in ein besonders grelles Licht. Zeugen aus der Bush-Administration sagten aus, dass Tenet zwischen Januar und Juli 2001 Bush in mindestens vierzig Fällen unbearbeitete Geheimdienstinformationen über mögliche terroristische Bedrohungen vorlegte. Diejenigen, die Bush entlasten wollen, verweisen darauf, wie betroffen er stets war, wenn er von der Bedrohung durch Terroristen erfuhr. Man hofft auf diese Weise Vorwürfe Clarkes und anderer Beamter zu entkräften, dass die Bush-Regierung die offensichtliche Bedrohung durch Al-Qaida missachtete, weil sie mit der Vorbereitung des Irakkrieges beschäftigt war.

Am 6. August, erstellte die CIA angeblich als Antwort auf eine Anfrage Bushs selbst den bereits früher erwähnten Tagesbericht für den Präsidenten (PDB), den Tenet bestätigte. Er trug den Titel: "Bin Laden zum Angriff in den USA entschlossen". Dieser Bericht enthielt eine sehr deutliche Warnung vor Flugzeugentführungen und Terrorschlägen in New York und Washington. Keine drei Wochen später erhielt Tenet den Bericht mit dem Titel "Islamistischer Fundamentalist lernt fliegen". (Es ist nicht bekannt, ob er auch vom Kommentar eines FBI-Agenten aus Minneapolis erfuhr, der davor warnte, dass Moussaoui sich mit der Absicht tragen könnte, eine Boeing 747 in einen Wolkenkratzer zu fliegen.)

Tenet selbst gab vor der Kommission zum 11. September zu, dass ihm eine Reihe Warnungen vor dem Einsatz entführter Flugzeuge als Waffen, die seit 1994 ergangen waren, gut bekannt seien. Auch die Warnung vor der Entführung eines Jets, um damit in den Eiffelturm zu fliegen, war ihm bekannt. Ebenso wusste er, dass Terroristen in Erwägung zogen, einen Jet voller Sprengstoff direkt ins CIA-Hauptquartier in Langley zu steuern.

Das Kommissionsmitglied Timothy Roemer fragte Tenet, weshalb er diesen Dingen vor dem 11. September keine Beachtung schenkte. Er habe doch schließlich unmittelbar nach den Anschlägen auf das WTC geäußert, dass es hier eine Verbindung zu der Festnahme in der Flugschule in Minneapolis geben könne. Offenbar habe er dabei an den Fall Moussaoui gedacht.

Roemer : Aus den Woodward-Aufzeichnungen geht hervor, dass Sie unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September gesagt hatten, Al-Qaida stecke dahinter, und Sie erwähnten jemanden in einer Flugschule. Wie kam es zu dieser Vermutung ihrerseits...?

Tenet : Weil alle Terroristen...

Roemer : Warum informierten Sie nicht das Führungsgremium über die Sache? Es war das erste Treffen des Führungsgremiums in sieben Monaten, das sich mit dem Terrorismus befasste. Warum war das für Sie keine Sache, die es wert war, auf den Tisch zu kommen?

Tenet : In der Diskussion an jenem Morgen ging es um den Predator, wie wir ihn fliegen würden, ob wir...

Roemer : Aber das ist doch eine übergeordnete politische Frage, wie man Al-Qaida bekämpfen kann.

Tenet : Nun, das war es einfach nicht - aus welchen Gründen auch immer. Alles was ich dazu sagen kann, es war nicht der angemessene Ort dafür. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.

Im Verlauf dieser Befragung stellte Tenet ein bemerkenswert schlechtes Gedächtnis zur Schau. Obwohl er mit einer vorbereiteten Erklärung zur Kommission kam und erwarten musste, dass man ihn zu den internen Gesprächen der Regierung vor dem 11. September befragen würde, hatte er "vergessen", dass er Bush im August 2001 zweimal informiert hatte, und behauptete, den Präsidenten in diesem Monat nicht gesehen zu haben.

Außerdem gab er fälschlicherweise an, auch Condoleezza Rice sei am 6. August, bei dem Briefing mit dem PDB zu Bin Laden, zugegen gewesen. In Wirklichkeit fand das Briefing auf Bushs Ranch in Texas statt und Rice war in Washington. Er konnte auch nicht erklären, weshalb der Präsidentenbericht behauptete, das FBI habe über siebzig breit angelegte Untersuchungen in den USA durchgeführt, die auf Bedrohungen durch Bin Laden ausgerichtet gewesen seien. Das FBI wies diese Behauptung seither stets zurück. Und schließlich konnte Tenet sich nicht erinnern, was die CIA auf die Informationen über den Fall Moussaoui hin unternommen habe.

Die Kommission zum 11. September kommt in ihrem vorläufigen Bericht zum Schluss, dass die öffentliche Resonanz "den Plan möglicherweise gestört hätte", dem am 11. September etwa 3.000 Menschen zum Opfer fielen, wenn die Regierung die Festnahme Moussaouis und dessen Absicht, Zivilmaschinen zu entführen, im August 2001 öffentlich bekannt gemacht hätte. Der Kommissionsvorsitzende Thomas Kean erklärte, diese Prognose basiere auf den psychologischen Profilen der Entführer, die als "äußerst vorsichtig und sehr schreckhaft" beschrieben wurden.

"Ein Maximum an amerikanischen Anstrengungen, um den Fall Moussaoui zu untersuchen, hätte vermutlich seine Verbindungen zur Zelle in Hamburg zutage gefördert, obwohl dazu besondere Bemühungen und die Unterstützung ausländischer Regierungen nötig gewesen wäre", heißt es im vorläufigen Bericht.

Die Bundesluftfahrtbehörde wurde am 4. September bezüglich der Aktivitäten Moussaouis gewarnt, aber man leitete diese Warnungen weder an die verschiedenen Luftfahrtgesellschaften, noch an die Öffentlichkeit weiter.

Es gibt einen weiteren Widerspruch in den Zeugenaussagen zu Moussaoui. Tenet und auch andere Zeugen sagten aus, das FBI habe von der CIA Geheimdienstinformationen über Moussaoui erbeten, um darauf basierend einen Haftbefehl nach dem Gesetz über Ausländische Geheimdienstüberwachung (Foreign Intelligence Surveillance Act - FISA) vom FISA-Gericht zu bekommen.

Justizminister John Ashcroft jedoch hatte behauptet, das FBI habe um eine gewöhnliche Erlaubnis im Rahmen einer Kriminaluntersuchung gebeten, um Moussaouis Computer zu überprüfen. Die Erlaubnis wurde nicht als FISA-Genehmigung beantragt, sagte er. Dies hätten die FBI-Beamten abgelehnt, die sich nur vorbehielten, vielleicht später auf eine FISA-Genehmigung zurückzukommen.

Der rechtliche Unterschied ist unbedeutend, aber dennoch ist der Konflikt interessant. Erneut, wie schon bei anderen Gelegenheiten vor der Kommission zum 11. September, widersprachen sich zwei führende Regierungsbeamte - hier der Justizminister und der CIA-Direktor - und gaben zu einer Angelegenheit diametral entgegengesetzte Auskünfte. Aber die Kommissionsmitglieder unternahmen nichts, um auf diesen Widerspruch hinzuweisen oder gar festzustellen, welcher der Beamten gelogen hatte.

Fortsetzung folgt

Siehe auch:
Teil 1
(11. April 2004)
Teil 2 - Im FBI und Justizministerium werden die Vorwarnungen ignoriert
( 12. April 2004)
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