Die Bernie Kerik Saga

Der Krieg gegen den Terror und der Aufstieg der politischen Unterwelt

Der Versuch von George W. Bush, Bernard Kerik als Leiter der Heimatschutzbehörde einzusetzen, ist auf klägliche Weise gescheitert. Doch die ganze Geschichte hat ein Schlaglicht auf die politischen Beziehungen innerhalb der herrschenden Elite Amerikas geworfen, die alles andere als einen erfreulichen Anblick bieten.

Der "weltweite Krieg gegen den Terrorismus" stellt den Eckpfeiler der gesamten Außen- und Innenpolitik der Bush-Regierung dar. Da die Heimatschutzbehörde für den Schutz der Vereinigten Staaten vor Terroranschlägen zuständig ist, ist der Posten, der Kerik angeboten wurde, vorgeblich eine der wichtigsten und komplexesten Aufgaben in Washington. Er erfordert die Leitung und Koordination von vielen verschiedenen, untereinander konkurrierenden Behörden.

Kerik brachte keinerlei Qualifikationen für diese Aufgabe mit. Er hatte nie zuvor in Washington gearbeitet und war nie in ein öffentliches Amt gewählt worden. Bevor er vor elf Jahren Chauffeur und Bodyguard des New Yorker Bürgermeisters Rudolph Giuliani wurde, war er ein Schulabbrecher, dessen ganze Berufserfahrung darin bestand, als Gefängnisaufseher und als Undercover-Polizist bei der Drogenfahndung gearbeitet zu haben.

Unter Giuliani wurde er schnell auf hohe Posten in New York gehievt. Zunächst wurde er zum Verantwortlichen für die Strafanstalten ernannt, bis er dann im August 2000 Polizeipräsident wurde, was er etwas mehr als ein Jahr blieb.

Was Kerik interessant machte, war der 11. September 2001. Regierungsvertreter erklärten, dass die Ernennung des ehemaligen Polizisten zum Leiter der Heimatschutzbehörde dem Bush-Kabinett eine "9/11-Symbolik" verleihen würde. Einen zu haben, der beim Einsturz der Zwillingstürme dabei war, so offensichtlich die Überlegungen, würde den von der Heimatschutzbehörde ausgegebenen Terrorwarnungen größere Glaubwürdigkeit verleihen.

Was Kerik genau am 11. September tat, außer dem Bürgermeister hinterherzulaufen, ist nie diskutiert worden. Die bekannteste Worte über ihn an dem Tag stammen von Giuliani, der behauptet, er hätte sich beim Einsturz des ersten Turms an seinen Polizeipräsidenten gewandt und zu ihm gesagt: "Gott sei Dank ist George Bush unser Präsident."

Als er diese Legende auf dem New Yorker Nominierungskongress der Republikaner im vergangenen August verbreitete, vergaß Giuliani allerdings die Pointe hinzuzufügen: "Weil wir nun beide reich werden!"

Sowohl Giuliani als auch Kerik nutzten die größte Tragödie in der amerikanischen Geschichte schamlos aus, um das große Geld zu machen. Kerik beeilte sich, seine Autobiografie herauszugeben - die nur kurz nach der seines Bosses erschien - und reicherte sie mit Fotos von "Ground Zero" an, die er aus dem Polizeipräsidium entwendet hatte. Um das Buch frühzeitig veröffentlichen zu können und somit hohe Verkaufszahlen sicherzustellen, beauftragte er Polizisten, für ihn Nachforschungen in Ohio anzustellen und die Hintergründe des Mordes an seiner Mutter zu erforschen, die er nie gekannt hatte. Er erhielt später eine Strafe von 2.500 Dollar, weil er Polizisten als seine persönlichen Diener missbraucht hatte.

Danach schloss er sich seinem Mentor als Teilhaber des Unternehmens Giuliani Partners an. Hier trat er als Sicherheitsexperte auf und zog lukrative Verträge und Posten in Unternehmensvorständen an Land, die ihn in die Liga der Multimillionäre aufstiegen ließen. Er erhielt erst jüngst Aktien im Wert von sechs Millionen Dollar für seine anderthalb Jahre im Vorstand von Taser International, für deren Elektroschockgeräte er bei amerikanischen Polizeipräsidien Werbung gemacht hatte.

Der Glanz von Keriks "9/11-Symbolik" ist allerdings durch einige der Enthüllungen, die im Zuge seiner Nominierung für den Washingtoner Posten ans Licht kamen, mehr als nur verblichen.

Die Zeitung New York Daily News veröffentlichte die Geschichte, wie Kerik sich selbst ein Appartement sicherte, von dem aus er den "heiligen Boden" des World Trade Center-Grundstücks überblicken konnte. Diese Wohnung nutzte er gleichzeitig für zwei außereheliche Affären, die eine mit einer Gefängnisbeamtin, die andere mit seiner millionenschweren Herausgeberin Judith Regan. Ursprünglich hatte er das Appartement unter dem Vorwand erhalten, dass es als Aufenthaltsraum für die Bergungsarbeiter dienen sollte, die unten den Schutt durchsiebten.

Machtmissbrauch und Mafiaverbindungen

Dass Kerik Affären hatte, ist weiter nicht von Interesse, außer vielleicht im Zusammenhang mit der heuchlerischen Kampagne für "moralische Werte", die seine politischen Förderer in der Republikanischen Partei führen. Wichtig ist dagegen Keriks grober und brutaler Machtmissbrauch.

Im Falle der Gefängniswärterin Jeanette Pinero laufen mehrere Klagen gegen ihn und die Stadtverwaltung. Kerik wird vorgeworfen, er habe seinen Einfluss als Verantwortlicher für die Strafanstalten benutzt, um gegen Vorgesetzte vorzugehen, die seiner Geliebten und ihren Freunden im städtischen Gefängnissystem in die Quere kamen.

Im Falle von Judith Regan ging der Machtmissbrauch sogar noch weiter. Nachdem sie ihr Mobiltelefon in einem Studio des Fernsehsenders Fox vergessen hatte, wo sie zu einer Talkshow eingeladen war, entsandte Kerik Kriminalkommissare in die Privatwohnungen von mehreren niederen Fox-Angestellten, die mitten in der Nacht aus den Betten gejagt, einem Verhör unterzogen und erkennungsdienstlich behandelt wurden. Das Telefon wurde später im Studio wiedergefunden.

Zudem gibt es zahlreiche Berichte, wonach der ehemalige Strafvollzugs- und Polizeichef von New York City Verbindungen zu Gestalten aus Mafiakreisen unterhielt. Zuletzt berichtete die Daily News am vergangenen Mittwoch, wie Kerik im Jahre 1999 zwei Appartements in einem vornehmen Gebäude im Riverdale-Bezirk der Bronx kaufte und sie später zu einer einzigen Wohnung umbauen ließ. In dem Artikel wird die Renovierung als "opulent" beschrieben, sie habe "große Mengen an Marmor und Granit und eine große Rotunde" umfasst.

Nur wenige Monate, bevor der teure Immobilienkauf getätigt wurde, hatte es einen Haftbefehl gegen Kerik gegeben, weil er seine Kredite für eine Eigentumswohnung in New Jersey, seine einzige Geldanlage, nicht zurückbezahlen konnte.

Wie Kerik - der zu dieser Zeit Beauftragter für die städtische Gefängnisverwaltung war - sein Luxusappartement in der Bronx bezahlt hat, ist ein Rätsel. Doch der Bericht in der Daily News wirft ein Licht darauf, wer die Renovierung vornahm. Den Auftrag erhielt Ed Sisca, der nur eine Woche zuvor angeklagt worden war, bei Ausschreibungen manipuliert zu haben, wofür er schließlich eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren erhielt. Sein Vater Alphonse "Funzi" Sisca gilt als eine der führenden Gestalten im Verbrecherklan Gambino. Er verbrachte die 1990-er Jahre im Gefängnis, weil er als Heroindealer überführt worden war.

Frühere Berichte haben ernstzunehmende Fragen über Keriks Verbindungen zu Frank Di Tomasso aufgeworfen. Di Tomasso ist der Besitzer von Interstate Industrial, einer Baufirma, die seit Jahren in dem Ruf steht, Mafiaverbindungen zu unterhalten. Kerik überzeugte Di Tomasso, seinen Bruder und seinen Trauzeugen Lawrence Ray anzuheuern. Ein Mafia-Informant sagte beim Prozess gegen Peter Gotti als Zeuge aus, dass Di Tomasso seit Jahren Schutzgelder an die Gambino-Familie gezahlt habe. Der Bauunternehmer besuchte Kerik regelmäßig in seinem Büro bei der Gefängnisaufsicht.

Ray, der im Zuge eines Mafiaprozesses wegen Aktienschwindel unter Anklage gestellt wurde, bezahlte nicht nur Keriks Hochzeitsfeier, sondern überreichte ihm angeblich auch Geldgeschenke in Höhe von mehreren tausend Dollar, über die die Stadtverwaltung nie informiert wurde. Vertreter der Stadtverwaltung sind gesetzlich verpflichtet, jedes Geschenk im Wert von über 50 Dollar zu melden, wenn es von jemandem stammt, der mit der Stadt in geschäftlicher Beziehung steht. Städtische Angestellte, die dies nicht befolgen, werden regulär gefeuert.

Diese Skandale betreffen nicht nur Kerik sondern auch Giuliani. Der 11. September, so heißt es unermüdlich von Seiten der Regierung und ihrer Unterstützer, war der Tag, an dem "sich alles änderte". Auf Giuliani trifft dies sicherlich zu. Er konnte die Terroranschläge ausnutzen, um vergessen zu machen, dass er als Bürgermeister bei großen Teilen der Stadtbewohner verhasst war, weil er mit Polizeibrutalität und Unterdrückung und mit Kürzungen bei sozialen Leistungen und öffentlichen Diensten identifiziert wurde. Ebenso haftete ihm der Geruch an, korrupte Geschäfte mit politisch befreundeten Unternehmern getätigt zu haben.

Plötzlich war dies zumindest für die Medien alles Schnee von gestern. Giuliani wurde zu "Amerikas Bürgermeister", zum Symbol für New Yorks unbeugsamen Geist, der sich auch von Terroristen nicht unterkriegen lässt. Der Ex-Bürgermeister nutzte diesen Ruf und profitierte davon.

In diesem Medienrummel wurde praktisch nicht untersucht, welche Rolle Giuliani und seine Stadtregierung bei den Ereignissen am 11. September tatsächlich gespielt hatten. Nur wenige erinnerten daran, dass seine Verwaltung die Feuerwehr daran gehindert hatte, Funkgeräte anzuschaffen, mit denen es möglich gewesen wäre, die im Turm befindlichen Rettungshelfer vor dem Einsturz zu warnen. Stattdessen unerzeichnete die Verwaltung einen rätselhaften Vertrag für Gerätschaften, die für diesen Zwecke vollkommen ungeeignet waren.

Es wurde auch nicht mehr nachgefragt, wie Giulianis Taten - die im Grunde darauf hinausliefen, die Terroranschläge als Fototermin wahrzunehmen, anstatt einen ernsthaften Notfallplan zu entwickeln - sich auf die Rettungsarbeiten auswirkten. Das Durcheinander und die Verwirrung, die an diesem Tag in der Administration herrschten, und ihre fehlende Vorbereitung auf einen ernsthaften Katastrophenfall - die sich am deutlichsten darin zeigte, dass Giulianis für 15 Millionen Dollar eingerichteter Notfall-"Bunker" im World Trade Center zusammenbrach - trugen zu Hunderten unnötiger Tode bei.

Man kann unmöglich glauben, dass Giuliani nichts von den zahlreichen Vorwürfen gegen seinen Günstling Kerik mitbekommen hat. Die städtische Untersuchungsbehörde, die direkt dem Bürgermeister Bericht erstattet, ermittelte wegen Keriks Beziehungen zu Di Tomasso und Ray, bevor er zum Polizeipräsidenten ernannt wurde. Der Vollzugsleiter der städtischen Veruntreuungskommission, der zufällig Giulianis Cousin ist, hat ausgesagt, dass sich Kerik 1999 an ihn wandte, um ein gutes Wort für die Baufirma mit Mafia-Verbindungen einzulegen.

In einer zweiten, gerichtlich angeordneten Untersuchung ermittelte die Untersuchungsbehörde wegen Keriks Machtmissbrauch in den städtischen Gefängnissen zugunsten seiner Freundin. Die Ermittlungen wurden schließlich abgebrochen, vermutlich auf Anweisung des Bürgermeisters.

Kerik erhielt seine Posten in der Stadtregierung, eben weil er eine bedingungslose Loyalität gegenüber Giuliani an den Tag legte. Der Bürgermeister konnte sich darauf verlassen, dass er ihn unterstützte, ohne Fragen zu stellen, und wenn nötig den Mund hielt. Im Gegenzug deckte Giuliani seinen Untergebenen. Es ist kein Zufall, dass es in jenen Jahren im Rathaus immer als witzig galt, Szenen aus dem Film "Der Pate" zu zitieren. Omerta - das Schweigegebot - wurde strikt eingehalten.

Worin besteht das tatsächliche Vermächtnis von "Amerikas Bürgermeister", jenseits seiner allgegenwärtigen Präsenz auf den Fernsehbildschirmen im Gefolge des 11. Septembers?

Er kam inmitten des längsten Börsenbooms in der Geschichte des Landes ins Amt. Als ehemaliger Staatsanwalt hatte er öffentliches Aufsehen erregt, indem er Börsenmakler wie Michael Milken vor laufenden Fernsehkameras verhaften ließ - Makler, deren Delikte gering waren im Vergleich zu der Spekulationsorgie, die Giuliani feierte, als er einmal Bürgermeister geworden war. In einem anderen aufsehenerregenden Fall plädierte er erfolgreich für die Abschiebung von haitianischen Flüchtlingen, die in die Duvalier-Diktatur zurückgeschickt wurden.

Giuliani: Ungleichheit und Unterdrückung

Giuliani brachte die Gesinnung eines Staatsanwalts mit ins Rathaus. Seine Politik kriminalisierte die Armen und Obdachlosen. Er gab der städtischen Polizeibehörde - die auf 40.000 Beamte anschwoll - freie Hand für eine gnadenlose Kampagne zur "Verbesserung der Lebensqualität". Das Ziel dieser Kampagne bestand darin, die vorwiegend schwarze und hispanische Arbeiterjugend New Yorks von den Straßen zu vertreiben und die Stadt für die wohlhabende Bevölkerung zu sichern, die sich auf der Insel Manhattan konzentriert - die gehobene Mittelklasse und die Superreichen.

Die Folgen dieser Politik wurden 1997 auf schreckliche Weise sichtbar, als Abner Louima auf der Toilette einer Polizeiwache in Brooklyn mit einem Besenstiel vergewaltigt wurde. Zwei Jahre später starb Amadou Diallo an insgesamt 41 Einschüssen, nachdem Polizisten in Zivilkleidung einen Kugelhagel auf ihn abgefeuert hatten.

Diese repressive Gewalt war das Nebenprodukt einer immer größer werdenden sozialen Kluft in New York, wo der Reichtum und Überfluss mancher Gegenden oft nur einen Steinwurf von härtester Armut entfernt liegt. Ein Studie fand kürzlich heraus, dass im Norden der Insel Manhattan die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 561.762 Dollar haben und damit 50 mal mehr als die ärmsten 20 Prozent, die nur über durchschnittlich 11.634 Dollar verfügen.

Obwohl die Stadt schwarze Zahlen schrieb wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte, strich Giuliani fortlaufend Sozialprogramme zusammen, die der großen Menge an Bürgern zugute kamen, die mit ihren Löhnen an der Armutsgrenze liegen. Stattdessen wurde das Geld in Form von Steuererleichterungen an die wohlhabende Elite und die Wall Street zurückgeführt.

Zusammengenommen erzeugten die Politik und die sozialen Beziehungen, die sie aufrechterhielt, eine giftige Atmosphäre der Korruption. Die Leute, denen die Giuliani-Regierung diente, machten derart viel Geld, dass es kaum überraschen kann, wenn die Regierung selbst Wege fand, sich zu bereichern - während ihrer Amtszeit und auch danach.

Es kann auch nicht schockieren, dass Giuliani Kerik als Kandidat für ein hohes Amt in der Bush-Regierung vorschlug, wo schließlich die gleichen Beziehungen vorherrschen. Kerik passt gut zu einer Regierung, die durch Betrug ins Amt kam und von dem Enron-Betreiber Kenneth Lay geschmiert wurde. Keriks enge Beziehungen zu Unternehmen, die Geschäfte mit den Sicherheitskräften der Vereinigten Staaten machen, harmonieren mit einer Regierung, die den Vizepräsidenten Dick Cheney weiterhin von der Firma Halliburton mit Geld aushalten lässt.

Nach Darstellung aus Regierungskreisen war es der Präsident selbst, der am heftigsten auf eine baldige Ernennung Keriks drängte. Kerik ist der Mann, den er - und vor ihm sein Vater - immer zu sein vortäuschte: Ein Self-Made-Millionär, der seine Ecken und Kanten noch nicht verloren hat. Bush, der an der Eliteuniversität Yale erzogene Abkömmling einer traditionell einflussreichen und wohlhabenden Familie, und Kerik, der Schulabbrecher und "verlorene Sohn" einer ermordeten Prostituierten, kamen von entgegengesetzten Enden des gesellschaftlichen Spektrums am gemeinsamen politischen, moralischen und intellektuellen Punkt an. Bernie war die Art von Mensch, die Bush mag.

Beauftragt mit der Überprüfung des ehemaligen New Yorker Polizeipräsidenten war der Rechtsberaterstab im Weißen Haus und damit auch der derzeitige Kandidat für den Posten des Justizministers Albert Gonzalez, der eine Schlüsselrolle dabei spielte, die juristischen Begründungen für die Entführungen, Inhaftierungen ohne Prozess und die verbreiteten Folterpraktiken zu entwerfen, die den "Krieg gegen den Terrorismus" kennzeichnen. Fraglos sah Gonzalez in Kerik, dem ehemaligen Gefängnischef und Geheimpolizisten, einen passenden Mann für die Durchführung einer solchen Politik.

Der Rechtsberater des Weißen Hauses ist auch nicht allzu empfindlich, wenn jemand beschuldigt wird, seine Aufgaben mit privaten Interessen zu vermischen. Bevor Gonzalez 1992 zum Berater des damaligen Gouverneurs Bush wurde, arbeitete er ein Jahrzehnt lang in der texanischen Anwaltskanzlei, die das Unternehmen Enron vertrat. Im Jahre 2000 griff das skandalgeplagte Energieunternehmen Gonzalez unter die Arme, damit er seinen Wahlkampf für eine Wiederwahl in den Obersten Gerichtshof von Texas finanzieren konnte.

Es ist völlig unklar, ob Gonzalez’ Dienste für Enron aufhörten, als er in die Regierung eintrat. Jedenfalls setzt er sich an führender Stelle dafür ein, dass die Dokumente über Cheneys geheime Energierunde nicht veröffentlicht werden, zu der angeblich auch lange private Treffen mit Enron-Chef Kenneth Lay gehörten.

Die Fragen, die rund um Keriks Nominierung aufgekommen sind, erschöpfen sich nicht in der Korruption eines einzelnen Menschen, noch haben sie mit Inkompetenz bei den Nachforschungen des Weißen Hauses zu tun.

Kerik steht repräsentativ für den abgehobenen und halbkriminellen Charakter der Oligarchie, die Amerika beherrscht. Dies ist der Grund, warum er in Unternehmensvorständen willkommen war und warum er nicht nur von der Bush-Regierung sondern auch von der Demokratischen Partei gefeiert wurde. Die zwei demokratischen Senatoren aus New York - Hillary Clinton und Charles Schumer - haben nicht nur seine Ernennung als Leiter der Heimatschutzbehörde befürwortet, sondern ihn auch dann noch unterstützt, als es bereits zahlreiche Enthüllungen über Keriks Korruption und Machtmissbrauch gegeben hatte. Bernie ist die Art von Mensch, die auch sie gerne haben. Weil sie selbst vollkommen korrupt sind, fühlten sie sich von ihm angezogen.

Die von Kerik offensichtlich in New York betriebenen korrupten Praktiken können Typen wie Enrons Lay, Tycos Dennis Kozlowski und viele andere Vorstandsvorsitzenden kaum beeindrucken, die sich selbst durch Plünderungen und Schwindel in Milliardenhöhe bereichert haben.

Im "Krieg gegen den Terrorismus" werden die Verbrechen dieser herrschenden Elite durch eine Flut von künstlich erzeugter Angst und falschem Patriotismus weißgespült, während die brutalen und kriminellen Methoden, die sie im Innern praktizieren, gleichzeitig in Form von Angriffskriegen, kolonialer Besetzung und Folter auf die ganze Welt projiziert werden.

Bereits Karl Marx schrieb über den finanziellen Parasitismus, der heutzutage den amerikanischen Kapitalismus durchdringt, er sei beherrscht von dem Streben "sich zu bereichern, nicht durch die Produktion, sondern durch die Eskamotage schon vorhandenen fremden Reichtums". Kennzeichnend hierfür, so Marx, bricht " namentlich an den Spitzen der bürgerlichen Gesellschaft die schrankenlose [...] Geltendmachung der ungesunden und liederlichen Gelüste aus, worin der aus dem Spiele entspringende Reichtum naturgemäß seine Befriedigung sucht, wo der Genuß crapuleux wird, wo Geld, Schmutz und Blut zusammenfließen".

"Die Finanzaristokratie", schrieb er, "in ihrer Erwerbsweise wie in ihren Genüssen, ist nichts als die Wiedergeburt des Lumpenproletariats auf den Höhen der bürgerlichen Gesellschaft." (Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, Berlin 1975, S. 130)

Die Saga rund um den kometenhaften Aufstieg und plötzlichen Niedergang von Bernard Kerik hat dieser profunden Analyse einen frischen und lebendigen Ausdruck verliehen.

Siehe auch:
Kerik declines Homeland Security nomination: why Bush lost his hand-picked henchman
(13 December 2004)
Bernard Kerik to head US Homeland Security Department
( 4 December 2004)
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