Amnesty International legt neue Details über US-Geheimgefängnisse vor

Teil 2: Die Komplizenschaft der Europäischen Regierungen

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Anfang April eine Dokumentation mit neuen Details über die Praxis der illegalen Entführungen und geheimen Internierungen von angeblichen Terrorverdächtigen durch den US-amerikanischen Geheimdienst CIA veröffentlicht ("Below the radar: Secret flights to torture and ‘disappearance’").

Die Beweise und Indizien, die Amnesty über die Praxis der "Renditions" und über amerikanische Geheimgefängnisse vorlegt, sind in ihrer Dichte äußerst bemerkenswert. Einige Details sind zum Teil schon seit längerem bekannt, umso augenfälliger ist die Politik des Wegschauens und Tolerierens durch die europäischen Regierungen, das bis hin zur offenen Kooperation bei den illegalen CIA-Praktiken geht.

Bereits 1995 hatte der damalige US-Präsident Bill Clinton die Entführungen von angeblichen Terrorverdächtigen aus dem Ausland genehmigt. Damals allerdings mit dem offiziellen Ziel, diese Personen in die USA zu bringen, um sie dort vor Gericht zu stellen. Nach dem 11. September 2001 wurde das gesamte Programm exklusiv in die Hände der CIA gelegt - und darauf verzichtet, "Terrorverdächtige" in die USA zu bringen. Stattdessen werden sie für Verhöre nach Syrien, Jordanien oder Ägypten gebracht und in Geheimgefängnissen interniert. Für den Transport der entführten Personen wurden regelmäßig europäische Flughäfen als Transitstellen benutzt, zum Teil hat die CIA auch Verdächtige direkt aus Europa entführt.

Diese Praxis störte die deutsche Bundesregierung noch nicht einmal, als zwei deutsche Staatsbürger von der CIA im Ausland entführt wurden - Khaled el-Masri, der in Mazedonien aufgegriffen und nach Afghanistan gebracht und dort gefoltert wurde, sowie Muhammad Haydar Zammar, der in Marokko entführt und in das berüchtigte Far’ Falastin Gefängnis nach Syrien gebracht wurde.

Auch wenn die deutschen Behörden über Zammars Entführung nach offizieller Version erst über die Presse erfahren haben wollen, schickten sie sechs Geheimdienstbeamte nach Damaskus, um Zammar zu verhören, da der Deutsch-Syrer im Verdacht gestanden habe, Mitglied einer Terrorzelle zu sein. Dabei ist allgemein bekannt, dass Gefangene im Far’ Falastin schwerster Folter ausgesetzt werden.

Bis heute hat die Bundesregierung zwar eine Anfrage an die syrische Regierung über den Grund der Inhaftierung gestellt, aber nichts für eine Freilassung von Muhammad Zammar unternommen. Zammar wurde im Oktober 2004 aus Far’ Falastin weggebracht, seitdem ist sein Aufenthaltsort unbekannt. Im Juni 2005 erhielt seine Familie einen letzten knappen Brief, der über das Internationale Rote Kreuz zugestellt wurde.

Kaum anders verhält es sich im Fall Abu Omar, der von 25 CIA-Beamten aus Italien entführt und über den amerikanischen Militärflughafen im deutschen Ramstein nach Ägypten ausgeflogen wurde.

Dass weder die deutschen noch andere europäische Geheimdienste oder Behörden von den Aktivitäten der CIA gewusst haben wollen, ist völlig unglaubwürdig. In Paris unterhalten die Geheimdienste von Australien, Kanada, Frankreich und Deutschland zusammen mit den USA ein "Anti-Terrorzentrum" unter dem Decknamen "Alliance Base", in dem alle weltweit gesammelten Informationen ausgetauscht werden. Nur beim Zugriff auf Personen haben die USA das Sagen, wie die Süddeutsche Zeitung bereits im Januar berichtete.

Selbst die Menschenrechtsorganisation Amnesty konnte mit ihren bescheidenen Mitteln mehr über die Praxis der Entführungen, Überstellungen und Internierungen aufdecken, als die staatlichen Behörden angeblich wussten. Die vorgelegte Dokumentation wirft ein grelles Schlaglicht auf das Geflecht von CIA-Tarnfirmen und zeigt auf, dass es im Wesentlichen immer dieselben Flugzeuge waren, die vom US-Geheimdienst für "Renditions", für illegale Entführungen benutzt wurden.

Insgesamt werden über 1.000 Flugbewegungen dokumentiert, die direkt mit der CIA und auch mit Entführungen und Überstellungen in Verbindung gebracht werden können und oftmals Zwischenstopps auf europäischen Flughäfen beinhalten. Diese Flüge wurden mit Maschinen von Briefkastenfirmen wie Stevens Express, Keeler and Tate Management oder Premier Executive Transport durchgeführt. 1.600 weitere Flüge erfolgten mit "normalen" Chartermaschinen, die häufig von der CIA benutzt wurden.

Zu den Flugzeugen, die von CIA-Tarnfirmen geführt wurden, gehört eine Boeing 737 mit der Registrierungsnummer N1313P, mit der unter anderem auch Khaled al-Masri von Mazedonien nach Afghanistan gebracht wurde. Diese Maschine landete nicht nur bei Direktflügen aus Afghanistan in Polen und Rumänien, sondern auch 76 Mal auf deutschem Boden und 52 Mal auf britischen Flughäfen.

Bei der Gulfstream-V-Maschine mit der Registrierung N379P, die am häufigsten im Zusammenhang mit "Renditions" in Presseberichten erwähnt wurde, konnten zwischen Februar 2001 und September 2005 insgesamt 590 Flugbewegungen dokumentiert werden. Die Gulfstream V landete dabei unter anderem 76 Mal in Deutschland und 58 Mal in Großbritannien.

Beide Maschinen flogen wiederholt Ziele in Afghanistan, Ägypten, Usbekistan, Marokko, Dschibuti, Polen und Rumänien an, wo die USA teils gesichert, teils mutmaßlich Geheimgefängnisse unterhalten.

Auffällig ist zudem, dass sowohl die CIA-Tarnfirmen als auch die Chartergesellschaften, welche die CIA benutzt hat, weltweit über Lande- und Auftankrechte auf amerikanischen Militärbasen verfügen, was zur Zeit nur bei insgesamt zehn Fluggesellschaften der Fall ist.

Die europäischen Regierungen wollen der Öffentlichkeit aber weiterhin weismachen, sie hätten von den Machenschaften der CIA auf ihrem Hoheitsgebiet nichts mitbekommen. Sie verschanzen sich zudem hinter dem Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, kurz Chicago Convention genannt, das es ihnen nicht erlaube, Privatflüge zu stoppen oder zu durchsuchen. Aber das ist eine nur eine weitere Lüge.

Nach der völkerrechtlich verbindlichen Chicago Convention müssen gewerbliche und militärische internationale Flüge den jeweiligen Staaten angezeigt und von diesen genehmigt werden, private Flüge müssen jedoch weder angemeldet noch dürfen die Flugzeuge durchsucht oder der Zweck des Fluges von staatlichen Stellen erfragt werden. Diesen Grundsatz benutzen die europäischen Regierungen, um ihre Komplizenschaft abzudecken.

Tatsächlich hat aber jeder Staat das Recht, ein Flugzeug zur Landung zu zwingen und zu durchsuchen, wenn "berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass es für einen Zweck benutzt wird, der nicht mit den Zielen der Konvention vereinbar ist". Der Verstoß gegen allgemeine Menschenrechte durch illegale Entführungen und Internierungen in Geheimgefängnissen kann sicherlich nicht zu den Zwecken gezählt werden, die von der Chicago Convention abgedeckt werden. Dementsprechend hätten die europäischen Regierungen nicht nur das Recht, sondern auch die völkerrechtliche Pflicht gehabt, die CIA-Flüge zu stoppen.

Hinzu kommt noch, dass durch den Einsatz von Charterflugzeugen die CIA-Flüge nicht als private, sondern als gewerbliche Flüge hätten gewertet werden müssen. Diese sind aber wiederum genehmigungspflichtig, und die Fluggesellschaften hätten die Flüge acht Tage im Voraus unter Angabe des Namens des Piloten und des Zweckes des Fluges anmelden müssen.

Wie tief die bundesdeutsche Regierung in die CIA-Flüge verstrickt ist, zeigt die Falschaussage des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Klaus Scharioth, der eine kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag damit beantwortete, dass nur militärische Flüge genehmigungspflichtig seien. Das ist rechtlich falsch und soll offensichtlich vertuschen, dass die deutschen Behörden die CIA-Flüge selbst genehmigt haben.

Bereits im Dezember hat die Menschenrechtsorganisation statewatch ein Abkommen zwischen der EU und den USA aus dem Jahr 2003 veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass den USA die Benutzung europäischer Flughäfen zum Transport "krimineller Ausländer" gestattet wird. Demnach hat auch die Bundesregierung ganz offiziell die CIA-Flüge und damit die Entführungen, Überstellungen und Internierungen genehmigt.

Bei den Nachforschungen des Europarats über CIA-Aktivitäten in Europa hat bislang jedoch nur ein einziger der 46 Mitgliedsstaaten "offiziell" zugegeben, "Verdächtige unter Missachtung der Standards des Völkerrechts an ausländische Agenten ausgeliefert" zu haben, wie der Generalsekretär des Europarats Terry Davies Mitte April in Straßburg erklärte. Um welches Land es sich dabei handelt, wollte er nicht sagen. Alle anderen Staaten hingegen gaben vor, nichts gewusst zu haben, und beklagen angeblich fehlende Mittel zur Verhinderung von "Menschenrechtsverletzungen von Geheimagenten aus befreundeten Staaten".

Siehe auch:
Amnesty International: "Below the radar: Secret flightsto torture and ‘disappearance’"
(5. April 2006)
Teil 1: Das Schicksal dreier Jemeniten
( 25. April 2006)
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