Internationale Redaktionskonferenz der WSWS

New Labour und der Niedergang der Demokratie in Großbritannien

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Vortrag zu Großbritannien, der von Julie Hyland im Rahmen einer erweiterten Redaktionssitzung der World Socialist Web Site vom 22. bis 27. Januar 2006 in Sydney gehalten wurde. Hyland ist Redaktionsmitglied der World Socialist Web Site und zweite Vorsitzende der Socialist Equality Party in Großbritannien.

David North betonte in seinem Eröffnungsbericht zu diesem Treffen, dass unsere Perspektive und Orientierung von einem historischen Verständnis in Bezug auf die Entwicklung des Weltkapitalismus ausgehen muss. Er stellte zwei alternative Hypothesen mit zwei sehr unterschiedlichen Ergebnissen in Hinblick auf die Aussichten des Sozialismus einander gegenüber.

In seinem Bericht über die Weltwirtschaft lenkte Nick Beams das Augenmerk unter anderem auf Panitch und Gindin, denen zufolge die Stärke des US-Imperialismus verhindert, dass es zu explosiven Entladungen von interimperialistischen Spannungen kommt.

Interessanterweise war Alex Callinicos von der britischen Socialist Workers Party in eine Polemik mit den beiden verwickelt. Auch wenn er mit einzelnen Aspekten ihrer Analyse nicht einverstanden ist, stimmt ihnen Callinicos genau in diesem Punkt zu. Nachdem er in einem kürzlich erschienenen Artikel auf die Spannungen zwischen den Großmächten und die Besorgnis der Vereinigten Staaten über den Aufstieg Indiens und Chinas hingewiesen hatte, schrieb er, dass der Standpunkt von Panitch und Gindin ein nützliches Korrektiv zu der fälschlichen Behauptung sei, die er selbst zuvor vertreten habe - nämlich, dass das Ende des Kalten Krieges zu einem potentiell katastrophalen wirtschaftlichen und geopolitischen Wettkampf unter den Großmächten führen werde, ähnlich der Ära des klassischen Imperialismus.

Von einem anderen Standpunkt aus hat Martin Jacques, ein ehemaliger Autor der Zeitschrift Marxism Today, eine Artikelserie für die britische Tageszeitung Guardian geschrieben, in der er den unmittelbar bevorstehenden Aufstieg Chinas zur zweiten Supermacht beschreibt. Diese Entwicklung nimmt Jacques zum Ausgangspunkt, um nicht nur die Lebensfähigkeit sondern auch die absolute Notwendigkeit des Nationalstaates zu behaupten.

Außerdem gibt es noch Cliff Slaughters Position, der mit der Herausgabe eines einzelnen Kapitels eines noch unveröffentlichten Buches sein jahrelanges Schweigen gebrochen hat. Es handelt angeblich von "neuen Gedanken zur alten Idee des sozialistischen Internationalismus". Wie man sich denken kann, argumentiert Slaughter im Wesentlichen, dass es keine Grundlage für sozialistischen Internationalismus gibt. Seit der Globalisierung bedroht der Kapitalismus die Welt nicht mehr einfach nur mit Barbarei, sondern auch mit "der Zerstörung von Natur und Menschheit selbst".

Folglich reiche es nicht länger, wenn Sozialisten ihre Perspektive darauf "beschränken", die politische Macht von der Bourgeoisie zu erobern. Der zerstörerische Charakter des Kapitals bedeute, dass es auch die Grundlage für seinen revolutionären Umsturz zerstöre. Daher müssten Sozialisten versuchen, "die natürlichen und kulturellen Bedingungen für die zukünftige soziale Umwandlung, die das wahre Ziel der proletarischen Revolution ist, zu verteidigen, zu bewahren, zu beschützen und zu nähren."

Dies müsse zudem unter Bedingungen der Globalisierung stattfinden, die in den imperialistischen Zentren eine verdummte Masse hervorgebracht habe, die mit neuen Brosamen zufrieden gestellt werde - in Form von "vergänglichen Waren", die aus der Ausbeutung der unterdrückten Massen in Afrika, Asien und Amerika stammen. Dies "korrumpiert die menschliche Persönlichkeit" und bedeute, dass Arbeiter im Westen von den unterdrückten Massen "in Bewusstsein und Organisation getrennt sind". Die Lösung liege in der Verteidigung und dem Hochhalten des "kulturellen Erbes der Menschheit", das nicht "auf den Sozialismus warten" könne.

Slaughters Position ist nicht neu - sie ist im Wesentlichen die wiedergekäute Position der Pablisten und anderer, der zufolge die Verbürgerlichung der Arbeiterklasse im Westen das Epizentrum der Revolution auf die kolonialen und halbkolonialen Ländern verlagert habe. Aber so verschieden die Ausgangspunkte der Exradikalen auch sein mögen, einig sind sie sich in der Auffassung, die Perspektive der sozialistischen Revolution sei völlig utopisch. Sofern sie überhaupt für ein Programm der gesellschaftlichen Veränderung eintreten, konzentrieren sie sich auf bestimmte Minimalforderungen, die darauf zielen, eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse zu blockieren. Das ist im Wesentlichen der Standpunkt von Bewegungen wie ATTAC, Left Alternative, Respect, usw.

Je weiter sich die alten nationalen Arbeiterbürokratien nach rechts entwickelt haben, desto weiter auch die Exradikalen. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, wie diskreditiert ihre Positionen sind und welche objektiven Schwierigkeiten mit dem Versuch verbunden sind, der reformistischen Opposition gegen die sozialistische Revolution Leben einzuhauchen.

Im Gegensatz dazu haben wir darauf bestanden, dass die mit der Globalisierung verbundenen Entwicklungen die objektive Grundlage für eine internationale sozialistische Entwicklung der Arbeiterklasse vorbereiten, so dass der Klassenkampf nicht nur seinem Inhalt sondern auch seiner Form nach international ist.

Anders als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, als die imperialistische Erschließung des Globus die Entwicklung einer Arbeiteraristokratie in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ermöglichte, die ihrerseits die Grundlage für opportunistische Politik bildete, ist heute die Ausbeutung der Weltressourcen durch die transnationalen Konzerne nicht von solchen Zugeständnissen begleitet. Die Globalisierung bildet vielmehr die Grundlage dafür, diese Errungenschaften zu untergraben und eine beispiellose Umverteilung des weltweiten Reichtums hin zu einer hauchdünnen Schicht Superreicher zu betreiben.

Das Thema wird in Kreisen der Finanzelite offen diskutiert. Kürzlich haben die Banken HSBC und Citigroup Untersuchungen zur globalen Ungleichheit durchgeführt. Die Citigroup redet davon, dass eine neue Aristokratie - Plutokratie genannt - aufsteigt, was durch Beispiele aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Großbritannien illustriert wird. Dort haben wenige Superreiche einen großen Teil der steigenden Gewinne in ihre Taschen gelenkt, entweder durch das Abschöpfen von Kapitalprofiten oder durch die Auszahlung ungeheurer Summen an sich selbst. Gleichzeitig bestimmen diese Reichen im Wesentlichen die Wirtschaft.

Die Studie der HSBC betrachtete die Umverteilung von Einkommen zwischen verschiedenen Ländern. Dabei richtete sie das Augenmerk auf die Stellung der Arbeitskraft, die durch die Öffnung Osteuropas, den Eintritt Chinas in den Weltmarkt sowie der wachsenden Mobilität des Kapitals geschwächt wurde.

Larry Elliot kommentierte im Guardian die HSBC-Studie: "Als es ein, wenn auch noch so kleines, Risiko gab, dass Menschen im Westen den Verlockungen des Kommunismus erliegen konnten, war die Sozialdemokratie eine Rückversicherung. Jetzt wird sie als Hindernis für ein effizientes Wirken des Marktes gesehen. Die Politik im Westen hat sich dieser neuen Realität angepasst. Parteien auf der Linken sind in ihrer Marktgläubigkeit heute wesentlich weiter, als Thatcher und Reagan in den 1980ern zu gehen bereit waren."

Das ist ein außergewöhnliches Phänomen, das man nicht übergehen kann. In anderen Vorträgen wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich der Prozess der Akkumulation von Reichtum in den Vereinigten Staaten von der gesellschaftlich sinnvollen Produktion losgelöst hat. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist die Vorherrschaft einer parasitären und korrupten Elite.

Dieser Prozess spielt sich auch in Großbritannien ab. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass er zwar unter den Konservativen begonnen, aber von der Labour Party viel weiter vorangetrieben wurde, wobei Letztere sich vollständig in eine politische Vertreterin der globalen Finanzoligarchie verwandelt hat.

Diese Entwicklungen sind eine Quelle großer Instabilität. Denn die daraus resultierende Klassenpolarisierung wird unter der direkten Verantwortung der alten Bürokratien organisiert, die für die Einführung von erleichterten Ausbeutungsbedingungen und sozialen Kürzungen verantwortlich sind.

New Labour und die Oligarchie

Ich möchte versuchen, das ganze Ausmaß der Verwandlung Labours in ein Werkzeug der Oligarchie darzustellen.

Während sich die Labour Party einst zu 90 Prozent über die Gewerkschaften finanzierte, stammen jetzt nur noch 30 Prozent der Parteieinkünfte aus dieser Quelle. Ein gleich großer Anteil kommt von drei Multimillionären.

Wir sind schon auf die Beziehungen zwischen Tony Blair und Rupert Murdoch eingegangen. Im Juli 1995 hielt der damals frisch gewählte Labour-Vorsitzende eine Grundsatzrede anlässlich einer Medienkonferenz auf Hayman Island, in der er "versprach, die Medienkonzerne von 'dem starren Regulierungskorsett' zu befreien".

Damit gewann Blair seinen reichsten und bekanntesten Unterstützer, dessen Medienimperium News Corporation aus etwa 800 Tochterfirmen besteht, von denen wiederum 60 in Steueroasen auf den Bermudas, den Virgin- und den Cayman-Inseln ihren Sitz haben. Außerdem gehört noch Sky Global Networks dazu, die Mutter von BSkyB.

Es ist bekannt, dass Blair sich mit Murdoch trifft, und dass der Berater des Medienbarons, Irwin Stelzer, auch schon von Downing Street für Beraterdienste bezahlt wurde. Berichten zufolge hat die News Corporation seit 1998 in Großbritannien weniger Steuern gezahlt, weil ihr in einigen Jahren Steuererleichterungen zugesprochen wurden, die die Zahlungen in anderen Jahren ausglichen.

Aber Murdoch ist bloß der Kopf einer ganzen Gruppe von Oligarchen, die die Regierungspolitik direkt bestimmen. Unter Labours größten Spendern finden sich die reichsten Personen Großbritanniens. Einige sind nach wie vor lupenreine Thatcher-Anhänger, während andere wie Lord Sainsbury und Lord Diamond wichtige Sympathisanten der Social Democratic Party waren - einer rechten Abspaltung der Labour Party aus dem Jahre 1981.

Wir haben darauf hingewiesen, dass auf den Parteitagen von Labour nicht mehr diskutiert wird - wie der achtzigjährige Walter Wolfgang letztes Jahr zu seinem Nachteil erfahren musste. Während des Parteitags im vergangenen Jahr wurden an die 600 Leute auf Grundlage des Antiterrorgesetzes festgenommen, darunter auch Wolfgang, weil sie Parolen gegen Blair riefen, oppositionelle T-Shirts trugen, usw.

Die Parteitage sind kaum mehr als Foren, auf denen die Wirtschaft ihre Lobbyarbeit organisiert. Treffen am Rande, die die Politik von Labour diskutieren, werden von Firmen und Banken wie Nestle, Unum Provident und Barclays gesponsert. Viele von diesen Veranstaltungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Übernahme von privatisierten öffentlichen Dienstleistungen. Der private Medizinkonzern BUPA finanziert Diskussionen über die Zukunft des staatlichen Gesundheitssystems National Health Service (NHS) mit Gesundheitsministern als Rednern, während Murdochs Privatsender Sky TV der Gastgeber von Meetings ist, auf denen ebenfalls in Anwesenheit von Labour-Ministern über das Ende der privilegierten Stellung des staatlichen Senders BBC diskutiert wird.

Das ist von Bedeutung, denn die Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse betreffen nicht bloß Lohnkürzungen sondern auch die Zerstörung sozialer Leistungen zum Nutzen des privaten Kapitals und der Börse. Eine der wichtigsten Neuerungen unter Thatcher war die Schaffung einer Börse für Finanzterminkontrakte, der London International Financial Futures Exchange, wo auf den zukünftigen Preis von Währungen, Zinssätzen und Derivaten spekuliert wird. Die Deregulierung des Finanzmarktes war für das britische Kapital enorm wichtig. Vier der zehn weltgrößten Finanzkonzerne haben ihren Sitz in Großbritannien. Schätzungen zufolge ist der weltweite Wert von Derivaten von 1990 bis 2002 von 2,9 Billionen Dollar auf 127 Billionen Dollar gestiegen, wovon auf Großbritannien im April 2004 ein durchschnittlicher Tagesumsatz von 647 Milliarden Pfund entfiel.

Deshalb setzt sich Großbritannien gemeinsam mit den USA am nachdrücklichsten für internationale Maßnahmen ein, mit denen nationale Gesetze und Regulierungen abgeschafft werden, die eine Behinderung für den Handel mit Dienstleistungen darstellen. Hinter den USA steht Großbritannien an zweiter Stelle der Exporteure von Kommerzdiensten und wickelt 7,8 Prozent des Welthandels in diesem Sektor ab.

In Bezug auf die Forderung nach einer Anhebung des Rentenalters auf mindestens 68 Jahre haben wir bereits festgestellt, dass ein Faktor für den Druck auf Arbeiter, eine private Altersvorsorge zu treffen, in dem erwarteten jährlichen Zufluss von fast zehn Milliarden Pfund in die Aktienmarkt besteht.

Vetternwirtschaft und Korruption

Seitdem im Jahre 1958 auf Lebenszeit vergebene Adelstitel eingeführt wurden, hat kein Premierminister mehr Sitze im Oberhaus an politische Freunde vergeben als Blair. In achteinhalb Jahren hat er mehr Personen in den Adelsstand erhoben als Thatcher in elf Jahren, so dass Labour jetzt zum ersten Mal in der Geschichte die größte Partei im Oberhaus ist. Viele sind wichtige Geldgeber der Partei, darunter die Lords Levy, Sainsbury und Drayson.

Der Sunday Times zufolge gibt es ein "Gebührensystem", nach dem Geldgeber für Labours Bildungsreformen - mit denen die Privatisierung erleichtert werden soll - einen Orden oder Adelstitel abhängig davon erhalten, wie viel sie für das Programm gespendet haben. Die Spender, unter denen sich Menschen wie der Autohändler und Evangelist Peter Vardy befinden, können Einfluss auf die Lehrpläne nehmen. Dem entsprechend unterrichtet die von Vardy unterstützte Schule die biblische Schöpfungslehre.

Die Times hat aufgedeckt, dass jeder Spender, der Labour eine Million Pfund oder mehr gab, mit einer Auszeichnung bedacht wurde.

Es geht um mehr als nur Begünstigungen. Verbindungen zwischen Politikern und der Wirtschaft sind nichts Neues, aber die Labour Party hat das heimliche Geldzustecken überflüssig gemacht, indem sie Geschäftsleute direkt in die Regierung holt, wo diese die Privatisierungen planen und Regierungsaufträge verteilen.

Lord Sainsbury ist Wissenschaftsminister und Mitglied im Biotechnologiekomitee der Regierung, das für die nationale Politik in Hinblick auf gentechnisch veränderte Lebensmittel verantwortlich ist. Er ist maßgeblich an Biotechnologiefirmen wie Diatech und Innotech beteiligt. Das Labor, das Sainsbury 1987 mit ins Leben rief, um gentechnisch verändertes Saatgut zu erforschen, profitiert von Zuwendungen der Regierung.

Lord Paul Draysons Firma PowderJet erhielt einen Pockenschutzimpfungsvertrag der Regierung über 32 Millionen Pfund, aus dem der Konzern einen geschätzten Gewinn von 20 Millionen Pfund zog. Drayson tätigte seine zweite Spende über 50.000 Pfund an Labour just zu dem Zeitpunkt, als die Regierung darüber entschied, wer den Vertrag erhalten solle. Später wurde ihm der Adelstitel verliehen.

Gavyn Davies hat sich inzwischen mit Labour überworfen, nachdem er zum Vorsitzenden der BBC aufgestiegen ist. Davies erwarb gerade zu dem Zeitpunkt einen 54-prozentigen Anteil an der Internetfirma UKprocure, die das nationale Gesundheitssystem (NHS) beliefert, als die Regierung den NHS anwies, seinen Bedarf online zu bestellen. Sein Partner war Chai Patel, ein Londoner Bankier und Geldgeber der Labour Party, der die Regierung in Bezug auf die Einbeziehung des privaten Sektors in den NHS beraten hatte. Patel ist außerdem Vorstandsvorsitzender der Priory Group, die mehr als die Hälfte ihrer Geschäfte mit einer Kette von psychiatrischen Kliniken macht. 2002 fand der Observer heraus, dass Patels Kliniken dem NHS regelmäßig bedeutend mehr in Rechnung stellten als andere private Anbieter.

Weitere Profiteure der schleichenden Privatisierung in den Bereichen Gesundheit und Bildung unter der Blair-Regierung sind der ehemaliger Labour-Generalsekretär Lord Sawyer, der als Vorsitzender einer Arbeitsvermittlungsagentur 5 Millionen Pfund jährlich mit dem Bereitstellen von Personal für den NHS machte, und Alan Sugar, der das Unternehmen Viglen besitzt. Sugars Firma organisiert den IT-Bereich an zwei Dritteln der Universitäten Großbritanniens und verkauft Unterrichts- und Netzwerksoftware an Schulen.

Enrons Spenden an Labour zu derselben Zeit, als der Konzern sich - erfolgreich - um den Vertrag für die Übernahme von Wessex Water bewarb, sind gut dokumentiert. Ebenso die Rolle von Enrons Beraterfirma Anderson, deren Mitarbeiter als Regierungsberater zu geplanten Vorhaben wie der Teilprivatisierung der Londoner Untergrundbahn und dem Verkauf der Flugsicherung tätig wurden.

Die Buchprüfungsfirma KPMG stellte Downing Street Personal zur Verfügung, das für die Private Finanzinitiative (PFI) der Regierung werben sollte. Das gleiche tat die Brunswick Group, das größte Finanzberatungsunternehmen Großbritanniens, um bei der Ausarbeitung des Gesetzes zu Finanzdienstleistungen und Märkten zu helfen.

2002 vergab die Regierung einen Vertrag über 4 Milliarden Pfund an Tubelines für den Betrieb eines Drittels der Londoner Untergrundbahn über 30 Jahre. Bei Tubelines handelt es sich um ein Konsortium aus den drei Firmen Amey, Jarvis und Bechtel. Im Vorstand von Jarvis sitzen einige Geldgeber der Labour Party und die Firma besitzt Wertpapiere von Partnerships UK, dem offiziellen PFI-Unterstützer der Regierung. Sowohl Amey als auch Jarvis finanzieren das New Local Government Network, eine Denkfabrik, die Privatisierungen fördern will und engen Kontakt zu Labour-Ministern unterhält. Jarvis hat außerdem Verträge für den Betrieb von Schulen, während Bechtel 1998 von Labour beauftragt wurde, den Ausbau der Jubilee U-Bahnlinie zu übernehmen.

Die Zunahme der Superreichen

Dieses ausgeklügelte Netzwerk von Vetternwirtschaft und Korruption ist nur das auffälligste Beispiel für die Dienste, die Labour den Superreichen leistet. Es handelt sich um ein Politiksystem, das den gewaltigen Transfer von Reichtum von unten nach oben ermöglicht und Großbritannien in ein Paradies für Milliardäre verwandelt hat.

London soll 40 Milliardäre beheimaten, zu denen auch die am offensten korrupten und kriminellen Vertreter ihres Schlags gehören - die russischen Oligarchen.

Zu den russischen Milliardären Londons zählen Roman Abramowitsch, Boris Beresowsky und Leonard Blawatnik. 1992 wurde nur einem Russen die britische Staatsbürgerschaft gewährt, 2002 waren es schon 806. London wird inzwischen das Moskau an der Themse genannt, so groß ist die Zahl der reichen Russen, die nach einem Ort suchen, um die durch Plünderung der russischen Wirtschaft unrechtmäßig erworbene Beute auszugeben oder zu verstecken.

In Großbritannien gilt ein bestimmter Steuerstatus für Nichtansässige, so dass alle, die im Jahr weniger als 90 Tage in Großbritannien verbringen, keinerlei Steuern auf ausländische Einkünfte oder auf Investitionen in ausländischen Steuerparadiesen zahlen. Bis zu 100.000 Personen profitieren von dieser großzügigen Regelung - was jedes Jahr zig Milliarden Pfund ausmacht. Ein Bericht des Observer vom März 2005 legte offen, dass die reichsten Personen der Welt ein Vermögen in Höhe von 11,5 Billionen Dollar in ausländischen Steuerparadiesen geparkt haben - das ist das Zehnfache von Großbritanniens Bruttoinlandsprodukt.

Nicht nur ausländische Oligarchen werden von der Labour-Politik begünstigt. Eine neue Studie über die veränderte Zusammensetzung von Vermögen und reiche Individuen in Großbritannien spricht von drei Gruppen. Am auffälligsten sind die 100 Spitzenverdiener in den Unternehmensvorständen, die jetzt im Schnitt etwa eine Million Pfund im Jahr verdienen, und die Neureichen (die sich alle entweder im Finanzdienstleistungssektor, im Einzelhandel oder im Immobiliengeschäft finden). Es gibt eine dritte, fast unsichtbare Gruppe, deren Reichtum und Bedeutung vom erweiterten Umfang des Finanzsektors herrührt - und auf hohen Zinsen bei Megatransaktionen und/oder Anteilsbesitz an privatem Beteiligungskapital und Hedge Fonds beruht.

Unter Blair hat das oberste 1 Prozent seinen Reichtum um 152 Prozent vergrößert, was den Anteil dieser Gruppe am nationalen Vermögen von 20 auf 23 Prozent ansteigen ließ und ihr damit den größten Anteil am Nationaleinkommen seit den 1930er Jahren bescherte.

Auf dem anderen Pol der sozialen Ordnung besaß die Hälfte der Bevölkerung Großbritanniens 2001 nur fünf Prozent des gesamtgesellschaftlichen Reichtums, während es im Jahre 1976 noch acht Prozent waren. 2002/03 lebten 17 Prozent der Bevölkerung in Haushalten mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren verfügbaren Einkommens. Private Schulden überstiegen eine Milliarde Pfund; Großbritannien hält zwei Drittel der gesamten Kreditkartenschulden der EU. Es gab noch nie so viele Privatinsolvenzen wie heute; allein von 2003 bis 2004 nahmen sie um 30 Prozent zu.

Während sich die Hauptstadt kaum vor Superreichen retten kann, weist sie gleichzeitig den höchsten Grad an Kinderarmut im ganzen Land auf - ganze 53 Prozent in der Londoner Innenstadt. Auch ein Drittel der erwachsenen Londoner leben in Armut.

Es ist kein Zufall, dass die Exradikalen die Degeneration des Reformismus und seiner Parteien weitgehend ignorieren. Sofern sie sich überhaupt versuchen, die Verwandlung der Labour Party in "New Labour" zu erklären, stellen sie diese im Wesentlichen als Übernahme der Partei durch Außenseitern dar, die sich den neuen Realitäten von Thatchers monetaristischer Orthodoxie gebeugt hatten.

Es würde den Rahmen dieses Vortrags sprengen, alle damit zusammenhängenden Fragen zu behandeln. Nichtsdestotrotz möchte ich darauf hinweisen, dass die enormen Veränderungen innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft der letzten zwanzig Jahren diesen Prozess der Degeneration vorangetrieben und vollendet haben.

Das in der Nachkriegszeit etablierte System internationaler Wirtschaftsregulierung, das die mit der kapitalistischen Wirtschaft verbundenen Widersprüche überwinden sollte, ging 1971 mit dem Zusammenbruch des Bretton Woods Systems zu Ende. Dies öffnete den Weg für die außerordentliche Entwicklung der globalisierten Produktion, mit der die Bourgeoisie dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken versuchte.

Die allgemeine Krise, die 1973 durchbrach, machte gnadenlos deutlich, wie tief der britische Kapitalismus gegenüber seinen wichtigsten Konkurrenten gesunken war. Gleichzeitig machte die Vorherrschaft des Finanzkapitals in Großbritannien das Land besonders anfällig für Kapitalbewegungen, die nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods nicht mehr von der Regierung kontrolliert werden konnten.

Inmitten großer Klassenkämpfe, die ihren Höhepunkt in dem Bergarbeiterstreik und dem damit verbundenen Sturz der Heath-Regierung fanden, beklagte die als links angesehene "Tribune"-Gruppe in der Labour Party das Anwachsen multinationaler Konzerne und machte sie für das "Ende der traditionellen keynesianischen Politik" verantwortlich.

Kurzzeitig spielte Labour mit der Idee einer "Alternativen Wirtschaftsstrategie", die nationale Wirtschaftsregulierung, öffentliches Eigentum, Wirtschaftsplanung, Preiskontrollen und Importbeschränkungen beinhaltete. Als aber 1976 auf internationaler Ebene massiv gegen das Pfund Sterling spekuliert wurde, wandte sich die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie mit der Bitte um eine Nothilfe von 3,3 Milliarden Pfund an den Internationalen Währungsfond (IWF). Die Regulierungspolitik wurde zu Gunsten von Ausgabenkürzungen und einem Lohnstopp fallengelassen.

Jüngst unter dem Informationsfreiheitsgesetz freigegebene Dokumente zeigen, dass die Callaghan-Regierung das volle Ausmaß der mit dem IWF vereinbarten Kürzungen geheim gehalten hat - die Gesamtausgaben wurden innerhalb eines Jahres um ein Drittel zusammengestrichen - und insgeheim von einer massiven Steigerung der Arbeitslosigkeit auf fast zwei Millionen bis 1978 ausging.

Es war wohl eines der ersten vom IWF verordneten Strukturanpassungsprogramme. Auf dem Labour-Parteitag 1976 gab Callaghan es formell bekannt. Er sagte: "Zu lange, vielleicht schon seit dem Krieg, haben wir versäumt, uns mit grundlegenden Entscheidungen und grundlegenden Veränderungen in unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft zu konfrontieren. Wir dachten immer, man könne eine Rezession durch Ausgabensteigerungen überwinden und die Beschäftigung durch Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben steigern. Ich sage euch in aller Aufrichtigkeit, diese Option existiert heute nicht mehr."

Offenbar gratulierte US-Präsident Ford Callaghan am nächsten Tag zu seiner Rede.

Die Labour Party konnte den ökonomischen und sozialen Umbau Großbritanniens im Interesse der internationalen Finanzinstitutionen und globalen Konzerne nicht vollenden. Der so genannten "Winter der Unzufriedenheit" bereitete 1979 Thatcher den Weg an die Macht, und es war ihr zweifelhaftes Privileg, das soziale Gefüge in Großbritannien zu zerschlagen und Millionen zu Arbeitslosigkeit und Armut zu verdammen.

Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn Thatchers rechter Kurs nicht von der Labour Party nachvollzogen worden wäre. Nach einer kurzen linken Episode unter Michael Foot begann die Partei unter der Führung von Neil Kinnock ihre ganzen reformistischen Rezepte über den Haufen zu werfen. In dieser Zeit tauchten einige der heute bekannten Gesichter auf der politischen Bühne auf.

Vergangenes Jahr machten wir auf die Bemerkung des britischen Außenministers Jack Straw aufmerksam, dass er seine politische Ausbildung im Kampf gegen die "Trotzkisten" erhalten habe. Straw erklärte stolz, er habe "von Bert Ramelson, dem Gewerkschaftsverantwortlichen der Kommunistischen Partei in Yorkshire, 1965 gelernt, einen Trotzkisten auf 50 Yard Entfernung zu riechen".

Straw ist nicht der einzige. Peter Mandelson, Blairs rechte Hand und jetziger britischer EU-Kommissar, ist vielleicht das bekannteste Ex-Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens in den Reihen von New Labour. Ein weiteres ist Charlie Wheelan, Ex-Berater von Gordon Brown. Neben dem Außenminister hat auch Verteidigungsminister John Reid eine Vergangenheit bei den Stalinisten. Selbst Innenminister Charles Clarke soll ein Sympathisant der Kommunistischen Partei gewesen sein.

Daneben gibt es noch eine Reihe ehemaliger kleinbürgerlicher Radikaler, die sich, ähnlich wie Blairs berüchtigter Spin Doctor Alastair Campbell, ihre Sporen unter Neil Kinnock im Kampf gegen die Militant-Gruppe und andere Linke verdient haben.

Die Entkernung der bürgerlichen Demokratie

New Labour ist das Monster, das aus der Partnerschaft von rechten Labour-Politikern mit Stalinisten und ihren Mitläufern am Rande des radikalen Milieus hervorgegangen ist. Der ausdrückliche Zweck dieser Allianz bestand darin, die Organisation vollkommen von jeder Verbindung zur Arbeiterklasse zu trennen. Das war die Lehre, die Labour aus den Erfahrungen von 1979 gezogen hatte - die Partei sollte nie wieder unter den Druck von unten geraten.

Durch diesen Prozess ist die Labour Party zu einer leeren Hülle geworden. Ihre Mitgliedschaft liegt inzwischen unter 200.000 und über ein Drittel ihrer Ortsverbände entsendet zu den Parteitagen keine Delegierten mehr. Labour hat seit 1997 vier Millionen Wähler verloren und erzielte 2005 ein schlechteres Ergebnis als bei der Wahl 1983, die als das Ende der alten Labour Party gilt. Dieser Zustand wird dabei keineswegs als Problem betrachtet sondern vielmehr begrüßt, weil sich Labour dadurch nur noch besser an die Bedürfnisse der Wirtschaft anpassen kann.

Blair mag das für einen Sieg halten, aber tatsächlich ist infolgedessen die wichtigste politische Stütze weg gebrochen, auf der das britische Kapital über eine gesamte historische Periode hinweg geruht hatte.

Insgesamt gleicht die britische Politik unter den derzeitigen Bedingungen einer eiternden Wunde. Die konservativen Tories - die sich nie von Thatcher erholt haben und in den sechs größten Städten außerhalb Londons über kein einziges Mandat für einen Parlamentssitz verfügen - versuchen mit der neuen Führung von David Cameron an Popularität zu gewinnen. Ihre Bemühungen machen nur den extrem begrenzten Rahmen der bürgerlichen Politik deutlich.

Die Tories versuchen in erster Linie die Regierung zu diskreditieren, indem sie jede ihrer Maßnahmen unterstützen - womit die Tories ausdrücklich anerkennen, dass sie vollkommen verhasst sind. Sie gehen davon aus, dass die Labour Party automatisch in Schwierigkeiten gerät, wenn sie mit den Konservativen in Verbindung gebracht wird.

Cameron, der wie Blair mit seinem Pragmatismus und seiner Ablehnung von Ideologie kokettiert, tritt für niedrige Besteuerung und insgesamt einen Abbau des Staates ein. In allen wesentlichen Fragen ist er ein Neokonservativer. Um seine politische Basis zu verbreitern, versucht er sich allerdings als eine Art mitfühlender Konservativer darzustellen, z.B. in der Frage von Kriminalität und Bildung. Doch selbst dieser schwache Versuch, etwas Popularität zu erhaschen, wurde sofort unter anderem von Murdochs Sun verurteilt.

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg kommen die Spitzen beider großen Parteien von den besten Privatschulen Englands und Schottlands (insbesondere Eton und Fettes), weshalb Labour den privilegierten Schnösel Cameron nicht als solchen angreift.

Die Liberaldemokraten, die durch ihre Opposition gegen den Irakkrieg und durch einige zahme soziale Vorschläge etwas an Einfluss gewinnen konnten, zerfleischen sich momentan selbst. Charles Kennedy wurde ohne große Umstände wegen Alkoholismus als Parteiführer abgesetzt. Tatsächlich hatte er zu diesem Zeitpunkt das Trinken schon aufgegeben und befand sich auf dem Weg der Besserung - die Partei hatte sich nicht gegen ihn gestellt, solange er noch trank. Ein paar Tage später wurde Mark Oaten, der als möglicher Nachfolger galt, wegen einer Affäre mit einem Stricherjungen ausgebootet. Ein weiterer Abgeordneter der Liberalen wechselte die Seiten und schloss sich der Tory-Fraktion an, wobei er andeutete, es könnten weitere folgen.

Währenddessen kündigte Blair missmutig an, kurz vor der nächsten Wahl das Amt des Parteivorsitzenden aufzugeben. Es gibt jede Menge Spekulationen, dass er sein Versprechen brechen könnte, das Zepter an Brown zu übergeben, womit der Weg für einen erbitterten prinzipienlosen Fraktionskrieg frei wäre.

Das Wahlbündnis Respect, das von der Socialist Workers Party geschaffen und als ernsthafte linke Herausforderung hochgejubelt wurde, ist inzwischen für jedermann als schaler Aufguss des Labourismus erkennbar. Innerhalb weniger Monate verlor der prominenteste Repräsentant George Galloway all sein Prestige, das er sich erworben hatte, als er dem US-Senat in der Frage des Irakkriegs die Stirn bot. Er beleidigte die Antikriegsbewegung, mit der er in Verbindung gebracht wurde, und die Millionen Menschen, die ihn gegen Angriffe aus der rechten Ecke verteidigt hatten, indem er sich als Containerbewohner für die jüngste Big Brother Reality TV-Show hergab.

Die Entkernung der bürgerlichen Demokratie als Folge dieser sozialen Polarisierung zeugt vom Niedergang des britischen Kapitalismus.

Es ist unmöglich, ein demokratisches Mandat für koloniale Eroberungskriege und eine Sozial- und Wirtschaftspolitik zu erhalten, die die Masse der Bevölkerung verarmen lassen. Daher greift die Regierung zu Lügen, Betrug, Einschüchterung und Polizeistaatsmethoden.

Die Angriffe auf demokratische Rechte haben mittlerweile historische Dimensionen erreicht - selbst so lang verbriefte bürgerliche Grundrechte wie die Habeaskorpusakte, das Recht auf Haftprüfung, werden effektiv außer Kraft gesetzt. Blair beklagt, dass das ganze britische System auf der falschen Voraussetzung aufbaut, Unschuldige vor ungerechtfertigter Bestrafung zu schützen, wo es doch seine eigentliche Pflicht sein müsste, den gesetzestreuen Bürgern ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen. Mit dieser Begründung rechtfertigt die britische Regierung ihre Politik "gezielter Todesschüsse", die am helllichten Tag Jean Charles de Menezes trafen, verteidigt sie die Überstellung von Gefangenen an die Vereinigten Staaten und nutzt selbst durch Folter erpresste Aussagen.

Die entscheidende Erkenntnis ist, dass der Angriff auf demokratische Rechte keine Frage subjektiver Politik ist, die von einem bürgerlichen Politiker befürwortet, vom nächsten vielleicht fallengelassen wird - er ist vielmehr das unvermeidliche Ergebnis der unerträglichen sozialen Spannungen in Großbritannien.

Die weiter oben zitierte HSBC-Studie stellt fest, dass das größte Risiko für die Stabilität von dem ausgeht, was als politische Abwehrreaktion auf die "Globalisierung" bezeichnet wird. Der Bericht macht für diese Gefahr Politiker verantwortlich, die auf populäre Stimmungen reagieren. Doch Guardian -Leitartikler Larry Elliot kommt der Wahrheit näher, wenn er bemerkt: "Man könnte es so ausdrücken: Der Kapitalismus schafft sich seinen eigenen Feind."

Dafür gibt es klare Anzeichen, wie wir in Bezug auf die Massenbewegung gegen den Irakkrieg, die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden, das Ergebnis der Wahl in Deutschland und kürzlich die Unruhen in Frankreich festgestellt haben.

Im Guardian sagte der amerikanische Sozialwissenschaftler Immanuel Wallerstein über die französischen Unruhen: "Wir befinden uns in einer Epoche der Verstärkung, nicht der Abschwächung von Ungleichheiten. Und deshalb befinden wir uns in einer Epoche zunehmender, nicht abnehmender Rebellionen."

Zusätzlich zu diesen sozialen Spannungen, oder eher als ein Teilergebnis, ist es zu Spannungen innerhalb der Bourgeoisie selbst gekommen. Es gab eine Reihe von undichten Stellen, parlamentarischen Untersuchungen und Forderungen nach einer Amtsenthebung Blairs - zuletzt vom ehemaligen SAS-Elitetruppenkommandeur General Michael Rose.

Keiner von Blairs Kritikern ist gegen Labours Sozialpolitik. Ihre Sorgen gelten der Außenpolitik und deren Folgen für den britischen Imperialismus. Wir haben sehr zu Recht der Behauptung widersprochen, die britische Unterstützung für den Irakkrieg sei einer Art Pudelmentalität entsprungen. Blair hat von der Notwendigkeit eines pragmatischen Realismus gesprochen - das ist eine Anerkennung der enormen Veränderungen und Herausforderungen durch die Globalisierung, den Aufstieg Chinas und Indiens und den Wettbewerb um lebenswichtige Energiereserven. Großbritannien versucht aus einer geschwächten Position heraus seinen globalen Einfluss und seine Interessen geltend zu machen.

Dies bedeutete traditionell einen Balanceakt zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, aber diese Politik hat sich während des Irakkrieges als nicht durchführbar erwiesen und die Situation ist seitdem nicht einfacher geworden. Die britische Bourgeoisie fürchtet sich am meisten vor dem Unilateralismus der USA, dem sie durch "eine enge Umarmung" vorzubeugen versucht. Wie der Irak gezeigt hat, bleibt Großbritannien letztlich nichts anderes übrig, als bei allem, was die USA machen, dabei zu sein, ungeachtet der damit verbundenen innenpolitischen und internationalen Folgen. Darum spricht Blair davon, dass sich Großbritannien im permanenten Kriegszustand befindet.

Es herrscht diesbezüglich eine nicht zu übersehende Nervosität. Es fällt auf, wie wenig Kommentare es zum Iran gegeben hat, der einer der größten Handelspartner Großbritanniens im Nahen Osten ist. British Gas und Shell sind in die Öl- und Gasgewinnung in dem Land involviert und Iran und BP betreiben gemeinsamen die Erforschung von Gasvorkommen in Schottland. Im Falle von Sanktionen gegen den Iran würden die britischen Firmen schwer getroffen. Bislang konzentrieren sich die britischen Bemühungen offenbar auf den Versuch, eine Koalition zusammenzuhalten, um irgendeine Verhandlungslösung zu erzielen, doch dies liegt außerhalb der Kontrolle Großbritanniens.

In Hinblick auf die Entwicklung im Irak ist unter Teilen des Militärs und in anderen einflussreichen Kreisen tiefes Unbehagen aufgekommen. Die britische Elite wird möglicherweise in etwas hineingezogen, das sich wieder einmal als verheerend für ihre langfristigen Interessen erweist - nicht zuletzt, weil die Opposition in der Bevölkerung wächst - aber niemand hat eine Alternative zur Hand. Es fällt auf, wie wenig es möglich ist, diese Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Elite zu diskutieren und auch nur halbwegs zufrieden stellend zu bereinigen. Craig Murray, der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, wurde von seinem Posten abgezogen, weil er Kritik daran geübt hatte, dass Großbritannien vor der Folterpraxis in diesem Land die Augen verschließt. Die Regierung versucht, sein Buch über diese Fragen zu verbieten.

Kurz gesagt hat sich eine aufgeladene Atmosphäre entwickelt. Das Ausmaß an Unzufriedenheit, die Unterhöhlung der alten Herrschaftsinstitutionen (die Blair als die Kräfte des Konservatismus verspottet) und die völlige Diskreditierung der alten Parteien bedeuten, dass die Dinge nicht mehr zusammengehalten werden können.

Auch wenn sich dieser Vortrag auf Großbritannien konzentrierte, muss betont werden, dass die britischen Entwicklungen nicht getrennt von denen auf dem europäischen Kontinent zu sehen sind. Die von mir skizzierte Situation entwickelt sich unter den Bedingungen enormer Veränderungen in ganz Europa auf allen Ebenen. Der Ausgangspunkt unserer politischen Arbeit ist der Kampf für den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Europa.

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