Ein Hohn auf die Gerechtigkeit: Jose Padilla schuldig gesprochen

In Miami, Florida, hat am Dienstag ein Geschworenengericht den amerikanischen Staatsbürger Jose Padilla in drei Punkten terroristischer Vergehen für schuldig befunden. Padilla, ein 36jähriger amerikanischer Bürger aus Chikago, erwartet eine möglicherweise lebenslange Haftstrafe.

Das Urteil ist eine Farce und ein Zeugnis für das Anwachsen polizeistaatlicher Methoden sowie des fortgeschrittenen Verfalls demokratischer Rechte in den USA.

Padilla wurde zusammen mit zwei Mitangeklagten - Adham Amin Hassoun und Kifah Wael Jayyousi - in zwei Punkten verurteilt, welche die materielle Unterstützung von Terrorismus betreffen, sowie wegen der Verschwörung zu Mord, Kidnapping und der Verstümmelung von Menschen im Ausland. Der Schuldspruch wurde nach nur eineinhalb Beratungstagen gefällt.

Die Regierung erklärte diesen Schuldspruch unmittelbar danach zu ihrem Sieg. Gordon Johndroe, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sagte: "Wir danken der Jury in diesem Prozess für ihre Arbeit und dafür, dass sie ein Herzstück amerikanischer Prinzipien, die unparteiische Gerechtigkeit für jedermann, gehütet hat. Jose Padilla hat eine faire Verhandlung und ein faires Urteil erhalten."

Nicht nur ist der Ausgang des Prozesses das genaue Gegenteil eines "gerechten Urteils" und "unparteiischer Gerechtigkeit", er war auch nicht das Resultat, das die Regierung ursprünglich beabsichtigte. Die Antwort der Bush-Administration enthält ein nicht unwesentliches Element der Erleichterung darüber, dass es ihr überhaupt gelang, einen Schuldspruch zu erzielen. Wenn die Regierung sich durchgesetzt hätte, dann hätte Padilla überhaupt nie vor einem ordentlichen Gericht gestanden.

Padilla wurde im Mai 2002 auf dem internationalen Flughafen von Chicago, dem O'Hare International Airport, festgenommen. Die Regierung hielt Padilla zunächst als "wichtigen Zeugen" für die Anschläge vom 11. September fest. Doch im Juni desselben Jahres hielt Justizminister John Ashcroft eine Pressekonferenz ab, auf der er behauptete, Padilla habe in den USA eine radioaktive "schmutzige Bombe" zünden wollen. Er wurde zum "feindlichen Kämpfer" erklärt und in ein Militärgefängnis in South Carolina überführt, wo er dreieinhalb Jahre lang in einer Isolationszelle gefangen gehalten wurde, ohne offiziell angeklagt zu sein und ohne Zugang zu einem Anwalt zu haben.

Es wurde rasch klar, dass die Anschuldigungen gegen Padilla nicht nur aufgebauscht waren, sondern von höchst zweifelhaftem Inhalt. Obwohl Padilla Verbindungen zu islamischen Fundamentalisten hatte, gab der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz zu, dass es damals "keine konkreten Pläne" gab, ein Attentat mit einer "schmutzigen Bombe" auszuführen.

Die Darstellung Padillas als eines Terroristen, der, um mit Ashcroft zu reden, "massenhaften Tod und Verletzungen" vorbereitete, diente zwei wesentlichen Zwecken. Sie kam der Bush-Administration gelegen - nämlich als Ablenkung als bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst und Bush selbst Warnungen bezüglich des Attentats vom 11. September ignoriert und unterdrückt hatten - und sie verschaffte der Administration die Gelegenheit, von vielen Fragen im Zusammenhang damit abzulenken, warum die Anschläge nicht verhindert wurden. Nun präsentiert die Administration den Fall Padilla als Sieg im "Krieg gegen den Terror".

Grundsätzlicher gesprochen: Die Bush-Administration wollte Padilla dazu benutzen, den Anspruch des Präsidenten zu bekräftigen, US-Bürger auf amerikanischem Boden unbegrenzt militärisch festzusetzen lassen zu können. Mit der Begründung, dass Padilla ein "feindlicher Kämpfer" sei, wurde ihm der Kontakt zur Außenwelt verweigert, die Rechte der Habeas-Corpus-Akte verwehrt und er wurde systematischer physischer und psychischer Folter unterworfen.

Während der gesamten Zeit seiner Militärhaft litt Padilla unter entsetzlichsten Bedingungen - laut Unterlagen, die seine Anwälte einreichten. Er wurde in strenger Isolation gehalten - er war der einzige Gefangene in einem Hochsicherheitstrakt. Er war, ohne Sonnenlicht, in einer 9 x 7 Fuß (etwa 3 x 2 Meter) großen Zelle eingesperrt. Ihm wurde der Schlaf entzogen, er war zu verschiedensten Zeiten intensivem Licht oder völliger Dunkelheit ausgesetzt, er wurde mit extremem Lärm gefoltert und oft in verzerrten Positionen gefesselt. Ihm wurden psychoaktive Drogen verabreicht sowie Wahrheitssera wie LSD und PCP.

Diese Behandlung stellt eine eklatante Verletzung der amerikanischen Verfassung und des internationalen Rechts dar, ganz zu schweigen von den Grundregeln menschlichen Anstands. Wie auch immer, für die Bush-Administration stand Padilla außerhalb des Gesetzes. Weil ihm der Zugang zu Gerichten verwehrt wurde, konnte er sich an niemand wenden, um seine Haft anzufechten, und er konnte keinerlei Rechtsmittel gegen seine Behandlung einlegen.

Vizeadmiral Lowell Jacoby, Direktor des Militärgeheimdienstes, sagte laut Unterlagen von 2003, dass Padillas Behandlung ein Gefühl von "Abhängigkeit und Vertrauen" schaffen sollte, das notwendig für die Vernehmungen sei. In einem gestern geführten Interview mit Democracy Now ! gab Dr. Angela Hegarty, die Padilla im Auftrag der Verteidigung befragte, um seinen Geisteszustand zu beurteilen, eine Vorstellung davon, was "Abhängigkeit und Vertrauen" bedeutet.

Hegarty berichtete, seinen Freunden und seiner Familie zufolge "stimmte etwas nicht" mit Padilla nach seiner langen Haftzeit. "Es gab da etwas 'Unheimliches'... Etwas stimmte nicht. Er war ein anderer Mensch."

Hegarty sagte, dass Padilla während ihres Interviews mit ihm in einem Zustand "äußerster Panik war, Angst, die mit Benommenheit wechselte... Er war wie ein Traumapatient, der wusste, dass er wieder zu der Person zurückgeschickt werden würde, die ihn so verletzt hat und dass er... dafür würde bezahlen müssen, wenn er verriete, was ihm geschehen war".

Hegarty sagte"[D]as war das erste Mal, dass ich jemanden traf, der eine so außerordentlich lange Zeit isoliert war... Studien über den Entzug von Sinneseindrücken, zum Beispiel, sagen uns, dass speziell durch Schlafentzug Menschen psychotische Symptome - Panikattacken, Depression und Suizidgefährdung - innerhalb weniger Tage entwickeln". Aber Padilla "war jahrelang in dieser Situation, vollständig abhängig von seinen Vernehmungsbeamten, die ihn jahrelang nicht sonderlich nett behandelten". Hegarty sagte, dass das, was Padilla widerfuhr, "im Wesentlichen die Zerstörung eines menschlichen Geistes" war.

Im November 2005 hatte die Regierung ihren Standpunkt verändert, weil sie eine ungünstige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) bezüglich Padillas unbeschränkter Einkerkerung sowie der Verweigerung der ihm zustehenden Prozessrechte befürchtete. Padilla wurde in ein ziviles Gefängnis in Florida überführt und anderer Verbrechen angeklagt - Verbrechen, die offenkundig weder mit Attentatsplänen mit einer "schmutzigen Bombe" zu tun hatten, noch damit, dass Padilla angeblich geplant hatte, Wohnhäuser und Hotels in amerikanischen Städten in die Luft zu sprengen. Aufgrund dieser veränderten Lage entschied der Oberste Gerichtshof, die Beschwerde gegen Padillas Inhaftierung nicht anzunehmen. Das hatte den Effekt, dass die Entscheidung eines Revisionsgerichts Bestand hatte, das sich auf die Seite der Regierung gestellt hatte.

Die neuen Anklagepunkte behaupten, dass Padilla und seine zwei Mitangeklagten sich zu Morden in Übersee und zur Unterstützung des Terrorismus verschworen hätten. Insbesondere soll Padilla 1998 in Afghanistan in einem Trainingscamp der al-Qaida ausgebildet worden sein, um das Mord- und Terrorhandwerk zu erlernen. Die Hauptbeweisstücke, die von der Regierung vorgelegt wurden, bestehen aus hunderte Stunden langen Tonbandaufnahmen von Telefonaten, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken, sowie einem angeblichen von Padilla unterzeichneten Bewerbungsschreiben für die Teilnahme an einem al-Qaida Camp.

Der Strafprozess war von Beginn an gegen Padilla voreingenommen. Die Amtsrichterin Marcia Cooke lehnte mehrere Anträge der Verteidigung ab, den Fall wegen der unmenschlichen Behandlung des Angeklagten zu verwerfen. Padillas Anwälte argumentierten, dass die Regierung das Recht verwirkt habe, Padilla anzuklagen, als sie ihn foltern ließ. Sie führten ferner an, dass Padilla wegen seiner Behandlung psychisch so beeinträchtigt sei, dass er nicht in der Lage sei, einen Prozess durchzustehen.

Die Regierung hat sehr überlegt entschieden, ihren Fall nicht auf Aussagen zu stützen, die Padilla während seiner Gefangenschaft gemacht hat. Auf diese Weise konnte sie erfolgreich jede Diskussion vor den Geschworenen über Padillas Behandlung verhindern.

Die tatsächlich durch die Staatsanwaltschaft vorgelegten physischen Beweise waren extrem schwach. Von den über 300.000 mitgeschnittenen Telefonaten, welche die Regierung gesammelt hat, betreffen nur sieben Padilla. Keines davon enthält auch nur eines der "Codeworte", die sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft auf Pläne beziehen, terroristische Anschläge zu begehen.

Das Bewerbungsschreiben, das die Regierung als Beweis für Padillas Reise nach Afghanistan vorgelegt hat, ist höchst zweifelhaft. Padillas Fingerabdrücke fanden sich nur auf den äußeren Seiten, was nahe legt, dass er das Dokument in der Hand gehalten hat (vielleicht als er sich in Haft befand), es aber nicht selbst ausfüllte. Abgesehen von diesem Formular hat die Regierung keinen direkten Beweis vorgelegt, dass Padilla jemals in Afghanistan war.

Die Verteidigung verließ sich auf diese schwache Beweislage, und verzichtete deshalb darauf, Zeugen für Padilla aufzurufen. Sie ging davon aus, dass die Staatsanwaltschaft die Anschuldigungen "jenseits allen vernünftigen Zweifels" beweisen müsse, und dass dem nicht genügt wurde.

Die Verteidigung wird wahrscheinlich gegen mehrere der Entscheidungen, die die Richterin im Lauf des Prozesses getroffen hat, Berufung einlegen.

Der Schuldspruch der Jury, muss im Kontext der unerbittlichen Angstkampagne der Regierung gesehen werden. Sie bemüht sich mit Unterstützung der Medien in Padillas Fall und dem "Krieg gegen den Terror" ganz allgemein Hysterie zu schüren. Hohe Regierungsbeamte erklärten Padilla in aller Öffentlichkeit für schuldig, Pläne für Massenmord geschmiedet zu haben. Die Medien waren 2002 wochenlang voll mit Details über "schmutzige Bomben" und ihre zerstörerischen Auswirkungen.

Im Prozess selbst versuchte die Staatsanwaltschaft Padilla mit Osama bin Laden in Verbindung zu bringen. Obwohl sie keinerlei Beweise für eine solche Verbindung vorlegte, hoffte sie in den Köpfen der Geschworenen den Eindruck einer Verbindung mit den Attentaten vom 11. September zu erzeugen. Während eines zentralen Augenblicks im Prozess erlaubte Richterin Cooke der Staatsanwaltschaft, eine Videoaufnahme mit bin Laden zu zeigen, wenngleich das Video keinen direkten Bezug zu diesem Fall hatte.

Die kafkaeske Behandlung Padillas stellt eine Warnung an alle Amerikaner dar. Dies sind die Zustände, die jedem zu Teil werden können - sei er US-Bürger oder nicht. Gemäß der neuen juristischen Theorie der Administration müssen Verfassungsrechte im Namen der "Sicherheit" und des "Krieges gegen den Terror" geopfert werden.

Padillas Verurteilung steht im Kontext einer enormen Ausdehnung der exekutiven Gewalt: dem Ausspionieren der Bevölkerung, der Verweigerung elementarer demokratischer Rechte, sowie der Folterung von Gefangenen, die irgendwo in der Welt festgehalten werden.

Die Demokratische Partei hat den Angriffen auf die demokratischen Rechte Padillas durch die Regierung zu keinem Zeitpunkt ernsthaft Widerstand geleistet. Insofern es in den Medien und im politischen Establishment milde Kritik gegeben hat, dann lediglich von dem Standpunkt aus, dass die Regierung im "Krieg gegen den Terror" "überzogen" und dadurch die imperialistischen Interessen der USA in aller Welt beschädigt habe.

Nur zwei Wochen vor der Verurteilung Padillas haben die Demokraten geholfen, einen Gesetzesentwurf durchzubringen, der den Vierten Verfassungszusatz aushöhlt und das Recht des Präsidenten erweitert, das amerikanische Volk auszuspionieren. Jose Padillas persönliche Tragödie ist eine Manifestation des tiefen und irreversiblen Verfalls der amerikanischen Demokratie.

Siehe auch:
Geschworene nehmen die Beratung im Prozess gegen Jose Padilla auf
(21. August 2007)
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