Marxismus, Geschichte und sozialistisches Bewusstsein

Teile 4-7

Die World Socialist Web Site setzt heute die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung von "Marxism, History & Socialist Consciousness" von David North fort. Es handelt sich um die Antwort auf eine Kritik der Politik des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, die von Alex Steiner und Frank Brenner unter dem Titel "Objektivismus oder Marxismus" verfasst wurde. Steiner und Brenner sind ehemalige Mitglieder der Workers League (der Vorgängerin der heutigen Socialist Equality Party). David North ist Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party in den USA und Chefredakteur der WSWS.

Die englischsprachige Originalfassung von Norths Antwort ist kürzlich bei Mehring Books in Buchform erschienen und kann online bestellt werden.

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4. Dialektik, Pragmatismus und theoretische Arbeit des IKVI

Euer Umgang mit dem zweiten großen theoretischen Projekt des Internationalen Komitees - den im vergangenen Sommer in Ann Arbor gehaltenen Vorträgen - ist ein Hohn. Auch hier bemüht ihr euch nicht um eine ernsthafte und objektive Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorträge. Von den neun während der Sommerschulung gehaltenen Vorträgen ignoriert ihr fünf völlig. Aus den vier Vorträgen, die ich gehalten habe, zitiert ihr keinen einzigen vollständigen Satz. Eure Angriffe auf meine Vorträge bestehen in der Regel aus Verzerrungen, groben Vereinfachungen und Verfälschungen der Standpunkte, die ich darin vertrete. Man kann daraus nur schließen, dass ihr für ein Publikum schreibt, von dem ihr annehmt, es habe die Vorträge nicht gelesen oder kein Interesse, sie zu lesen.

Eure Kritik der Sommerschule beginnt mit folgender Aussage:

Die Dialektik ist für das Internationale Komitee gestorben. In den letzten zwanzig Jahren hat die Bewegung nicht einen einzigen Artikel zur dialektischen Philosophie veröffentlicht, und auf der Sommerschule war ihr kein Vortrag gewidmet. Wie vorauszusehen hatte die Aufgabe der Dialektik auch die Aufgabe des Kampfes gegen den Pragmatismus zufolge. Letzterer wurde in sämtlichen Vorträgen nicht einmal erwähnt. Bezeichnend für das Verschwinden des Pragmatismus aus den Anschauungen des IK ist die Tatsache, dass Richard Rorty zwar in einem Vortrag als repräsentativer Postmodernist besprochen, seine Rolle als prominenter philosophischer Pragmatiker dagegen völlig ignoriert wird. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Kampf gegen den Pragmatismus im Internationalen Komitee einmal als wichtigstes Element der Ausbildung einer bewussten revolutionären Führung angesehen wurde.

Welch eine unehrliche Argumentationsweise! Als Beweis für den Tod der Dialektik im IKVI und die Aufgabe des Kampfes gegen den Pragmatismus führt ihr an, dass sich unser Hauptaugenmerk auf Richard Rorty als einen führenden Postmodernisten richtet, anstatt auf seine Rolle als Pragmatiker. Worauf wollt ihr hinaus mit solchem Unsinn? Glaubt ihr ernsthaft, niemand unter den Zuhörern habe gewusst, dass Richard Rorty, Amerikas meistgefeierter Philosoph, ein Pragmatiker ist? Oder dass den Zuhörern nicht bewusst war, dass der Postmodernismus eine der Hauptströmungen der zeitgenössischen pragmatischen Philosophie darstellt? Meine Auseinandersetzung mit Rorty, die sich über mehrere Seiten erstreckt, konzentrierte sich auf die beiden zentralen theoretischen Fragen im Kampf gegen den Pragmatismus: 1) Rortys Ablehnung der Möglichkeit objektiven Wissens und des Begriffs der objektiven Wahrheit; und 2) seine heftige Zurückweisung der Auffassung der Geschichte als eines objektiven und gesetzmäßigen Prozesses, aus dem Lehren gezogen werden können. Im Verlauf meiner Auseinandersetzung mit Rorty stellte ich fest:

Er schlägt vor, das Ergebnis von 200 Jahren sozialen Denkens aus der Diskussion zu verbannen. Diesem Vorschlag liegt die Auffassung zugrunde, die Entwicklung des Denkens sei selbst ein rein willkürlicher und weitgehend subjektiver Prozess. Worte, theoretische Begriffe, logische Kategorien und philosophische Systeme sind lediglich verbale Konstrukte, pragmatisch heraufbeschworen im Interesse verschiedener subjektiver Ziele. Die Behauptung, die Entwicklung des theoretischen Denkens sei ein objektiver Prozess, ein Ausdruck des sich herausbildenden, sich vertiefenden und ewig komplexer und präziser werdenden Verständnisses von Natur und Gesellschaft durch den Menschen - ist für Rorty nichts als hegelianisch-marxistischer Schmu.

Ist dies, Genossen Steiner und Brenner, keine präzise und korrekte Erklärung eines wesentlichen Konflikts zwischen Marxismus und Pragmatismus?

Soweit eure Verurteilung meines angeblichen Versagens, den Pragmatismus zu behandeln, nicht nur das Ergebnis fraktionell motivierter Verdrehungen, sondern eigener theoretischer Auffassungen ist, ist eure beiläufige Behandlung der Frage des Postmodernismus nicht ohne Bedeutung. Ihr schreibt:

Die Annahme, der Postmodernismus habe den Pragmatismus als wichtigste ideologische Bedrohung des Marxismus abgelöst, ist weit gefehlt. Der Postmodernismus ist eine akademische Marotte, die sich durch die Rechtsentwicklung der Generation der 60er-Jahre-Radikalen und den Übergang vieler von ihnen in die obere Mittelklasse verbreitet hat. Im Gegensatz dazu sind der Pragmatismus und der Empirismus eng mit der gesamten geschichtlichen Entwicklung des westlichen Kapitalismus verbunden... Darüber hinaus ist der Postmodernismus heutzutage eine im Verschwinden begriffene Marotte. Viele seiner Hauptvertreter sind entweder dahingeschieden oder in den Ruhestand getreten, und die Verbliebenen befinden sich oft in der Defensive - die Verurteilung des Postmodernismus ist in radikalen und liberalen Kreisen mittlerweile zum Gemeinplatz geworden. Vor zwanzig Jahren hätte ein Angriff auf den Postmodernismus eine Bedeutung gehabt; heute dagegen ist es nur noch ein Herumreiten auf - zumindest beinahe - Vergangenem.

Diese Herangehensweise an die Untersuchung philosophischer Strömungen ist oberflächlich, impressionistisch und unseriös. Erstens habe ich mit keinem Wort behauptet oder auch nur anklingen lassen, der Postmodernismus habe den Pragmatismus ersetzt. Er ist vielmehr eine Spielart pragmatischen Denkens, und zwar eine, die die subjektiv-idealistischen, voluntaristischen, ja irrationalen Elemente des klassischen Pragmatismus, wie er uns seit James überliefert ist, zu ihren extremsten und reaktionärsten Schlüssen treibt. Wenn man, wie ihr das in eurem Dokument tut, nahe legt, der Postmodernismus stelle eine völlig eigenständige Art des theoretischen Denkens dar, macht man damit ein bedeutendes Zugeständnis an den Pragmatismus - man schützt ihn vor der intellektuellen Verlegenheit über die groben Exzesse seines postmodernistischen Sprösslings.

Ebenso verharmlost ihr eine philosophische Tendenz, die sowohl den reaktionären Charakter, wie die tiefe Krise des bürgerlichen Denkens bezeugt, wenn ihr den Postmodernismus als "eine im Verschwinden begriffene Marotte" bezeichnet. Ein kleinbürgerlicher Akademiker, der von einer halbgaren Anschauung zur nächsten springt, mag den Postmodernismus eine "Marotte" nennen - besonders wenn er sich darauf vorbereitet, auf einen neuen intellektuellen Zug aufzuspringen, ohne dabei über seine letzte philosophische Eskapade Rechenschaft abzulegen. Aber Marxisten schätzen die Bedeutung eines philosophischen Trends nicht auf diese Weise ein. Wie sich die eine oder andere subjektiv-idealistische philosophische Tendenz selbst nennt, ist für uns zweitrangig. Die Frage ist vielmehr ihre Stellung in der Geschichte der Philosophie. Ihr stellt fest, das Pragmatismus und Empirismus "mit der gesamten geschichtlichen Entwicklung des westlichen Kapitalismus eng verbunden" sind, was stimmt. Aber trifft das nicht auch auf den Postmodernismus zu, der sich ja nicht nur von den Traditionen des amerikanischen Pragmatismus herleitet, sondern ebenso von anderen zutiefst reaktionären philosophischen Strömungen? Tauchen in den Schriften der heutigen Postmodernisten, den Pragmatiker Rorty eingeschlossen, nicht auch verstörende Anleihen bei Kierkegaard, Schopenhauer, Nietzsche und Heidegger auf?

5. Wie das IKVI den Pragmatismus bekämpft hat

Ihr behauptet, die Dialektik sei "für das Internationale Komitee gestorben", und wir hätten den Kampf gegen den Pragmatismus aufgegeben. Ihr erklärt aber nicht, wie genau sich dies in der politischen Linie unserer Bewegung niedergeschlagen hat. Wir hätten, so erklärt ihr uns, in den letzten zwanzig Jahren nicht einen einzigen Artikel über dialektische Philosophie veröffentlicht. Das ist im Übrigen nicht wahr. [4] Aber selbst wenn es zutreffen würde, müsstet ihr aufzeigen, wie die Vernachlässigung der Dialektik sich in den politischen Analysen und der Arbeit der Bewegung über diese lange Zeitspanne hinweg ausgedrückt hat. Mit irgendeiner Methode müssen wir ja gearbeitet haben. Wenn es zutrifft, dass der angebliche Tod der Dialektik im Internationalen Komitee mit der Aufgabe des Kampfes gegen den Pragmatismus einherging, dann muss letztere Methode die Arbeit unserer Bewegung beherrscht haben. Ihr versucht aber gar nicht erst, eure Behauptung zu untermauern. In praktisch jedem eurer Dokumente führt ihr gebetsmühlenartig Trotzkis Aussage an, "dialektisches Training des Geistes" sei "so notwendig für einen revolutionären Kämpfer wie Fingerübungen für einen Pianisten". Trotzki schrieb diese Worte mit der Autorität eines politischen Genies, dessen meisterhafte Beherrschung der dialektischen Methode sich in seinen brillanten Analysen des Weltgeschehens in unvergleichlicher Weise zeigte. Aus eurer Feder klingen diese Worte eher, als würde ein fauler Stubenhocker über die Wichtigkeit körperlicher Betätigung schwafeln.

Trotzki hat Burnham und Schachtman nicht nur drauf hingewiesen, dass die Dialektik wichtig sei. Er wies nach, wie sich Burnhams Pragmatismus und Schachtmans Gleichgültigkeit gegenüber der materialistischen Dialektik in ihren Analysen des Klassencharakters des Sowjetstaates und ihrer Weigerung, die UdSSR gegen imperialistische Angriffe zu verteidigen, niederschlugen. Während der Auseinandersetzung, die in den Jahren 1939-40 innerhalb der Socialist Workers Party stattfand, wurde die Frage der Dialektik nicht aufgeworfen, um damit politischen Fragen auszuweichen, sondern um sie zu klären. Wie Trotzki an Professor James Burnham schrieb: "... nicht ich, sondern Sie waren es, der die Frage nach dem Charakter der UdSSR aufwarf, und mich dabei zwang, die Frage nach der Methode zu stellen, durch die der Klassencharakter eines Staates bestimmt wird." [Verteidigung des Marxismus, Essen 2006, S. 95] Und weiter erklärte er: "Die richtige Methode erleichtert es nicht nur, zu richtigen Schlussfolgerungen zu kommen, sondern sie festigt sie auch in unserem Gedächtnis, indem sie jede neue Schlussfolgerung mit den vorhergehenden in einer zusammenhängenden Kette verbindet. Wenn politische Schlussfolgerungen empirisch gewonnen werden, wenn Inkonsequenz als eine Art Vorteil hingestellt wird, dann wird das marxsche System der Politik stets durch Impressionismus ersetzt - in vieler Hinsicht charakteristisch für kleinbürgerliche Intellektuelle. Jede neue Wendung der Ereignisse überrascht den Empiristen-Impressionisten, zwingt ihn zu vergessen, was er selbst gestern geschrieben hat, und erzeugt einen brennenden Wunsch nach neuen Formeln, bevor neue Ideen in seinem Kopf entstanden sind." [ebd., S. 68]

Wenn Trotzkis Kritik der pragmatischen Methode nach wie vor gültig ist, sollte es euch nicht schwer fallen, die Unschlüssigkeiten und Schnitzer in der politischen Linie des IKVI während der vergangenen zwei Jahrzehnte nachzuweisen. Aber ihr bietet keine derartige Analyse. Es bleiben also nur zwei Möglichkeiten übrig: Entweder ist die Methode unwichtig, da sie keine wahrnehmbaren Auswirkungen auf die Formulierung einer politischen Linie hat; oder eure Behauptung, wir hätten die Dialektik aufgegeben und Zuflucht zum Pragmatismus genommen, ist inhaltsloses Gerede. Unserer Meinung nach trifft das zweite zu. [5]

Euer Problem liegt darin, dass ihr das Verhältnis zwischen Methode und revolutionärer Politik weder versteht, noch überhaupt daran interessiert seid. Es ist eine Sache, die Bedeutung der Dialektik und des Kampfes gegen den Pragmatismus zu proklamieren, eine völlig andere, hieraus mehr als eine abstrakte Parole zu machen - das heißt, den Kampf gegen den Pragmatismus mit der Parteiarbeit in Verbindung zu bringen. Ihr habt euch zwar in eurem Dokument zur Anerkennung durchgerungen, dass "North in korrekter Weise die Dialektik gegen die Verzerrungen Healys verteidigt hat". Doch in euren verschiedenen Schriften gibt es keinerlei Hinweis, dass ihr die Dokumente tatsächlich studiert habt, in denen ich Healys betrügerischen Gebrauch der Hegelschen Terminologie aufgedeckt habe, oder dass ihr euch die Lehren dieses theoretischen Kampfes zu eigen gemacht habt. Das ist euch auch deshalb nicht gelungen, weil ihr von der Bewegung weggegangen seid, bevor die amerikanische Sektion ihre Kritik an Healys opportunistischer Politik und seiner Verfälschung der dialektischen Methode entwickelt hat. Als du, Genosse Steiner, die Bewegung 1978 verlassen hast, warst du noch immer von Healys "Praxis der Erkenntnis" gefesselt, bei der es sich im Wesentlichen um eine Variante des Pragmatismus handelte, die in neohegelianischem Gewand daher kam.

Die wichtige theoretische Entwicklung, mit der unsere Bewegung damals begann, habt ihr völlig verpasst. Am 7. November 1978 veröffentlichte das Politische Komitee einen Resolutionsentwurf über die Perspektiven und Aufgaben der Workers League. Ein Abschnitt war überschrieben: "Die historische Kontinuität des Trotzkismus als Grundlage der Ausbildung von Kadern und des Kampfes gegen den Pragmatismus". Ich zitiere aus dem wichtigsten Teil dieses Abschnitts:

Die Orientierung der Workers League auf die Arbeiterklasse und ihr Kampf, diese Klasse auf ihre historische Rolle vorzubereiten, ist keine Frage einer sogenannten "proletarischen Orientierung", wie sie von Cannon aufgefasst wurde. Eine wirkliche Hinwendung zur Arbeiterklasse ist nur möglich, wenn man sich bemüht, die historische Verbindung zwischen den gegenwärtigen Kämpfen der Arbeiterklasse und der Partei als Einheit von Gegensätzen einerseits und den gesamten historischen Erfahrungen der Klasse und der Entwicklung des Bolschewismus andererseits zu wahren. Man kann in den Rängen der Partei - und damit in der Arbeiterklasse - nur ernsthaft gegen den Pragmatismus kämpfen, wenn man die gesamte Arbeit der Partei auf die Grundlage der historischen Errungenschaften aus dem Kampf gegen den Revisionismus und des gewaltigen politischen und theoretischen Kapitals stellt, das Trotzki der Vierten Internationalen hinterlassen hat. Wird der Kampf gegen den Pragmatismus davon losgelöst, die direkten historischen Verbindungen zu den Erfahrungen der täglichen Arbeit herzustellen, durch die die trotzkistische Bewegung gegangen ist, degeneriert er zur ohnmächtigen Phrasendrescherei. Er wird, genauer gesagt, selbst zu einer Spielart des Pragmatismus.

Anstatt rhetorisch zum "Kampf gegen den Pragmatismus" aufzurufen, versieht diese Analyse das, was unter Healy und Slaughter zu einer leeren Phrase verkommen war, mit einem konkreten politischen Inhalt. Das Dokument erklärte, wie sich Marxisten - im Gegensatz zu der für Pragmatiker typischen impressionistischen und anpassungsfähigen Praxis - bewusst bemühen, die tägliche Entwicklung des Klassenkampfes und das Handeln der Partei in den Kontext des breiten Kontinuums ihrer eigenen Geschichte und des internationalen Klassenkampfes zu stellen. Anstatt zugunsten kurzfristiger, praktischer Ziele nur auf Ereignisse zu reagieren, müssen Marxisten die wesentlichen politischen Prinzipienfragen erkennen, die durch die neuen Ereignisse aufgeworfen werden, bei der Analyse neuer politischer Erscheinungen das gesamte historisch akkumulierte theoretische Kapital der Partei zum Tragen bringen und den langfristigen Interessen der Arbeiterklasse als internationaler revolutionärer Kraft innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft Ausdruck verleihen.

Vier Jahre später, im Oktober 1982, traten die theoretischen und politischen Differenzen zwischen der Workers League und der britischen Workers Revolutionary Party offen zutage. In einem am 19. Oktober 1982 im Bulletin veröffentlichten Artikel wurden die erstmals 1978 entwickelten Auffassungen präziser und pointierter formuliert:

Man kann die Geschichte des Trotzkismus nicht als Serie zusammenhangsloser Episoden verstehen. Der Kader hat seine theoretische Entwicklung aus der kontinuierlichen Entfaltung der globalen Krise des Kapitalismus und den Kämpfen des internationalen Proletariats abstrahiert. Den enormen Reichtum des Trotzkismus, der einzigen Weiterentwicklung des Marxismus nach Lenins Tod im Jahre 1924, bildet seine ungebrochene, kontinuierliche politische Analyse aller grundlegenden Erfahrungen des Klassenkampfes während einer gesamten geschichtlichen Epoche.

Eine Führung, die nicht kollektiv danach strebt, sich die Gesamtheit dieser Geschichte zu eigen zu machen, kann ihre revolutionäre Verantwortung der Arbeiterklasse gegenüber nicht angemessen erfüllen. Ohne echte Kenntnis der historischen Entwicklung der trotzkistischen Bewegung sind Bezugnahmen auf den dialektischen Materialismus nicht einfach nur hohl; solch leere Bezugnahmen bereiten wirklichen Verzerrungen der dialektischen Methode den Weg. Der Ursprung der Theorie liegt nicht im Gedanken, sondern in der objektiven Welt. Die Entwicklung des Trotzkismus vollzieht sich daher entlang der frischen Erfahrungen aus dem Klassenkampf, die mit dem gesamten historisch erworbenen Wissen unserer Bewegung in Verbindung gebracht werden.

"...so wälzt sich das Erkennen von Inhalt zu Inhalt fort... es erhebt auf jede Stufe weiterer Bestimmung die ganze Masse seines vorhergehenden Inhalts und verliert dadurch nicht nur nichts, noch lässt es etwas dahinten, sondern trägt alles Erworbene mit sich und bereichert und verdichtet sich in sich..."

Zu diesem Zitat aus Hegels "Wissenschaft der Logik" notierte Lenin in seinen Philosophischen Heften : "Dieser Auszug gibt gar nicht übel eine Art Zusammenfassung dessen, was Dialektik ist." (Werke, Band 38, S. 223) Dieser Abschnitt ist auch gar nicht übel als "eine Art Zusammenfassung" der beständigen dialektischen Entwicklung der trotzkistischen Theorie. [David North, Leon Trotsky and the Development of Marxism, (Detroit 1985), S. 18-19, Hervorhebungen im Original]

Ich möchte noch eine weitere Passage zitieren, in der das Verhältnis zwischen Dialektik und dem Kampf um eine revolutionäre Führung der Arbeiterklasse erklärt wird. Sie erschien als Teil meines Nachrufes auf Gerry Healy nach seinem Tod am 14. Dezember 1989.

In der langen Geschichte der marxistischen Bewegung hat sich die Dialektik als unersetzliches theoretisches Instrument für die politische Prognose, Orientierung und Analyse erwiesen. Aber während die dialektische Methode, richtig angewandt, die Erarbeitung weitsichtiger Analysen und wirkungsvoller taktischer Initiativen erleichtert, liefert sie keine ein für alle mal wirksame Garantie gegen politische Degeneration. Der dialektische Materialismus ist nicht eine Art ideologischer Talisman, der, einmal erworben, seine Besitzer gegen den dauernden Druck der Klassenkräfte schützt. Der Prüfstein der dialektischen Methode ist eine kritisch-revolutionäre Haltung gegenüber den bestehenden Produktionsverhältnissen der Gesellschaft und den Erscheinungsformen, die diese spontan hervorbringen. Sie ist eine strenge Wissenschaft und verlangt einen unermüdlichen Kampf, programmatisch und praktisch die unabhängige Einstellung der revolutionären Arbeiterklasse zu jeder politischen Frage herauszuarbeiten, die durch die Entwicklung des Klassenkampfes gestellt wird. Eine revolutionäre Partei bleibt nur in dem Maße "marxistisch", wie sie darum kämpft, den umfangreichen politischen und ideologischen Einfluss der Bourgeoisie und ihrer Agenten auf die Arbeiterklasse zu überwinden. Die marxistische Herangehensweise an jedes bedeutenden Ereignis beinhaltet eine Überarbeitung der historischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewegung. Nur wenn sie ständig die neuen Probleme, die durch die objektive Entwicklung des Klassenkampfes aufkommen, dem gesamten Schatz ihres theoretischen Wissens gegenüberstellt, kann eine marxistische Partei ihr theoretisches Kapital ergänzen und erweitern. [ Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale, Essen 1992, S. 108f]

Diese Absätze bilden das intellektuelle Fundament eines theoretisch-politischen Projekts, das die SEP mit außerordentlicher Stetigkeit mehr als ein Vierteljahrhundert lang verfolgt hat (wenn man die Perspektivresolution von 1978 als Beginn dieses Projekts nimmt). Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat es sich zur Aufgabe gemacht, das sozialistische Bewusstsein der Arbeiterklasse auf der Grundlage einer anhaltenden, systematischen Überarbeitung der gesamten historischen Erfahrungen und Lehren aus den Klassenkämpfen des 20. Jahrhunderts wiederzubeleben und zu entwickeln. Gleichzeitig streben wir danach, die Praxis der Arbeiterklasse auf ein wissenschaftliches Verständnis der Bedeutung und der Auswirkungen zeitgenössischer Erscheinungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur zu basieren. Das Ergebnis dieser theoretischen Arbeit ist in der gewaltigen Masse historischer, politischer, ökonomischer und kultureller Analysen und Kommentare festgehalten, die das IKVI seit dem Bruch mit der Workers Revolutionary Party im Jahre 1985/86 veröffentlicht hat. Die Arbeit der Sommerschule in Ann Arbor und des ihr folgenden Treffens der Internationalen Redaktion stellen die höchste Errungenschaft dieses langwierigen und schwierigen Projekts dar.

Theoretisch betrachtet könnten beide Ereignisse kurz zusammengefasst als gewaltige antipragmatische Übungen beschrieben werden. Auch wenn das Internationale Komitee nur die Vorträge dieser beiden Veranstaltungen vorzuweisen hätte, würde dies allein genügen, um eure provokante Behauptung zu widerlegen, die Dialektik sei in unserer Bewegung "gestorben" und der Kampf gegen den Pragmatismus aufgegeben worden. [6]

6. Was ist Objektivismus?

Wärt ihr in eurer Polemik und euch selbst gegenüber ehrlich, so müsstet ihr zugeben, dass euer Angriff auf das angebliche Aufgeben der Dialektik und des Kampfes gegen den Pragmatismus nur ein Vorwand ist. In Wirklichkeit lehnt ihr ab, worauf das Internationale Komitee beharrt: Dass nämlich der Kampf für den Sozialismus die Entwicklung einer gründlichen Kenntnis der Geschichte (insbesondere der Geschichte der sozialistischen Bewegung) sowie eines möglichst genauen und konkreten Verständnisses (durch immer genauere begriffliche Annäherung) der objektiven Entwicklung des Weltkapitalismus in all seinen komplexen, widersprüchlichen und zusammenhängenden Formen in den Reihen der Arbeiterklasse erfordert. Was ihr fälschlich als "Objektivismus" bezeichnet, ist in Wahrheit das marxistische Bemühen, die gesetzmäßige Bewegung der objektiven Welt, zu der auch der Mensch als gesellschaftliches Wesen gehört, im subjektiven Denken genau zu reflektieren, und diese Kenntnis und dieses Verständnis zur Grundlage revolutionären Handelns zu machen. Bei all euerm Gerede über "Dialektik" und den "Kampf gegen den Pragmatismus" spricht doch aus allem, was ihr schreibt, eure Gleichgültigkeit gegenüber den Erfordernissen der Entwicklung einer Arbeiterbewegung, deren Praxis durch die marxistische Theorie angeleitet wird.

Euer Gebrauch des Wortes "Objektivismus" ist nicht korrekt, er ist Ausdruck einer Ablehnung des Materialismus. Marxisten verstehen unter Objektivismus eine einseitige und abstrakte Herangehensweise an das Studium gesellschaftlicher Phänomene, die jede Erwägung der aktiven Rolle bewusster Kräfte - wie sozialer Klassen und der auf sie bezogenen politischen Tendenzen - ausschließt. Diese sind jedoch selbst wichtige Elemente des objektiven Prozesses. In seiner klassischen Darlegung des Unterschieds zwischen Marxismus und Objektivismus erklärte Lenin:

Der Objektivist spricht von der Notwendigkeit des gegebenen historischen Prozesses; der Materialist trifft genaue Feststellungen über die gegebene sozialökonomische Formation und die von ihr erzeugten antagonistischen Verhältnisse. Wenn der Objektivist die Notwendigkeit einer gegebenen Reihe von Tatsachen nachweist, so läuft er stets Gefahr, auf den Standpunkt eines Apologeten dieser Tatsachen zu geraten; der Materialist enthüllt die Klassengegensätze und legt damit seinen Standpunkt fest. Der Objektivist spricht von "unüberwindlichen geschichtlichen Tendenzen"; der Materialist spricht von der Klasse, die die gegebene Wirtschaftsordnung "dirigiert" und dabei in diesen oder jenen Formen Gegenwirkungen der anderen Klassen hervorruft. Auf diese Weise ist der Materialist einerseits folgerichtiger als der Objektivist und führt seinen Objektivismus gründlicher, vollständiger durch. Er begnügt sich nicht mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Prozesses, sondern klärt, welche sozialökonomische Formation diesem Prozess seinen Inhalt gibt, welche Klasse diese Notwendigkeit festlegt. Im gegebenen Fall z. B. würde sich der Materialist nicht mit der Feststellung "unüberwindlicher geschichtlicher Tendenzen" zufrieden geben, sondern auf das Vorhandensein bestimmter Klassen verweisen, die den Inhalt der gegebenen Verhältnisse bestimmen und die Möglichkeit eines Auswegs ausschließen, der nicht das Handeln der Produzenten selbst voraussetzt. Anderseits schließt der Materialismus sozusagen Parteilichkeit in sich ein, da er dazu verpflichtet ist, bei jeder Bewertung eines Ereignisses direkt und offen den Standpunkt einer bestimmten Gesellschaftsgruppe einzunehmen. ["Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung und die Kritik an ihr in dem Buch des Herrn Struve", in Werke Band 1, S. 414]

Lenin beschimpft mit dem Begriff "Objektivismus" nicht, wer die sozialökonomischen Prozesse studiert, auf denen sich eine revolutionäre Praxis gründet. Er strebt vielmehr danach, dem Studium der objektiven Welt einen reicheren materialistischen Inhalt zu verleihen, indem er darauf besteht, die Klassendynamik einer gegebenen Situation zu identifizieren und auf dieser Grundlage die politischen Aufgaben der revolutionären Partei so präzise wie möglich zu definieren. Lenins umfangreiches theoretisches Werk war in hohem Maße ein Ergebnis seines beharrlichen Bemühens, die Perspektive, das Programm und die Aktivitäten der russischen Arbeiterbewegung auf ein präzises und nachvollziehbares Verständnis der objektiven Wirklichkeit zu gründen. Wenn ihr mit dem Wort "Objektivismus" um euch schmeißt, fragt man sich, wie ihr solch wichtige Werke Lenins wie Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung, Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland und seine diversen Studien zur Agrarfrage in Russland einordnet. (Die Schriften zur Agrarfrage erstrecken sich über mehrere Bände, und Lenin betrachtete sich als Fachmann auf diesem Gebiet). [7]

Ihr erklärt uns: "Marxistische Wissenschaft ist keine Wissenschaft im konventionellen Sinne: Ihr Ziel besteht nicht nur darin, die Welt zu verstehen, sondern sie auch zu verändern." Doch in welchem Maße, Genossen Steiner und Brenner, beruht die revolutionäre, d.h. historisch fortschrittliche Veränderung der Welt auf dem korrekten Verständnis derselben? Über die Antwort auf diese Frage solltet ihr sorgfältig nachdenken. Ob ihr sie "konventionell" oder "unkonventionell" nennt, die Bezeichnung "Wissenschaft" verdient der Marxismus nur insofern, als das Ziel seiner weltverändernden Praxis - das Ende der kapitalistischen Ausbeutung und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft - auf einem korrekten Verständnis der Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung beruht, und nicht auf dem bloßen Bedürfnis nach Veränderung oder gar dem "Willen zur Macht". Im Marxismus sind die Mittel, mit denen sich Revolutionäre bemühen, die Welt zu verändern, im Verständnis der objektiven Gesetze verankert, nach denen sich die Gesellschaft bewegt, und mit diesem Verständnis untrennbar verbunden. Das ist ein entscheidender Bestandteil der marxistischen Theorie, dessen Verletzung eine politische und - wie man hinzufügen muss - moralische Katastrophe heraufbeschwört.

Ihr schreibt großspurig und völlig abstrakt über die Notwendigkeit eines Kampfes gegen den Pragmatismus, scheint euch dabei aber nicht klar darüber zu sein, dass dieser im Laufe des 20. Jahrhunderts zahlreiche Tendenzen hervorgebracht hat, die allesamt versucht haben, mittels einer extremen Verherrlichung der gestalterischen Fähigkeiten der menschlichen Praxis die wesentliche ontologische Unterscheidung zwischen der objektiven Welt und den Formen ihrer Wiederspiegelung im subjektiven Bewusstsein zu verwischen - eine Unterscheidung, auf die der dialektische Materialismus großen Wert legt. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Mensch auf die Welt, in der er lebt, einwirkt und sie verändert, folgerten gewisse pragmatische Tendenzen, es sei philosophisch absurd, überhaupt von einer objektiven Wirklichkeit zu sprechen, die unabhängig vom Menschen existiere und seinem Handeln Beschränkungen auferlege. Weil es keine absolute Trennung zwischen Objekt und Subjekt gibt, gelangten sie zum Schluss, dass es auch keine relative gäbe. F.C.J. Schiller, Henri Bergson, Georges Sorel sowie die beiden Italiener Giuseppe Prezzolini und Giovanni Papini entwickelten die subjektiven Prämissen des Pragmatismus von James in dieser extremen Form weiter. Letztere sind von besonderer Bedeutung, da hier die potentiell faschistischen Implikationen des äußerst subjektiven Voluntarismus, den ihr Pragmatismus zum Ausdruck bringt, deutlich zu Tage treten. Papini schrieb, der Pragmatismus sei

eine Philosophie des Handelns, eine Philosophie der Tat, des Aufbaus, des Umwandelns, des Schaffens! ... Kein vergebliches Bemühen mehr, das nirgends hin führt, außer in die Hinterhalte und Fallstricke überspannter Logiker. Das Wahre ist das Nützliche. Wissen ist Tun. Wähle unter den vielen unsicheren Wahrheiten jene, die am ehesten berechnet ist, den Klang des Lebens zu verbessern und die nachhaltigste Belohnung zu gewähren. Wenn etwas nicht wahr ist, wir aber wollen, dass es wahr ist, dann machen wir es wahr: durch den Glauben. [Aus dem Englischen; zitiert nach Cornelis de Waal, "On Pragmatism"]

Mussolini, der nach eigener Aussage James’ Pragmatismus bewunderte, sagte, es gehöre zu "den verdienstvollsten Aufgaben des Menschen, für die Errichtung der sozialen Ordnung zu kämpfen, die im gegebenen Moment am besten zu unserem persönlichen Ideal passt." [ebd.]

Es soll hier nicht behauptet werden, dass Pragmatiker notwendigerweise dazu neigen, zu politischen Reaktionären, geschweige denn zu Faschisten zu werden. William James war ein äußerst anständiger Mensch und spielte eine führende Rolle in der antiimperialistischen Bewegung der Vereinigten Staaten. Doch theoretische Auffassungen haben ihre eigene Logik. Der Werdegang gewisser Strömungen des pragmatischen Denkens veranschaulicht, welch gefährliche Implikationen es hat, wenn man das marxistische Bemühen herabwürdigt, die politische Praxis im wissenschaftlichen Studium der objektiven Welt zu verankern. Pragmatischer Voluntarismus kann auch im Kontext einer radikal linken Politik verheerende Folgen haben. Eine politische Initiative, die sich auf eine impressionistische Einschätzung der objektiven Lage stützt und annimmt, subjektive Entschlossenheit könne der politischen Situation unter allen Umständen ein revolutionäres Potential verleihen, das objektiv nicht vorhanden ist, kann die Arbeiterklasse einem vernichtenden Gegenangriff aussetzen.

Diese Gefahr besteht, wie ich betonen will, nicht bloß theoretisch. Die Geschichte der revolutionären Bewegungen des 20. Jahrhunderts ist voller politischer und sozialer Fehlschläge, die durch eine voluntaristische Politik zustande kamen, die die objektive Logik des gesetzmäßigen, historischen und sozialökonomischen Prozesses ignoriert hat. Stalins Vorgehen (wie die Kollektivierung und die übereilte Industrialisierung) sollte uns Beweis genug für die verheerenden Folgen einer Politik sein, die mit ungenügender Kenntnis der objektiven Lage formuliert wird (oder ihr gegenüber gleichgültig ist) und die revolutionären Möglichkeiten des subjektiven Willens, die Dinge zu verändern, übertreibt. Daher erfordert der Kampf für den Sozialismus, dass sich die Taktik der Arbeiterklasse auf ein wissenschaftliches Verständnis der Gesetzmäßigkeiten des weltweiten Kapitalismus, des internationalen Klassenkampfs und der Formen ihrer Wiederspiegelung im Bewusstsein der Massen stützt. Darin liegt die Bedeutung von Perspektiven und einer erschöpfenden Einschätzung der "objektiven Situation", auf die die trotzkistische Bewegung stets großen Wert gelegt hat. [8]

Vergangenen Sommer erklärte ich: "Der Marxismus als analytische Methode und materialistische Weltsicht hat Gesetze entdeckt, die sozialökonomische und politische Prozesse bestimmen. Das Wissen um diese Gesetze enthüllt Trends und Tendenzen, auf deren Grundlage stichhaltige historische ‚Voraussagen’ getroffen werden können und die ein bewusstes Eingreifen erlauben, das ein vorteilhaftes Ergebnis für die Arbeiterklasse mit sich bringen kann." [9]

Genau das unterscheidet eine marxistische Praxis von allen Arten des pragmatischen Aktivismus, sei es in "linker", abenteuerlicher oder in opportunistischer, anpassungsfähiger Form. Die "objektivistische" Methode - die je nach Umständen beide politische Formen annehmen kann - fand ihre klarste Herausbildung in der Geschichte der Vierten Internationale in den revisionistischen Theorien Pablos und seiner Gefolgsleute Mandel und Hansen. Der Revisionismus Pablos machte es zu seiner Spezialität, in demagogischer und abstrakter Weise eine allmächtige Welle revolutionärer Kämpfe heraufzubeschwören, die - unabhängig von ihrer politischen Führung oder dem Bewusstseinsstand der Massen - alle Hindernisse hinwegfegen und die Macht an sich reißen würde. Wie Cliff Slaughter es 1961 (als er noch Marxist war) so treffend erklärte:

Die grundlegende Schwäche der Resolution der SWP ist ihre Ersetzung der marxistischen Methode durch den "Objektivismus" im Sinne einer falschen Objektivität. Aus seiner Analyse des Imperialismus als letztes Stadium des Kapitalismus schloss Lenin, das die bewusste revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei hochwichtig sei. Die Verfechter des "Objektivismus" dagegen schlussfolgern heute, die Macht der "objektiven Faktoren" sei so gewaltig, dass die proletarische Weltrevolution und der Sturz der Kapitalistenklasse unabhängig vom Erreichen einer marxistischen Führung der Arbeiterklasse und ihrer Kämpfe gelingen werde. [ Trotskyism versus Revisionism, Band 3, London 1974, S. 161)]

Der "Objektivismus", wie ihn Slaughter hier im Widerspruch zu den Pablisten definiert, hat absolut nichts mit euerm Gebrauch des Begriffs zu tun. Ihr benutzt ihn als Schimpfwort gegen das Bemühen, eine revolutionäre Politik auf eine korrekte marxistische Analyse sozialökonomischer Entwicklungen zu stützen. Die Pablisten lehnten es ab, eine konkrete Analyse der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg vorzunehmen, und waren nicht bereit, deren Veränderungen zu Entwicklungen des internationalen Klassenkampfes in Beziehung zu setzen. Slaughter forderte die SWP sogar wiederholt auf, ihre "objektivistischen" Schlussfolgerungen im Rahmen der "allgemeinen historischen Perspektive der Klassenbeziehungen" zu rechtfertigen. Er schrieb, die SWP müsse "zeigen, auf welche Weise ‚objektive Faktoren’ der Weltsituation es in einigen Fällen unnötig machen, eine revolutionäre Führung vorzubereiten und aufzubauen". [ebd., S. 162]. Er machte auch auf den Zusammenhang zwischen dem "Objektivismus" der Pablisten und ihrer ständigen Beschwörung der Aktion aufmerksam, ihren demagogischen Verweisen auf "die ‚Ungeduld’ der Massen, die mit der Revolution nicht auf den Aufbau einer marxistischen Führung warten können" [ebd.]. Ein weiteres Charakteristikum des pablistischen Objektivismus war seine Verherrlichung der elementarsten Formen von Arbeitermilitanz. Damit rechtfertigte er seine Anpassung an die vorhandenen bürokratischen Führer, die die Massen unweigerlich von ihren revolutionären politischen Aufgaben abbrachten.

Genau dahin führt auch euer verächtliches Anprangern unseres "Objektivismus". In letzter Analyse weist ihr mit eurer Kritik an unserem "Objektivismus" das Studium sozialökonomischer Umstände und die Analyse des Klassencharakters politischer Tendenzen zurück, die Einfluss auf die Arbeiterklasse ausüben. In ähnlicher Weise erweist sich eure Verurteilung unserer "Enthaltsamkeit" als verschleierter Angriff auf die Einschätzung der reaktionären Rolle der Gewerkschaften durch unsere Partei. Ihr schreibt: "Ungefähr ein Jahrzehnt ist vergangen, seit die Partei zu der Einschätzung kam, die Gewerkschaften könnten keine progressive Rolle mehr spielen, doch in diesen zehn Jahren wurde nichts unternommen, um der Arbeiterklasse irgendwelche Alternativen vorzuschlagen. Noch wurde irgendein Versuch unternommen, die Implikationen dieses Niedergangs der Gewerkschaften mit ihren Millionen verbliebenen Mitgliedern aufzuarbeiten, da abgesehen von Journalismus seit langem jede Arbeit innerhalb der Gewerkschaften aufgegeben worden ist."

Zunächst einmal: Ist unsere Analyse der Gewerkschaften korrekt oder nicht? Ihr liefert keine Analyse des Charakters und der Rolle des AFL-CIO oder anderer offizieller Gewerkschaftsorganisationen. Glaubt ihr, sie hätten noch das Potential, eine in euren Worten "progressive Rolle" zu spielen? Aus eurer Attacke könnte man den berechtigten Schluss ziehen, dass ihr das glaubt. Aber warum unterlasst ihr es dann, dies deutlich zu sagen, geschweige denn, die Gründe für eure Ansicht darzulegen? Ihr versucht euch auch nicht an einer kritischen Untersuchung der ausgedehnten Schriften der SEP und des IKVI zur Frage der Gewerkschaften, in denen die theoretische Begründung unserer prinzipiellen Position ausgearbeitet wird. Im Stil des vulgärsten Pragmatismus beschwert ihr euch, dass ein Arbeiter, der in einem Brief um einen Rat von der WSWS bittet, "typischerweise einen Vortrag über die Geschichte der Arbeiterbürokratien erhält, jedoch keinen Hinweis darauf, wie der Kampf geführt werden soll, in dem er sich befindet". Erklärt uns bitte, Genossen Steiner und Brenner, wie es einem Arbeiter möglich sein soll, den Kampf, in dem er gerade steckt, bewusst zu führen, ohne die historische Rolle der Gewerkschaften zu verstehen? Wo führt es hin, wenn man einen gegebenen Kampf, an dem Arbeiter beteiligt sind, von den historischen Erfahrungen löst, aus denen er hervorgegangen ist? Kann eine Perspektive zum praktischen Eingreifen in Russland entwickelt werden, ohne die Arbeiter in der Geschichte von Trotzkis Kampf gegen den Stalinismus zu schulen? Oder in China? Oder in Osteuropa? Kann ein Arbeiter im Nahen Osten wissen, "wie der Kampf geführt werden soll, in dem er sich befindet", wenn er die historische Rolle des bürgerlichen Nationalismus oder die Bedeutung von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution nicht studiert? Wie können die fortgeschrittenen Teile der israelischen Arbeiterklasse einen Weg aus der Sackgasse des jüdischen Nationalismus finden, ohne die Ursprünge und die Natur des Zionismus zu verstehen? Um es so deutlich wie möglich zu sagen: Der "Charakter" eines gegebenen Kampfes kann nur verstanden werden, wenn er in den nötigen historischen Kontext gestellt wird.

Euer billiger Spott gegen die Bemühungen der WSWS, die Arbeiter in Geschichte auszubilden, verrät trotz eures rhetorischen Tributs an die Dialektik eine Gleichgültigkeit gegenüber theoretischen Fragen, die aus einer sorgfältigen Aufarbeitung der objektiven gesellschaftlichen Erfahrungen hergeleitet werden, durch welche die Arbeiterklasse gegangen ist. Wie Trotzki so hervorragend erklärt hat: "Lässt man sich von der Theorie leiten, so heißt das, dass man sich von der Verallgemeinerung der gesamten bisherigen Praxis der Menschheit leiten lässt, um eine bestimmte praktische Aufgabe der Gegenwart möglichst gut zu bewältigen. Vermittelt durch Theorie, erweist sich so das ‚Primat’ der Praxis insgesamt gegenüber den Teilpraktiken." ["Zur Philosophie der Bürokratie", in "Trotzki Schriften 3.3", Köln 2001, S. 125]

Sagt uns bitte, Genossen Steiner und Brenner: Welche politischen Verallgemeinerungen habt ihr aus den tragischen Erfahrungen der Arbeiterklasse während der vergangenen 25 Jahre gezogen? Aus der endlosen Reihe von Niederlagen, welche die amerikanische Arbeiterklasse als Folge des kriminellen Verrats ihrer bürokratischen Organisationen erlitten hat? Inwiefern habt ihr die Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse in euer Verständnis der Aufgaben einfließen lassen, vor denen Arbeiter in den Vereinigten Staaten stehen? Welche Lehren habt ihr aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der stalinistischen Regime in Osteuropa gezogen, die allesamt von den herrschenden Bürokratien aufgelöst wurden? Oder aus der Verwandlung der "Volksrepublik" China zum unentbehrlichen weltweiten Zentrum kapitalistischer Niedriglohnproduktion? Oder aus der Entwicklung der Labour Partei in England zu einer bösartigen bürgerlichen Rechtspartei, die alle Verbindungen zur Arbeiterklasse abgeschnitten hat? Oder aus der fortgesetzten Unterstützung des Trade Union Congress für eben diese Partei? Wir könnten noch viele Fragen dieser Art hinzufügen, aber wir dürfen wohl mit Recht annehmen, dass wir keine Antwort erhalten werden. Den Konsequenzen, die der Zusammenbruch aller traditionellen politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen während der vergangenen 25 Jahre für politische Perspektiven und Praxis hat, habt ihr nicht einen Gedanken gewidmet.

7. Der Verkehrsarbeiterstreik in New York City

Ihr zieht es zwar vor, eure polemischen Kämpfe im Reich abstrakter Allgemeinheiten auszufechten, doch bei der einzigen Gelegenheit, da ihr in die Welt der tatsächlichen Ereignisse herabsteigt, wird der politische Inhalt eurer Klagen über unseren "Objektivismus" deutlich. Ihr lehnt den Kampf ab, den die Socialist Equality Party und die WSWS gegen die Gewerkschaftsbürokratie führen. Euer langatmiger Angriff auf die Rolle der Partei im Verkehrsarbeiterstreik in New York City zielt auf die Diskreditierung unserer Bemühungen, die Verkehrsarbeiter mit einer politischen Perspektive zu bewaffnen. Doch bevor wir uns im Detail mit eurer Attacke befassen, muss angemerkt werden, dass der Streik das einzige Ereignis ist, mit dem ihr euch in eurem Dokument tatsächlich befasst. Hättet ihr nicht zumindest ein Ereignis außerhalb der Stadt wählen können, in der ihr lebt? Warum keine Untersuchung der Kampagne der Partei gegen den Krieg im Irak? Oder des Eingreifens des IKVI in der Krise in Frankreich? Oder des Kampfs, den unsere Genossen in Sri Lanka gegen die Wiederaufnahme des Krieges gegen die Tamilen durch die Regierung führen? Nichts davon interessiert euch. Bedenkt man, dass ihr euch mit keinem anderen Ereignis abgebt - nicht einmal dem Irakkrieg! - ist die Aufmerksamkeit, die ihr dem Verkehrsarbeiterstreik widmet, in höchstem Grade unausgewogen. Zumindest aber ist sie Ausdruck einer sehr provinziellen Sichtweise.

Eure Darstellung des Eingreifens der SEP als Gemisch von Verwirrung und Untätigkeit ist fraktionell motiviert und unaufrichtig. Ihr sprecht von dem "dreitägigen Streik im Dezember [2005]", gebt aber nicht einmal die genauen Daten an, während derer er sich vollzog. Das ist keine Nebensächlichkeit. Niemand, der sich auf eure Darstellung verlässt, könnte die objektiven Entwicklungen in Beziehung zum Eingreifen der SEP bringen. Ihr schreibt: "Obwohl es einen langen Vorlauf zum Streik gab, und obwohl die Partei in dieser Gewerkschaft auf eine lange Geschichte zurückblickt, wurden vor Beginn des Streiks keinerlei Forderungen aufgestellt." Neben dem Fehlen einer präzisen Zeitangabe zitiert eure Kritik keinen einzigen Satz aus all dem, was die SEP über den Verkehrsarbeiterstreik geschrieben hat. Niemand, der euer Dokument liest, könnte sich ein präzises Bild über das Ausmaß des Eingreifens der Partei oder des Programms machen, für das sie kämpfte.

Da ihr das Eingreifen der Partei in den Streik angreift, um ihren "Objektivismus" und ihre "Enthaltsamkeit" nachzuweisen, müssen wir recht detailliert daauf antworten. Der Streik begann am Dienstag, dem 20. Dezember, und endete am Donnerstag, dem 22. Dezember. Euer Dokument vermittelt seinen Lesern den Eindruck, die SEP sei gleichsam von den Ereignissen überrascht worden und hätte erst am Vorabend des Streiks eine Stellungnahme herauszugeben vermocht.

Sehen wir uns jetzt die tatsächliche Reaktion der Partei auf den Verkehrsarbeiterstreik an.

Am 10. Dezember - zehn Tage vor Beginn des Streiks - veröffentlichte die WSWS eine lange Erklärung, geschrieben von Alan Whyte, in der die zentralen Fragen analysiert wurden, die der Konflikt zwischen der Transportarbeitergewerkschaft Local 100 und der Verkehrsbehörde von New York (der New York Metropolitan Transportation Authority, MTA) aufwarf. Nach einer sorgfältigen und tatsachengebundenen Übersicht über die Vertragsverhandlungen schreibt Whyte:

Seit dem letzten Streik, während dem die Arbeiter das Verkehrssystem elf Tage lang lahm legten, sind 25 Jahre vergangen. In diesem Vierteljahrhundert haben die Arbeiter von New York City und den ganzen Vereinigten Staaten erlebt, wie ihre Löhne ständig sanken, Millionen anständig bezahlter Arbeitsplätze verloren gingen, Sozialleistungen abgebaut und grundlegende demokratische Rechte beseitigt wurden. Diese Angriffe waren die Voraussetzung für eine Schwindel erregende Zunahme der sozialen Ungleichheit - gewaltige Reichtümer wurden auf die Bankkonten des reichsten Prozents der Bevölkerung verschoben.

Die Gewerkschaften haben sich als unfähig erwiesen, diesen Angriffen entgegenzutreten. Kontrolliert von einer opportunistischen Bürokratie, die der Demokratischen Partei und dem Profitsystem völlig ergeben ist, haben sie vielmehr dabei mitgewirkt, diese unendliche Reihe von Zugeständnissen zu erzwingen.

Es besteht kein Zweifel, dass ein Streik der Verkehrsarbeiter als Demonstration des Vermögens der Arbeiterklasse, dem Diktat der Wall Street entgegenzutreten, in New York City und dem ganzen Land mächtige Unterstützung gewinnen würde. Ein ernsthafter Kampf zur Verteidigung der Lebensbedingungen und zur Rücknahme der Angriffe der vergangenen 25 Jahre erfordert jedoch mehr als militante Streikaktionen.

Er verlangt vor allem einen politischen Kampf zur Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse gegen das Profitsystem. Dies bedeutet einen Bruch mit der Demokratischen Partei und den Aufbau einer unabhängigen politischen Partei der Arbeiterklasse, die für die Reorganisation der Gesellschaft im Interesse der Bedürfnisse der Menschen, statt der Anhäufung von Wohlstand durch eine Finanzelite kämpft.

Nur eine solche Partei wird dafür eintreten, die nötigen Mittel zur Finanzierung des öffentlichen Massenverkehrs bereitzustellen, indem die Schuldverschreibungen nicht anerkannt und die immensen Mittel der Banken und Finanzinstitute, die davon profitiert haben, in öffentliches Eigentum überführt werden.

Diese Erklärung wurde als Flugblatt veröffentlicht und unter den Transportarbeitern verteilt. Die WSWS gab also zehn Tage, bevor der Streik (nach einer Verzögerung durch die TWU-Führung) begann, eine klare politisch-programmatische Erklärung heraus. Zwei Tage später, am 12. Dezember, veröffentlichte WSWS einen weiteren Artikel von Whyte. Er berichtete über das positive Ergebnis der Urabstimmung für den Streik, der ursprünglich am 16. Dezember um Mitternacht beginnen sollte. Der Artikel warnte vor der Doppelzüngigkeit der Gewerkschaftsführung und wies darauf hin, dass die Anwesenheit des politischen Scharlatans Jesse Jackson bei der Urabstimmungs-Versammlung ein deutliches Signal sei, dass die TWU-Führung an ihrer politisch bankrotte Allianz mit der Demokratischen Partei ergeben festhalte.

Am 16. Dezember veröffentlichte die WSWS eine Analyse von Bill Van Auken mit dem Titel "Die politischen Aufgaben, vor denen die Verkehrsarbeiter von New York City stehen". Sie warnte die Verkehrsarbeiter, dass sich Bürgermeister Bloomberg auf einen massiven juristischen Angriff auf die Gewerkschaft vorbereite. Der Artikel betonte, die Gewerkschaft könne keinen erfolgreichen Streik führen, ohne dabei um die Mobilisierung breitester Teile der Arbeiterklasse zu kämpfen. Doch die Erklärung warnte auch: "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Führung des Ortsverbands 100 der TWU einen solchen Kampf vorbereitet. Die Gewerkschaftsbürokratie, angeführt vom Präsidenten des Ortsverbandes 100 Roger Toussaint, hält sich strikt an den kleinsten gemeinsamen Nenner gewerkschaftlicher Militanz. Gleichzeitig stellt sie Demokratische Politiker als Freunde der Arbeiter dar."

Am 17. Dezember berichtete Van Auken über die Entscheidung der TWU, statt zu einer umfassenden Arbeitsniederlegung zu selektiven Streiks aufzurufen.

Am 19. Dezember veröffentlichte die WSWS eine Erklärung von Peter Daniels mit dem Titel "New Yorker Verkehrsarbeiter am Rande der Klassenkonfrontation" (die auch als Flugblatt gedruckt und verteilt wurde). Sie besprach die Lehren aus den wichtigsten Erfahrungen, welche die Arbeiterklasse seit dem Verrat des New Yorker Verkehrsarbeiterstreiks von 1980 und der Zerstörung der Fluglotsengewerkschaft PATCO 1981 gemacht hatte. Die Erklärung betonte die Notwendigkeit einer politischen Strategie: "Die Wahrheit über diesen Streik muss von Anfang an deutlich gesagt werden: Entweder gewinnen die Verkehrsarbeiter die aktive Unterstützung anderer Teile der Arbeiterklasse in einer politischen Gegenoffensive gegen alle Angriffe auf Arbeitsplätze und öffentliche Dienstleistungen - oder sie werden in ihrem Streik isoliert und besiegt werden." Die Erklärung warnte auch: "Sich auf Toussaint als Streikführer zu verlassen, wäre ein schwerer Fehler. Der Vorsitzende des Ortsverbandes 100 verbindet gelegentliche demagogische Drohungen mit der Unterstützung der Demokratischen Partei, die die Interessen der Wirtschaft vertritt und einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse ablehnt." Die Arbeiter wurden aufgerufen, "unabhängige Streikkomitees zu organisieren, um in allen Teilen der Arbeiterklasse für Einheit und Kampfbereitschaft zu werben - bei anderen Gewerkschaftsmitgliedern, Unorganisierten und Arbeitslosen, Studenten, Jugendlichen, Facharbeitern und Kleinunternehmern."

Euer Hauptkritikpunkt an dieser Erklärung - aus der ihr nicht einen einzigen Satz zitiert - lautet: Die WSWS "gab keinen Hinweis darauf, wie diese Komitees aufgestellt werden sollten, wie sie funktionieren sollten und vor allem: wofür sie kämpfen sollten." Nein, wir haben kein Handbuch über das Aufstellen von Streikkomitees verfasst. Soweit die Arbeiter die Notwendigkeit einer Alternative zum Ortsverband 100 der TWU und seiner Politik verstünden, wären sie sehr gut selbst in der Lage, die Einzelheiten des Aufbaus von Streikkomitees und ihrer Leitung durch die Massen auszuarbeiten. Doch wofür diese Komitees kämpfen sollten, haben wir sehr deutlich gesagt: Die Erklärung entwarf eine politische Strategie, von der das Schicksal des Streiks abhing. Aus eurer Kritik kann man nur schließen, dass ihr mit der Notwendigkeit eines politischen Kampfes der Transportarbeiter, auf der die WSWS beharrte, nicht einverstanden seid - dabei wäre ein solcher die einzige Möglichkeit gewesen, die Unterstützung der arbeitenden Massen New Yorks zu gewinnen, für die der Streik zusätzliche tägliche Belastungen mit sich brachte.

Am 21. Dezember veröffentlichte die WSWS eine weitere Erklärung (die ebenfalls gedruckt und massenhaft in der ganzen Stadt verteilt wurde): "Streik bei den New Yorker Verkehrsbetrieben: eine neue Stufe im Klassenkampf". Sie untersuchte die Implikationen des Streiks in Verbindung mit der sozialen Polarisierung in den Vereinigten Staaten und entlarvte die finanziellen Interessen, die hinter den brutalen juristischen Angriffen standen, die Bürgermeister Bloomberg gegen die Transportarbeiter führte. Die Erklärung griff die nationale Führung der TWU an, die den Streik als illegal verleumdet und zur sofortigen Rückkehr zur Arbeit aufgerufen hatte. Sie schloss mit einer Zusammenfassung der politischen Aufgaben:

Deutlicher als irgendein anderes Ereignis in den letzten zwanzig Jahren stellt der gegenwärtige Streik der Arbeiter des öffentlichen Nahverkehrs von New York die gesamte Arbeiterklasse vor die Aufgabe, eine neue Führung aufzubauen und eine neue politische Strategie zu entwickeln, die sich auf ein Programm gründet, das die Interessen und Bedürfnisse der arbeitenden Menschen an die erste Stelle stellt und der Profitgier der Finanzelite Widerstand leistet. ...

Wenn dieser Streik erfolgreich sein soll, müssen sich die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe von einer Perspektive leiten lassen, die die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Grundannahmen der Finanzoligarchie und ihrer politischen Parteien zurückweist. Die endlosen Forderungen nach Senkung des Lebensstandards der Arbeiter zeigen klar, dass ihre Interessen unvereinbar mit den Erfordernissen des kapitalistischen Profitsystems sind.

Zusätzlich zu dieser Erklärung veröffentlichte die WSWS am 21. Dezember zahlreiche Interviews mit streikenden Arbeitern.

Am 22. Dezember veröffentlichte die WSWS eine weitere umfangreiche Erklärung (die wiederum gedruckt und massenhaft verteilt wurde) mit dem Titel "Eskalation der Angriffe auf die New Yorker Verkehrsarbeiter". In ihr wurden die politische Strategie von Bürgermeister Bloomberg und Gouverneur Pataki und die Gründe für ihre bösartige Reaktion auf den Streik behandelt. Der Artikel erklärte, warum die herrschende Elite den Streik als bedeutende Herausforderung betrachte, die niedergeschlagen werden müsse. Der Solidarität der herrschenden Klasse stellten wir die Bemühungen der Arbeiterbürokratie gegenüber, den Streik zu isolieren und zu sabotieren. Wir warnten davor, dass ein weitreichender Verrat in Vorbereitung sei, und erneuerten unseren Aufruf an die Arbeiter, "eigene, unabhängige Streikkomitees zu organisieren und sich an die breitesten Schichten von Arbeitern zu wenden, um so Unterstützung zu mobilisieren". Auch veröffentlichten wir weitere Interviews mit Streikenden.

Am 23. Dezember brachte die WSWS eine Erklärung heraus, die eine "vorläufige Einschätzung" des plötzlichen Endes des Streiks bot. In unverblümter und nüchterner Weise wurde hier das Ergebnis des Streiks untersucht, der von der Gewerkschaftsbürokratie isoliert worden war. Wir stellten fest, dass Toussaint "den Streik als ausschließlich gewerkschaftlichen Kampf geführt hat - unter Bedingungen, da die Verkehrsarbeiter die geballte Macht des Staatsapparates in Form des Taylor-Gesetzes und der Gerichte zu spüren bekamen". Indem wir die grundsätzlicheren Lehren des Streiks zogen, betonten wir, der Streik habe all diejenigen Lügen gestraft, die zuvor das Verschwinden der Arbeiterklasse als sozialer Kraft behauptet hatten. Durch das Lahmlegen des gesamten Verkehrssystems hatte die Arbeiterklasse ihr immenses gesellschaftliches Gewicht und ihre Kampfbereitschaft demonstriert. Doch der Streik habe "auch die bestehenden Gewerkschaften als hoffnungslos inadäquate Werkzeuge für den gesellschaftlichen Kampf entlarvt. Diese Organisationen, sofern sie sich nicht wie die TWU International und der AFL-CIO aktiv an der Unterdrückung der Arbeiterklasse beteiligen, stehen den Angriffen des Staates aufgrund des Fehlens einer alternativen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Perspektive hilflos gegenüber. Von einer politisch reaktionären und mit der Demokratischen Partei verbündeten Bürokratie dominiert, verwandeln sie sich unvermeidlich in ein Mittel, mit dem die herrschende Elite ihre Forderungen gegen die Arbeiterklasse durchsetzt." Die WSWS rief auf zu "einer neuen sozialistischen Bewegung, die fähig ist, die Arbeiterklasse auf der Grundlage einer kompromisslos antikapitalistischen Linie zu vereinen".

Am 24. Dezember veröffentlichte die WSWS eine weitere große Erklärung (abermals gedruckt und massenhaft verteilt), in der zusätzliche Details enthüllt wurden, wie die Gewerkschaften den 100. Ortsverband sabotiert hatten.

Euer Angriff auf das Eingreifen der Partei in den Verkehrsarbeiterstreik ist völlig gegenstandslos. Ihr geht davon aus, dass eure Leser keinen Zugang zu den schriftlichen Dokumenten haben. Doch wenn wir uns die Antwort der WSWS auf den Kampf der Verkehrsarbeiter vor Augen führen, dann sehen wir, dass in der zweiwöchigen Periode zwischen dem 10. und 24. September sechs große Erklärungen und zusätzlich acht Artikel veröffentlicht wurden. Dabei handelte es sich um umfangreiche Berichte, Interviews mit Verkehrsarbeitern oder Beiträge zu verschiedenen sozialen Fragen in Verbindung mit der Klassenspaltung in New York City. Von diesen 14 Schriftstücken wurden acht gedruckt und massenhaft verteilt. [10] So sieht die Bilanz aus, die angeblich die "Enthaltsamkeit" der SEP verkörpert! Die Antwort auf den Verkehrsarbeiterstreik zeigt, welch entscheidende Rolle die WSWS im Kampf um die Entwicklung neuer politischer Strategien für die Arbeiterklasse und ihre Kämpfe spielt. Wir sollten auch anmerken, dass die Gewerkschaft selbst während dieser Periode nicht eine einzige Erklärung zur Verteilung in großem Umfang herausgab, von täglichen Analysen des laufenden Kampfes ganz zu schweigen. Die WSWS war nicht in der Lage, die Sabotage der Bürokratie eigenhändig zu überwinden. Doch sie leistete einen signifikanten Beitrag zur Hebung des Klassenbewusstseins der Arbeiter und zur Vorbereitung künftiger Siege.

Ich bin nicht so unhöflich, mich nach dem praktischen Beitrag Genosse Steiners zu den Kämpfen zu erkundigen. Dennoch ist bemerkenswert, dass ihr uns nicht darlegt, worin eure Aktivitäten während des Streiks bestanden haben. Was, wenn überhaupt, habt ihr gemacht? Was habt ihr geschrieben? Habt ihr eine Erklärung entworfen, vielleicht mit dem Titel "Der Verkehrsarbeiterstreik und die Utopie"? Vielleicht haben euch Schwierigkeiten der einen oder anderen Art gezwungen, vom direktem Eingreifen in den Streik abzusehen. Wenn dem so ist, besteht kein Grund zur Entschuldigung. Doch es enttäuscht, dass ihr im Rahmen eurer Kritik nicht die Gelegenheit wahrgenommen habt, zu erklären, und sei es auch nur theoretisch, wie der Utopismus in Aktion ausgesehen hätte. Wir fühlen uns daher zu der Schlussfolgerung berechtigt, dass eure utopischen Schemata weitgehend zur Diskussion innerhalb kleinbürgerlich radikaler Zirkel vorgesehen sind. Den Arbeitern dagegen habt ihr nichts anzubieten als die wässrige Suppe des Gewerkschaftlertums.

Wird fortgesetzt

[4] Der jüngste Essay über dialektische Philosophie war die von mir selbst verfasste eingehende Kritik des Buches "Marx After Marxism" von Professor Tom Rockmore. (siehe "Hegel, Marx, Engels und die Ursprünge des Marxismus"). Diese Abhandlung wurde am 2. und 3. Mai auf der World Socialist Web Site veröffentlicht - ungefähr zwei Wochen, bevor ihr uns euer Dokument zugesandt habt. Aus Gründen, die ihr selbst wohl am besten kennt, habt ihr beschlossen, es zu ignorieren. [zurück]

[5] Das IKVI redet nicht einfach nur über die dialektische Methode - es versucht sie als ein Werkzeug der politischen Analyse anzuwenden. Beispielsweise versuchte ich 1998 in Australien im Rahmen eines Vortrages über "Marxismus und die Gewerkschaften" aufzuzeigen, wie die dialektische Logik Licht in das Wesen dieser komplexen sozialen Gebilde bringt: Man muss stets berücksichtigen, dass wir es hier mit einer bestimmten gesellschaftlichen Form zu tun haben. Die Gewerkschaften sind keine lockere, zufällige und formlose Ansammlung von Individuen, sondern ein historisch entstandener Zusammenschluss von Menschen, die in Klassen organisiert sind, sich auf bestimmte Produktionsverhältnisse stützen und in diesen verwurzelt sind. Weiter ist es wichtig, sich über den Charakter der Form als solcher Rechenschaft abzulegen. Wir alle wissen, dass es einen Zusammenhang zwischen Form und Inhalt gibt, aber für gewöhnlich wird dieser nur so aufgefasst, als ob die Form ein bloßer Ausdruck des Inhalts sei. Von diesem Standpunkt her könnte man die gesellschaftliche Form als einen nur äußerlichen, biegsamen und unbegrenzt wandelbaren Ausdruck der Beziehungen auffassen, auf denen sie beruht. Aber auf einer tieferen Ebene sind gesellschaftliche Formen dynamische Elemente des historischen Prozesses: Wenn man sagt, dass "der Inhalt eine Form annimmt", dann heißt das, dass die Form dem Inhalt, dessen Ausdruck sie darstellt, bestimmte Qualitäten und Merkmale verleiht. Der Inhalt existiert und entwickelt sich durch die Form. Vielleicht wird dieser Ausflug in das Reich philosophischer Kategorien und Abstraktionen verständlicher, wenn man den berühmten Absatz aus dem ersten Kapitel des "Kapitals" zitiert, in dem Marx sagt: "Woher entspringt also der rätselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es Warenform annimmt? Offenbar aus dieser Form selbst." Sobald ein Produkt der Arbeit die Form einer Ware annimmt - diese Verwandlung findet in einem bestimmten Stadium der Gesellschaft statt - gewinnt sie eine besondere Qualität, nämlich den Charakter eines Fetisch, die sie vorher nicht besaß. Sobald Produkte auf dem Markt ausgetauscht werden, treten die wirklichen gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen, die die Waren erst hervorgebracht haben, mit Notwendigkeit als Beziehung zwischen Dingen in Erscheinung. Ein Arbeitsprodukt ist ein Arbeitsprodukt, doch sobald es im Rahmen neuer Produktionsverhältnisse Warenform annimmt, gewinnt es neue, verblüffende gesellschaftliche Qualitäten. Entsprechend könnte man sagen: Eine Gruppe Arbeiter ist eine Gruppe Arbeiter. Doch wenn sie die Form einer Gewerkschaft annehmen, dann gewinnen sie durch diese Form deutlich umrissene neue gesellschaftliche Qualitäten, denen die Arbeiter unweigerlich unterworfen werden. Was genau meinen wir damit? Die Gewerkschaften vertreten die Arbeiterklasse in einer ganz bestimmten ökonomischen Rolle: als Verkäufer der Ware Arbeitskraft. Die Gewerkschaften, die auf der Grundlage der Produktionsverhältnisse und Eigentumsformen des Kapitalismus entstanden sind, erfüllen im wesentlichen den Zweck, für diese Ware den besten Preis zu erzielen, der unter den gegebenen Marktbedingungen herauszuholen ist. Natürlich besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen dem, was ich eben in der Theorie zum "wesentlichen Zweck" der Gewerkschaften erklärt habe, und ihren Aktivitäten im wirklichen Leben. Die praktische Realität - der tägliche Ausverkauf der unmittelbarsten Interessen der Arbeiterklasse - entspricht der theoretisch verstandenen "Norm" sehr wenig. Diese Abweichung widerlegt jedoch die theoretische Erklärung nicht, sondern ergibt sich ihrerseits aus der ökonomischen Funktion der Gewerkschaft in der Gesellschaft. Da sie sich auf den Boden der kapitalistischen Produktionsverhältnisse stellen, sind die Gewerkschaften von ihrem ganzen Charakter her dazu gezwungen, gegenüber dem Klassenkampf eine feindliche Haltung einzunehmen. Da ihre Anstrengungen darauf gerichtet sind, sich mit den Arbeitgebern über den Preis der Arbeitskraft und die allgemeinen Bedingungen der Mehrwerterzeugung zu einigen, müssen die Gewerkschaften auch sicherstellen, dass ihre Mitglieder ihre Arbeitskraft entsprechend der ausgehandelten Verträge zur Verfügung stellen. Wie Gramsci bemerkte: "Die Gewerkschaften vertreten die Legalität und müssen ihre Mitglieder zur Beachtung dieser Legalität veranlassen." Die Verteidigung der Legalität bedeutet die Unterdrückung des Klassenkampfs. Das führt naturgemäß dazu, dass sich die Gewerkschaften langfristig selbst das Wasser abgraben. Sie unterhöhlen selbst ihre Fähigkeit, auch nur jene beschränkten Ziele zu erreichen, die sie sich offiziell gesetzt hatten. Hier liegt der Widerspruch, an dem das Gewerkschaftertum krankt. (Marxismus und Gewerkschaften[zurück]

[6] Die Tagesordnung der Sommerschule lautete wie folgt: Erster Vortrag: Die Russische Revolution und die ungelösten Probleme des 20. Jahrhunderts (David North); Zweiter Vortrag: Marxismus gegen Revisionismus am Vorabend des 20. Jahrhunderts (David North); Dritter Vortrag: Die Ursprünge des Bolschewismus und Was tun? (David North); Vierter Vortrag: Marxismus, Geschichte und Wissenschaft der Perspektive (David North); Fünfter Vortrag: Der Erste Weltkrieg: Zusammenbruch des Kapitalismus (Nick Beams); Sechster Vortrag: Sozialismus in einem Land oder Permanente Revolution (Bill Van Auken); Siebter Vortrag: Marxismus, Kunst und die sowjetische Debatte über "proletarische Kultur" (David Walsh); Achter Vortrag: Die 1920-er Jahre - Weg zu Depression und Faschismus (Nick Beams); Neunter Vortrag: Der Aufstieg des Faschismus in Deutschland und der Zusammenbruch der Kommunistischen Internationale (Peter Schwarz) [zurück]

[7] Welch große Bedeutung Lenin der Erkenntnis der objektiven gesellschaftlichen Realität zuerkannte, wird in Materialismus und Empiriokritizismus deutlich ausgesprochen: Aus der Tatsache, dass ihr lebt und wirtschaftet, Kinder gebärt und Produkte erzeugt, sie austauscht, entsteht eine objektiv notwendige Kette von Ereignissen, eine Entwicklungskette, die von eurem gesellschaftlichen Bewusstsein unabhängig ist, die von diesem niemals restlos erfasst wird. Die höchste Aufgabe der Menschheit ist es, diese objektive Logik der wirtschaftlichen Evolution (der Evolution des gesellschaftlichen Seins) in den allgemeinen Grundzügen zu erfassen, um derselben ihr gesellschaftliches Bewusstsein und das der fortgeschrittenen Klassen aller kapitalistischen Länder so deutlich, so klar, so kritisch als möglich anzupassen. [Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus, in: Werke Bd. 14, S. 328f] [zurück]

[8] Auf besonders unangenehme Weise äußert sich euer Desinteresse an einer politischen Analyse, wenn ihr auch die gröbsten Fehltritte eurer utopischen Helden rechtfertigt. Als Genosse Steve Long dir, Genosse Steiner, darlegte, dass Jacoby (der Autor des von dir so geliebten Ende der Utopie) als Befürworter einer Wiederbelebung des Liberalismus schreibt, da zucktest du nur mit den Achseln und gabst zurück: "Bedeutet das, dass wir als Marxisten alles ignorieren können, was er ab Seite acht schreibt, wo er seine Absichten zur Wiederbelebung des Liberalismus verkündet?" Und auf Genosse Longs Hinweis auf die abstoßende politische Geschichte Herbert Marcuses und Theodor Adornos hast du geantwortet: "Ja, sowohl Adorno als auch Marcuse waren politische Opportunisten, die sich im Namen einer ‚Einheitsfront' gegen den Faschismus in den 30er Jahren mit den Moskauer Prozessen einverstanden erklärten. Heißt das, dass sie uns hinterher nichts Relevantes mehr zu sagen hatten?" Ist es dir nicht in den Sinn gekommen, dass die politischen Schweinereien dieser Individuen (vergessen wir nicht Ernst Bloch, der die Ermordung der alten Bolschewisten mit Entzücken begrüßte) etwas mit ihrem Utopismus zu tun gehabt haben könnten? Warum sollte man auf die utopischen Konzeptionen von Individuen vertrauen, die unfähig waren, die objektive Wirklichkeit zu verstehen und die Wahrheit von den giftigen Lügen des stalinistischen Regimes zu unterscheiden? Wäre es unhöflich zu fragen, welcher Methode sie sich bei der Erwägung politischer Fragen bedienten? Oder war ihr Genie vielleicht von solch erlesener Art, dass es nur in der Zukunftsform funktionierte! [zurück]

[9] Dies ist ein Abschnitt aus dem vierten Vortrag der Sommerschule. Ein beträchtlicher Teil dieses Vortrages widmete sich einer systematischen Zurückweisung der Angriffe Sir Karl Poppers auf den Marxismus. Euer Dokument enthält nicht den geringsten Hinweis auf diesen Vortag und seinen Angriff auf Poppers Empirismus. [zurück]

[10] Während dieser Periode behielt die WSWS ihre unfassende Berichterstattung über nationale und internationale Ereignisse in vollem Umfang bei. [zurück]

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