US-Establishment stellt sich hinter Barack Obama

Zum so genannten "Super Tuesday" am 5. Februar, der für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten von Demokraten und Republikaner in den USA entscheidend ist, hat sich die Stimmung deutlich zugunsten der Kandidatur von Senator Barack Obama aus Illinois verschoben. Dies äußert sich in Meinungsumfragen, auf großen Kundgebungen, in steigendem Spendenaufkommen und in der Unterstützung von Seiten einflussreicher Kreise in Politik und Medien.

Insbesondere in der vergangenen Woche waren aus der herrschenden Elite immer deutlicher die Pro-Obama-Stimmen zu vernehmen. Von den politischen Vertretern tat sich dabei am stärksten Senator Edward Kennedy hervor, der schon seit vielen Jahren den liberalen Flügel der Demokratischen Partei repräsentiert. Aber auch in den Massenmedien vollzog sich eine erkennbare Positionierung zugunsten Obamas.

Kennedys Unterstützung für Obama bedeutet einen herben Schlag für Hillary Clinton, denn darin zeigt sich, dass Obama nicht länger als Proteststimmenfänger gilt sondern inzwischen der akzeptierte Kandidat des Parteiestablishments der Demokraten ist. Darauf folgten Pro-Obama-Stellungnahmen zahlreicher Zeitungen - darunter allein 34 kalifornische Blätter wie Los Angeles Times und La Opinion, die größte spanischsprachige Tageszeitung des Landes.

Meinungsumfragen vom Wochenende sahen Obama sowohl national wie auch im Schlüsselstaat Kalifornien gleichauf mit Senatorin Hillary Clinton, die bei der Kandidatenkür der Demokraten bislang vorne gelegen hatte. Kalifornien ist einer von 22 Bundesstaaten, in denen am Dienstag abgestimmt wird, und hat mit zehn Prozent das größte Stimmgewicht bei der Nominierung.

Wenn Obama in Kalifornien gewinnt und am "Super Tuesday" bei den Vorwahlen und Parteiversammlungen eine Mehrheit hinter sich bringt, dann wäre ihm die Nominierung zum Demokratischen Präsidentschaftskandidaten kaum noch zu nehmen. Höchstwahrscheinlich würde er dann gegen Senator John McCain aus Arizona antreten, den wahrscheinlichen Kandidaten der Republikaner.

Der Stimmungsumschwung für Obama ist zweifellos ein bedeutsames politisches Ereignis, aber wie jedes Phänomen in der amerikanischen Politik muss er unter zwei Gesichtspunkten untersucht werden: Was sagt er über Veränderungen im Massenbewusstsein aus und was verrät er über die politischen Diskussionen und Kämpfe innerhalb der herrschenden Elite?

Die Reaktion von Millionen vorwiegend junger Wähler auf Obamas Wahlkampf spiegelt zwar fraglos den tiefgehenden Wusch nach gesellschaftlicher und politischer Veränderung. Es zeigen sich darin aber auch weit verbreitete Illusionen, die von den Medien noch geschürt werden, dass die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten einen fundmentaler Bruch mit der alten und diskreditierten politischen Ordnung der Vereinigten Staaten darstellen würde.

Aber Obama hat keine Verbindung zu den vergangenen Bürgerrechtskämpfen gegen Rassenunterdrückung und er ist auch kein Repräsentant einer breiten Bewegung von unten. In seiner Laufbahn ähnelt er vielmehr Condoleezza Rice oder Colin Powell, die von der herrschenden Klasse Amerikas ausgewählt und ausgebildet wurden, um ihre Politik umzusetzen. Wie sie wird auch er benutzt, um einer zutiefst reaktionären Politik und ihren Institutionen ein neues Gesicht zu verleihen.

Politisch unterscheidet Obama wenig von Clinton, auch wenn ihre Zustimmung zur Irakkriegresolution im Senat 2002 ihr nun im Wahlkampf arge Probleme bereitet. Der Krieg ist in der gesamten amerikanischen Bevölkerung völlig unpopulär, besonders verhasst ist er aber bei jungen Menschen und Wählern der Demokraten.

Obwohl sich Obama nie direkt als Antikriegskandidat dargestellt hat, versucht er gleichwohl Clintons Unterstützung für den Krieg und seine eigene frühe Kritik zu seinen Gunsten zu nutzen. Er argumentiert, dass er der bessere Kandidat wäre gegen den entschiedenen Kriegsbefürworter McCain.

Bei Arbeitern und Jugendlichen vollzieht sich ein politischer Wandel; es ist eine Bewegung nach links zu erkennen, die soziale und politische Massenkämpfe ankündigt. Diese muss deutlich unterschieden werden von den Bemühungen der herrschenden Elite, Stimmungen in der Bevölkerung zu manipulieren, Illusionen zu schüren und die Massen politisch zu entwaffnen.

Obama ist nicht das Zugpferd einer Linksbewegung in den Vereinigten Staaten, wie liberale Gruppen wie MoveOn.org und die Zeitschrift The Nation behaupten. Er repräsentiert den Präventivkrieg der herrschenden Klasse gegen eine solche Bewegung. Seine Funktion besteht darin, die amerikanische Bevölkerung zu täuschen und ihre wachsende Opposition gegen Krieg, Wirtschaftskrise und Angriffe auf demokratische Rechte zurück in die Kanäle der Demokratischen Partei und damit in die Sackgasse zu führen.

Am 4. November werden die amerikanischen Wähler ihre Stimme für die Präsidentschaftskandidaten abgeben, aber die wirklichen Entscheidungen sind dann schon lange getroffen - durch die Auswahl der Kandidaten, durch die Einflussnahme von Seiten der Medien, der großen Konzerne und Milliardäre, die die Kandidaten finanzieren und auf Herz und Nieren prüfen.

Viele Millionen "Startgeld" von reichen Hintermännern waren nötig, damit ein Hinterbänkler aus Illinois, der vor vier Jahren im Lande noch völlig unbekannt war, zu einem realistischen Präsidentschaftskandidaten werden konnte.

Im Großen und Ganzen berichtet die Presse recht schmeichelhaft über Obama, und zwar nicht nur die liberalen Medien sondern auch die rechten Blätter - so empfiehlt ihn Rupert Murdochs New York Post für die Vorwahl am 5. Februar im Bundesstaat New York. Dies spricht für eine starke Überzeugung in der herrschenden Elite, dass die amerikanische Politik einen Neuanfang braucht. Natürlich handelt es sich dabei um eine kosmetische Veränderung, nicht um eine grundlegende.

Fast alle Teile der herrschenden Elite in den USA sind inzwischen zu der Einsicht gelangt, dass die Bush-Regierung katastrophal gescheitert ist. Das Ansehen Amerikas liegt danieder und die Unterstützung für eine imperialistische Politik ist im eignen Land unterhöhlt, weil die große Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung den Irakkrieg ablehnt und gegen seine Ausweitung in den Iran, nach Syrien, Pakistan oder auf andere mögliche Ziele ist.

Der Präsident, der im Januar 2009 ins Weiße Haus einzieht, steht im In-und Ausland vor immensen Problemen. Um diese Krisen im Interesse der Finanzaristokratie zu lösen, müssen der amerikanischen Bevölkerung beispiellose Opfer abverlangt werden. Das wiederum verlangt eine neue politische Herangehensweise - den Rückgriff auf die Demokratische Partei, deren Ruf als "Partei des Volkes" die Wirtschaftskreise schon immer benutzt haben, um das Profitsystem zu verteidigen.

Die erstaunliche Verlagerung der Wahlkampfspenden aus der Wirtschaft hin zur Demokratischen Partei wirft ein Schlaglicht auf diesen breiten Konsens. Den jüngsten Finanzberichten der Bundeswahlkommission zufolge haben Investmentbanker ihre finanzielle Unterstützung weitgehend auf die Demokratische Partei verlagert und in etwa gleiche Beträge an Clinton und Obama gegeben. Insgesamt haben Clinton und Obama im Jahre 2007 jeweils mehr als 100 Millionen an Spenden eingesammelt, das ist mehr als doppelt so viel wie jeder Republikanische Kandidat. Obama hat zudem allein im Januar 2008 wiederum 32,6 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden erhalten.

Unter denjenigen, die Obama offen unterstützen, finden sich solche ehernen Pfeiler des amerikanischen politischen Establishments wie Zbigniew Brzezinski, der Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Jimmy Carter war und als unbeirrbarer Kalter Krieger gelten kann; der pensionierte Air Force General Merrill McPeak und eine ganze Reihe weiterer pensionierter Offiziere; der Milliardär Warren Buffet, der zweitreichste Mann Amerikas; und eine ganze Reihe von Wall-Street-Größen und Konzernchefs, die der Sympathie für radikalen gesellschaftlichen Wandel völlig unverdächtig sind.

Wichtige Teile der herrschenden Elite sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Präsident Obama besonders auf weltpolitischer Ebene für die Interessen des amerikanischen Imperialismus definitive Vorteile böte. Er könnte der amerikanischen Außenpolitik mit einem Schlag ein "neues Gesicht" verleihen und es Washington wesentlich erleichtern, die internationale Isolation und weltweite Feindseligkeit zu überwinden, die Amerika der Bush-Regierung mit ihrem arroganten Unilateralismus und ihrer gescheiterten Intervention im Irak verdankt. Und es erfordert vielleicht auch einen Demokraten im Weißen Haus, um die Wehrpflicht wieder einzuführen, ohne die das US-Militär nicht die Manpower haben wird, um seine Dominanz im ölreichen Nahen Osten und in Zentralasien aufrechtzuerhalten und auszuweiten.

In diese Richtung argumentiert ein Leitartikel in der Los Angeles Times vom Sonntag, der größten Zeitung in Kalifornien. Seit 1972 hat die Times keinen Kandidaten mehr bei einer Vorwahl empfohlen. Aber jetzt hat sie mit dieser Tradition gebrochen und unterstützt Obama bei den Demokratischen Vorwahlen und McCain bei den Republikanern.

Die Times schreibt, Obama "elektrifiziert junge Wähler, weil er den Wunsch nach einem neuen Kapitel in der amerikanischen Geschichte verkörpert." Die Zeitung lobt seine frühe Opposition gegen den Irakkrieg und stellt zustimmend fest, er habe "verstanden, dass einige liberale Grundsätze der letzten 40 Jahre von der Geschichte überholt worden sind." Dieser letzte Satz verweist darauf, dass es mit Obama keine Rückkehr zu sozialer Reformpolitik oder teuren Sozialprogrammen geben wird.

Dann kommt das Blatt zum Kern: "Ein Präsident Obama wäre ein unverwechselbar amerikanisches Gesicht afrikanischer Abstammung, geboren im jüngsten Bundesstaat [Hawaii] und teilweise in Asien unter Muslimen aufgewachsen. Keine Öffentlichkeitskampagne könnte so viel erreichen wie allein schon die Präsenz Obamas im Weißen Haus, um die antiamerikanischen Stimmungen in aller Welt zu entschärfen."

Die Los Angeles Times (die von der Tribune Corporation, einem der riesigen amerikanischen Medienmonopole herausgegeben wird) spricht sich hier keineswegs gegen das Prinzip der amerikanischen Weltherrschaft aus, hinter dem der gesamte Geldadel steht. Sie meint vielmehr, dass diese Vorherrschaft nicht ausschließlich auf Grundlage militärischer Gewalt aufrechtzuerhalten ist.

Ein beachtlicher Teil der herrschenden Klasse Amerikas hat erkannt, dass nach Bushs Debakel im Irak und in Afghanistan wieder zu Diplomatie, politischer Propaganda, ökonomischer Durchdringung und der Bildung von Allianzen gegriffen werden muss, um imperialistische Interessen zu verfolgen. Es versteht sich von selbst, dass diese "weichen Methoden" in Verbindung mit militärischer Gewalt einzusetzen sind, und letztere nicht ersetzen.

Ein Präsident Obama (oder eine Präsidentin Clinton, falls sie sich als Kandidatin durchsetzen sollte) stünde also für eine Feinabstimmung und Anpassung der amerikanischen Außenpolitik, nicht für ein Ende von Krieg und Eroberung. Schließlich entspringt der amerikanische Militarismus nicht den Gehirnen von George W. Bush oder Richard Cheney sondern vielmehr der historischen Krise des US- und Weltkapitalismus.

Obama ist lediglich das Produkt einer effektiven Marketingkampagne, die Medienerzeugnisse vom rechten Boulevard bis zur linksliberalen Postille Nation nutzt, um diese neue Version eines sehr alten Produkts zu verkaufen - die Demokratische Partei als "Freund des Volkes". 1976 wurde sie vom Protestkandidaten Jimmy Carter verkörpert und später, 1992, vom "Hoffnungsträger" Bill Clinton. Ein Präsident Obama würde genauso wenig eine grundlegende Veränderung bringen wie die Wahl von Carter oder Clinton. Wenn das Establishment dies befürchten würde, dann hätte man ihn niemals auch nur in die Nähe des Weißen Hauses gelassen.

Eine typische Obama-Rede besteht aus einem Haufen nebulöser Phrasen über sein Ziel, Amerika zusammenzuführen. Die Tatsache, dass die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der arbeitenden Bevölkerung, d.h. der großen Mehrheit der Amerikaner, in direktem Gegensatz zu den Interessen der Wirtschafts- und Finanzelite stehen, wird vollkommen ausgeblendet. In der vielleicht bemerkenswertesten Äußerung nach seinem Vorwahlsieg in South Carolina wies er ausdrücklich die Vorstellung zurück, die Reichen interessierten sich nicht für die Lage der einfachen Menschen.

Obamas gebetsmühlenartig vorgetragenes Versprechen, alle zusammenzubringen, spricht vielleicht die naiven Illusionen von Jugendlichen an, die ihre ersten politischen Erfahrungen machen, aber Obama und die Wall-Street-Banker hinter ihm wissen genau, was sie tun. Sie bemühen sich bewusst, die gesellschaftlichen und politischen Unterschiede und die Klassenspaltungen zu verschleiern, obwohl oder gerade weil diese Gesellschaft ökonomisch so tief gespalten ist wie nie zuvor.

Die World Socialist Web Site richtet sich gegen alle, die die erschütterte Glaubwürdigkeit der Demokratischen Partei wiederherstellen wollen. Eine fortschrittliche gesellschaftliche Veränderung kann es in den Vereinigten Staaten nur geben, wenn die Arbeiterklasse ihre politische Unabhängigkeit herstellt. Hierzu muss sie mit der Demokratischen Partei ebenso brechen wie mit der gesamten Struktur kapitalistischer Politik und eine politische Massenbewegung mit sozialistischer und internationalistischer Perspektive aufbauen.

Siehe auch:
Der Einfluss des Geldes# Medienmanipulation und die amerikanischen Wahlen
(5. Januar 2008)
Loading