Angriff auf Karzai in Kabul erschüttert US-Marionettenregime

Der bewaffnete Angriff auf den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, der am vergangenen Sonntag mitten im Zentrum Kabuls stattfand, machte deutlich, wie stark die US-gestützte Regierung isoliert ist. Gleichzeitig wurde sichtbar, dass die überall im Land gegen die Besetzung kämpfenden Kräfte an Schlagkraft deutlich zunehmen.

Karzai kam ganz knapp mit dem Leben davon. Minister, Parlamentsmitglieder, afghanische und NATO-Militärs sowie ausländische Diplomaten, einschließlich US-Botschafter William Wood, duckten sich und flohen oder wurden schleunigst in Sicherheit gebracht, als regierungsfeindliche Kräfte das Feuer auf eine Militärparade eröffneten, die zur Feier des 16. Jahrestags des Sturzes der sowjetisch-gestützten Regierung 1992 abgehalten wurde.

Aufständische zielten auf die Tribüne, die zu Ehren des Mudschaheddin-Gedenktags genau gegenüber der größten Moschee der Stadt aufgebaut war. Sie benutzten Handfeuerwaffen und Granatwerfer oder Panzerfäuste, töteten ein Mitglied des Parlaments, einen schiitischen Clan-Chef und verwundeten weitere 12 Personen. Ein zehn Jahre alter Junge kam im Kreuzfeuer zwischen den Angreifern und Sicherheitskräften ums Leben.

Die Taliban bekannten sich sofort zu dem Anschlag und erklärten, er sei von einer Gruppe von sechs Kämpfern durchgeführt worden. Im Verlauf des Tages erklärte eine zweite islamistische Gruppe, angeführt von dem früheren Verbündeten der USA Gulbuddin Hekmatyar, sie hätte den Anschlag verübt.

Seit dem Angriff hat die Regierung Hunderte von Verdächtigen in Kabul festgenommen und ganze Stadtviertel abgeriegelt, während Geheimdienstmitarbeiter Schleierfahndungen durchführten.

Dass die besatzungsfeindlichen Kräfte in der Lage waren, einen solchen Angriff durchzuführen, ist umso bemerkenswerter, da ganz außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Veranstaltung zu sichern, die im ganzen Land live übertragen wurde. Schon Tage zuvor riegelten afghanische Truppen und Polizeikräfte das Gebiet ab, postierten Beamte in Zivil überall in der Stadt und errichteten Fahrzeug-Kontrollpunkte. Fußgänger durften die umliegenden Hügel mit Sicht auf den Ort der Feier nicht betreten. Soldaten in Panzern und Panzerwagen wurden auf der Strecke der Parade aufgestellt, die in der Nähe des Präsidentenpalastes liegt.

Der Angriff begann, als die Nationalhymne gespielt wurde und die militärische Leibwache 21 Salutschüsse abgab. Sir Sherard Cowper-Coles, der britische Botschafter, der in der ersten Reihe der VIP-Tribüne stand, erklärte hinterher gegenüber der Presse: "Ich bemerkte eine Explosion und eine Staubwolke auf der linken Seite, dann hörte ich von allen Seiten die Schüsse von Handfeuerwaffen."

Die Fernsehübertragung wurde noch bis etwa zwei Minuten nach Beginn des Angriffs fortgesetzt und zeigte, wie afghanische Soldaten zusammen mit Journalisten und Zuschauern vom Schauplatz flohen. Ein Associated-Press-Reporter vor Ort erklärte: "Zu unserer Überraschung folgten uns uniformierte Soldaten und bewaffnete Polizisten dicht auf den Fersen. Die uniformierten Mitglieder des Musikzugs flohen ebenfalls."

In einem Kommentar zu dem Debakel für die Regierung und ihre US- und NATO-Schirmherren, erklärte Ramazan Bashardost, ein Mitglied des afghanischen Parlaments: "Es gibt in Afghanistan keine Sicherheitskräfte, denen die Menschen vertrauen. Wenn Sie sich die Ereignisse von gestern aufmerksam ansehen, dann sehen sie, dass die Sicherheitskräfte noch vor den Zuschauern flohen."

Wie verlautet feuerten die Angreifer mit Automatikwaffen und Sprengstoff aus dem dritten Stock eines baufälligen Hotels, das zirka 300 Yard von der VIP-Tribüne entfernt liegt, Die Stelle befindet sich innerhalb des von Militär und Polizei abgesperrten Sicherheitsbereichs. Vor dem Hotel, das normalerweise von Obdachlosen und armen Durchreisenden belegt ist, waren Sicherheitskräfte aufgestellt. Sie hatten jedoch offensichtlich die Zimmer nicht durchsucht.

Eine Granate oder Mine explodierte nur 20 Meter vor der Tribüne und die Taliban behaupten, ihre Kämpfer seien bis auf 30 Yard zu dem Platz vorgedrungen, wo Karzai und die versammelten Würdenträger standen.

Afghanische Militärkräfte griffen das Hotel an und töteten drei der Angreifer, die alle als afghanische Staatsanghörige aus verschiedenen Teilen des Landes identifiziert wurden. Weitere drei Aufständische wurden verhaftet.

Die Schlussfolgerungen für die Sicherheit der Regierung Karzai und ihre US-Schirmherren sind noch bitterer, da die potentiellen Mörder so nahe an den Präsidenten herangekommen sind. Die New York Times bemerkt, diese Tatsache "deutet darauf hin, dass sie Hilfe von innen bekommen haben".

Etwa zwei Stunden nach dem Angriff hielt Karzai, der über einen Hinterausgang des Paradeplatzes rasch in Sicherheit gebracht worden war, eine Rede an die Nation. Nicht besonders glaubhaft lobte er die afghanischen Sicherheitskräfte, weil sie die Aufständischen umziengelt hätten und erklärte: "Gott sei Dank ist jetzt alles in Ordnung und das afghanische Volk sollte ruhig und zuversichtlich sein."

Der Vorfall war jedoch ein demütigender Schlag für das Regime, dessen Beziehung zu seinen amerikanischen Hintermännern in den letzten Monaten etwas angespannt war. Karzai hat die USA und die NATO kritisiert, weil sie seinem Militär und seinen Sicherheitskräften nicht erlaubt haben, die Kontrolle über die Hauptstadt zu übernehmen. Und nur einen Tag vor dem Angriff erklärte er gegenüber der New York Times, er unterstütze die Pläne der neuen pakistanischen Regierung, mit den Taliban- und al-Qaida-Kämpfern Friedensverhandlungen zu führen.

Der Angriff vom Sonntag hat die Behauptung platzen lassen, Karzai sei mehr als eine Marionette der USA. Er ist völlig von den amerikanischen und Nato-Streitkräften abhängig, die nicht nur seine Regierung, sonder auch ihn selbst am Leben erhalten.

Das war der zweite größere Angriff der Aufständischen in Kabul in diesem Jahr. Im Januar griff ein Selbstmordkommando ein Luxushotel an, das häufig von hohen Beamten und ausländischen Diplomaten sowie Armeeangehörigen aufgesucht wird.

Es war der vierte Mordanschlag auf Karzai; die vorherigen ereigneten sich jedoch alle außerhalb Kabuls. Bisher war Karzai in hohem Maße in seiner Bewegungsfreiheit auf seinen befestigten Sitz in der Hauptstadt eingeschränkt. Immer größere Teile des Landes sind entweder teilweise oder völlig unter die Kontrolle der Taliban oder anderer regierungsfeindlicher Kräfte geraten. Jetzt ist sogar zweifelhaft, ob er sich selbst mit massivem Schutz in Kabul umherbewegen kann.

Ein Sprecher der Taliban nannte den Angriff eine Widerlegung der amerikanischen Behauptungen, die Taliban befänden sich in der Defensive. "Karzai und sein Kabinett können nicht sicher sein vor Angriffen der Taliban", erklärte der Sprecher Zabihullah Mujahid gegenüber Reuters.

Der Angriff hat sich auf dem Hintergrund einer massiven Aufstockung von US- und NATO-Truppen und wachsender Gewalt gegen die Bevölkerung ereignet. Die USA haben ihre Truppenstärke in diesem Land in den letzten Monaten auf etwa 32.000 Mann angehoben; damit soll versucht werden, der wachsenden Präsenz der Taliban im Süden und Osten und der wachsenden Stärke von Hekmatyar-Hizb-i-Islami-Kräften im Norden entgegenzuwirken. Zusammengenommen sind 70.000 Mann starke Truppen der USA und der NATO im Land stationiert.

Fast 12.000 Afghanen wurden in den letzten zwei Jahren getötet.

Der Aufstand breitet sich jedoch weiter aus. Eine neueste Studie von Sami Kovanen, Analytiker des Sicherheistdienstes Vigilant Strategic Services of Afghanistan, meldet 465 Angriffe von Aufständischen in Gebieten außerhalb der sowieso explosiven Regionen im Süden während der ersten drei Monate des Jahres 2008; das ist ein 35-prozentiger Anstieg im Vergleich zum selben Zeitraum des letzten Jahres.

In der zentralen Region um Kabul gab es von Januar bis März 2008 80 Angriffe Aufständischer, ein Anstieg um 70 Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2007.

In the central region around Kabul there have been 80 insurgent attacks from January through March of 2008, a 70 percent rise compared to the first three months of 2007.

Antonio Giustozzi, Wissenschaftler an der London School of Economics, berichtet, Hizb-i-Islami werde im Norden größer, und lokale Beamte erklären, die Taliban würden in einigen Gegenden im äußersten Westen des Landes an Stärke gewinnen. Laut dem stellvertretenden Gouverneur der Provinz Faryab haben Guerillas in der benachbarten Provinz Badghis in den ersten drei Monaten dieses Jahres 17 Angriffe geführt, verglichen mit einem Angriff während des gleichen Zeitraums im Vorjahr.

Der Angriff am Sonntag wird wahrscheinlich benutzt werden, um eine weitere Eskalation der militärischen Gewalt der USA und eine größere Aufstockung der Truppenstärke der USA zu rechtfertigen. Sowohl Barack Obama als auch Hillary Clinton, die Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, haben mehr US-Truppen für dieses Land gefordert. Der neu ernannte Befehlshaber des US-Zentralkommandos schlägt vor, die geringfügige Reduzierung von US-Truppen im Irak zu nutzen, die US-Präsenz in Afghanistan zu stärken.

Siehe auch:
Neue US-Berichte warnen vor Scheitern in Afghanistan
(8. Februar 2008)
Blairs Auslandsreise wirft Schlaglicht auf militärische Krise in Afghanistan
( 28. November 2006)
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