Die politischen Lehren aus dem Streik bei American Axle

Erklärung der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party (USA)

Nach Beendigung ihres dreimonatigen Streiks in Michigan und New York sind die Arbeiter von American Axle vergangene Woche wieder an die Arbeit zurückgekehrt. Der Streik - einer der längsten Arbeitskämpfe in der Autoindustrie seit Jahrzehnten - endete mit einer bitteren Niederlage für die Arbeiter.

Mehr als die Hälfte der 3.650 Arbeiter werden ihre Arbeitsplätze verlieren, darunter 1.100 in Detroit. Die Löhne der übrigen werden von 28 Dollar auf 18,50 Dollar und in manchen Bereichen auf bis zu 10 Dollar gekürzt.

In einer Konferenzschaltung mit Wall-Street-Investoren sagte Konzernchef Richard Dauch am Mittwoch, dass der neue Vertrag die Gesamtarbeitskosten um 50 Prozent senke und für die Firma Einsparungen von 300 Millionen Dollar bringe. "Ich freue mich, Ihnen berichten zu können, dass wir alle unsere Ziele erreicht haben", prahlte er.

Die 78-prozentige Zustimmung zu dem Tarifvertrag zeigt, dass die Arbeiter der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) nicht zutrauen, mehr zu erreichen, wenn sie den Streik fortgesetzt hätten. Die UAW hatte schon vor Streikbeginn ihre Bereitschaft zu deutlichen Lohnkürzungen signalisiert. Dann isolierte die Gewerkschaft die Streikposten 87 Tage lang systematisch und zahlte mickrige 200 Dollar Streikgeld pro Woche. Schließlich legte die UAW den Vertrag mit massiven Abzügen vor und sagte den Arbeitern: "Friss oder stirb".

Davon ausgehend, dass es keine Alternative gab, stimmten viele Arbeiter für den Vertrag. Die meisten akzeptierten die angebotene Abfindung, entweder sofort oder für die nahe Zukunft. Viele werden den Strom der aus Michigan auswandernden Autoarbeiter verstärken. Seit 1999 wurden hier 143.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie vernichtet, das sind 45 Prozent der Gesamtzahl.

Der Verrat der UAW bei American Axle wird - wie vorher bei Delphi oder den Großen Drei Autoherstellern - neue Richtwerte für die permanente Senkung von Löhnen setzen. Unter dem Druck hoher Spritpreise, der Kreditverknappung und sinkender Verkäufe haben Ford und General Motors schon jetzt eine scharfe Senkung der Produktionszahlen von Pickups und SUV’s angekündigt.

Das ist nur das Vorspiel für eine neue Runde von Massenentlassungen, Bankrotten und Forderungen nach Lohnsenkungen in der Autoindustrie, der Luftfahrtindustrie und der übrigen US-Wirtschaft. Die Konzernbosse und Investoren werden erst zufrieden sein, wenn die Autoindustrie zu einem Niedriglohnsektor geworden ist, in dem die Arbeiter keine Sozialleistungen und keine Arbeitsplatzsicherheit mehr haben.

Die Socialist Equality Party wurde oftmals von kleinbürgerlich linken Organisationen angegriffen, weil sie darauf besteht, dass die UAW und der AFL-CIO keine Arbeiterorganisationen mehr sind, und dass die Arbeiter mit diesen korporatistischen Organisationen brechen müssen. Diese Position wird von unserer Partei seit Anfang der 1990er Jahre vertreten. Das Ergebnis des Streiks bei American Axle und die gesamte Entwicklung der Gewerkschaften seit fast drei Jahrzehnten beweisen die Richtigkeit dieser Position.

Die "Linken" in der Arbeiterbewegung spielen für die Gewerkschaftsbürokratie eine absolut entscheidende Rolle. Sie schüren die Illusion, die UAW und andere Gewerkschaften könnten reformiert werden. Diese Ex-Radikalen und Gewerkschaftsdissidenten - unter ihnen befindet sich auch der ehemalige Vorsitzende des UAW-Ortsverbandes des Werkes von American Axle in Detroit und Mitarbeiter von Labor Notes, Wendy Thompson - tun nichts, um die Arbeiter gegen den Verrat des Streiks zu mobilisieren, stärken aber immer wieder die Autorität der UAW, indem sie behaupten, der Streik könne durch das Ausüben von Druck auf die Gewerkschaftsführung gewonnen werden.

Letzten Endes handeln diese Individuen als politische Agenten von reaktionären Organisationen, die sich an der Ausbeutung der Arbeiter beteiligen. Seit Anfang der 1980er Jahre hat es eine endlose Kette verratener Streiks gegeben, die Jahr für Jahr länger wurde, aber für Gruppen wie Workers World, die International Socialist Organization und die Spartacist League gibt es daraus keine Lehren zu ziehen.

Sie alle betonen, dass das Gewerkschaftertum - und seine Perspektive der Reform des Kapitalismus - immer noch eine gangbare Alternative für die Arbeiterklasse ist. Für sie ist der Aufbau einer politischen Bewegung der Arbeiterklasse, die für eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen System kämpft, bestenfalls eine rhetorische Frage.

Aber genau das ist nötig. Der Streik bei American Axle ist Teil eines umfassenderen Kampfs der Arbeiterklasse in den USA und weltweit, der sich unter Bedingungen einer beispiellosen Krise des kapitalistischen Weltsystems entwickelt.

Millionen Arbeitern drohen Zwangsräumung, Angriffe auf ihre Arbeitsplätze und ihren Lebensstandard und ruinierende Preissteigerungen bei Treibstoff, Lebensmitteln und anderen Ausgaben. All diese Erscheinungen zeigen, dass der Kapitalismus bankrott ist, ein wirtschaftliches und politisches System, das die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung den Profitinteressen und der immer stärkeren Bereicherung der Wirtschafts- und Finanzelite unterordnet.

Die Blütezeit des gewerkschaftlichen Reformismus war die Boom-Periode nach dem Zweiten Weltkrieg, als die US-Industrie noch den Weltmarkt beherrschte und Deutschland und Japan sich noch von den Kriegszerstörungen erholten. Reuther und die anderen UAW-Führer lehnten einen Bruch mit der Demokratischen Partei und einen politischen Kampf gegen das kapitalistische System ausdrücklich ab und verwetteten die Zukunft der Arbeiterklasse auf die dauerhafte weltweite Vorherrschaft der amerikanischen Wirtschaft.

Die Behauptung, die Interessen der Arbeiter und der Konzerne könnten auf einen Nenner gebracht werden, wurde in den 1980er Jahren ad Absurdum geführt, als die amerikanische Wirtschaft als Reaktion auf den historischen Niedergang der globalen Position der USA eine Welle von Angriffen auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter entfesselte, die bis heute andauert.

Als die US-Wirtschaft gegenüber ihren Konkurrenten in Japan und Europa zunehmend an Boden verlor, griffen die mächtigsten Finanzinteressen zu einer absichtlichen Politik der De-Industrialisierung, die seit 1979 zur Zerstörung von fünf Millionen Arbeitsplätzen in der Produktion und zu einem gnadenlosen Angriff auf den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter geführt hat. Ihr Ziel war es, Kapital aus unprofitablen Industriezweigen zu befreien und in verschiedene Formen von Finanzspekulation zu investieren, einschließlich der Immobilien- und Subprime Hypothekenblase.

Gleichzeitig verlagerten US-Konzerne ihre Produktion zunehmend in Billiglohngebiete, um die Kosten zu senken, mit ihren ausländischen Rivalen zu konkurrieren und riesige Profite aus der Ausbeutung verarmter Arbeiter in Lateinamerika und Asien zu ziehen. American Axle eröffnete zum Beispiel ein Werk in Guanajuato in Mexiko, wo Arbeiter am Tag ca. 130 Pesos oder 12,50 Dollar verdienen.

Konzernchef Richard Dauch, der um 250 Millionen Dollar reicher geworden ist, seit er die Firma 1994 übernahm, ist ein typischer Vertreter der Gesellschaftsschicht, die sich unmittelbar auf Kosten der Arbeiterklasse bereichert hat.

In den letzten drei Jahrzehnten sind 80 Prozent des zusätzlich generierten Einkommens in den USA an das oberste Prozent der Bevölkerung gegangen, das jetzt den höchsten Anteil am Nationaleinkommen seit 1928 bezieht. Diese 300.000 Menschen, deren Durchschnittseinkommen auf 1,1 Millionen Dollar gestiegen ist, verdienen fast genauso viel, wie die unteren 150 Millionen Amerikaner. In dieser obersten Gruppe wurde pro Kopf 440 mal soviel verdient, wie eine durchschnittliche Person in der unteren Hälfte der Gesellschaft verdiente. Diese Kluft ist den Steuerdaten zufolge doppelt so groß wie 1980.

Kurz nach Beginn des Streiks drohte Dauch, seine US-Werke zu schließen und die Produktion in Niedriglohnländer zu verlagern, wenn die Arbeiter seine Forderungen nicht erfüllten. Weil die UAW das kapitalistische System in vollem Umfang akzeptiert und verteidigt, hat sie auf eine solche wirtschaftliche Erpressung keine Antwort.

Unwillig und unfähig für die internationale Einheit der Arbeiterklasse zu kämpfen, versuchte die UAW den Konzern zu überzeugen, eine minimale Anzahl von Arbeitsplätzen in den USA zu halten, indem sie noch niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen anbot. Der neue Vertrag soll das Versprechen der Firma enthalten, die UAW in bis jetzt gewerkschaftlich nicht organisierten amerikanischen Betrieben anzuerkennen und die Produktion in Betrieben in Michigan und Ohio auszuweiten, für die die UAW Sondervereinbarungen mit Löhnen von nur 10 Dollar die Stunde unterzeichnet hat. Damit stellt die UAW sicher, dass die Mitgliedsbeiträge weiter fließen, obwohl die Arbeiter fast nur noch Armutslöhne erhalten.

Der Höhepunkt hat die Unterstützung des kapitalistischen Systems durch die UAW mit ihrer Verwandlung in ein profitorientiertes Unternehmen erreicht. Vergangenes Jahr erhöhte die Gewerkschaft ihr Einkommen aus Investitionen, obwohl die Mitgliedschaft um 70.000 zurückging und Arbeiter verheerende Arbeitsplatzverluste und Lohneinbussen hinnehmen mussten.

Im Gegenzug für das gespaltene Lohnabkommen, das die UAW vergangenes Jahr bei GM, Ford und Chrysler akzeptierte, wurden der Gewerkschaft die Verwaltung des Milliarden schweren Gesundheitsfonds der Rentner und Dutzende Millionen Aktien von GM und Ford übertragen. Das verleiht den Unternehmern an der Spitze der UAW ein direktes finanzielles Interesse an der verschärften Ausbeutung der Arbeiter.

Die UAW hat bewiesen, dass sie für die Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse völlig nutzlos ist. Sie ist keine Organisation der Arbeiterklasse, sondern eine Organisation, die von einer Schicht der oberen Mittelklasse geleitet wird, deren Interessen den Interessen der Mitglieder, die sie angeblich vertritt, entgegengesetzt sind.

Es geht hier nicht einfach um die individuelle Korruption bestimmter Gewerkschaftsfunktionäre oder um mangelnden Kampfeswillen, wie verschiedene Linke behaupten. Es geht darum, dass die Gewerkschaft die Arbeiter dem kapitalistischen System unterordnet. Politisch nimmt das die Form der Unterstützung für die Demokratische Partei an.

Arbeiter müssen von diesen unternehmensfreundlichen Organisationen brechen und neue Kampforgane aufbauen. Vor allem müssen die Arbeiter sich nicht nur an ihrem Arbeitsplatz organisieren, sondern als internationale Klasse, deren gemeinsames Interesse es ist, das wirtschaftliche und politische Leben zu reorganisieren, damit es den Bedürfnissen der Mehrheit der Gesellschaft dient, und nicht den wenigen Reichen.

In der globalen Autoindustrie sind viele Millionen Arbeiter und Angestellte gemeinsam tätig: Fabrikarbeiter, Ingenieure, Wissenschaftler und andere. Sie verbraucht einen wesentlichen Teil der weltweiten Ressourcen. Dieses Geschäft kann nicht in den Händen von Konzernbossen, Hedge Fonds Managern und anderen Finanzspekulanten gelassen werden, deren einziges Interesse darin besteht, ihr persönliches Vermögen zu steigern, und nicht, sichere und bezahlbare Transportmittel bereitzustellen. Das hat zur Verschwendung von enormen Mengen menschlicher Arbeitskraft und wichtigen Bodenschätzen geführt, und Städte wie Detroit und Buffalo in Industriewüsten verwandelt.

Wenn die Autoindustrie im Dienste der Gesellschaft und nicht des privaten Profits organisiert werden soll, dann muss sie in öffentliches Eigentum überführt und von der arbeitenden Bevölkerung demokratisch kontrolliert werden, als Teil einer geplanten sozialistischen Wirtschaft. Nur so können große Fortschritte in der Computertechnologie, der Robotik und der international integrierten Produktion Allen zu Gute kommen und die Lebensgrundlage derer sichern, die Autos und andere Transportmittel produzieren.

Dieses Programm ist mit der Demokratischen Partei nicht zu machen, die wie die Republikanische Partei, das kapitalistische Profitsystem verteidigt.

Es ist bezeichnend, dass beide demokratischen Präsidentschaftsbewerber bis zum Vorabend des Ausverkaufs der UAW zu dem Streik geschwiegen haben. In einer Rede in einem Vorstadt-College von Detroit versuchte Obama vermeintliche Sympathie mit den streikenden Arbeitern mit Lob für die verbesserte Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Autoindustrie zu verbinden. Aber die Autokonzerne haben ihre Wettbewerbsposition nur durch rücksichtslose Angriffe auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Autoarbeiter verbessert.

Es ist nicht möglich, die Interessen der amerikanischen Wirtschaft und der Wall Street mit denen der Arbeiterklasse zu versöhnen. Wenn er es ins Weiße Haus schafft, dann wird Obama, der wie alle anderen kapitalistischen Politiker von der Wirtschaft mit riesigen Geldsummen gefördert wird, loyal die Wirtschaftsinteressen verteidigen und die Arbeiterklasse für die tiefe Krise des amerikanischen Kapitalismus bezahlen lassen.

Der Streik bei American Axle hat den unüberbrückbaren Konflikt deutlich gemacht, der die amerikanische Gesellschaft prägt: den Klassenkampf. Die Arbeiterklasse muss sich zusammenschließen und für ihre gemeinsamen Interessen kämpfen. Dafür muss sie eine politische Bewegung aufbauen, die die Prioritäten der Gesellschaft grundlegend ändert.

Die Bedürfnisse der Arbeiterklasse nach anständig bezahlten Arbeitsplätzen, Gesundheitsversorgung, Ausbildung, Wohnung und einer Welt frei von Krieg müssen Vorrang erhalten vor dem eigensüchtigen und destruktiven individuellen Profitstreben. Das leitende Prinzip muss der Kampf für soziale Gleichheit, der Sieg über die Armut und die Hebung des Lebensstandards der Weltbevölkerung durch eine bewusste und vernünftige Nutzung der Reichtümer der Menschheit sein.

Der Kampf für diese sozialistische Perspektive ist der einzige Weg zur Wiederbelebung der Arbeiterbewegung in den USA und weltweit. Wir fordern Autoarbeiter und alle Arbeiter auf, die Geschichte und das Programm der Socialist Equality Party zu studieren, sich ihr anzuschließen und sie als neue revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufzubauen.

Siehe auch:
Stimmt gegen den Ausverkauf bei American Axle! Mobilisiert Autoarbeiter gegen Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne!
(20. Mai 2008)
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