Leserbriefe zur Sterbehilfekampagne von Ex-Justizsenator Kusch

Die Redaktion erhielt folgende Leserbriefe zum Artikel "Sterbehilfekampagne von Ex-Justizsenator Kusch - Das Armutszeugnis einer kranken Gesellschaft" von Dietmar Henning
(http://www.wsws.org/de/2008/jul2008/kusc-j09.shtml)

Der Artikel über die sehr umstrittene Frage der Euthanasie ist intelligent und ausgewogen geschrieben. Im Unterschied zu zahlreichen Kommentaren über die ethische Rechtfertigung ärztlicher Sterbehilfe nutzt Herr Henning den jüngsten Fall in Würzburg nicht als Sprungbrett, um von dem vorliegenden Fall auf die "größere Frage" des Rechts einer Person zu springen, den Zeitpunkt und die Art seines Todes selbst zu bestimmen - als ob ethische Dilemmata außerhalb ihres gesellschaftlichen und politischen Kontexts existierten. Er untersucht stattdessen das Verhalten und die Motive des Ex-Justizministers Kusch und seine rechte Kampagne, den Individualismus als Antwort auf den gesellschaftlichen Verfall zu propagieren.

Herr Henning vertritt die Ansicht, dass düstere Lebensumstände, in erster Linie ein langer schmerzhafter Tod, medizinische Hilfestellung bis zur Sterbehilfe rechtfertigen sollten. Dennoch untersucht er auch mit großer Sorgfalt die Schwierigkeit einer Grenzziehung in dieser Frage, besonders in Fällen, in denen der Wunsch einer Person, ihr Leben zu beenden, mit Verzweiflung über ihre soziale Lage zusammenhängt - eine Situation, die im Unterschied zu einer tödlichen medizinischen Prognose zweifellos lösbar wäre.

Aber der Autor wälzt keine abstrakten Argumente und lässt auch keinen Raum für eine Rechtfertigung von Kuschs oberflächlich ähnlicher Position in dieser Frage. Stattdessen legt er offen, dass dessen politische Kampagne die Folgen der gesellschaftlichen Mängel vor der Tür des Individuums ablegt - finanziell wie sozial. Herr Henning zeigt so, dass nur der Kampf für wirklichen Sozialismus die enorme soziale Ungleichheit beseitigen kann, die so manchen in Depression und selbstmörderische Stimmungen treibt. Gleichzeitig verteidigt er das Recht des Individuums auf Entscheidungen über Leben und Tod gegen die Anmaßungen des Staates und der Kirche. Ein gut geschriebener Artikel!

O. G. Tel Aviv/Israel

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Der Kapitalismus ist seiner Natur nach ein parasitäres und zerstörerisches System, das jede Facette des gesellschaftlichen Lebens und sogar das Leben selbst dem Profitmotiv und den Marktkräften unterwirft. So werden dann die Alten, nachdem sie in ihrem produktiven Leben ausgebeutet wurden, von der Elite und den "Meinungsmachern" als "Belastung für die Gesellschaft" hingestellt. Sie sind zu einer verwundbaren Gruppe geworden, neben den Arbeitslosen, der Jugend und den arbeitenden Armen, die von den parasitären Elementen im kapitalistischen System weiter ausgebeutet werden. Das hat mehrere unerhörte Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

1. Die Alten, die früher wegen ihre Erfahrung und ihrer Weisheit geschätzt wurden, weil sie zur geistigen und spirituellen Bereicherung der Gesellschaft beitrugen, werden heute bevormundet, erniedrigt, abgelehnt oder ignoriert. Das Ergebnis ist ein großer gesellschaftlicher Schaden und eine gesellschaftliche und intellektuelle Verarmung, zusätzlich zu der Vergeudung dieser kollektiven Erfahrung. Das Gefühl der Nutzlosigkeit und der fehlenden Anerkennung, die daraus entsteht, ist eine zersetzende Mixtur, die zu der Situation führte, die Dietmar beschrieben hat, und die zu Selbstmord und sinnloser Gewalt führt.

2. Jugendliche, besonders aus der Arbeiterklasse, erfahren heute prekäre Arbeitsverhältnisse, den Mangel an Möglichkeiten und jedweder Zukunft. Sie reagieren auf diese Situation, indem sie zu Drogen, Alkohol und Kriminalität greifen, um die Entfremdung und soziale Atomisierung zu überwinden. Ihre Hilferufe nehmen häufig die Form von Gewalt oder Selbstmord an.

3. Die soziale Lage der arbeitenden Armen und der Arbeitslosen ist insofern noch schlimmer, als sie eine Familie zu versorgen haben. Die zunehmende Schwächung oder Abschaffung der sozialstaatlichen Strukturen führt unausweichlich zum gesellschaftlichen Zusammenbruch. Die bewussteren Teile der Kapitalistenklasse sehen die soziale Katastrophe heraufziehen, können aber im Rahmen des kapitalistischen Systems keine sinnvolle Lösung anbieten: Der einzige Ausweg ist eine sozialistische Revolution und eine Umgestaltung der Gesellschaft, damit die menschlichen Bedürfnisse Vorrang haben. Margaret Thatcher tat einmal den berühmten Ausspruch: "Es gibt keine Alternative."

M. S.

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Zum Artikel "Arbeitsloser hungert sich auf Hochsitz zu Tode"
(http://www.wsws.org/de/2008/feb2008/arbe-f22.shtml)

Danke für diese bewegende Geschichte. Ich hatte das Glück noch mit 58 Jahren einen festen Arbeitsplatz zu bekommen. Es ist nur ein gering bezahlter Arbeitsplatz in einem Lagerhaus, aber es macht für mich einen großen Unterschied, einen Arbeitsplatz zu haben, oder keinen zu haben, und zwar sowohl für mein Selbstbewusstsein, wie auch für meinen Geldbeutel. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind zwei der zwingendsten Gründe, warum wir dieses völlig inhumane kapitalistische System loswerden müssen.

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