Das Rettungspaket für die US-Autoindustrie und die sozialistische Alternative

Es ist jetzt klar, dass es sich bei der Debatte über die Hilfen für die amerikanische Autoindustrie hauptsächlich darum dreht, die Arbeitsbedingungen der Autoarbeiter noch weiter zu verschlechtern. Ob das die Form eines Regierungskredits oder des Bankrotts einer oder mehrerer der Großen Drei Detroiter Autokonzerne annimmt, ist unerheblich. Das Ziel beider Maßnahmen besteht darin, gültige Tarifverträge außer Kraft zu setzen und die Autoarbeiter wieder in Armut und verheerende Ausbeutung zurückzuwerfen, wie sie in den 1930er Jahren vor dem Aufbau der Gewerkschaft United Auto Workers Union (UAW) existierten.

Bei der Diskussion diese Woche im Kongress über ein Kreditpaket von 25 Milliarden Dollar sind Differenzen darüber aufgetreten, wie die Kosten der Krise den Arbeitern am besten aufgebürdet werden können. Kongressabgeordnete der Republikaner prangern ein solches Rettungspaket als unerlaubten Eingriff in den freien Markt an. Sie sagen, die Autokonzerne sollten stattdessen Konkurs anmelden - auch wenn dabei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen - und die Gerichte einschalten, um die Lohnkosten zu senken und das Unternehmen auf weit profitablerer Grundlage neu aufzubauen.

Führende Demokratische Kongressabgeordnete sind stattdessen zu dem Schluss gekommen, dass Kredithilfen nötig seien, um die Autokonzerne in die Lage zu versetzen, ihren Umstrukturierungsprozess fortzusetzen, der seit 2006 bereits zum Abbau von 100.000 Arbeitsplätzen geführt hat. Der Demokratische Senator von Michigan, Carl Levin, prahlte in der NBC-Sendung "Meet the Press" am Sonntag damit, dass die Autokonzerne die Hälfte ihrer Stundenlohn-Arbeiter und ein Drittel der Fest-Angestellten schon losgeworden seien. "Die Dinge haben sich verändert, die Leute sollten endlich zu Kenntnis nehmen, was die Großen Drei und die UAW an Zugeständnissen in Form von Lohnsenkungen und Kürzungen von Sozialleistungen schon ausgehandelt haben."

Analysten der Autoindustrie sagen, dass die Konzerne, selbst wenn sie Kredithilfen erhalten, mindestens zehn weitere Fabriken einmotten, 30.000 Fabrikarbeitsplätze abbauen und weitere Tausende von Ingenieuren und Verwaltungsangestellten entlassen würden. Ein großer Teil der Kredite würde benutzt werden, um ältere, höher bezahlte Arbeitskräfte abzufinden und einen Teil von ihnen durch Neueingestellte zu ersetzen, die nur die Hälfte des früheren Lohnes erhalten.

Die Medien und Nachrichtensender begrüßen einhellig diesen Sozialabbau, der zur Zerstörung von Errungenschaften führt, die von den Autoarbeitern in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen erkämpft wurden. In einem besonders bösartigen und zynischen Kommentar der Washington Post mit der Überschrift "Die Zitronen der Rettung" schreibt Charles Krauthammer, ein Insolvenzantrag bedeute, "Erlösung von ruinösen Lohntarifen und astronomischen Sozialleistungen ... gewaltigen Pensionsverpflichtungen und nicht funktionierenden Arbeitsvorschriften, wie ‚job banks’, eine euphemistische Bebreibungen dafür, dass eine große Anzahl von Angestellten dafür bezahlt werden, nichts zu tun."

Auch Liberale wie Robert Reich, der dem Beraterkreis des neugewählten Präsidenten Barack Obama angehört, bestehen darauf, dass ein Rettungspaket mit weiteren Opfern der Autoarbeiter verbunden sein müsse. "Im Ausgleich für die Regierungshilfe sollten die Gläubiger, Anteilseigner und Vorstandsmitglieder verpflichtet sein, entsprechend dem Insolvenzrecht der USA so hohe Verluste in Kauf zu nehmen, wie sie im Falle eines Insolvenzantrags erleiden würden. Und die UAW sollte einigen gravierenden Lohn- und Sozialleistungskürzungen zustimmen."

Die Washington Post erklärte in ihrer Freitagsausgabe, wenn die UAW "die Umstrukturierung der Tarifverträge und größere Flexibilität am Arbeitsplatz" nicht akzeptieren sollte, dann müsse der Kongress "klarmachen, dass die Alternative das Konkursgericht sei, das zweifellos eine ähnlich radikale Umstrukturierung anordnen würde."

Die Klassenfragen könnten nicht klarer sein. Diejenigen, die fordern, dass die Arbeiter für die Krise bezahlen müssen, sind die gleichen Leute, die das viele Billionen starke Rettungspaket für die Wall Street unterstützt haben. Keiner verlangt, dass die Bankvorstände Opfer bringen sollen. Im Gegenteil, das Geld wird ihnen von der Regierung ohne jede Beschränkung oder Verpflichtung ausgehändigt.

Dass der Staat gezwungen ist, in die Wirtschaft einzugreifen, ist in Wirklichkeit ein Eingeständnis, dass das kapitalistische System gescheitert ist. Die Rettungspläne, die die beiden großen Parteien ausgeheckt haben, haben aber nicht das Geringste mit einem Schutz der Interessen der normalen arbeitenden Bevölkerung zu tun. Im Gegenteil, sie sind ein groß angelegter Diebstahl an Steuergeldern, um die Interessen und privaten Vermögen der Kapitalistenklasse zu sichern, die für die Wirtschaftskatastrophe verantwortlich ist.

Die gegenwärtige Krise erfordert eine neue Strategie. Die Arbeiterklasse muss eingreifen, um die Gesellschaft vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Die Socialist Equality Party fordert die Vergesellschaftung der Autoindustrie unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung. Alle Entscheidungen über die Produktion, den Einsatz finanzieller Ressourcen, Löhne und Arbeitsbedingungen - wie auch die Auswahl des Führungspersonals - muss von Fabrik- und Betriebskomitees getroffen werden, die von den Beschäftigten gewählt werden.

Wenn die Autoindustrie in öffentlichem Eigentum ist, kann über die Entschädigung früherer Eigentümer und Aktienbesitzer verhandelt werden. Dies muss im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Banken unter öffentlicher Kontrolle erfolgen, um die gesamte Wirtschaft so umzustellen, dass die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und nicht die persönliche Bereicherung im Mittelpunk steht.

Ein weltweiter Wirtschaftsplan muss demokratisch ausgearbeitet werden, um den zerstörerischen nationalen Konkurrenzkampf zu überwinden, der in jedem Land zu massivem Arbeitsplatzabbau führt, und die Arbeiter dazu zwingt, sich gegenseitig mit immer niedrigeren Löhnen und verschlechterten Arbeitsbedingungen zu überbieten. Die menschlichen und technologischen Ressourcen der internationalen Automobilindustrie müssen stattdessen genutzt werden, um sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Transportmittel für alle zu schaffen.

Eine derartige Politik ist mit der kommenden Regierung unter Obama nicht zu machen, weil sie genau wie der Republikanische Präsident im Interesse der Finanzaristokratie handeln wird. Um eine so grundlegende Veränderung durchführen zu können, muss die Arbeiterklasse eine politisch Massenpartei aufbauen - die von den beiden Parteien des Großkapitals unabhängig ist - und für eine Arbeiterregierung und wirkliche demokratische Kontrolle über das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben kämpfen.

Der Angriff auf die Beschäftigten der Autoindustrie wird als Präzedenzfall dienen, um die Last der kapitalistischen Wirtschaftskrise der gesamten Arbeiterklasse aufzubürden. Aber die Arbeiter sind nicht für die Krise verantwortlich. Sie haben keinen Einfluss auf die Geschäftsentscheidungen der Eigentümer und ihrer Vorstände. Letztere üben de facto eine Diktatur im Unternehmen aus und machen dann die Arbeiter verantwortlich, wenn ihre Habsucht und Unfähigkeit in die Katastrophe führt.

Die Autoindustrie ist ein typisches Beispiel. Im Rahmen der Rettungsaktion für Chrysler 1979-80 mussten die Arbeiter Zugeständnisse in Milliardenhöhe machen. Das Geld wurde aber nicht benutzt, um langfristig das Überleben des Unternehmens zu sichern, sondern um den Reichtum der größten Aktionäre und der Vorstandsmitglieder zu erhöhen.

1984 wurden die Spitzenmanager der US-Autoindustrie etwa 12- bis 18-mal so hoch bezahlt wie ein durchschnittlicher Fließbandarbeiter. 2006 erhielten sie 122-mal mehr, nicht eingerechnet die goldenen Handschläge in Höhe von 100 Millionen Dollar oder mehr für die jeweiligen Vorstandsmitglieder. Mit dem jüngsten Tarifvertrag hat die UAW akzeptiert, dass Vorstandsmitglieder der Autoindustrie unglaubliche 240-mal so hohe Vergütungen erhalten wie neu eingestellte Arbeiter.

Die Private Equity Manager von Firmen wie dem Chrysler-Eigentümer Cerberus Capital Management konnten noch viel mehr einstecken. Im letzten Jahr erhielten die Manager von Hedge- und Private-Equity-Fonds im Durchschnitt 588 Millionen Dollar - oder mehr als 10.000-mal mal soviel wie ein normaler Autoarbeiter verdient.

Ein derart atemberaubender Grad an Ungleichheit und eine derartige Verschleuderung von Ressourcen sind symptomatisch für ein bankrottes und veraltetes System, das durch ein weit vernünftigeres und gerechteres System ersetzt werden muss, den Sozialismus.

In ihrem Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und des Lebensstandards können sich die Arbeiter nicht auf die Gewerkschaft UAW verlassen, die die Angriffe der Unternehmer auf die Arbeiterklasse seit langem als Partner mit verantwortet. Ihre Sorge gilt allein der Sicherung der finanziellen Interessen der Bürokratie, einschließlich der Stützung des milliardenschweren Gesundheitsfonds für die Rentner, den sie neuerdings kontrolliert. In einem Kommentar in der Washington Post vom Freitag rühmte sich UAW-Präsident Ron Gettelfinger, dass durch den Vertrag, den die Gewerkschaft unterschrieben hat, das Gefälle der Lohnkosten zwischen gewerkschaftlich organisierten und nichtorganisierten Arbeitern verringert werden konnte.

Die großen Traditionen, die die Arbeiter bei den Sitzstreiks der 1930er Jahre inspiriert haben, müssen wieder belebt werden. In diesen Kämpfen spielten Arbeiter, die sich sozialistischen und revolutionären Organisationen angeschlossen hatten, eine große Rolle. Heute müssen neue Kampforganisationen geschaffen werden. Dies bedeutet vor allem, die Socialist Equality Party zu einer Massenpartei der Arbeiterklasse aufzubauen.

Siehe auch:
Der Raubzug der Wall Street
(4. November 2008)
"Europäische und amerikanische Arbeiter müssen gemeinsam auf die Finanzkrise reagieren"
( 21. Oktober 2008)
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