Vor den US-Wahlen

Im Endspurt vor dem Wahltag, zu einem Zeitpunkt, an dem die Umfragen auf einen eindeutigen Sieg der Demokratischen Partei hindeuten, machen Obama und führende demokratische Kongressabgeordnete schon im Voraus deutlich, dass die öffentliche Ablehnung der Bush-Regierung nicht die Politik eines Präsidenten Obama oder eines von den Demokraten beherrschten Kongresses bestimmen wird.

Obama und die Führer der Demokratischen Partei haben den Hass auf Präsident George Bush genutzt, um die arbeitende Bevölkerung und die Jugend mit Forderungen nach "Veränderung" und einer "neuen Politik" zu mobilisieren, doch nun geben sie sich alle Mühe, der herrschenden Elite zu versichern, dass sie im Falle eines Wahlsiegs eine völlig konventionelle und konservative Politik verfolgen werden, die den Interessen der Finanzaristokratie gerecht wird.

Ein demokratischer Wortführer nach dem anderen wiederholt, dass die neue Regierung nicht "zu weit gehen", keine "Ein-Parteien-Herrschaft" verwirklichen und für eine Übereinstimmung zwischen beiden Parteien sorgen werde. Sie weisen damit ein grundlegendes demokratisches Prinzip zurück - dass die Entscheidung der Wähler am Wahltag die Politik des Staates bestimmt.

Zig Millionen Menschen werden in der Hoffnung für Obama stimmen, dass er den Irakkrieg rasch beenden und in der Innenpolitik Arbeitsplätze und einen anständigen Lebensstandard fördern wird, und nicht die hemmungslose Profitgier des Großkapitals und der Reichen, wie dies die Bush-Regierung getan hat.

Doch die Politik der kommenden Regierung wird nicht durch diese weit verbreiteten Illusionen bestimmt sein, sondern durch die Realität einer weltweiten Finanzkrise, eines Wirtschaftszusammenbruchs in den Vereinigten Staaten und durch den andauernden Widerstand gegen die imperialistische militärische Besetzung Iraks und Afghanistans.

Obama und seine wichtigsten Strategen machen sich Sorgen, ein großer Wahlsieg der Demokraten könnte weit verbreitete Hoffnungen wecken, die sie auf keinen Fall zu erfüllen gedenken.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat von 2004, John Kerry, der am Sonntag anstelle Obamas im Programm "Meet the Press" des Senders NBC auftrat, sprach deutlich aus, dass die Demokraten nicht bereit sind, ein politisches Mandat anzuerkennen, das sich aus der Wahl vom Dienstag ergibt.

Der Moderator Tom Brokaw fragte Kerry nach Aussagen von Charles Rangel, des Vorsitzenden des House Ways and Means Committee [des wichtigsten innenpolitischen Ausschusses des Kongresses, zuständig für Haushalts-, Finanz- und Steuer und Sozialpolitik und familienpolische Themen, Anm. d. Übers.]. Rangel, ein demokratischer Abgeordneter aus New York, hatte gefordert, Obama solle rasch Steuerleichterungen für Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen, Reformen im Gesundheitswesen und ein Programm zur Förderung alternativer Energien auf den Weg bringen.

Auf die Frage, wie er eine solche Politik finanzieren würde, hatte Rangel geantwortet: "Fragen Sie mich nicht, wo das Geld herkommen soll. Ich wende mich an dieselben Stellen wie Paulson." Womit er auf das 700-Milliarden-Rettungspaket für die Wall Street anspielte, für das Paulson verantwortlich zeichnet.

Brokaw fragte Kerry: "Ist das eine verantwortliche Finanzpolitik?", woraufhin Senator Kerry erwiderte: "Weder ich noch Barack Obama stimmen mit allem überein. Barack Obama kandidiert für das Präsidentenamt und er hat sehr deutlich gemacht, dass wir in Washington wieder eine verantwortliche Finanzpolitik verfolgen müssen."

Kerry fügte hinzu, Obama werde sich um einen Beitrag der Republikaner für seine Regierung bemühen und ihre Mitwirkung anstreben. "Er wird auf eine Weise regieren, die das Land zusammenbringt, ganz gleich, welche Mehrheit wir haben werden. Er wird versuchen, einen breiten Konsens zu erreichen, weil das die einzige Möglichkeit ist, wie wir dieses Mal in Amerika regieren können." Der Senator deutete an, dass die Demokraten ihre Mehrheit nicht für die Verwirklichung einer Politik benutzen würden, die die Republikaner ablehnen. "Wir haben es nicht nötig, Dinge mit 51 oder 60 Prozent der Stimmen zu verabschieden", womit er den Senat meinte. "Wir brauchen 85-Prozent-Mehrheiten."

Diese Erklärung gibt zu denken. Auf "85-Prozent-Mehrheiten" zu bestehen bedeutet, der republikanischen Minderheit ein Vetorecht auf die Regierungspolitik einzuräumen. Das läuft auf die Ablehnung jeglicher Form von Demokratie hinaus.

Wenn die Demokraten am Dienstag die Wahl gewinnen, dann weil es eine weit verbreitete Stimmung gegen die Politik des Krieges und der sozialen Reaktion gibt, die Bush acht Jahre lang verfolgt hat. Aber Kerry beharrt darauf, dass es falsch wäre, wenn die Demokraten so regieren würden, als hätten sie ein Mandat.

Der antidemokratische Charakter dieser Haltung wurde durch Kerrys Äußerung unterstrichen, er stimme mit den Ansichten des früheren demokratischen Senators Bob Kerrey überein, der kürzlich erklärt hatte: "Meiner Meinung nach wird der Erfolg Obamas als Präsident vor allem durch einige Demokraten in Frage gestellt, die sich durch ihre Mehrheit im Kongress ermuntert fühlen... Obama wird dem Kongress unmissverständlich deutlich machen müssen, dass die Demokraten kein Mandat für ihre gesamte Politik gewonnen haben. Die Amerikaner haben vielmehr ihre Frustration über einen enttäuschenden Status Quo ausgedrückt und der nächste Präsident muss einen neuen, weniger parteilichen Kurs zu steuern."

Das steht in scharfem Widerspruch zur Haltung der Republikaner, nachdem Bush 2000 durch den Obersten Gerichtshof ins Amt gehievt worden war. Obwohl Bush weniger Stimmen als sein demokratischer Konkurrent Al Gore erhalten hatte und die Republikaner weit geringere Mehrheiten in Repräsentantenhaus und im Senat hatten, als die Demokraten nach dem 4. November haben werden, brüstete er sich damit, dass ihm die Wahl die Macht zu 100 Prozent verliehen habe.

Bush handelte entsprechend. Er boxte (mit beträchtlicher demokratischer Unterstützung) massive Steuerkürzungen für die Reichen durch, begann die Kriege gegen Afghanistan und Irak und verwirklichte viele andere politische Maßnahmen, die von der amerikanischen Öffentlichkeit weitgehend abgelehnt wurden.

Kerrys Bemerkungen deuten darauf hin, dass eine kommende demokratische Regierung genauso verfahren wird, wie die Demokraten nach ihrem erdrutschartigen Wahlsieg bei den Kongresswahlen 2006, den sie der weit verbreiteten Feindschaft gegen den Irakkrieg verdankten. Die neuen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat verpflichteten sich, mit Präsident Bush auf der Basis eines Einverständnisses zwischen beiden Parteien zusammenzuarbeiten. Die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi schloss sofort jeden Versuch aus, Bush seines Amtes zu entheben, und stimmte schließlich zu, den Irakkrieg weiter zu finanzieren, solange Bush als Präsident amtiert.

Die Kommentare Kerrys und anderer demokratischer Wortführer unterstreichen den betrügerischen Charakter der Wahlen von 2008. Trotz einer großen Zunahme der Wahlbeteiligung und einer breiten Mobilisierung neuer Bevölkerungsschichten, insbesondere von Jugendlichen und Studierenden, spielt das amerikanische Volk darin nicht viel mehr als die Rolle eines Statisten in einem Konflikt innerhalb der herrschenden Elite. Wenn der Wahltag erst vorbei ist, wird Obama die "Hoffnung" und die "Veränderung" in seine Brieftasche zurückstecken und seinen wirklichen Geschäften nachgehen, der Verteidigung der Interessen der amerikanischen Wirtschaft.

Die Demokraten haben auf die Gefahr einer Kernschmelze an den Finanzmärkten reagiert, indem sie bereitwillig Billionen öffentlicher Gelder zur Rettung der Banken und Spekulanten ausgaben. Die gleichen politischen Figuren werden sich nach der Wahl an die arbeitende Bevölkerung wenden und ihr erklären, es sei kein Geld da, um Gesundheitsversorgung, Arbeitsplätze, Bildung und andere soziale Aufgaben zu finanzieren, vor allem weil mehr Geld für die Kriege im Nahen Osten und Zentralasien gebraucht werde.

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