Massenentlassungen in Griechenland erwartet

Anfang der Woche warnten hochrangige Gewerkschaftsvertreter vor einem noch stärkeren Anwachsen der Unruhen in Griechenland, da in den kommenden Wochen und Monaten Massenentlassungen im ganzen Land anstehen werden.

"Eine wuchtige Entlassungswelle wird zu Beginn des neuen Jahres anlaufen, in der nach unseren Schätzungen 100.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, was die Arbeitslosenquote um 5 Prozent erhöhen wird" erklärte Stathis Anestis, vom griechischen Gewerkschaftsverband GSSE.

Seit fast zwei Wochen wird Griechenland von massiven Protesten erschüttert, die sich nach dem Tot eines 15-jährigen Schülers entluden. Mittlerweile sind etwa 600 Schulen und Universitäten landesweit von Studenten besetzt. Täglich kommt es zu mehr oder weniger großen Demonstrationen, Protestaktionen und Zusammenstößen mit der Polizei.

Hintergrund der Proteste ist vor allem die prekäre soziale Lage und die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland. Wie Anestis erklärte, sind rund ein Viertel der an den Protesten beteiligten Jugendlichen arbeitslos. Unter den Hochschulabsolventen, die jünger als 30 Jahre sind, wird die offizielle Arbeitslosenquote mit 28 Prozent angegeben.

Der Erziehungswissenschaftler Alexis Dimaras bestätigte, dass der Gewaltausbruch direkt zusammenhängt mit den ökonomischen Aussichten der Jugendlichen. Gegenüber der Zeitung Avghi erklärte er, dass die Jugend in einem Bildungssystem aus dem vorigen Jahrhundert "gefangen" seien.

"Durch die Arbeitslosigkeit leben ein Viertel der unter 25-jährigen unterhalb der Armutsgrenze", zitiert der britische Independent den Wirtschaftswissenschaftler Petros Linardos,. "Dieser Prozentsatz ist in den vergangenen Jahren ständig angestiegen. Es herrscht ein diffuses, weitverbreitetes Gefühl der Aussichtslosigkeit.

Doch auch für die arbeitende Bevölkerung ist die Lage nicht viel besser. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 8,4 Prozent, was aber die tatsächliche Arbeitslosigkeit kaum widerspiegelt, da viele Langzeitarbeitslose und in den Familien lebende junge Menschen nicht erfasst werden. Frauen sind doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen wie Männer.

In den letzten Jahren ging die Arbeitslosigkeit zwar leicht zurück, was aber darauf zurückzuführen ist, dass viele Beschäftigte in Billiglohnjobs gedrängt wurden. Ein Zweitjob ist für viele Griechen heute Normalität.

Eine Untersuchung hat in diesem Herbst herausgefunden, dass rund ein Drittel der 11 Millionen Griechen, an oder unterhalb der Arbmutsgrenze leben. Die Grenze wurde dabei bei 470 Euro pro Erwachsener Person und pro Monat gezogen. Die Untersuchung bestätigt ein ständiges Anwachsen einer "dritten Welt" innerhalb des Landes.

Gerade die Privatisierungen der letzten Jahre haben zehntausende Arbeitsplätze vernichtet. Im Moment laufen die Verhandlungen zur Privatisierung der staatlichen Fluggesellschaft Olympic Airlines. Hinzu kommt eine rasante Steigerung der Lebenshaltungskosten, während die Löhne stagnieren. Die Inflationsrate erreichte im Juni 4,9 Prozent und damit den höchsten Stand seit 10 Jahren.

Mit der weltweiten Wirtschaftskrise verschärft sich die Situation auch in Griechenland rapide. "Mit der weltweiten Rezession fällt die Maske, und Griechenlands Politiker stehen vor einem Dilemma", schreibt der britische Economist. Und das Handelsblatt fragt besorgt "welche gesellschaftlichen Spannungen Griechenland noch bevorstehen, wenn sich die Rezession im kommenden Jahr mit Gehaltseinbußen und Entlassungen bemerkbar machen sollte."

Lagen die Wachstumsraten in den letzten acht Jahren zwischen 3,8 Prozent und 5,1 Prozent, so geht Finanzminister Giorgos Alogoskouphis für das kommende Jahr nur noch von 2,7 Prozent aus, was Experten als bei weitem zu optimistisch werten.

40 Prozent der Unternehmen in Griechenland schließen Entlassungen aufgrund der Krise mittlerweile nicht mehr aus. Gerade jene Branchen der griechischen Wirtschaft, die bislang für das Wirtschaftswachstum verantwortlich waren werden von den Auswirkungen der internationalen Wirtschaftskrise erfasst. Darunter befindet sich auch die Bauwirtschaft, die Schifffahrt und der Tourismus.

Alleine in diesem Jahr legten die Generalstreiks die von den Gewerkschaften organisiert wurden das öffentliche Leben tagelang lahm. Hinzu kamen militante Arbeitskämpfe von Hafenarbeitern, Straßenblockaden von Landwirten und Dutzende von regionalen oder auf Betriebe beschränkte Streiks. Jüngst bestreikten Archeologen und und öffentlich Bedienstete zehn Tage lang den Parthenon-Tempel und andere historische Stätten im Land, um die von der Regierung zugesagten Bonuszahlungen zu erzwingen. Nach Angabe von Tourismusbehörden schadeten die Schließungen in Folge des Streiks der Branche mehr als die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Hauptstadt vergangene Woche.

Die konservative Regierung unter Premier Costas Karamanlis, die im Parlament nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, gerät durch die anhaltenden Proteste immer stärker unter Druck. Karamanlis entschuldigt sich zwar für "Versäumnisse" seiner Regierung und kündigte Umbesetzungen im Kabinett an, an der grundlegenden Politik wolle er aber nicht ändern.

Er erklärte das Land brauche eine "ruhige Hand" um mit dem wirtschaftlichen Abschwung fertig zu werden und keine "Wahl- und Nachfolgeszenarien". Gleichzeitig kündigte er an weitere "Reformen" einzuleiten.

Außenministerin Dora Bakoyannis wurde in einem Interview mit dem Spiegel noch deutlicher. Sie erklärte exakt jene Politik, die zu der Wut und Ablehnung breiter Schichten geführt hat, werde unbeirrt fortgesetzt. "Wir brauchen die Privatisierungen und wir brauchen die Bildungsreform die wir im vergangenen Jahr begonnen haben." Gleichzeitig zeigte sie sich wenig überrascht darüber, dass diese Politik auf massiven Widerstand stößt. "Man kann keine radikalen Reformen umsetzen ohne eine Reaktion der Betroffenen zu erhalten."

Rückhalt erhält die ND-Regierung aus der Wirtschaft. Der Chef der Griechischen Zentralbank George Provopoulos bekräftigte die Notwendigkeit "struktureller Reformen und die Einschränkungen öffentlicher Ausgaben um das Vertrauen von "Investoren und Märkten wieder zu erlangen".

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