"Ein Schlag ins Gesicht" - Obama lädt rechten Evangelisten zur Amtseinführung ein

Die Auswahl und Ernennung diverser Politiker durch den gewählten Präsidenten Barack Obama nimmt inzwischen fast einen provozierenden Charakter an. Der Ausschuss für die Eröffnungszeremonie gab am Mittwoch bekannt, dass der rechtsgerichtete Evangelist und Millionär Rick Warren die Eröffnungsgebete bei Obamas Vereidigung am 20. Januar sprechen werde.

Warren ist ein religiöser Fanatiker und Dummkopf, der dem Recht auf Abtreibung und den Rechten der Homosexuellen feindlich gegenübersteht, der die Lehre von der Schöpfungsgeschichte wörtlich vertritt und ebenso die "von einem freien Markt für Religion und für alles andere". Und er unterstützt das Programm des amerikanischen Imperialismus, die Erde zu beherrschen.

Er ist der Sohn eines Baptistenpfarrers und predigt eine Art von New Age Evangelismus in der Saddleback Kirche in Orange County, Kalifornien, wo er eine große Anhängerschaft um sich gesammelt hat. Warren, der Autor von The Purpose driven Life, vermeidet in den meisten Fällen die halb-faschistische Rhetorik des protestantischen Fernsehpredigers und ehemaligen republikanischen Präsidentschaftsanwärters Pat Robertson sowie des verstorbenen Jerry Falwell. Er behauptet, ein Mann der "Mitte" und nicht der christlichen Rechten zu sein.

Sein Mentor, erklärt er, ist Unternehmensberater Peter Drucker und er ist mit "Unternehmern" wie Ray Kroc (von McDonald's) und Sam Walton (von Wal-Mart) verglichen worden. Er wiederum behauptet, Mentor des ehemaligen Chefs von General Elektrik, Jack Welch, und Seelsorger von Rupert Murdoch zu sein, zwei der unappetitlichsten Gestalten des Geschäftslebens rund um. Warrens Web Site zitiert zustimmend folgende Anmerkung des Forbes Magazine : "Wenn das geistliche Amt von Saddlebeck ein Geschäft wäre, würde sein Einfluss mit Dell, Google oder Starbucks verglichen."

Trotz der leutseligen, zeitgemäßen Fassade sind Warrens primitive und antidemokratische Ansichten kaum ein Geheimnis. Er vergleicht gleichgeschlechtliche Ehe mit Inzest, Pädophilie und Polygamie, behauptet, dass sozial denkende Theologen "im Grunde genommen den Marxismus in einer christlichen Form" vertreten", prangert Verfechter der Abtreibungsrechte als "Holocaustleugner" an und lehnt Stammzellenforschung ab.

Der Moderator Sean Hannity schlug Anfang Dezember auf dem Kabelkanal Fox in der rechten Hannity & Colmes Talkshow vor, die USA sollten den iranischen Präsidenten Mahmoud Achmadinedschad töten: " Wir müssen ihn umlegen." Der "unpolitische" Warren kommentierte zustimmend: "Die Bibel sagt, dass mit dem Bösen nicht verhandelt werden kann. Es muss einfach nur gestoppt werden. ... In der Tat ist das die gesetzmäßige Rolle der Regierung. Die Bibel sagt, dass Gott die Regierung auf der Erde einsetzt, um Übeltäter zu bestrafen."

In einem Fernsehinterview über Homosexualität im Dezember 2005 kommentierte Warren: "Ist das natürlich? Ist das eine natürliche Sache? ... wenn Darwin recht hatte, und der Tüchtigste überlebt, dann wäre Homosexualität ein rezessives Gen, weil es sich nicht reproduziert und man sollte meinen, dass sich die Homosexualität über Tausende von Jahren selbst aus dem Genpool herausarbeiten würde."

Zu der Initiative namens "Proposition 8", über die im November in Kalifornien mit dem Ziel abgestimmt wurde, homosexuelle Ehen zu verbieten, erklärte Warren seinen Anhängern: "Ungefähr zwei Prozent Amerikaner sind Homosexuelle, Schwule und Lesben. Wir sollten nicht zulassen, dass zwei Prozent der Bevölkerung... die Definition der Ehe ändern, die in jeder Kultur und jeder Religion seit 5.000 Jahren gegolten hat. Sie ist nicht nur ein Kernpunkt des christlichen Glaubens. Es ist auch eine humanitäre [sic] und menschliche Angelegenheit, dass Gott die Ehe mit der Zielsetzung Familie, Liebe und Zeugung schuf."

Warren mischte sich außerdem in die Präsidentenwahl 2008 ein, indem er im August ein Forum moderierte, in dem er die Präsidentschaftsanwärter Barack Obama und John McCain zu einigen "heißen Eisen" befragte (siehe "Obama und McCain konkurrieren um die Unterstützung der christlichen Rechten "). Er fragte nach ihrer Haltung zu Abtreibung, gleichgeschlechtlichen Ehen, nach dem "größten moralischen Fehltritt" der Kandidaten und nach ihrer Haltung zum "Bösen". Obamas Bereitschaft, bei solch einer Vorstellung mitzumachen, und seine Nachgiebigkeit gegenüber der religiösen Rechten, waren die hervorstechendsten Aspekte des Ereignisses.

Nach der Benennung einiger Überbleibsel der Bush- und Clinton-Jahre und weiterer wirtschaftsfreundlicher und kriegsbefürwortender Standartenträger für sein Kabinett, mit der er sich die begeisterte Zustimmung des amtierenden Präsidenten und Vizepräsidenten erworben hat, hat der künftige Präsident jetzt auch noch Warren ausgesucht, um das Bittgebet bei seiner Amtseinführung zu sprechen.

Die Auswahl ist zynisch, lediglich aus politischer Zweckdienlichkeit heraus getroffen.

In einer Besprechung von The Audacity of Hope (siehe "Obamas die Kühnheit der Hoffnung: Portrait eines modernen amerikanischen Politikers "), schrieben wir über Obamas offensichtlichen Opportunismus in der Frage des "Glaubens". Von seiner Mutter im Wesentlichen ohne Religion als "Weltbürger" erzogen, merkt der aufstrebende Politiker auf seiner Reise irgendwann, dass "Amerikaner fromme Leute sind" und dass er sich mit der "religiösen Tradition des Afroamerikaners" arrangieren musste, um beim politischen Establishment akzeptiert zu werden. Seine Darstellung, "die Berufung Gottes" in einer Kirche auf der Southside von Chicago erfahren zu haben, entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit.

Mit der Einladung Warrens sucht Obama für seine Regierung und seine Politik des Krieges und seinen Sparkurs Unterstützung bei den reaktionärsten und rückständigsten Elementen der Bevölkerung. Die New York Times beschrieb die Aktion als "Ölzweig für die konservativen christlichen Evangelikalen." Eine weitere Veranschaulichung des "nahtlosen Übergangs" von der Bush-Regierung zu Obama!

Zahlreiche liberale Organisationen und Gruppen für die Rechte von Homosexuellen haben Warrens Einladung zur Amtseinführung angeprangert und als "Schlag ins Gesicht" verurteilt. Joe Solmonese, Präsident einer Menschenrechtskampagne nannte die Entscheidung in einem offenen Brief an Obama, "einen echten Schlag" für Schwule und Lesben in Amerika. Er fuhr fort: "Unsere Niederlage in Kalifornien bei der Ablehnung von Proposition 8, die liebende gleichgeschlechtliche Paare um ihr juristisches Recht auf Eheschließung brachte, ist die größte Niederlage, die unsere Gruppe in den letzten 40 Jahren erlitten hat. Und indem Sie Rick Warren zu Ihrer Amtseinführung einladen, trüben Sie die Hoffnung, dass Amerikaner, die homosexuell, lesbisch, bisexuell oder Transsexuell sind, einen Platz an Ihrem Tisch haben."

Solmonese bemerkte, dass Warren "in dem gegen Schwulen und Lesben geführten kulturellen Krieg häufig die Rolle des Generals" gespielt hat.

Kevin Naff, Herausgeber des Washington Blade, einer Zeitung für Homosexuelle, argumentierte, dass die Entscheidung für Warren eine Art "Taubheit" gegenüber unseren Belangen" aufgedeckt hat, die "nicht zugelassen werden darf. Wir haben gerade acht Jahre endlose Angriffe auf unsere Würde und Gleichheit von einem Präsident ertragen, der fanatischen konservativen Christen verbunden ist. Die Wahl sollte diese Ära beendet haben. Es sieht jedoch anders aus."

Die liberale Interessengruppe People for the American Way bemerkt, dass Warrens Anhänger "seine Einladung als Appell zur Einheit bezeichnen werden, speziell von einem Präsidenten, der sich dem Überbrücken traditioneller Spaltungen verschrieben hat. ... Die traurige Wahrheit ist, dass diese Entscheidung jemanden weiter emporhebt, der in letzter Zeit aktiv legalisierte Diskriminierung betrieben und das Leben und die Beziehungen von Millionen von Amerikanern verunglimpft hat."

Sara Posner, die für die Nation schreibt, kommentierte: "Das geht jetzt zu weit: Demokraten haben in ihrem Eifer, evangelikalen Wählern entgegenzukommen, den Starprediger und Bestsellerautor Rick Warren ausgewählt, um das Bittgebet bei Barack Obamas Amtseinführung zu sprechen."

Obama verteidigte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Chicago die Einladung von Warren hartnäckig. Der künftige Präsident erklärte, er werde weiterhin "ein leidenschaftlicher Anwalt für die Gleichheit schwuler und lesbischer Amerikaner" bleiben. Seine Entscheidung, dem evangelikalen Eiferer zu ermöglichen, das Bittgebet zu sprechen, entspringe lediglich seinem Wunsch " Amerika zusammenzuführen, auch wenn wir Differenzen in bestimmten sozialen Fragen haben." Das ist, erklärte er, "Teil der Magie dieses Landes..., dass wir verschieden und laut und überzeugt von unserer Meinung sind."

Dieses Argument als Begründung für die schlimmste skrupellose Politik ist absurd. Es erfordert nicht viel Einsicht, um zu verstehen, was es bedeutet, wenn man einem rasenden Feind der Rechte Homosexueller und der demokratischen Rechte eine öffentliche und herausgehobene politische Plattform bietet. Das unterhöhlt die Gleichheit für Schwule und Lesben und folglich auch für jeden anderen.

Die große Mehrheit der Bevölkerung hat kein Interesse daran, mit Warren und seines Gleichen und der übrigen fundamentalistisch-evangelikalen christlichen Hierarchie "zusammenzukommen", einem sozialen Element, dass der Arbeiterklasse ebenso zutiefst feindlich gegenübersteht, wie den Armen und den Minderheiten, sowie der Wissenschaft, der Kultur und allem was nach dem 21., 20. oder einem andern jüngeren Jahrhundert riecht. Solch ein Zusammenfluss von Interessen ist in der Tat "magisch", verwurzelt in der Fantasie und im Wunschdenken.

Obama und sein Gefolge sind schlaue Politiker, aber vielleicht zu schlau. Sie rechnen sich aus, dass sie so weit nach rechts gehen können, wie sie wollen, weil die offizielle amerikanische "Linke" niemand anderen hat, und weil sie sowieso nicht den Mumm hat sich einer solchen Richtung zu widersetzen.

Es ist vollkommen zutreffend, dass die Redaktion der Nation, die Funktionäre der People for the American Way und viele betuchte Fürsprecher der Rechte Homosexueller nie mit der Demokratischen Partei brechen werden. Jede reaktionäre Maßnahme, die von der Obama-Administration ergriffen wird, wird von diesen Elementen letztendlich umgedeutet. Sie sind durch ihre Klasseninteressen an die Demokraten gebunden. Sie sind alle Verteidiger des Profitsystems.

Mit der Masse der amerikanischen Bevölkerung ist es jedoch eine andere Sache. Sie hat kein Interesse daran, an den Demokraten hängen zu bleiben. Obama zu erkennen als das, was er ist, nämlich ein käuflicher und unehrlicher Repräsentant der amerikanischen Finanz- und Unternehmenselite, wird eine entscheidende politische Erfahrung sein und eine Lawine lostreten.

Siehe auch:
New York Times entlarvt Obamas Lügenkampagne zum Irakkrieg
(9. Dezember 2008)
Obamas Team für Nationale Sicherheit und das Scheitern der amerikanischen Demokratie
(3. Dezember 2008)
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