Chavez siegt bei Referendum, Krise in Venezuela schärfer

Die Venezolaner stimmten vergangenen Sonntag einer Verfassungsänderung zu, die es Präsident Hugo Chavez ermöglicht, für eine dritte sechsjährige Amtszeit zu kandidieren. Die Abstimmung fand auf dem Hintergrund der internationalen Wirtschaftskrise und zunehmender Klassenkämpfe statt.

Die Verfassungsänderung wurde mit 54,85 Prozent Ja-Stimmen angenommen. 45,14 Prozent stimmten mit Nein. Mehrere rechte Oppositionsparteien waren für die Ablehnung des Referendums eingetreten. Sie behaupteten, die Aufhebung der Beschränkung der Amtszeiten würde die autoritäre Herrschaft von Chavez weiter stärken. Fast elf von siebzehn Millionen wahlberechtigter Venezolaner gingen zur Wahl. Das ist für das Land eine hohe Wahlbeteiligung.

Chavez nannte das Ergebnis einen Sieg, das gleiche taten aber auch die Oppositionsparteien. Sie nahmen für sich in Anspruch, dass die fünf Millionen Gegenstimmen das höchste Ergebnis seien, dass sie bisher bei einer Wahl erreicht hätten. In der Hauptstadt Caracas siegte das Nein-Lager mit neun Prozent Vorsprung. Es ist aber keineswegs sicher, dass sämtliche Referendumsgegner auch für eine dieser Parteien stimmen würden, zu denen die tief diskreditierten alten Regierungsparteien Acción Democrática und COPEI gehören, die das Land jahrzehntelang abwechselnd beherrscht hatten. Noch im Dezember 2007 war ein ähnliches Referendum knapp gescheitert.

In einer Rede an das Volk gab Chavez auf dem Balkon des Präsidentenpalastes Miraflores seine Absicht bekannt, bei der nächsten Präsidentenwahl in 2012 wieder zu kandidieren.

"2012 wird für 2013 bis 2019 gewählt, und so Gott nicht anders will, oder so das Volk nicht etwas Anderes will, ist dieser Soldat im Dienste des Volkes schon jetzt ein Kandidat im Wartestand für die Präsidentschaft der Republik", verkündete er.

Anfang des Monats feierte der ehemalige Fallschirmspringeroberst, der das erste Mal 1992 als Führer eines fehlgeschlagenen Putsches zu Berühmtheit gelangte, sein zehnjähriges Amtsjubiläum. Im April 2002 überstand er einen von den USA unterstützten Putsch von Teilen des Militärs und der politischen Rechten. Danach gelang es ihm, immer größere Macht in seinen Händen zu konzentrieren. Sein persönliches Regime beruht auf der Unterstützung des Militärs und mächtiger Teile der Finanzelite des Landes. Weil er mit den nationalen Öleinnahmen Sozialprogramme finanziert und Lebensmittelhilfen, die Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnungsbau und Berufsausbildung fördert, hat er breite Unterstützung in der Bevölkerung gewonnen.

In seiner Siegesrede versprach Chavez, diese Programme weiter auszubauen, wandte sich dann aber den Fragen zu, mit denen die Rechte ihre Kampagne bestritten hatte: die hohe Straßenkriminalität und Regierungskorruption. Er gelobte, seine Regierung werde sich "dem Kampf gegen diese Probleme widmen".

Trotz Chavez’ Versprechungen, seine Sozialprogramme und die Teilverstaatlichungen auszuweiten - eine Politik, die er als den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" bezeichnet -, bedrohen die kapitalistische Weltkrise und ihre Auswirkungen auf Venezuela die wirtschaftlichen Grundlagen dieser Politik.

Venezuela ist noch immer fast vollständig vom Öl abhängig, das 80 Prozent zu den Exporteinnahmen beiträgt. Der völlige Absturz der Rohölpreise um fast 100 Dollar innerhalb von nur sechs Monaten wird wohl zu einem Einnahmeausfall von zehn Mrd. Dollar in diesem Jahr führen.

Viele Wirtschafts- und Politikanalysten in Venezuela gehen davon aus, dass die Chavez-Regierung die Stärkung ihrer Position durch das Referendum nutzen wird, um eine striktere Ausgabenpolitik hinsichtlich der Sozialausgaben im Inland und auch bei den Hilfsleistungen für andere Länder in der Hemisphäre durchzusetzen.

Die venezolanische Tageszeitung Universal berichtete am Mittwoch, dass hohe Regierungsvertreter zugeben, dass "einige wirtschaftliche Maßnahmen unvermeidlich sind". Gleichzeitig versicherten sie, dass sie für die Mehrheit der Bevölkerung keinen "sozialen Schock" bedeuten würden. Finanzminister Ali Rodriguez sagte den Medien am Sonntag, die Regierung werde kein "neoliberales" Kürzungspaket verhängen. Es wird aber davon ausgegangen, dass Maßnahmen wie Haushaltskürzungen, Steuererhöhungen und eine 25 bis 30-prozentige Abwertung des Bolivar geplant sind.

Die Inflation ist inzwischen von 24,1 Prozent im letzten Jahr auf 30,7 Prozent gestiegen, und das Wirtschaftswachstum ist dramatisch geschrumpft. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts war im 4. Quartal 2008 auf zwei Prozent gesunken, verglichen mit 8,5 Prozent im gleichen Monat 2007.

Ein deutliches Zeichen für diese Verlangsamung war der 43-prozentige Rückgang der Autokäufe im vergangenen Monat gegenüber Januar 2008, was zu Entlassungen in der Autoindustrie und in der Stahl- und Aluminiumproduktion und bei anderen Zulieferern geführt hat.

Die Wirtschaftskrise wird zwangsläufig zu einer Verschärfung der Klassenkämpfe führen, die wiederum die Klassenspaltungen in der so genannten Chavista -Bewegung offener zutage treten lassen.

Chavez ist intensiv bemüht, diese Spaltung zu überdecken und als Champion der venezolanischen Arbeitermassen aufzutreten, während seine Regierung gleichzeitig eine Wirtschaftspolitik betreibt, die den in- und ausländischen Banken Superprofite beschert hat. Sie hat außerdem zur Entstehung einer neuen reichen Schicht in der Gesellschaft geführt, die spöttisch als boliburguesía bezeichnet wird (aus der bolivarischen Revolution von Chavez hervorgegangene Bourgeoisie). Diese bereichert sich an ihren Verbindungen zur Regierung, an staatlichen Verträgen und an Finanzkorruption.

Die Regierung ist bemüht, politische Opposition von links zu neutralisieren. Sie hat diverse linke Organisationen in der bürokratisch kontrollierten Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) zusammengeschlossen, die als Wahlorganisation von Chavez fungiert.

Die Inflation drückt immer stärker auf die Reallöhne und bedroht Arbeitsplätze. Die Arbeiter reagieren darauf mit militanten Kämpfen, die schon mehr als einmal zu gewaltsamen Konfrontationen mit dem Staatsapparat geführt haben.

Am 29. Januar erschoss die Polizei zwei Arbeiter einer Autofabrik von Mitsubishi im nordöstlichen Bundesstaat Anzoátegui. Die Arbeiter hatte die Fabrik besetzt, um 135 entlassene Arbeiter des Reinigungs- und Instandhaltungspersonals zu unterstützen, die bei einem Subunternehmer beschäftigt waren. Neben den beiden getöteten Arbeitern wurden mindestens sechs weitere von Gewehrschüssen verletzt.

Zwar hat die Chavez-Regierung solche Massenentlassungen angeblich verboten, aber sie werden relativ straflos dennoch durchgeführt. Anstatt die Rechte der Arbeiter zu verteidigen, stellten sich die Gerichte auf die Seite der Unternehmer. Sie ordneten die Räumung der Fabrik an und schickten Polizei und Nationalgarde, um der Anweisung Nachdruck zu verleihen.

Der Gouverneur des Bundesstaats, der auch für die örtlichen Sicherheitskräfte verantwortlich ist, heißt Tarek William Saab, ein Parteiführer in Chavez’ PSUV.

Zuerst stellten sich Chavez und Saab auf die Seite des Unternehmens und taten so, als sei es unklar, wer die Arbeiter erschossen habe. Mitsubishi hatte fälschlicherweise behauptet, die Arbeiter seien selbst ebenfalls bewaffnet gewesen. Später suspendierte Saab die beteiligten Polizisten und erklärte, sie hätten eine Vorschrift verletzt, die den Schusswaffengebrauch bei solchen Konfrontationen untersagt.

Die Arbeiter halten die Besetzung auch nach dem Tod ihrer Kollegen weiter aufrecht, fordern die Wiedereinstellung der Entlassenen und die Erfüllung weiterer Forderungen.

Im November waren drei linke Gewerkschaftsführer - Richard Gallardo, Luis Hernández and Carlos Requena - ermordet worden. Sie wurden im Bundesstaat Aragua niedergeschossen, nachdem sie die Besetzung einer in kolumbianischem Besitz befindlichen Molkerei organisiert hatten, die von der Polizei brutal beendet wurde. Die Verantwortlichen für den Mord sind noch nicht festgenommen worden.

Im vergangenen Jahr verkündete Chavez, er wolle seine Ziele in einer "strategischen Allianz mit der nationalen Bourgeoisie" durchsetzen. Tatsächlich aber führt er eine bürgerliche Regierung, die sich zunehmend bonapartistischer Methoden bedient, um den Klassenkampf zu kontrollieren und zu unterdrücken und so den venezolanischen Kapitalismus vor einer wirklichen sozialistischen Revolution zu retten.

Die jüngsten gewaltsamen Angriffe auf Arbeiterkämpfe stellen die venezolanische Arbeiterklasse vor die dringende Aufgabe, sich unabhängig zu organisieren und gegen die heutige Regierung und die rechte Opposition den politischen Kampf aufzunehmen.

Siehe auch:
Venezuela: Die gesellschaftlichen Interessen hinter dem Verfassungsreferendum von Hugo Chavez
(6. Dezember 2007)
US-Angriffe auf Venezuela: "Pressefreiheit" als Vorwand für Intervention
( 12. Juni 2007)
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