Dramatische Verluste der BVG

Linkspartei und Verdi unterstützen riskante Finanzgeschäfte der Berliner Verkehrsbetriebe

Medienberichten zufolge weist das Jahresergebnis der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für 2008 ein Minus von 247 Millionen Euro aus. Im Jahr davor hatte das Defizit noch 62 Millionen Euro betragen. An dem Fehlbetrag von fast einer Viertelmilliarde Euro ist vor allem die hohe Rückstellung schuld, die das Verkehrsunternehmen auf die Seite legen musste, um drohende Geldforderungen von US-Banken erfüllen zu können. Diese Risiken sind das Ergebnis von so genannten Cross-Border-Leasing-Geschäften, die im Zuge der weltweiten Finanzkrise zusammenzubrechen drohen.

Das Modell des Cross-Border-Leasings (CBL) funktioniert nach folgendem System: Deutsche Kommunen vermieteten einen Großteil ihrer Infrastruktur - ihr Nahverkehrssystem, Straßen, Rathäuser, Schulgebäude, Messehallen und Kanalnetze - über eine Dauer von mehreren Jahrzehnten an Unternehmen in den USA. Gleichzeitig mieteten sie sie wieder zurück. Nach deutschem Recht blieb die Kommune Eigentümer der Anlagen. Nach US-Steuerrecht wurde dagegen das amerikanische Unternehmen der wirtschaftliche Eigentümer und konnte dadurch den Wert der Anlagen abschreiben. Diese Abschreibungen verringerten den Gewinn des Unternehmens. Und weniger Gewinn bedeutet, dass weniger Steuern an den US-Fiskus zu zahlen sind.

Diese gesparten Steuerzahlungen teilten sich das Unternehmen und die Kommune untereinander auf. Nicht nur das Land Berlin, mehrere hundert Kommunen in Deutschland und europaweit haben auf diesem Weg versucht, ein Steuerschlupfloch in den USA auszunutzen. In einem Konsens der Politiker aller Fraktionen sollten die wachsenden Finanzprobleme der Kommunen hinausgeschoben und das kapitalistische System ausgetrickst werden. Die Finanzkrise hat dieser opportunistischen Politik jedoch den Boden entzogen.

Bei der BVG nahmen diese hoch riskanten Finanzpraktiken folgende Form an: In mehreren Abständen wurden seit 1997 mittels 22 Transaktionen 511 Straßenbahnen (85 Prozent des BVG-Bestands) und 647 U-Bahnwagen (48 Prozent des Bestands) im Rahmen einiger CBL-Geschäfte an den heute insolventen US-Versicherungsriesen AIG verkauft und im Gegenzug mit einer Laufzeit von 12 bis 30 Jahren zurückgeleast. Aus den gesparten Steuergeldern erhielt die BVG einen einmaligen "Bargeldvorteil" von 68,9 Millionen Euro.

Als Darlehensgeber des mit dem Leasinggeschäft verknüpften Credit Default Swaps (CDS) waren zunächst die Landesbank Berlin (LBB), die Hypo-Vereinsbank und die Credit Suisse beteiligt. Als der Berliner Senat 2007 die LBB privatisierte und an die Sparkassen-Gruppe verkaufte, drohte eine Herabstufung ihrer Bonität durch Ratingagenturen. Die Vertragsklauseln sehen vor, dass der Senat anstelle der LBB andere Banken mit der höchsten AAA-Bonität als Vertragspartner finden muss. Dieser wurde in der Landesbank Baden Württemberg gefunden. Wie jetzt bekannt wurde, entschied sich die BVG mit voller Unterstützung des Aufsichtsrates inklusive Vertreter von ver.di und des Wirtschaftsenators Harald Wolf (Linkspartei) Mitte 2007 genau für diejenigen Verträge, die der BVG nun zum Verhängnis werden könnten.

Nach einer Empfehlung der US-Investmentbank JP Morgan entschieden sich Senat und BVG, den CBL-Vertrag darüber hinaus durch ein Wertpaket abzusichern, ein Kreditportfolio, das mehrere Wertpapiere vom Typ Collateralized Debt Obligation (CDO) beinhaltet und Sicherheiten für insgesamt 150 verschiedene Konzerne, Institute und Investoren bieten soll. Zu diesen gehörten auch die heute insolvente Investmentbank Lehman Brothers und verschiedene ebenfalls insolvente isländische Banken.

Der Bankrott verschiedener Teilhaber lässt nun das Kartenhaus einbrechen und führt dazu, dass die BVG bzw. das Land Berlin für die gesamte Kreditsumme in Höhe von mindestens 157 Mio. Euro einstehen muss.

Die Rolle der Linkspartei

Besonders deutlich wird die Rolle der Linkspartei, die seit acht Jahren gemeinsam mit der SPD Regierungsverantwortung im Berliner Senat ausübt. Ihre Politik steht in fast nahtloser Kontinuität zu der Politik der Vorgängerregierungen, bestehend aus der Großen Koalition von CDU und SPD (1990 bis 2001) bzw. SPD und Grünen (2001). Anstatt diese Finanzgeschäfte anzuprangern und ihre Hintergründe aufzudecken, unterstützte die Linkspartei sie anstandslos und sicherte ihren Fortbestand. Wie alle anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sieht sie in derartigen Transaktionen einen besonders cleveren Trick, sich aus der Finanzmisere herauszumogeln.

Berlins Finanzlage hatte schon unter der Großen Koalition in den 90er Jahren besonders abstoßende Formen angenommen und gipfelte im Jahre 2000 im Bankrott der Bankgesellschaft. Berlin wurde nach dem Zusammenbruch der DDR für eine kleine Schicht von Neureichen und anderer Glücksritter zu einem Eldorado der Bereicherung. Ein ganzes Netzwerk von landes- und bundesweit bekannten Politikern und Unternehmern hatte sich über Fonds und Immobiliengeschäften auf Kosten der in öffentlicher Hand befindlichen Bankgesellschaft Berlin jahrelang bereichert und der Stadt einen Schuldenberg von 60 Mrd. Euro beschert.

Seitdem sich die PDS/Linkspartei 2001 mit der SPD in der Regierungskoalition zusammengetan hat, ließ sie alle Forderungen fallen, den Bankenskandal aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen schwenkte sie voll auf die Linie der SPD ein und zeigte sich fest entschlossen, die Folgen auf die Berliner Bevölkerung abzuwälzen.

Zu den ersten Amtshandlungen gehörte die Bürgschaft, die dem Land Berlin über 21 Mrd. Euro zur Absicherung der geplünderten Bankgesellschaft aufgebürdet wurde. Der von den Fonds der Bankgesellschaft mitprofitierende Peter Strieder (SPD) konnte noch bis 2004 Stadtentwicklungssenator im SPD-PDS-Senat bleiben, bis er über den nächsten Skandal um die Finanzierung des Veranstaltungs- und Kulturzentrums Tempodroms stürzte.

Nicht anders sieht das im Zusammenhang mit der aktuellen BVG-Krise aus. In all den Jahren war von der Berliner Linkspartei nichts über diese Geschäfte zu hören. Sie hat weder Aufklärung über die Vertragsinhalte betrieben noch Kritik geäußert oder eine Beendigung dieser Praxis gefordert. Spätestens bei den Nachverhandlungen im Jahr 2007 wäre dazu Gelegenheit gewesen.

Auch über die CBL-Geschäfte wusste die Linkspartei Bescheid und unterstützte die Aktionen. Dabei ist schon seit langem bekannt, mit welchen Problemen und Risiken diese Geschäfte behaftet waren. Selbst ein Befürworter von CBL-Geschäften wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte spätestens seit 2003 vor den Gefahren: "Aber wenn (die Risiken) sich realisieren, kann der Schaden von immenser Höhe sein und den Gewinn der Kommune um ein Mehrfaches übersteigen."

Nach Schätzungen der Wochenzeitung Zeit setzten rund 700 Kommunen in Europa unter dem Privatisierungsdruck des "freien Marktes" Steuergelder im "Finanzkasino" ein. Mit Hochglanzprospekten, Fachzeitschriften und Fachseminaren für Kämmerer wurden Derivate und andere Finanzprodukte als moderne Instrumente für das "aktive kommunale Schuldenmanagement" von den Banken beworben.

Die Stadt in Europa, die am meisten öffentliches Eigentum durch CBL-Geschäfte privatisiert hat, ist Leipzig. Dort wurden noch unter der Schirmherrschaft des heutigen Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) Wasserwerke und Wasserleitungen, Messe - und Kongresshallen, Krankenhäuser, Straßenbahnen, Schienennetze und Kanalisation/Kläranlagen an US-Investoren für 100 Millionen Euro für drei Jahrzehnte verkauft und zurückgemietet. Verursacht durch die Finanzkrise wurden auch in Leipzig zur Absicherungen der Schuldentilgung weitere dubiose Transaktionen getätigt.

Kommunalpolitiker als Handlanger der Finanzoligarchie

Letzten September warnte Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln in der Frankfurter Rundschau: "Die Krise kann sich auf alle CBL-Geschäfte auswirken ... Die Städte könnten für strauchelnde Banken und auch Versicherer bürgen müssen, die an dem Geschäft beteiligt sind ... Bestehende Sicherheiten nützten nichts, wenn der Bürgende insolvent werde".

In der Öffentlichkeit werden die Finanzverantwortlichen als Opfer dargestellt. Doch weit gefehlt - Politiker wie Sarrazin, Wolf sowie ver.di-Aufsichtsratsmitglieder sind Akteure. Sie sind Teil und Interessenvertreter einer reichen, durch und durch korrupten Elite.

Sarrazin, der Mitte des Jahres in den Vorstand der Bundesbank wechseln wird, hat sich als knallharter Sparkommissar in den Kreisen der Bourgeosie einen Namen gemacht. Angesichts der Mehrkosten für die BVG-Krise tönte er: "Wenn Sie irgendwo hinfliegen, vertrauen Sie sich einer der komplizierten Techniken an, die Sie in keiner Weise durchschauen. Wenn Sie an Ihren Laptop gehen, um einen Text zu schreiben, dann wissen Sie auch nicht genau, wie der dort hinkommt. Wir leben überall in der Welt davon, dass wir Dingen vertrauen, die wir nicht durchschauen. Das ist auch ein Stück weit so in der Finanzwirtschaft."

Parallel zur Bereicherung der Elite hat Sarrazin gemeinsam mit der Linkspartei und der SPD Berlin in die Hauptstadt der Armen und Obdachlosen verwandelt. Während auf den Festen der Finanzelite neue Geschäfte und Profite vereinbart werden, lebt jedes dritte Kind in Berlin in Armut. Eine Viertel Million Menschen sind arbeitslos. Zehntausende arbeiten im Niedriglohnsektor. Soziale Einrichtungen verschwinden zusehends.

Die Linkspartei wird von Wowereit und Sarrazin in den höchsten Tönen gelobt. Sarrazin erklärte gegenüber Welt online, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass die Linkspartei in Berlin ein "entscheidungs -, handlungs - und kompromissfähiger Koalitionspartner ist".

Auch bei der Abwälzung der Finanzkrise auf die Bevölkerung spielt die Linkspartei eine Schlüsselrolle. So unterstütze sie das 500 Milliarden Euro schwere Rettungspaket der Bundesregierung, ebenso wie ein eigenes Berliner Rettungspaket, das sich in Vorbereitung befindet. Der Landeschef der Linkspartei, Klaus Lederer, erklärte: "Die Linke Berlin hält ein staatliches Eingreifen, wie es mit dem heute verabschiedeten Finanzmarktstabilisierungsgesetz versucht wird, für dringend geboten, um ein unkontrollierbares Übergreifen auf die Sphäre der Realwirtschaft zu verhindern..." Wirtschaftssenator Harald Wolf fügte hinzu: "Ohne das Rettungspaket wäre die Situation noch viel verheerender. Deshalb werden wir uns konstruktiv an der Ausgestaltung beteiligen."

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