Obama und Guantánamo

Präsident Obama hat am Montag Anweisung gegeben, die Militärtribunale in Guantánamo wieder aufzunehmen und die dauerhafte Inhaftierung ohne Urteil offiziell zuzulassen. Dies zeigt nur einmal mehr, dass er die militaristische und autoritäre Politik seines Vorgängers fortsetzt.

Mit dieser Anweisung nahm Obama sein Versprechen, das amerikanische Folterzentrum zu schließen, offiziell zurück. Nur fünf Tage vor diesem Befehl hatte die Regierung weitere Vorwürfe gegen die WikiLeaks-Quelle, den Gefreiten Bradley Manning, in dessen Militärprozess erhoben. Einer der Vorwürfe, der auf „Unterstützung für den Feind“ lautet, kann die Todesstrafe nach sich ziehen. Am gleichen Tag verschärfte das Militär die Misshandlung des 23-jährigen Soldaten, indem es ihn jetzt zwingt, ohne jede Bekleidung zu schlafen.

Unter Obama muss ein amerikanischer Staatsbürger, der lediglich auf seinen Prozess wartet, jetzt jeden Morgen um fünf Uhr nackt vor seiner Hochsicherheitszelle stehen, – wobei sein Verbrechen darin bestehen soll, amerikanische Kriegsverbrechen und Verschwörungen in aller Welt ans Licht gebracht zu haben. Sadistisches Foltern, das man aus Abu Ghraib kennt, ist unter Obama jetzt nach Amerika heimgekehrt.

Obamas Befehl hat zur Folge, dass 124 der verbleibenden Gefangenen in Gunatánamo die Aussicht auf einen Prozess vor einer Militärkommission haben, die noch weniger Prozessrechte bieten als reguläre Kriegsgerichte. Den anderen 48 droht dauerhafte Haft, weil sie, wie die Regierung zugibt, so offensichtlich gefoltert wurden, dass die Beweise gegen sie nicht einmal vor einer Militärkommission anerkannt würden.

Zu denen, die wahrscheinlich vor einer Militärkommission erscheinen müssen, gehört Abd al Rahim al-Nasiri, ein Saudi, der beschuldigt wird, 2000 den Bombenanschlag auf die USS Cole in Jemen geplant zu haben. Die CIA gibt zu, dass er der Waterboarding-Folter unterzogen wurde. Weitere Häftlinge sind die mutmaßlichen al-Qaida-Führer Khalid Scheich Mohammed, der 183-mal dem Waterboarding unterzogen wurde, und Abu Zubaida, dem dies mindestesn 83-mal geschah.

Außenministerin Hillary Clinton führte als Rechtfertigung an, die Fälle derjenigen, die dauerhaft ohne Prozess inhaftiert sollten, würden periodisch durch die Regierung überprüft. Sie sagte: „Bei den Schritten, die wir heute unternehmen, geht es nicht darum, wer unsere Feinde sind, sondern darum, wer wir sind: eine Nation, die alle Gefangenen in ihrem Gewahrsam menschlich behandelt.“

Diese Heuchelei spottet jeder Beschreibung. Die Obama-Regierung weigert sich, Mitglieder der Bush-Regierung, die systematische Folter angeordnet oder organisiert haben, zu verfolgen, sei es im Irak, in Afghanistan oder in den schwarzen CIA-Gefängnissen in aller Welt. Bush selbst prahlte in seinem im letzten Herbst veröffentlichten Buch Decision Points damit, persönlich das Waterboarding von Khalid Scheich Mohammed angeordnet zu haben. Diese Selbstbezichtigung führte zu keiner Reaktion der Obama-Regierung und wurde von den etablierten Medien kaum einer Meldung für würdig erachtet.

Obama schützt nicht nur die Vertreter der Bush-Regierung, sondern er behält die Polizeistaats-Werkzeuge und Maßnahmen bei, die unter Bush im Namen des “Kriegs gegen den Terror” eingeführt wurden, und weitet sie vielfach sogar noch aus. Beispiele dafür sind der Patriot Act, das Homeland Security Ministerium und das Nordkommando des Pentagon. Obama beruft sich auf Staatsgeheimnis-Privilegien, um Folteropfer und Menschen, die der Staat ausspioniert hat, daran zu hindern, ihr Recht vor den Gerichten einzuklagen. Er beruft sich immer noch auf das „Recht“ des Präsidenten, unbeschränkte Militärhaft gegen jeden zu verhängen, den er als „ungesetzlichen feindlichen Kämpfer“ einstuft. Er hält an der Praxis fest, Terrorverdächtige zu entführen und an ausländische Regierungen zu „überstellen“, damit sie unter Folter verhört werden. Und er hat die Politik der „gezielten Tötungen“ in Pakistan und anderswo ausgeweitet. Selbst amerikanische Staatsbürger sind die Opfer.

Mit der global organisierten Hexenjagd auf WikiLeaks und ihren Mitgründer Julian Assange und der Verfolgung des Gefreiten Manning hat die Obama-Regierung den Angriff auf die Pressefreiheit verschärft.

Mit der Anweisung vom Montag verweigert die Regierung systematisch das grundlegende Recht auf Haftprüfung und unterhöhlt weiter zentrale Bürgerrechte, wie sie in der Bill of Rights der amerikanischen Verfassung niedergelegt sind.

Diese Angriffe auf demokratische Grundrechte sind untrennbar damit verbunden, dass die Regierung die Aggressionskriege der Bush-Regierung fortsetzt und die Angriffe auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiterklasse noch verschärft.

Obama gewann die Präsidentschaftswahl, indem er sich auf die Antikriegsstimmung in der amerikanischen Bevölkerung und ihren Hass auf die Kriminalität und die autoritären Züge der Bush-Jahre stützte. In seinem Wahlkampf verurteilte Obama Bush, weil er Menschen einsperrte, „ohne ihnen jemals zu sagen, warum oder wessen sie beschuldigt würden“. Sobald er im Amt war, ließ er seine Versprechen fallen und führte Bushs anti-demokratische Politik weiter, setzte die Besetzung des Iraks fort und weitete den Krieg in Afghanistan und in Pakistan aus.

In einem Leitartikel über Obamas Befehl, die Militärkommissionen in Guantánamo wieder zu beleben, schrieb das Wall Street Journal zu Recht: „Niemand hat mehr geleistet, um das Ansehen von Bushs Anti-Terror-Politik aufzupolieren, als die Obama-Regierung.“

Obamas Fähigkeit, die militaristische und anti-demokratische Politik der Bush-Regierung fortzusetzen, beruht in nicht geringem Maße auf der Komplizenschaft der Protestorganisationen, die die massenhaften Antikriegsdemonstrationen in den Bush-Jahren angeführt hatten. Einer der Hauptgründe, warum die amerikanische herrschende Klasse sich bei der Wahl 2008 hinter Obama stellte, war die Kalkulation, dass ein Demokratischer Präsident – allzumal ein afroamerikanischer Demokratischer Präsident – keine Massenbewegung gegen Krieg zu fürchten haben würde.

Das beruhte auf der weitsichtigen Einschätzung des linksliberalen und pseudosozialistischen Milieus, das die Antikriegsbewegung dominierte. Diese Kräfte waren auf die Demokratische Partei orientiert und in Identitätspolitik verstrickt. Auf sie war Verlass, dass sie unter einem schwarzen Demokratischen Präsidenten die Antikriegsproteste einstellen und sich in Afghanistan und im Irak hinter den US-Imperialismus stellen würden.

Genau das taten sie auch. Sie sind hauptverantwortlich dafür, dass die immer noch vorhandene Antikriegsstimmung gelähmt wurde. Obama hatte freie Hand, den Krieg in Afghanistan auszuweiten, neue Kriege in Libyen und anderswo vorzubereiten und den Angriff auf demokratische Rechte zu verschärfen.

Doch all ihren Anstrengungen zum Trotz wird es wieder eine breite Opposition gegen Krieg und Unterdrückung geben. Dieses Mal wird das unter Bedingungen einer wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse gegen Arbeitslosigkeit, Lohnsenkungen und den Abbau von Sozialleistungen geschehen.

Es ist wichtig, dass die Bewegung gegen Krieg auf der Grundlage eines sozialistischen Programms wiederbelebt wird, das den Kampf gegen Militarismus mit dem Kampf für Arbeitsplätze und soziale Rechte der Arbeiterklasse verbindet. Solche sozialen Rechte sind das Recht auf Krankenverssicherung, auf Bildung, anständige Wohnungen und eine sichere Altersversorgung.

Alle Versuche, die Bewegung der Demokratischen Partei unterzuordnen, müssen zurückgewiesen werden. Der Kampf gegen Krieg und Diktatur ist ein Kampf gegen das kapitalistische System, das von den Demokraten nicht weniger verteidigt wird als von den Republikanern. Die Obama-Regierung hat gezeigt, dass die Interessen und Bedürfnisse der breiten Mehrheit der Menschen in dem bestehenden System nicht zum Tragen kommen können.

Eine sozialistische Massenbewegung muss aufgebaut werden, die für die Arbeitermacht und die Umwandlung des Wirtschaftslebens kämpft, damit es gesellschaftlichen Bedürfnissen dient statt dem privaten Profit. Dies ist der einzige Weg, um die Kontrolle der Finanzoligarchie zu brechen und die imperialistischen Kriege zu beenden, die in ihrem Interesse geführt werden.

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