Die Sozialistische Partei Großbritanniens schürt Illusionen in einen „Plan B“ der Konservativen

Das Milieu der Schein-Linken agiert als die letzte Verteidigungslinie des britischen Imperialismus, indem es reformistische Illusionen unter den Arbeitern pflegt, die sie an die Rockzipfel der Gewerkschaften und der Labour Party binden.

Ihre Propaganda dreht sich um die Behauptung, dass jene Bürokraten in den Gewerkschaften und der Labour Party, die so tun als wären sie links, tatsächlich gegen die Angriffe der konservativ-liberalen Regierung kämpfen. Während sie der politisch degenerierten Gewerkschaftsbürokratie folgen, treiben sie politisch immer weiter nach rechts.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Organisation, die sich zu Unrecht Sozialistische Partei nennt. In einem Editorial ihrer Zeitung The Socialist wurden kürzlich zwei Sätze des Leitartikels “The Chancellor and the Case for Plan B” der Financial Times vom 3. Februar aus dem Zusammenhang gerissen und dazu benutzt, die eigenen reformistischen Patentlösungen zu unterfüttern.

Die beiden Sätze der Financial Times beziehen sich auf die von der Regierung beschlossenen schärfsten Haushaltskürzungen seit den dreißiger Jahren und lauten: „Weil vieles so unsicher ist, muss die Regierung in der aktuellen Situation wohl Korrekturen an ihren Plänen vornehmen. Dies nicht zu tun, wäre unvernünftig.“

Sonst sagt The Socialist nichts über den Times-Artikel. Aber im unmittelbar darauffolgenden Absatz weisen sie auf einen Kommentar des Institute for Fiscal Studies hin, in dem es heißt, die Unwägbarkeiten seien „sowohl strukturell als auch zyklisch (…) Vielleicht ist es klug, das Defizit stärker oder zügiger zu verringern. Andererseits könnte es sich als klug erweisen, weniger oder langsamer zu kürzen. Zu diesem frühen Zeitpunkt können wir das nicht wissen.“

Die Financial Times warnt die herrschende Elite hier einfach davor, alles auf eine Karte zu setzen, weil es verschiedene Möglichkeiten gebe, mit Großbritanniens strukturellem Defizit umzugehen. Die Zeitung fürchtet, es könne alles verloren gehen, sollte die Regierung nicht darauf vorbereitet sein, auch eine zweite Rezession zu meistern.

Bereits jetzt verfolgt die Koalition aus Konservativen und Liberalen einen wirtschaftlichen Plan A, während Labour und die Gewerkschaftsbürokratie einen Plan B haben, dessen Grundlage die zaghaftere Umsetzung von Kürzungen ist. Beide bezwecken den Schutz des kapitalistischen Profits, der aus der britischen und der internationalen Arbeiterklasse gezogen wird.

Der Financial Times Artikel endet mit den Worten: “Den Investoren ist bewusst, dass jedes Kürzungsprogramm öffentliche Zustimmung braucht. Einige der möglichen Korrekturen anzudeuten, würde die Vertrauenswürdigkeit erhöhen, nicht verringern. Wie heißt es bei Hamlet, ‚Bereit sein ist alles‘.“

Gestützt auf einen aus dem Kontext gerissenen Satz, versucht The Socialist die Arbeiterklasse politisch zu entwaffnen, indem er die Schwäche der Tories überbetont und gleichzeitig die politischen Aufgaben unerwähnt lässt, vor denen die Arbeiterklasse steht. Er schreibt: „… eine sehr schwache Regierungskoalition mit schlechten Umfragewerten zieht die Strippen. Die Erklärung von Schatzkanzler Osborne, es gäbe keinen ‚Plan B‘, ist nur Propaganda. Es ist ganz klar, dass die Regierung keine andere Wahl hat, als einen Plan B in Reserve zu haben.“

The Socialist macht einen ziemlich verzweifelten Versuch, seine eigene national-reformistische politische Perspektive, der zufolge nur gewerkschaftliche Militanz und Druck auf die Regierung notwendig sei, mit etwas Glaubwürdigkeit zu unterfüttern. Auf diese Weise sollten die Arbeiter und die Jugend motiviert werden, an der TUC-Demonstration vom 26. März teilzunehmen.

Die Regierung aus Tories und Liberalen habe schon gezeigt, dass sie “angesichts der Massenempörung … nachgeben kann“ schreibt The Socialist. „Innerhalb einer Woche im Februar verschob sie die Pläne zur Privatisierung der Wälder, verlängerte die in Frage stehende Finanzierung der Schuldnerberatungen um ein Jahr und warnte auf demagogische Weise die Universitäten davor, die 9.000 Pfund Studiengebühren tatsächlich einzuführen, die von derselben Regierung zwei Monate zuvor beschlossen wurden.“

Dies seien keine “großen Rückzüge”, aber sie würden doch ein Licht darauf werfen, “wie sehr sich die Regierung wegen potentieller Opposition“ sorge. David Cameron habe öffentlich eingestanden, dass es nicht möglich sei, derartige „Einsparungen umzusetzen, ohne in wichtigen Bereichen zu kürzen. Das wird uns nicht populär machen. Es wird uns unpopulär machen. Es wird mich unpopulär machen.“

The Socialist fügt hinzu: „Dem ist bereits so! Einige Umfragen zeigen, dass Cameron genauso verhasst ist wie die Eiserne Lady Maggie Thatcher es an ihrem Tiefpunkt war. Die Konservativen und Liberaldemokraten sind weit schwächer als die Regierungen der Maggie Thatcher. Und doch wurde die Eiserne Lady durch eine Massenbewegung von achtzehn Millionen Menschen zu Eisenspänen geschreddert. Sie hatten es abgelehnt, die von Thatchers Regierung beschlossene Kopfsteuer zu zahlen,. Diese Bewegung begrub die Steuer und stürzte Thatcher. Sie wurde von der Sozialistischen Partei geführt (damals noch unter dem Namen Militant).“

„Heute“, so der Socialist Worker, „kann eine solche Bewegung mit der richtigen Strategie wieder erfolgreich sein.“

Die Financial Times vermutete, dass Cameron möglicherweise auf einige “Korrekturen” eingestellt sei, damit die Mittelschichten bei der Stange bleiben. Das ist aber nicht dasselbe, wie ein von der Socialist Party vorhergesagter ungeordneter Rückzug, infolge von ‚Druck‘. Es ist auch eine wenig überzeugende Prahlerei, wenn diese Partei behauptet, Thatcher sei durch die Bewegung gegen die Kopfsteuer zu Fall gebracht worden.

Man sollte sich erinnern, dass Thatcher zu diesem Zeitpunkt bereits eine Dekade im Amt war, in der sie der Arbeiterklasse einen Schlag nach dem anderen zufügte.

Die Opposition gegen die Kopfsteuer verdeutlichte, wie unpopulär Thatcher inzwischen selbst in der Mittelschicht war, deren Unterstützung sie zuvor hatte. Das spielte bei ihrem Rücktritt natürlich eine Rolle. Aber vor allem war die Partei aufgrund großer interner Konflikte über die Wirtschafts- und Europapolitik einfach nicht in der Lage, ihr zu folgen und der Massenbewegung entgegenzutreten, wie sie es 1984 bei dem großen Bergarbeiterstreik getan hatte. Zwei Schatzkanzler gingen ihr kurz hintereinander durch Rücktritt verloren – Nigel Lawson und, weitaus schlimmer, Geoffrey Howe.

Die Tories waren unheilbar über die Frage zerstritten, wie Großbritannien das Schwinden seines Einflusses in der Welt aufhalten könne. Thatcher geriet in der Partei in die Minderheit und musste gehen.

Als die Tories Thatcher ausgewechselt und die Kopfsteuer fallengelassen hatten, wurde 1992 John Major gewählt. Es dauerte weitere fünf Jahre, bevor Major durch eine Regierung der Labour Party unter Tony Blair und Gordon Brown abgelöst wurde. Labour hatte den sozialreformistischen Paragraphen IV seines Parteiprogramms inzwischen über Bord geworfen und setzte die rechtsgerichtete Politik der Privatisierung und des sogenannten freien Marktes der konservativen Vorgängerregierung fort.

Während es einer schmalen Schicht der oberen Mittelklasse unter ihren Regierungen recht gut ging, fuhr die herrschende Elite mit einer Politik fort, deren Folge soziale Ungleichheit auf einem bisher beispiellosen Niveau war.

Die Labour-Bürokratie war nie zuvor so sehr auf die falschen Linken angewiesen wie heute. The Socialist merkt an, dass die TUC-Demonstration der Bewegung gegen die Kürzungspolitik “Luft und Zuversicht“ geben werde. Eine große Hoffnung, wo die Gewerkschaften doch nichts Konkretes für den Widerstand vorbringen!

Allein in der vergangenen Woche erlebten tausende Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, wie ihre Löhne gekürzt und ihre Arbeitsbedingungen verschärft wurden, ohne dass die Gewerkschaften einen Finger rührten.

Weiter heißt es beim The Socialist: „Das National Shop Stewards Network (NSSN), eine Organisation militanter Gewerkschafter, startete eine Anti-Kürzungs-Kampagne und appellierte an alle lokalen Anti-Kürzungs-Kampagnen sich ihm anzuschließen.“

Alles was die Socialist Party schreibt, dient dem Zweck, die Kontrolle der Gewerkschaftsbürokratie über die Arbeiterklasse aufrecht zu erhalten und der Herausbildung einer von bürgerlichen Kräften unabhängigen, sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse entgegenzuwirken. Das ist des Pudels Kern ihrer Prahlerei, „die Bewegung organisieren und ihr eine Richtung geben“ zu wollen.

Die entscheidende Funktion der revolutionären Partei ist es, die Arbeiter mit einer marxistischen, das heißt wissenschaftlichen historischen Perspektive und einem revolutionären Programm zu bewaffnen, das zum Sturz des Kapitalismus und zur Errichtung einer Arbeiterregierung unabdingbar ist. Es gibt dafür keine Garantien. Sicher ist allerdings, dass die Bourgeoisie die Menschheit immer tiefer in die Katastrophe führt, wenn die Arbeiterklasse nicht auf Grundlage ihres sozialistischen Programms in den historischen Prozess eingreift.

Ja, die konservative Koalition aus Tories und Liberalen ist politisch schwächer als die Thatcher-Regierung vor zwanzig Jahren. Das liegt daran, dass die Stellung des britischen Imperialismus selbst maroder ist als damals. Aber infolge der jahrelangen Verrätereien der Gewerkschaftsbürokratie hat auch die Arbeiterbewegung eine schwächere Position als damals.

Die herrschende Klasse fühlt sich durch die scheinbare Unfähigkeit der Arbeiterklasse, ihren Angriffen zu widerstehen, ermutigt. Die in Eton erzogene Bullingdon-Clique am Steuer der konservativ-liberaldemokratischen Koalition sieht ihre Zeit gekommen. Sie hat Großbritannien in einen weiteren Krieg gezogen. Die Wirtschaftskrise wurde für sie zum Argument, um tausende Arbeitsplätze zu streichen und Löhne zu kürzen, während die Verursacher der Krise – die Banker - Millionen Bonuszahlungen einstreichen. Am Nationalen Gesundheitsdienst und bei den sozialen Diensten wurden umfangreiche Kürzungen und Privatisierungen durchgeführt.

Die Angriffe auf demokratische Rechte werden verschärft. Beispielsweise stärkt Innenministerin Theresa May das Recht der Polizei und der Streitkräfte, ohne Anlass Personen anzuhalten und zu durchsuchen.

Der Kapitalismus selbst ist die Ursache der Krise, nicht die Arbeiterklasse. Aber um die Angriffe abzuwehren, deren Ziel es ist, die Lasten der Krise auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen, müssen die Arbeiter ihre eigene revolutionäre Führung aufbauen, die Socialist Equality Party.

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