Perspektive

General Petraeus und die CIA

Ein hoher Vertreter der Obama-Regierung bestätigte am Mittwoch Medienberichte über eine größere Personalrochade im amerikanischen Militär- und Sicherheitsapparat. Der Oberkommandierende der amerikanischen Besatzungstruppen in Afghanistan, General David Petraeus, wird Direktor der CIA, während der gegenwärtige CIA-Direktor Leon Panetta die Position von Verteidigungsminister Robert Gates übernehmen wird, der das Pentagon Ende Juni verlässt.

Der 58-jährige Vier-Sterne-General wird offenbar seinen Dienst in der Armee quittieren, bevor er sein Amt an der Spitze des wichtigsten amerikanischen Geheimdienstes antritt. Dennoch ist seine Ernennung ein erneutes Zeichen für die unaufhaltsam wachsende Integration und Macht des militärisch-geheimdienstlichen Komplexes. Dieser Staat im Staat spielt in der Regierung eine immer größere Rolle.

Der CNN-Nachrichtendienst zitiert Quellen, die die bevorstehende Ernennung begrüßen. Ein Kommentator lobte: „[Die Ernennung] bereichert die Nachrichtendienste mit der Perspektive eines kriegführenden Kommandeurs.“

Andere wurden mit der Bemerkung zitiert, Petraeus habe nie den obersten militärischen Posten als Generalstabschef angestrebt. „Lieber sei ihm, ‚ein Kommando’ zu haben, als die Rolle als Präsidentenberater zu spielen, die der Oberkommandierende bisher ausfüllt, sagen die Quellen.“

Der CIA-Posten, fügt CNN hinzu, “gibt ihm eine wichtige Kommandoposition, die ihn der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit eher entzieht, was angesichts seiner starken Persönlichkeit wichtig sein könnte“.

Diese Argumente der Medien zugunsten von Petraeus’ Ernennung sind ein Maßstab dafür, wie tief das demokratische Selbstverständnis im ganzen herrschenden Establishment gesunken ist. Dass jemand, der die Macht eines unabhängigen Kommandos einer Beraterfunktion an der Seite eines gewählten Präsidenten vorzieht, an die Spitze eines mächtigen Geheimdienstes gestellt wird, der „den Blicken der Öffentlichkeit entzogen ist“, sollte die Alarmglocken läuten lassen.

Noch ehe Obama die Präsidentenwahl 2008 gewonnen hatte, bestätigte er Petraeus als Kommandeur der US-Truppen im Irak. Dies war ein früher Hinweis auf die Entschlossenheit des „Kandidaten des Wandels“, die kriminellen Aggressionskriege fortzusetzen, die sein Vorgänger George W. Bush begonnen hatte.

Unter Bush verachteten viele hohe Offiziere Petraeus als politischen General und Speichellecker des Weißen Hauses. Er war der Architekt der „Surge“-Politik im Irak, die Obama angeblich ablehnte. Damals unterstützte der Demokratische Kandidat offiziell noch einen festen Zeitplan für den Rückzug amerikanischer Truppen, den Petraeus ablehnte. Dennoch unterwarf sich Obama als Präsident der Politik des Generals, der noch von Bush zum Chef von Centcom befördert worden war, und der in dieser Position die Verantwortung für die Kriege im Irak und in Afghanistan/Pakistan und für militärische Operationen im Jemen trug.

Petraeus steht im amerikanischen Militär für den Kult der Aufstandsbekämpfung, auch COIN genannt. Sie sollte angeblich darauf abzielen, die „Herzen und Köpfe“ zu gewinnen und „nicht-kinetischen“ Aktionen den Vorzug zu geben.

In der Praxis besteht diese aufgeblasene Doktrin im Wesentlichen aus der Bestechung eines Teils der feindlichen Bevölkerung im Irak und in Afghanistan, während jene, die weiterhin Widerstand leisten, ermordet und abgeschlachtet werden. Weder im Irak noch in Afghanistan hat sie sich als effektive Strategie erwiesen, um die unversöhnliche Feindschaft der Bevölkerung gegen die neokoloniale ausländische Besatzung zu überwinden.

Als Petraeus von General Stanley McChrystal, dem ehemalige Kommandeur der Sonderoperationen, das Oberkommando in Afghanistan übernommen hatte, weitete er die Gewaltanwendung aus, vervierfachte die Lufteinsätze und verstärkte die nächtlichen Hausdurchsuchungen, bei denen es die meisten zivilen Opfer gab.

Politiker befürworten Petraeus’ Ernennung zum CIA-Chef mit dem Argument, dass seine blutigen Taten als hoher militärischer Kommandeur im Irak und in Afghanistan von parallel verlaufenden Operationen der CIA ergänzt worden seien. Er sei mit diesen Operationen eng vertraut und bestens darauf vorbereitet, ihre Leitung zu übernehmen. Er kann der Zustimmung der Republikaner sicher sein.

Zu diesen Taten gehört der Predator-Drohnen-Krieg gegen Pakistan. Die unbemannten Flugkörper der CIA haben seit 2004 schon fast 250 Schläge ausgeführt und dabei über 2.300 Menschen getötet, die meisten davon Zivilisten.

Die Operationen der CIA-Abteilung für Sonderaktivitäten sind unter der Obama-Regierung deutlich ausgeweitet worden, und ihre Mitglieder, viele von ihnen ehemalige Special Forces und andere militärische Sondertruppen, sind im Irak, In Afghanistan, Pakistan, dem Jemen und jetzt in Libyen im Einsatz.

Der Einsatz dieser Kräfte hat den Vorteil, dass er geheim erfolgt. Die CIA lehnt grundsätzlich ab, sich zu diesen Aktivitäten zu äußern. Ihr Umfang wird der amerikanischen Öffentlichkeit systematisch verschwiegen.

Die Ernennung von Petraeus zum Chef der CIA signalisiert eine weitere Militarisierung eines Dienstes, der jetzt schon im In- und Ausland enorme Macht ausübt.

In seinen ersten zweieinhalb Monaten im Amt beugte sich Obama dieser geheimen Behörde. Zuvor hatte es Beschwerden gegeben, weil er die so genannten Foltermemos veröffentlicht hatte, mit denen das Weiße Haus unter Bush und das US-Justizministerium eine pseudo-juristische Rechtfertigung für die Anwendung von Waterboarding und anderen kriminellen Foltermethoden geliefert hatten.

Nach einem Bußgang zur CIA-Zentrale in Langley, Virginia, und praktisch einer Entschuldigung bei ihrem Personal bot Obama umfassenden Schutz vor Strafverfolgung für alle an, die an Folter, außerordentlichen Überstellungen und anderen zur Zeit der Bush-Regierung begangenen Verbrechen beteiligt waren. Er wies mehrfach Juristen des Justizministeriums an, sich vor Gericht auf Staatsgeheimnisse zu berufen, um die Aufklärung von Verbrechen zu verhindern.

Harry Truman kommentierte, als er schon im Ruhestand war: “Ich hätte der Bildung der Central Intelligence Agency 1947 bestimmt nicht zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass sie zu einer amerikanischen Gestapo werden würde.“

Heute ist die Behörde schon weit über die „Murder, Inc.“ (Mord GmbH) hinausgegangen, als die sie in den 1960er und 1970er Jahre wegen diverser Mordanschläge und Stellvertreterkriege berüchtigt war. Dazu zählen die Invasion in der Schweinebucht auf Kuba, der Bürgerkrieg in Angola, der Contra-Terror in Nicaragua und der islamistische Aufstand in Afghanistan.

Heute werden die CIA-Morde mechanisiert und vorprogrammiert durch Männer ausgeführt, die vor Computerbildschirmen in Langley, Virginia, sitzen und Hellfire-Raketen in verarmte Dörfer lenken, die Tausende Meilen entfernt sind.

Die CIA entsendet eigene Mordarmeen und rekrutiert sogar große Söldnerkontingente und private Killertruppen.

Dieser wachsende und immer stärker verschlungene Komplex aus Streitkräften und Geheimdiensten beeinflusst die US-Administration unabhängig davon, welche der zwei Wirtschaftsparteien gerade an der Regierung ist. Er droht immer größere kriminelle Gräueltaten im Ausland zu begehen und Polizeistaat und Diktatur im Inland einzuführen. Die Finanzkrise und immer größere soziale Ungleichheit führt dazu, dass die herrschende Finanzoligarchie in den USA immer stärker von diesem repressiven Apparat abhängig wird.

Die Arbeiterklasse muss diese Bedrohung mit einer Gegenoffensive beantworten. Sie muss die Gesellschaft sozialistisch umgestalten und den so genannten nationalen Sicherheitsapparat auflösen, der aus CIA, NSA, FBI und anderen Geheimdiensten und dem Militär besteht.

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