Berlin: Große Unterstützung für Wahlkampagne der PSG

In knapp vier Wochen hat die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) über 2.000 Unterstützungsunterschriften für ihre Teilnahme an der Berliner Abgeordnetenhauswahl gesammelt.

PSG-Mitglieder und Wahlhelfer organisierten eine intensive Kampagne an Jobcentern, Supermärkten und zentralen Plätzen in Berlin und führten dabei mit vielen Wählerinnen und Wählern ausführliche und oft sehr interessante Gespräche.

Dabei wurde deutlich, wie stark die Ablehnung aller offiziellen Parteien ist. SPD und Linkspartei, die seit zehn Jahren in Berlin die Landespolitik bestimmen und einen verheerenden Sozialabbau durchgesetzt haben, sind bei vielen Wählern regelrecht verhasst. Aber auch die Erinnerung an die Vetternwirtschaft der CDU ist noch frisch; auch diese Partei wird abgelehnt.

In vielen Gesprächen musste deutlich gemacht werden, dass sich die PSG der ganzen offiziellen Politik widersetzt. Das Argument, man müsse sich den wirtschaftlichen und politischen Sachzwängen anpassen, das von allen Parteien unterstützt wird, lehnt die PSG entschieden ab. In ihrem Wahlaufruf heißt es: „Die Behauptung, es gebe zu Sozialkürzungen keine Alternative, bildet den politischen Handlungsrahmen aller Parteien und Gewerkschaften. Die Partei für Soziale Gleichheit sieht darin eine Bankrotterklärung des Kapitalismus. Ein Gesellschaftssystem, das nur noch bestehen kann, indem es die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung zerstört, hat seine Existenzberechtigung verloren.“

Auch eine andere Kernaussage des PSG-Wahlaufrufs stieß auf Interesse und Zustimmung: „Es genügt nicht, Reformen anzustreben und um Almosen zu betteln. Es ist notwendig eine gesellschaftliche Umwälzung vorzubereiten, in deren Mittelpunkt die Enteignung der großen Konzerne und Banken steht. Nur so können die Voraussetzungen für eine demokratische Kontrolle über alle wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen geschaffen werden.“

Dass die PSG, die noch nicht im Abgeordnetenhaus oder dem Bundestag vertreten ist, 2.200 Unterstützungsunterschriften sammeln muss, um auf dem Wahlzettel zu erscheinen, wurde von vielen als bürokratische Schikane betrachtet. Die Unterzeichner müssen ihren vollständigen Namen, ggf. auch den Geburtsnamen, ihr Geburtsdatum und ihre aktuelle Anschrift angeben. Die Bezirkswahlämter prüfen diese Angaben auf jedem einzelnen Formblatt und lehnen oft schon bei einer undeutlich geschrieben Adresse die Unterschriftsbestätigung ab.

Besonders viele Unterschriften werden aus Gründen fehlender Staatsbürgerschaft abgelehnt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der reaktionäre Charakter des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts deutlich. Viele ausländische Arbeiter, die oft schon seit dreißig oder vierzig Jahren in Deutschland leben, hier ihre Steuern bezahlen und ihre Kinder groß gezogen haben, dürfen immer noch nicht wählen.

Die PSG hat in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln auch Kandidatenlisten für die Bezirksversammlungen (diese entsprechen in anderen Bundesländern in etwa Kreistagen bzw. Kommunalvertretungen) aufgestellt. Für diese Listen müssen jeweils zusätzlich 185 Unterschriften gesammelt werden.

Vor dem Jobcenter in Marzahn/Hellersdorf Vor dem Jobcenter in Marzahn/Hellersdorf

Ein Schwerpunkt der bisherigen Kampagne war vor den Jobcentern, an denen sich oft sehr lange Schlangen bilden, wie hier vor dem Jobcenter in Marzahn/Hellersdorf. Arbeitslose müssen hier oft lange warten, um ihre Angelegenheiten zu regeln, Unterstützung bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche zu erhalten oder auch nur eine einfache Auskunft zu bekommen. Nicht selten sind sie Schikanen der Arbeitsvermittler und anderen Beamten ausgeliefert.

Einige Arbeitslose machten ihrem Unmut Luft.

Marianne Marianne

Marianne hat vor einem Jahr ein Kind bekommen und möchte nun wieder in ihren Beruf einsteigen. Sie hatte früher als Betreuerin für geistig behinderte Menschen gearbeitet und will auch jetzt unbedingt wieder in diesem Bereich eine Arbeit finden, da sie darin ihre Lebensaufgabe sieht.

Sie sagt, dass es alles andere als leicht sei, den Wiedereinstieg in den Beruf zu schaffen. Ihre verschiedenen Jobberater würden ihr auch jedes Mal etwas anderes erzählen. Ein weiteres Problem sei, dass sie seit einem halben Jahr ein angerissenes Kreuzband habe, als Pflichtversicherte aber nicht angemessen versorgt, von Arzt zu Arzt geschickt und nicht operiert werde.

Gemeinsam mit ihrem Freund, der bei Edeka arbeitet, berichtet sie über ihre bisherigen Erfahrungen. Als sie einmal beide gleichzeitig arbeitslos gewesen seien, hätten sie mehr Geld gehabt als jetzt. Marianne hatte auch einmal in einem 1,50-Euro-Job arbeiten müssen. Sie habe sich extreme Mühe gegeben bei ihrem Job, um zu zeigen, dass sie wirklich arbeiten wolle. Wie viele habe sie gehofft, am Ende übernommen zu werden. Dazu komme es aber nur sehr selten. Letztlich würde man bei diesen Jobs behandelt wie ein Sklave.

Tim Tim

Tim ist 36 und arbeitet seit zwei Jahren als Rotationskraft. Er erzählt, dass es aufgrund des Billiglohnsektors immer schwieriger werde, einigermaßen vernünftig bezahlte Arbeit zu finden, da die Arbeitgeber lieber 1,50 Euro als 6,50 Euro die Stunde bezahlten. Gleichzeitig stiegen die Preise stetig, während die Löhne gleich blieben.

Vor seinem jetzigen Job hatte Tim in Leasingfirmen gearbeitet. Diese Zeit bezeichnet er als reine Ausbeuterei und Sklavenarbeit. Die meiste Zeit musste er zu Hause sitzen und auf Angebote warten. Dabei musste er immer auf dem Sprung sein, falls wirklich einmal eine Stelle frei war. Er stimmt zu, dass eine Gesellschaft ihre Existenzberechtigung verloren hat, welche die Lebensgrundlage der großen Mehrheit der Bevölkerung und wesentliche Grundrechte nicht mehr garantieren kann, wie das Recht auf Arbeit, auf eine angemessene Entlohnung, auf Wohnung und auf Bildung.

Silvana und Ricky Silvana und Ricky

Silvana und Ricky haben zwei Kinder. Ricky hat vor drei Monaten seinen Job als Kaufhausdetektiv verloren, weil er drei Tage lang krank war. Da Silvana ihr drittes Kind erwartet, müssen sie umziehen, aber vom Jobcenter bekommen sie bei ihrer Wohnungssuche kaum Unterstützung. Als sie beispielsweise einmal eine passende Wohnung gefunden hatten, zögerte das Amt so lange mit seiner Antwort auf den Antrag, dass es am Ende zu spät und die Wohnung bereits vergeben war.

Sie beschweren sich außerdem, dass, nachdem sie einen Antrag auf Mehrbedarf gestellt hatten, eine Dame vom Jobcenter nun permanent zu ihnen nach Hause komme, um zu überprüfen, ob ihre Angaben richtig waren. „Sie schreibt uns vor, wie wir unsere Wohnung einzurichten haben, wie ich sparsamer leben soll“, sagt Silvana. Es müsste ein Schikaneverbot für alle Beamten geben.

Daniel P. ist 42 Jahre alt und hatte einen Herzinfarkt sowie zahlreiche Operationen an Knien und Wirbelsäule, außerdem leidet er an Diabetes. Er ist praktisch arbeitsunfähig, erhält aber dennoch keine Rente. Vom Arbeitsamt aus musste er eine einjährige Umschulung zur Bürofachkraft machen, was von vornherein eine reine Farce war, da man mit dieser Qualifizierung so gut wie keine berufliche Zukunft hat.

„Das Ganze war von Anfang an unrealistisch. Alles, was man dort gelernt hat – Faxe abschicken, kopieren, u.s.w. – machen die Arbeitgeber entweder selbst oder sie übergeben diese Aufgaben Praktikanten. Aber man fällt für dieses Jahr natürlich aus der Arbeitslosenstatistik raus.“

Auf die Frage, welche gesellschaftlichen Probleme seiner Meinung nach für solche Zustände verantwortlich seien, antwortet er: „Die soziale Polarisierung. Es gibt keine Mittelschicht mehr, nur noch Arm und Reich. Viele können, selbst wenn sie arbeiten, nicht von ihrem Gehalt leben. Ein Bekannter von mir verdient 600 Euro netto im Monat. Wenn ich arbeite, dann möchte ich doch wenigstens mehr Geld haben, als wenn ich vom Staat abhängig bin.“

Joan Joan

Joan, 22, ist Jura-Studentin in Frankfurt an der Oder. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die mit ihrem Minijob etwas mehr als 300 Euro im Monat verdient, und ist daher immer noch auf staatliche Unterstützung angewiesen. Den Unterhalt bestreiten sie gemeinsam aus dem kümmerlichen Lohn, staatlichen Zuschüssen und dem Bafög, das Joan erhält. Zum Leben bleiben beiden am Ende nicht mehr als 800 Euro monatlich.

Eigentlich müssten sie noch mehr Geld erhalten, da Joan in Frankfurt in einem Studentenwohnheim untergebracht ist. „Das interessiert die aber natürlich nicht. Das Problem ist, dass man ja auch nicht dagegen klagen kann. Die Gerichte sind vollkommen überfordert, da praktisch jeder Zweite nicht das erhält, was ihm zusteht.“

Joan hat bereitwillig ihre Unterstützungsunterschrift gegeben, nachdem ihr erklärt wurde, wofür die PSG eintritt. Sie denkt, dass die Probleme in Berlin und der massive Sozialabbau der letzten Jahre offensichtlich sind. „Wenn es so weiter geht wie jetzt, wird die Bevölkerung hier zunehmend verarmen.“

Sie weist auf die lange Schlange vor dem Amt, und fragt: „Glaubst du etwa, dass diese Menschen mit ihrem Leben glücklich sind? Es geht für jeden nur noch darum, wie er morgen über die Runden kommt, ob genug Geld da sein wird, um das Kind zu versorgen. Soziale Proteste stehen uns sicher bevor und sie sind auch notwendig. Die Leute sind wütend. Es darf nicht sein, dass sich alles um die Frage dreht, ob man genug Geld zum Leben hat. Einen gesellschaftlichen Umsturz halte ich für eine gute Idee.“

Ein Mitglied der PSG berichtet über seine bisherigen Erfahrungen beim Unterschriftensammeln: „Wir haben festgestellt, dass die meisten, dir wir nach einer Unterschrift für die PSG fragten, keiner Partei im Abgeordnetenhaus vertrauen, angefangen bei CDU und FDP über SPD und Grüne bis hin zur Linken. Ein häufiger Kommentar war: ‚Wenn man die in einen Sack steckt und drauf haut, dann trifft man immer den Richtigen.’

Bei Vielen war die Verbitterung über die Politik des rot-roten Senats so groß, dass sie überhaupt nichts mehr mit irgendwelchen Parteien zu tun haben wollten und die PSG gleich mit in Haftung nahmen.

Erst wenn wir erklärten, dass wir in völligem Gegensatz zu den anderen Parteien stehen und das Profitsystem nicht, wie die Linke, verteidigen, sondern abschaffen wollen, änderte sich die Haltung meistens und wir bekamen die Unterschrift.

Im Unterschied zu früheren Wahlkampagnen war auffallend, dass ein sozialistisches Programm für die meisten Leute kein Schreckgespenst mehr ist, wie das gelegentlich vor einigen Jahren noch der Fall war. Besonders die Entmachtung der Banken und der großen Konzerne und ihre demokratische Kontrolle durch die breite Bevölkerung, wie sie in unserem Wahlaufruf gefordert wird, fand große Unterstützung und war für zahlreiche Arbeiter der entscheidende Grund, uns ihre Unterschrift zu geben.“

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