Roger Cohen von der New York Times überhäuft Rupert Murdoch mit Lob

Roger Cohen, Journalist bei der International Herald Tribune und der New York Times hielt es für nötig, Rupert Murdoch am 11. Juli in seiner Kolumne mit dem Titel „In Defense of Murdoch“ (Zur Verteidigung Rupert Murdochs) mit Lob zu überhäufen.

In dem Aufsatz bezeichnete Cohen den milliardenschweren Medienmogul als „lebendig, kräftig, lautstark und relevant“, als einen „Visionär“, der „entschlossen ist, Risiken einzugehen“ und für „mutige und packende Zielstrebigkeit“ steht, als „eine Naturgewalt“, und als „rastlosen“ Innovativen, und attestierte ihm, er praktiziere „kompromisslosen Journalismus“ und „liebe einen Knüller “.

Cohens freundschaftliche Gefühle kommen nicht überraschend. Er erklärt in der Kolumne, dass er von Murdoch sehr „beeindruckt war“, als er sich vor 21 Jahren mit ihm traf, um ein Porträt von ihm für das New York Times Magazine [Sonntagsausgabe der New York Times im Magazinformat] zu schreiben.

In diesem Artikel „Rupert Murdoch’s Biggest Gamble“ (Rupert Murdochs größtes Wagnis) vom 21. Oktober 1990, hielt sich Cohen mit Lob auch nicht zurück. Damals schrieb er über Murdoch „Man muss sich ihn wie einen begabten Jongleur vorstellen, der Tricks erfindet, die die Welt bisher nicht für möglich gehalten hätte.“

Cohen war sichtlich entzückt und ist es immer noch.

Er hat sich einen ungewöhnlichen Moment ausgesucht, um seine Solidarität und Sympathie für Murdoch zu erklären. Der gegenwärtige Abhörskandal in Großbritannien hat Murdochs Medienkonzern als einen Sumpf aus Illegalität und Korruption entlarvt. Murdochs Journalisten haben sich schwere kriminelle Aktivitäten zuschulden kommen lassen. Unter anderem haben sie den ehemaligen Premierminister Gordon Brown zehn Jahre lang ausspioniert, sein Telefon angezapft, sich Zugang zu Bankkonten, Gerichts- und medizinischen Akten verschafft. Bisher sind etwa 4.000 Opfer des Skandals bekannt. Wenn die Ermittlungen konsequent betrieben würden, würden sie zweifellos bis ganz an die Spitze führen.

In den Jahren bei der Times und der International Herald Tribune hat sich der gebürtige Brite Cohen ein Image von Weltgewandtheit und Kultiviertheit aufgebaut. Trotz seiner offensichtlichen Ergebenheit gegenüber dem kapitalistischen freien Markt und seiner Standesdünkel sollten die Leser denken, dass er durch seine Weltgewandtheit einen irgendwie „progressiven“ Standpunkt vertrete. Wie zahlreiche Kommentare auf der Web Site der Times zeigen, war es für manche ein Schock, dass er sich hinter Murdoch stellte.

Murdoch, der zahlreiche Zeitungen und Medienunternehmen besitzt, ist einer der verhasstesten Menschen der Welt. Er ist ein eingefleischter Gegner von Demokratie und Arbeiterrechten, ein offener Bewunderer diktatorischer Regimes, manipuliert hinter den Kulissen das politische Geschehen in mehreren Ländern (unter anderem spielte er eine Rolle im Wahlbetrug bei der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2000), ein berüchtigter Kriegstreiber mit dem Blut unzähliger Menschen an den Händen, und verkörpert – in einem Ausmaß wie nur ein einzelner Mensch dazu in der Lage ist – eine ganze Periode politischer und sozialer Reaktion.

Gäbe es einen wirklich unabhängigen und aufrichtigen internationalen Strafgerichtshof, würde Murdoch vor diesem angeklagt werden wegen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – alleine schon für seine Beihilfe zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan.

Der Aufstieg von Murdochs Medienimperium ging einher mit dem scharfen Rechtsruck der Konsenspolitik der herrschenden Elite und erleichterte sie bis zu einem gewissen Grad, besonders in den USA und Großbritannien. Er war ein lautstarker Verfechter der rücksichtslosen Politik des „freien Marktes“, wie sie Ronald Reagan und Margaret Thatcher vertraten; diese Politik, trug dazu bei, die Wirtschaft beider Länder an den Rand des Ruins zu treiben und das Leben von Millionen von arbeitenden Menschen zu zerstören. Aus dem darauf folgenden gesellschaftlichen Chaos machte Murdoch ein Vermögen, indem er an die niedrigsten und wirrsten Gefühle appellierte.

Roger Cohen schreibt für die New York Times, die führende liberale Zeitung in Amerika, und ein Konkurrenzunternehmen von Murdochs Konzern. Der Kolumnist drückt auf höfliche Weise aus, dass er bei einer Reihe von Themen nicht mit Murdoch übereinstimmt „vom Klimawandel bis zur Situation im Nahen Osten.“ Es gibt jedoch etwas, was diese Meinungsverschiedenheiten außer Kraft setzt. Cohen behauptet, er bewundere an Murdoch dessen „Verachtung für Eliten, bequeme Establishments und Kartelle“; das kann nicht ohne Verachtung zurückgewiesen werden.

Egal wie sehr diese Selbstinszenierung als Rebell gegen das Establishment sich mit Murdochs eigenem Selbstbild deckt, es hat wenig mit der Realität zu tun. In seinen Anfangstagen hat sich der zukünftige Medienmogul zweifellos mit einigen Etablierten angelegt. Allerdings hat er, wahrscheinlich wie keine andere Person in der Geschichte, danach gestrebt, sein eigenes Medienmonopol zu etablieren und seine ultrarechten Standpunkte anderen aufzuzwingen. Wenn Murdoch es durchsetzen könnte, dann stünde der Bevölkerung der ganzen Welt keine andere Meinung mehr zur Verfügung als seine und die seiner Kumpane.

Seine Medien sind dafür berüchtigt, Lügen, Verleumdungen und Skandale zu verbreiten. 1980 nannte die sonst eher zurückhaltende journalistische Fachzeitschrift Columbia Journalism Review, Murdochs New York Post in einem Kommentar „…nicht mehr nur ein journalistisches Problem. Sie ist ein gesellschaftliches Problem – eine Kraft des Bösen.“

Cohens schmeichelhafte Beschreibung von Murdoch als angeblich „dynamischem und lautstarkem“ Feind des Status Quo und all jenem, das einer „mutigen und packenden Zielstrebigkeit“ im Wege steht, hat unheilvolle Untertöne. Im 20. Jahrhundert verwendeten rechtsextreme Bewegungen diese Art von Sprache, um die bürgerliche Demokratie und ihre Institutionen mit Gewalt abzuschaffen und eine autoritäre Herrschaft zu etablieren. Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels erklärte beispielsweise, seine Bestrebungen seien „im Prinzip aktiv und revolutionär… Effektive Propaganda vermeidet jede Form von Bürokratie. Sie erfordert blitzschnelle Entscheidungen, hellwache Kreativität und unerschöpflichen Erfindungsreichtum.“ Was treibt Cohen da?

Der Times-Kolumnist überschlägt sich geradezu, um zu befürworten, wie Murdoch 1986 „in Wapping [in London] die Gewerkschaften klein gekriegt hat“. Er nennt dies „entscheidend für die Vitalität des Zeitungsgeschäfts“. Das ist keine Belanglosigkeit; es zeigt die Entwicklung und die Perspektive von sozialen Schichten, die in den letzten 30 Jahren auf Kosten der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung reich geworden sind.

Die Zerstörung von Tausenden von Stellen in Murdochs Verlag News International im Zeitraum zwischen 1986 und 1987, die brutalen Angriffe auf Streikposten in Wapping während des einjährigen Streiks und schließlich die Kapitulation der Gewerkschaften waren ein Wendepunkt in den Anstrengungen der herrschenden Elite Großbritanniens, den Widerstand der Arbeiterklasse zu zerschlagen und ihren Lebensstandard drastisch zu senken. Es trug auch dazu bei, eine, wie einer der Journalisten, die sich Murdoch widersetzten, es nannte, „willfährige und konfliktscheue Presse“ zu schaffen.

Bei Personen wie Cohen weiß man nie, ob echte Überzeugung oder einfach Opportunismus die entscheidende Rolle spielt. Er weiß es vermutlich selbst nicht. Jeder, der in der Lage ist, den widerlichen Murdoch zu bewundern, ist weit entfernt davon, irgendeine Form von festen Prinzipien zu besitzen, abgesehen von der Verehrung von Reichtum und Macht. Genau wie das Führungspersonal der New York Times insgesamt himmelt Cohen einerseits das ultrarechte Murdoch-Imperium an, andererseits fürchtet er es. Der Artikel ist sowohl ein Lobgesang als auch ein Friedensangebot. Er bewundert die, die auf anderen herumtrampeln, und hofft, seine Schmeichelei hindere sie daran, auch auf ihm herumzutrampeln.

Warum aber hat Cohen letztendlich eine solche hohe Meinung von Murdoch? Es ist nicht der persönliche Charme oder das Charisma des Magnaten, sondern die Tatsache, dass er die Periode und die Methoden verkörpert, durch die der Times-Journalist und seinesgleichen zu Reichtum und Wohlstand gekommen sind.

Diese obere Mittelschicht profitierte vom Boom des Aktienmarktes, des Immobilienmarktes und der Unternehmensgewinne in den letzten Jahrzehnten. Wie David Denby, der Filmkritiker der Zeitschrift New Yorker, in seinem Buch American Sucker über die 1990er schreibt: „Es hat sich nicht nur finanziell etwas geändert, sondern auch kulturell. Liberale wie ich waren überrascht, wie die Reste ihrer Abneigung gegenüber dem Kapitalismus verschwanden, sich in unwillige Toleranz verwandelten, und schließlich nach und nach in offene Bewunderung… Jetzt wusste auf einmal jeder, der etwas Verstand hatte, dass unser Wirtschaftssystem viel besser war als jedes andere. Es hat sicherlich einige von uns wohlhabend gemacht.“

Genau wie die anderen kleinbürgerlichen Feld-, Wald- und Wiesen-Philister, kann Cohen Murdoch als rücksichtlosen und „risikofreudigen“ Menschen bewundern, aber das würde keine große Bedeutung haben, wäre er nicht viel mehr geblendet von Murdoch als gesellschaftlichem Prinzip. Cohen liebt vor allen Dingen niedrige Löhne, die Unterwürfigkeit der Unterdrückten, die wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft der USA, und seine eigene privilegierte Stellung.

Die Kolumne vom 11. Juli sagt uns wesentlich mehr über die Entwicklung von Cohen und der New York Times sowie die sozialen Verhältnisse in den USA insgesamt als über Rupert Murdochs reale oder mutmaßliche Vorzüge. Sie ist ein Selbstporträt des zeitgenössischen Liberalismus, der durch Unsummen von Geld unwiederbringlich korrumpiert ist. Cohen lebt jetzt in London. Mit wem verkehrt er? Der schädliche Einfluss von enormem Reichtum auf die Gesellschaft ist ihm völlig gleichgültig, er ist eins damit geworden.

Diese „Sorte“ von Journalisten, wie man sie bei der Times findet, und es gibt Tausende von ihnen, identifiziert sich immer offener mit der Plutokratie, verachtet die normale Bevölkerung und hält immer mehr nach einem „mutigen“ und „visionären“ starken Mann Ausschau, der für Ordnung sorgt.

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