Perspektive

Libyen: Der Imperialismus zeigt seine Verbrechervisage

Der Libyenkrieg der Nato, der vor fünf Monaten begann, war von Anfang an kriminell und imperialistisch. Nun artet er in eine öffentliche Kopfjagd aus, bei der Spezialkräfte und Geheimdienstmitarbeiter den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi zu Tode hetzen.

Von Anfang an bestand das wichtigste Ziel dieses Krieges darin, die Kontrolle über Libyens Ölvorkommen zu erlangen. Zudem wollte man der Massenbewegung in Nordafrika die Macht des Imperialismus demonstrieren, um sie zum Schweigen zu bringen und zu zerstreuen. Die gestürzten Regimes von Mubarak in Ägypten und Ben Ali in Tunesien hatten beide die Unterstützung der USA und der Nato genossen.

Die Nato nennt ihre Angriffe auf Libyen „Operation United Protector“ (Operation Vereinter Beschützer). Ein passenderer Name wäre wohl „Operation imperialistische Gruppenvergewaltigung“. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien, die jeweils ihre eigenen Interessen in Libyen verfolgen, arbeiteten hier zusammen, um einen „Regimewechsels“ zu erreichen.

Für dieses Ziel haben Nato-Kampfflugzeuge über zwanzigtausend Kampfeinsätze geflogen. Dabei wurden Schulen, Krankenhäuser und Wohnhäuser zerstört. Zahllose libysche Soldaten, viele davon junge Wehrpflichtige, wurden getötet.

In Missachtung der Vorgaben der UN-Resolution, die nur erlaubt, zu „allen nötigen Mitteln“ zu greifen, um die Zivilbevölkerung zu schützen, schickten die Nato-Mächte (USA, Frankreich und Großbritannien) Spezialkräfte, von Privatfirmen angeheuerte Söldner und Agenten, um die sogenannten „Rebellen“ zu bewaffnen, zu organisieren und zu führen. Die Hauptaufgabe der „Rebellen“ war es dabei, die libyschen Truppen in offene Kämpfe zu verwickeln, sodass sie durch Luftangriffe aufgerieben werden konnten.

Wie obszön ist der moralische Vorwand, es ginge in diesem Krieg um den Schutz der Zivilbevölkerung! In Wirklichkeit gehen die Opferzahlen in Tripolis in die Tausende, und weiterhin fallen Bomben und Raketen der Nato auf dicht besiedelte Gebiete.

Erinnern wir uns an die 1930er Jahre. Damals steckte der Weltkapitalismus, genau wie heute, in einer tiefen Wirtschaftskrise. Damals war die Menschheit schockiert, mit welcher Brutalität Italien Äthiopien angriff; wie rücksichtslos Hitler in die Tschechoslowakei einmarschierte und sich dabei auf die Sudetendeutschen stützte; wie die deutsche Legion Condor in Spanien wütete und die Revolte der Francofaschisten mit Bomben aus der Luft unterstützte.

Damals galten diese brutalen Akte der Aggression als Ausdruck dafür, dass der Weltkapitalismus in die Barbarei abglitt. Heute werden in Libyen ähnliche Taten zu einem Aufblühen von „Humanität“ und „Demokratie“ verklärt.

Damals appellierte US-Präsident Franklin Delano Roosevelt an die demokratischen Empfindungen des amerikanischen Volkes, als er die Ächtung der faschistischen Aggression forderte, – wobei er die USA natürlich auf die eigenen imperialistischen Ziele vorbereitete.

Im Jahr 1937 sagte Roosevelt: „Ohne Kriegserklärung, ohne Warnung oder irgendeine Form von Rechtfertigung werden Zivilisten, unter ihnen viele Frauen und Kinder, gnadenlos aus der Luft mit Bomben ermordet. (…) Nationen schüren und beteiligen sich an Bürgerkriegen in andern Nationen, die ihnen nie etwas getan haben. Nationen fordern Freiheit für sich selbst und verweigern sie den anderen. Unschuldige Völker, unschuldige Nationen werden auf grausame Weise der Gier nach Macht und Überlegenheit geopfert, ohne jeden Sinn für Gerechtigkeit und Rücksicht auf die Menschlichkeit.“

Diese Worte, vor einem Dreivierteljahrhundert ausgesprochen, lesen sich wie eine Anklage an die Regierungen von Obama, Cameron, Sarkozy und Berlusconi.

In den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg galt der Angriffskrieg als „größtes internationales Verbrechen, das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, dass ihm das gesamte Übel innewohnt“.

Diese Ansicht beeinflusste auch die Vereinten Nationen, die „die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates“ verbietet.

Dennoch ist im Establishment heute praktisch keine Kritik an dem Angriffskrieg zu hören, den die Nato-Verbündeten führen. Die Schurken von den Medien gebärden sich selbst vollkommen als Teil der imperialistischen Kriegsmaschinerie. Sie gehen buchstäblich über Leichen und verheimlichen die kamerascheuen westlichen Kriegsgurgeln, um die Propaganda von der „Revolution“ und „Befreiung“ in Libyen glaubhafter zu machen.

Die treibende Kraft im Krieg gegen Libyen ist der Imperialismus, den Lenin treffend als „politische Reaktion auf der ganzen Linie“ beschrieb. Er wird für die räuberischen Interessen des Finanzkapitals geführt und zielt darauf ab, wie die Finanzpresse offen schreibt, eine „Goldgrube“ zu schaffen, nicht nur für die großen Energiekonglomerate, sondern auch für Banken und Konzerne, und außerdem die riesigen Vermögen zu untermauern, die die herrschende Elite durch Finanzspekulationen, den Abbau von Arbeitskosten in Amerika und Europa und die Ausbeutung von Billiglohnarbeitern auf der ganzen Welt angehäuft haben.

Dieses internationale Gangstertum geht mit wirtschaftlicher und politischer Kriminalität im eigenen Land einher. Aggression nach Außen ist von gnadenlosen Angriffen auf den Lebensstandard und die Grundrechte der arbeitenden Bevölkerung nicht zu trennen, sei es in Europa, Amerika oder irgendeinem Industrieland auf der Welt. Einerseits wird den Arbeitern überall gesagt, es sei kein Geld für Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit, Renten oder Sozialleistungen vorhanden, andererseits werden ohne weiteres Milliarden dafür ausgegeben, in Libyen zu bombardieren und einzumarschieren.

Ein besonderes Merkmal des Libyenkriegs besteht darin, dass sich eine bestimmte Gesellschaftsschicht der Mittelklasse für seine Zwecke einspannen lässt. Dazu gehören Exlinke, liberale Akademiker und ehemalige Aktivisten aus dem linken Milieu. Dieser Prozess ist bereits seit mehreren Jahrzehnten im Gange. Er beschleunigte sich durch die Demoralisierung eines Teils dieser Schicht, die sich mit ihrer „linken“ Haltung an der stalinistischen Bürokratie der Sowjetunion orientiert hatten. Sie gaben ihre Überzeugungen auf, als sich die Bürokratie selbst auflöste. Andere stellten sich hinter die imperialistische Intervention auf dem Balkan, wobei auch sie auf die Behauptung hereinfielen, die weltgrößten Aggressoren führten Krieg im Namen der „Menschenrechte“.

Heute muss man blind sein, um nicht zu sehen, welch tiefer Wandel diese Schicht ergriffen hat. Da gibt es akademische Gauner wie Juan Cole, den Professor für die Geschichte des Nahen Ostens von der Universität von Michigan. Er nutzt sein Ansehen als Kritiker von Bushs Irakkrieg, um sich für Obamas Krieg gegen Libyen stark zu machen.

In Europa nutzen Gruppen wie die französische Neue Antikapitalistische Partei (NPA) den Krieg dafür, engere Beziehungen zu ihren eigenen Regierungen aufzubauen und die Interessen ihrer herrschenden Eliten zu propagieren. Sie stehen für einen Teil der privilegierten Mittelschicht, die als neue Anhängerschaft für den Imperialismus geworben wird. Ihre Politik unterscheidet sich in keinem wesentlichen Punkt von der Obamas und der CIA.

Der Libyenkrieg hat in der Bevölkerung der Angreiferstaaten keinen bedeutenden Rückhalt. Die arbeitende Bevölkerung hat instinktiv den Verdacht, dass dieser Krieg, genau wie die vorhergehenden, zum Wohle der Finanzoligarchie und auf Kosten der breiten Masse geführt wird.

Der Kampf gegen Krieg und Imperialismus kann nur Erfolg haben, wenn er von der Arbeiterklasse ausgeht. Der Kampf gegen Krieg ist untrennbar mit dem Kampf gegen die Zerstörung der Arbeitsplätze, des Lebensstandards und grundlegender sozialer und demokratischer Rechte verbunden. Der Militarismus im Ausland und die soziale Konterrevolution im Inland haben beide ihre Wurzeln in der unlösbaren Krise des Weltkapitalismus. Beides kann nur überwunden werden, wenn die Arbeiterklasse sich international zusammenschließt und für den Sozialismus kämpft.

Loading