Manroland: Die Verteidigung der Arbeitsplätze und die Rolle der IG Metall

Diskussionstreffen der PSG
Wie weiter beim Kampf um die Arbeitsplätze bei manroland?
Mi. 7. Dezember um 18:00 Uhr
Pizzeria Piccolo-Süd
Mühlheimer Str. 408 (Bushaltestelle Senefelderallee)
Offenbach

Die Protestkundgebungen der Belegschaften von Manroland, die am vergangenen Donnerstag in Offenbach/Frankfurt, Augsburg, und Plauen stattfanden, waren von einem deutlichen Widerspruch geprägt.

Die große Mehrheit der Beschäftigten an allen drei Unternehmensstandorten forderte die prinzipielle Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards. Arbeiter, Angestellte und Auszubildende waren empört über die Überrumpelungstaktik, mit der dem traditionsreichen Unternehmen der Garaus gemacht wird. Sie strebten einen gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten an allen Standorten an.

Die Funktionäre der IG Metall vertraten den entgegengesetzten Standpunkt. Sie waren seit langem über die Insolvenzpläne informiert und hatten sie bis zum letzten Moment vor den Mitarbeitern verheimlicht. Und dies obwohl sie mit der konservativen hessischen CDU-FDP-Regierung seit Wochen Gespräche über die Zukunft von Manroland geführt hatten, wie IGM-Bezirksleiter Armin Schild in einen Interview mit der Frankfurter Rundschau bestätigte.

Im Aufsichtsrat und Wirtschaftsausschuss erhalten die IGM-Funktionäre Informationen aus erster Hand. Auf der Aufsichtsratssitzung am 15. November hatten sie mit der Unternehmensleitung Verschwiegenheitspflicht vereinbart, um die Belegschaft bis zum letzten Moment im Unklaren zu lassen und Protestaktionen im Betrieb zu verhindern. Sie wollten und wollen keinen Arbeitskampf, weil sie das Ziel verfolgen, einen neuen Investor zu finden. Um das zu erreichen, sind sie bereit, einzelne Werke aus dem Unternehmen auszugliedern und eine Senkung der Löhne und sowie den weiteren Abbau von Sozialleistungen hinzunehmen.

Die entgegengesetzten Standpunkte zeigten sich auch auf den Kundgebungstransparenten. Spruchbänder der IG Metall stellten die Standortfrage in den Mittelpunkt. In Offenbach war zu lesen: „Wir Roländer kämpfen für unseren Standort und unsere Arbeitsplätze in Offenbach.“ Selbst gemalte Schilder der Arbeiter traten dagegen für Solidarität zwischen allen Standorten sowie mit den Kollegen der beiden anderen großen Druckmaschinenhersteller, Heidelberg und KBA, ein. So hieß es zum Beispiel: „Manroland, KBA, Heidelberg in Arbeiterhand – Kooperation statt Konkurrenz“, oder „Occupy Manroland“.

Die beiden Positionen sind nicht miteinander vereinbar. Wenn der Kampf gegen die drohende Werksschließung unter der Kontrolle der IG Metall bleibt, ist er zum Scheitern verurteilt. Das hätte katastrophale Folgen, nicht nur für die Betroffenen, sondern für die Arbeiterklasse insgesamt. Die Insolvenz von Manroland ist Bestandteil eines umfassenden Angriffs auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der gesamten europoäischen Arbeiterklasse.

In derselben Woche, in der Manroland Insolvenz beantragte, kündigte der größte deutsche Stromkonzern Eon den Abbau von 11.000 seiner weltweit 80.000 Stellen an, darunter 6.500 in Deutschland. Fast zeitgleich gab Nokia Siemens Networks, einer der größten Telefonnetzwerklieferanten der Welt, die Reduzierung der Beschäftigtenzahl um 25 Prozent und den Abbau von weltweit 17.000 Arbeitsplätzen bekannt, 3.000 davon in Deutschland. Kurz danach meldete der Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf die Entlassung von 1.000 seiner weltweit 18.000 Beschäftigen, darunter mehrere Hundert am Unternehmenssitz in Hamburg.

Diese Welle von Massenentlassungen ist erst der Anfang. In vielen Großkonzernen und Verwaltungen, im öffentlichen Dienst und bei Banken, wie der Postbank, liegen bereits fertig ausgearbeitete Pläne über massiven Arbeitsplatzabbau in den Schubladen. Doch wie bei Manroland wurde auch dort Stillschweigen vereinbart.

Der massenhafte Arbeitsplatzabbau ist eine Folge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Er widerlegt die Propaganda von der angeblichen Stärke und robusten Natur der deutschen Wirtschaft.

Manroland hat selbst auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht. In einer Pressemitteilung machte das Unternehmen die allgemeine wirtschaftliche Lage für die Insolvenz verantwortlich. Es heißt darin: „Seit Mitte Juli war ein weiterer dramatischer Auftragseinbruch festzustellen, der sich jüngst noch einmal verstärkt hat. Für Kunden wird es nach der Finanzkrise immer schwieriger, Kredite für die Finanzierung ihrer Investitionen zu erhalten.“ Laut Aussage der Firma ist das Marktvolumen für ihre Produkte nur noch halb so groß, wie zu Beginn der Krise 2008.

Manroland und die Gewerkschaft stellen die Krise als unvermeidliche Naturkatastrophe dar und begründen damit die Vernichtung tausender Arbeitsplätze. Arbeiter müssen dagegen den Klassencharakter der Krise verstehen.

Seit vielen Jahren häuft eine kleine Finanzoligarchie sagenhafte Reichtümer an, während Löhne und Sozialstandards systematisch gesenkt und die Ausbeutungsrate gesteigert wird. Hedgefonds und Investmentbanken schlachten Betriebe aus und unterwerfen die Industrieproduktion kurzfristigen Profitinteressen. In den USA und Großbritannien ist auf diese Weise bereits ein großer Teil der industriellen Basis zerschlagen worden.

Mit der Schuldenkrise ist der europäische Kontinent in den Mittelpunkt der kriminellen Machenschaften der Spekulanten gerückt. Sie geben keine Ruhe, bis alle sozialen Zugeständnisse zerschlagen sind, die die herrschende Klasse nach dem Zweiten Weltkrieg und angesichts der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion machen musste. Der europäische Sozialstaat ist ihnen seit langem ein Dorn im Auge. Alles, was davon noch übrig ist – Tariflöhne, gesetzlicher Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzlicher Mutterschutz, staatliche Renten-, Kranken- und Unfallversicherung – soll nun endgültig geschliffen werden.

Jeder, der auch nur ansatzweise mit der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts vertraut ist, weiß, wohin eine derartige soziale Konterrevolution führt. Sie lässt sich nicht mit Demokratie und Frieden vereinbaren. Als sich vor achtzig Jahren in Europa eine ähnliche wirtschaftliche Katastrophe anbahnte, hievten die herrschenden Kreise Deutschlands Hitler ins Kanzleramt, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und einen Eroberungskrieg vorzubereiten.

In Griechenland und anderen europäischen Ländern zeichnet sich heute eine ähnliche Entwicklung ab. Eine Technokraten-Regierung, die keine demokratische Legitimation hat und direkt den Vertretern der internationalen Banken verantwortlich ist, setzt Massenentlassungen und Lohnsenkungen durch, wie sie Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt hat.

Diese Angriffe werden vor der deutschen Grenze nicht halt machen. Die drohende Stilllegung von Manroland ist Teil eines umfassenden Angriffs auf die gesamte europäische und internationale Arbeiterklasse. Umgekehrt kann nur die Arbeiterklasse einen erneuten Rückfall in die Barbarei verhindern. Der Kampf gegen die geplante Werksschließung und die Verteidigung der Arbeitsplätze muss deshalb zum Ausgangspunkt für eine politische Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gemacht werden.

Die Gewerkschaften bieten auf der Suche nach einem Investor immer neue Zugeständnisse an und sind bereit, Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen der „Wettbewerbsfähigkeit“ zu opfern. Wer aber die Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der kapitalistischen Profitsystems zum Maßstab macht, ist gezwungen, die schärfsten Formen der Ausbeutung bis hin zur Kinderarbeit zu unterstützen.

Das Recht auf Arbeit und einen angemessenen Lohn ist ein elementares Grundrecht. Ohne einen dauerhaften, gut bezahlten Arbeitsplatz können auch keine anderen Bedürfnisse befriedigt werden. Der Verlust des Arbeitsplatzes hat meist katastrophale Auswirkungen. Viele Arbeitslose werden nach kurzer Zeit in einen Billiglohnjob gezwungen, der die Verarmung der Betroffenen und ihrer Angehörigen zur Folge hat.

Wenn die Unternehmensführung und ihre Co-Manager in der IG Metall behaupten, der Erhalt der Arbeitsplätze und der Löhne sei unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich, dann sagen sie damit nur, dass die kapitalistische Profitwirtschaft nicht mit den Lebensinteressen und den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang gebracht werden kann.

Deshalb können die Arbeitsplätze nur auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive verteidigt werden. Zu diesem Zweck müssen Betriebs- und Aktionskomitees aufgebaut werden, die unabhängig von den Gewerkschaften mit den Belegschaften anderer Betriebe Kontakt aufnehmen, von Stilllegung bedrohte Betriebe besetzen und Schritte zur Errichtung einer demokratischen Kontrolle über die Produktion einleiten.

Gegen die Spalterpolitik der Gewerkschaft, die einen Standort gegen den anderen ausspielt, müssen koordinierte Arbeitskämpfe in ganz Europa und darüber hinaus organisiert werden. Im Kampf für eine internationale sozialistische Perspektive muss eine Bewegung aufgebaut werden, die die kapitalistischen Regierungen durch Arbeiterregierungen ersetzt, die Banken und großen Konzerne enteignet und unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung stellt.

Loading