Heftige Debatten bei manroland in Offenbach

Viele Arbeiter befürchten, dass die IG Metall bereit ist, die Bedingungen eines chinesischen Investors zu akzeptieren, der das Werk in Offenbach aus dem Unternehmen herausbrechen und nur einen Teil der Beschäftigten übernehmen will. Nach Informationen der Augsburger Allgemeinen ist der chinesische Mischkonzern Shanghai Electric vor allem an der modernen Bogenoffset-Technologie interessiert, will aber keinesfalls „Altlasten“ in Form hoher Betriebsrentenansprüche und anderer Sozialleistungen übernehmen.

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Auch die Beschäftigten an den Standorten in Augsburg und Plauen fürchten, dass die IG Metall einer Zerschlagung des Unternehmens zustimmt, was dazu führen würde, einen Standort gegen den anderen auszuspielen.

Es ist mittlerweile bekannt, dass die Funktionäre der IG Metall seit langem über die Insolvenzpläne informiert waren. Bis zum letzten Moment hielten sie diese Information aber vor den Mitarbeitern geheim. Auch jetzt gibt die IGM keinerlei Information, mit wem sie Gespräche führt und zu welchen Zugeständnissen sie bereit ist. Sie organisiert keinen ernsthaften Arbeitskampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten, weil sie dies als Hindernis betrachtet, einen neuen Investor zu finden.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Insolvenz bei manroland Teil eines Generalangriffs auf Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften ist. Sie stellt die größte deutsche Insolvenz seit Jahren dar. Ihre Auswirkungen reichen weit über den eigentlichen Betrieb manroland hinaus und bedrohen die Existenz der Arbeiter in der gesamten deutschen Druckmaschinen- und Zulieferindustrie.

Dies machen die Aussagen des Insolvenzverwalters Werner Schneider deutlich. In einem Interview mit Antenne Bayern erwähnte Schneider, eine Fusion der drei weltgrößten Konzerne manroland, Heidelberger Druckmaschinen und Koenig & Bauer als eine mögliche Krisenlösung und sagte dazu, es werde, egal mit welcher Lösung, nicht wenige Arbeitsplätze kosten. „Die Insolvenz trägt auch nicht dazu bei, dass plötzlich überflüssige Arbeitsplätze ihre Berechtigung erhalten“, sagte Schneider. Was er unter „überflüssigen Arbeitsplätzen“ versteht, sagte er nicht.

Stattdessen berichtete Schneider der Zeitung Die Welt, er stehe mit Finanzinvestoren in Verbindung, „die sich auf die Übernahme von maroden Betrieben spezialisiert haben“. Das bedeutet, dass die Unternehmensvertreter offenbar beabsichtigen, nur die Bereiche zu erhalten und zu vermarkten, die am Weltmarkt konkurrenzfähig sind, und die unprofitabeln „Altlasten“ abzustoßen. Nach dieser Logik wären vor allem die unbefristeten, gut bezahlten Arbeitsplätze der Facharbeiter eine Belastung.

Zu manroland sagte Schneider: „Das Unternehmen wird so, wie es derzeit aufgestellt ist, eher schwer einen Investor finden.“ Er hoffe auf Käufer für Teilbereiche des Konzerns. „Getrennt lassen sich durchaus sinnvolle Allianzen und Konstellationen vorstellen.“

Die IG Metall würde offenbar eine so genannte „Neuordnung“ der gesamten Branche unterstützen. In Offenbach forderte die erste Bevollmächtigte der IG Metall, Marita Weber, am Mittwoch ein „Gesamtkonzept für die Maschinenbausparte unter Einbeziehung der beiden Konkurrenz-Unternehmen Heidelberger Druck und Koenig&Bauer“. Auch die Heidelberger Druckmaschinen AG hat im November jeden zweiten Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt und Massenentlassungen angekündigt, und Koenig&Bauer hat im vergangenen Sommer mehrere hundert Arbeiter entlassen.

In der Zwischenzeit versucht die IG Metall, mit lokalen Protestaktionen „Dampf abzulassen“. In Offenbach rief sie für den Donnerstagnachmittag die Belegschaft zu einer zweistündigen Kundgebung in der Innenstadt auf, um rote Luftballons aufsteigen zu lassen.

Die Frage, wie die Arbeitsplätze verteidigt werden können, treibt indessen viele Arbeiter um.

Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) erhielt großen Zuspruch, als sie vor den Toren von manroland einen Handzettel der World Socialist Web Site zur Insolvenz und zur Rolle der Gewerkschaft verteilte (siehe: „manroland – Die Verteidigung der Arbeitsplätze und die Rolle der IG Metall“, WSWS vom 3. Dezember 2012). Hunderte Arbeiter holten sich die Handzettel, und mehrere blieben stehen und berichteten von ihren eigenen Erfahrungen. Viele arbeiten schon jahrzehntelang in dem Betrieb, und einige berichteten, sie hätten schon die Werksschließung im benachbarten Mainhausen miterlebt.

In der WSWS-Erklärung wird die Perspektive unabhängiger Betriebs- und Aktionskomitees erläutert: Die Arbeitsplätze könnten nur verteidigt werden, wenn „Betriebs- und Aktionskomitees aufgebaut werden, die unabhängig von den Gewerkschaften mit den Belegschaften anderer Betriebe Kontakt aufnehmen, von Stilllegung bedrohte Betriebe besetzen und Schritte zur Errichtung einer demokratischen Kontrolle über die Produktion einleiten“.

Zur Rolle der Gewerkschaften heißt es: „Die Gewerkschaften bieten auf der Suche nach einem Investor immer neue Zugeständnisse an und sind bereit, Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen der ‚Wettbewerbsfähigkeit’ zu opfern. Wer aber die Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen des kapitalistischen Profitsystems zum Maßstab macht, ist gezwungen, die schärfsten Formen der Ausbeutung bis hin zur Kinderarbeit zu unterstützen.“

Im Unterschied zu vielen Arbeitern reagierten einige IG-Metall-Vertreter und betriebliche Vertrauensleute wütend auf den Artikel. Als einige Reporter der WSWS am Mittwoch eine Versammlung der manroland-Vertrauensleute in Offenbach besuchten, wurden sie als „Spalter“ beschimpft und des Saals verwiesen.

Ein Gewerkschafter schimpfte: „Ihr treibt einen Keil zwischen die Arbeiter und die IG Metall“, und zitierte als Beweis ausgerechnet die Stelle des WSWS-Handzettels, wo es heißt: „Gegen die Spalterpolitik der Gewerkschaft, die einen Standort gegen den anderen ausspielt, müssen koordinierte Arbeitskämpfe in ganz Europa und darüber hinaus organisiert werden.“ Ein Vertrauensmann klagte, er komme direkt aus der manroland-Werkstatt, wo das WSWS-Flugblatt schon sehr viel Wirbel ausgelöst habe. Es falle ihm schwer, den Standpunkt der IG Metall gegenüber den Arbeitern zu verteidigen.

Am gleichen Abend wurde die Perspektive der World Socialist Website und der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) in einer Diskussionsveranstaltung nahe des Offenbacher manroland-Werks erläutert. Ulrich Rippert, der PSG-Vorsitzende, erklärte, warum es notwendig sei, alle Arbeitsplätze an allen Standorten prinzipiell zu verteidigen. Er betonte: „Das Recht auf Arbeit und einen angemessenen Lohn ist ein elementares Grundrecht und darf nicht den Profitinteressen der Geschäftsleitung oder dem Insolvenzverwalter untergeordnet werden.“

Deshalb sei es notwendig, Aktionskomitees aufzubauen und eine Betriebsbesetzung vorzubereiten. Rippert sagte: „Ich spreche nicht von einer symbolischen Aktion, ein paar roten Fahnen am Haupttor und befristeten Protestaktionen mit radikalen Reden, sondern von einem ernsthaften Besetzungsstreik, der darauf ausgerichtet ist, die anderen Standorte und andere, von Entlassung bedrohte Betriebe, in einen breiten Widerstand einzubeziehen.“

Die Insolvenz müsse als das verstanden werden, was sie ist: Bestandteil einer sozialen Konterrevolution, die darauf abziele, alle sozialen Zugeständnisse zu zerschlagen, die die herrschende Klasse nach dem Zweiten Weltkrieg machen musste, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Renten-, Unfall- und Sozialversicherungen, Mutterschutz etc.

Jeder hierzulande wisse, wo eine solche Entwicklung hinführt. „Die unmittelbare Folge der Weltwirtschaftskrise Ende der Zwanzigerjahre war faschistische Diktatur und Krieg.“ Rippert betonte, dass deshalb die Verteidigung der Arbeitsplätze nicht der IG Metall und ihrer Politik der so genannten Standortverteidigung und Sozialpartnerschaft untergeordnet werden dürfe.

Ein mutiger und entschlossener Kampf hätte große Signalwirkung auf andere Arbeiter, die in der gleichen Lage steckten, wie z.B. Arbeiter von EON, RWE; Nokia, Axa, Ferrostahl, der Postbank und vielen weiteren Betrieben, die aktuell von Massenentlassungen und der Zerstörung ihrer Rechte betroffen sind. Ziel sei es, eine breite politische Bewegung aufzubauen, die sich gegen die Politik des Sozialabbaus richte, die gegenwärtig von den Banken diktiert werde.

„Eine solche Bewegung muss zwei grundlegende programmatische Ziele verfolgen: Erstens muss sie gegen das kapitalistische System gerichtet sein, das heißt eine sozialistische Perspektive verfolgen. Und zweitens muss sie international sein, das heißt, sie muss eine Zusammenarbeit mit allen Arbeitern in Europa und weltweit anstreben“, erklärte Rippert.

Der Beitrag löste eine lebhafte Diskussion aus. Im Zentrum stand die Frage, wie der Kampf um die Arbeitsplätze trotz, – oder gerade wegen –, der akuten kapitalistischen Krise geführt werden könne.

Einigkeit bestand darin, dass ein prinzipieller Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze notwendig und rechtmäßig ist. Ein Teilnehmer sagte: „Alles haben die Arbeiter aufgebaut, die Maschinen, die Produktionsanlagen, die Fabriken und das Know-How bis hin zur Betriebssicherheit. Wenn dies alles zerstört wird, kann die Verteidigung nur als Notwehr verstanden werden.“

Eine Grußbotschaft eines Mitarbeiters des globalen Druckmaschinenherstellers Goss International leistete einen wichtigen Beitrag (siehe nebenstehende „Grußbotschaft“). „Das ‚Recht auf Eigentum’ das die Kapitalbesitzer für sich beanspruchen“, heißt es darin, „ist das Recht, Arbeitsplätze zu vernichten. Es ist nicht vereinbar mit dem Recht der Arbeiter auf einen Arbeitsplatz mit guter Bezahlung.“

Ein Teilnehmer der Veranstaltung machte darauf aufmerksam, dass bereits jetzt die Arbeitslosigkeit in Offenbach über zehn Prozent liege. Es ist die hessische Stadt mit der zweithöchsten Erwerbslosigkeit. In Plauen und Augsburg, wie auch in Offenbach, wird die manroland-Pleite die soziale Situation der Arbeiter drastisch verschlimmern. Sie zieht viele weitere Stellen bei Vertragspartnern und Zulieferern mit in die Krise. So musste auch Gefinal Systema in der Nachbarstadt Mainhausen Konkurs anmelden. Gefinal hatte über 95 Prozent ihrer Aufträge von manroland erhalten. In Offenbach ist manroland der größte private Arbeitgeber. Derzeit haben 179 Offenbacher Unternehmen Kurzarbeit angemeldet, das sind doppelt so viele wie noch vor vier Jahren.

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