Ägypten:

Die Revolution, die Moslembruderschaft und die Ausflüchte der Revolutionären Sozialisten

Neun Monate nach Hosni Mubaraks Sturz errangen die islamischen Parteien bei den ersten beiden Runden der Parlamentswahlen in Ägypten die Mehrheit.

In Ägypten machen Arbeiterklasse und arme Landbewohner einen größeren Anteil an der Bevölkerung aus als im übrigen Nahen Osten, ausgenommen Iran und Türkei. Ägypten ist demzufolge das bei weitem wichtigste und einflussreichste Land der Region. Deshalb versetzte das ägyptische Volk dem US-Imperialismus und seinen regionalen Verbündeten einen außerordentlichen Schlag, als es Mubarak in einer machtvollen Bewegung davonjagte.

Dennoch konnten sich diktatorische Verhältnisse in Ägypten halten. Arbeiter leiden noch immer unter Armutslöhnen und politischer Unterdrückung. Die herrschende Elite bemächtigte sich der Bewegung, die den „arabischen Frühling“ auslöste, und pervertierte sie durch Rückgriff auf vergangene Bündnisse – erstens mit islamischen Parteien, die sich systematisch für die Verteidigung der Militärjunta einsetzten, und zweitens auf dem Namen nach „demokratische“ und linke Parteien, die jeden politischen Kampf der Arbeiterklasse zum Sturz der Junta blockieren.

Die Wahlen sind ein Betrugsmanöver, durch das die weitere Beherrschung Ägyptens durch eine Handvoll Milliardäre, das Militär, transnationale Banken und Konzerne legitimiert werden soll. Formell wird die Macht an Parteien delegiert, die während des revolutionären Aufstands im Februar von Arbeitern und Jugendlichen ins Abseits gedrängt wurden. Diese Parteien stehen den grundlegenden Forderungen der Revolution nach sozialer Gleichheit, besseren Lebensbedingungen und politischer Freiheit feindlich gegenüber.

Bei einer Wahlbeteiligung von knapp über 50 Prozent in der ersten Runde und 42 Prozent in der zweiten, kam die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (PFG) der Moslembruderschaft auf etwa 40 Prozent der Stimmen, die salafistische Al-Nour-Partei auf 24 Prozent, die Parteien des liberalen Ägyptischen Blocks und die Al Wafd-Parteien auf 14 und 11 Prozent. Das Wahlbündnis Die Revolution Geht Weiter aus Ex-Linken aus der Mittelschicht und Jugendvereinigungen erhielt gerade einmal vier Prozent.

Der regierende Hohe Militärrat (HMR) versicherte, er habe vor, das politische Leben in Ägypten zu kontrollieren, und behalte sich die Zuständigkeit für die Ernennung von vier Fünfteln der Delegierten für die konstituierende Versammlung und ein Vetorecht für jeden Abschnitt der neuen Verfassung vor. Er hat die gesamten unter Mubarak aufgebauten Repressions- und Foltereinrichtungen beibehalten, Streiks und Proteste verboten und während der letzten neun Monate über 12.000 Menschen verhaftet und vor Militärtribunale gestellt.

2011 gab der HMR eine Erklärung zur Verfassung ab, nach der die Junta an der Macht festhalten will, um die Gesetzgebung zu bestimmen oder Einsprüche dagegen einzubringen, Richtlinien für die staatliche und die Haushaltspolitik festzusetzen, Mitglieder der Volksversammlung zu ernennen, ihre Sitzungen einzuberufen oder zu vertagen, internationale Verträge abzuschließen und den ägyptischen Staat im Ausland zu vertreten.

Die Junta beabsichtigt die Institutionalisierung einer partnerschaftlichen Kooperation mit der Moslembruderschaft, die derzeit das Parlament dominiert. Ihr Vorsitzender Mohammed Badie umwirbt die Generäle und stellt seine Partei im Vergleich mit der extremeren salafistischen al-Nour-Partei als die gemäßigtere dar. Er sichert der Junta Zusammenarbeit zu: „Wir dürfen nicht nur mit dem Militärrat, sondern müssen mit allen ägyptischen Gruppierungen harmonisch zusammenleben, sonst ist unser Ergebnis gleich Null. Es wird eine Aussöhnung zwischen den drei Kräften Parlament, Regierung und dem herrschenden Militärrat geben.“

Es gibt auch einige Hinweise, dass die Bruderschaft zu Gunsten eines Deals mit den Generälen bereit sein könnte, sich für eine Sonderrolle des Militärs einzusetzen. Wie die private ägyptischen Tageszeitung Al-Tahrir schreibt, kündigte der stellvertretende Vorsitzende der PFG, Essam al-Erian an, dass: „…das Militär in der zukünftigen Verfassung ein größeres Recht auf eine Sonderposition als früher genießt.“ Außerdem erklärte er, dass die Machtübertragung auf eine gewählte zivile Regierung „nicht das Verschwinden der Junta von der politischen Bühne zur Folge haben sollte.“

Die 1928 gegründete Moslembruderschaft repräsentiert eine mächtige Gruppierung der ägyptischen Bourgeoisie. Ihr Gründer Hanna al-Banna entwickelte die Auffassung, dass ein sunnitisch geprägter Islamismus als Bollwerk gegen den Einfluss des Westens eingesetzt werden könne – und eine Alternative zum säkularen Nationalismus der wichtigsten bürgerlichen, der Wafd-Partei, sein könnte, vor allem aber eine Waffe gegen die Ausbreitung des Kommunismus nach der russischen Revolution. Er forderte einen islamischen, von der Scharia ausgehenden Staat. Zur Abwehr des Klassenkampfs trat er für Korporatismus und Paternalismus bei Landbesitzern und Unternehmern ein.

Die Moslembrüder benutzten religiöses Sektierertum und Antisemitismus, um den wachsenden Einfluss der sozialistischen und kommunistischen Linken – viele von ihnen waren Juden – in der nationalen Bewegung zu bekämpfen und um die Arbeiterklasse zu spalten. Dies war besonders in der ethnisch gemischten Industriestadt Alexandria offensichtlich, wo sie ein Netzwerk aus paramilitärischen Gruppen aufbauten, das für seine Angriffe auf Arbeiter und Säkularisten berüchtigt war.

Die Moslembruderschaft verband Nationalismus und Religion mit einem reaktionären Sozialprogramm. Frauen sollten zwar eine Ausbildung und Arbeitsplätze erhalten, jedoch getrennt von den Männern. Die Religion sollte der Dreh- und Angelpunkt des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens werden. Dazu errichtete die Bruderschaft ein Netz von Schulen, Kliniken, Fabriken und Moscheen.

Eine Partei mit einem solchen Programm und Ursprung ist unfähig, die tiefen sozialen Probleme im heutigen Ägypten zu lösen. Die Islamisten werden jedoch trotz ihres rhetorischen Anti-Imperialismus von der Obama-Regierung hofiert. Sie sind zu einem unentbehrlichen Werkzeug der amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten und darüber hinaus geworden –vor kurzem erst im Krieg der Nato in Libyen, wie auch im derzeitigen Bürgerkrieg in Syrien. Aus Washingtons Perspektive spielt die Spaltung der Arbeiterklasse durch das Schüren von Sektierertum keine unerhebliche Rolle.

Die Unterstützung, die die Moslembruderschaft von angeblich linken Parteien erhielt, war ein entscheidender Faktor für den Wahlerfolg im Ägypten nach Mubaraks Sturz. Tagammu und Karama gehören dazu, die verschiedenen stalinistischen Gruppen, einschließlich der Ägyptischen Kommunistischen Partei, die weitgehend in Tagammu eingegliedert ist, und vor allem die Revolutionären Sozialisten (RS).

Die RS arbeiten auf internationaler Ebene mit den Parteien der International Socialist Tendenz (IST) zusammen, zu der die Socialist Workers Party (SWP) in Großbritannien gehört [In Deutschland sind sie als Marx21, ehemals Linksruck, der Linkspartei angeschlossen. Anm. d. Übers.]. Inoffiziell gehören sie der International Socialist Organization (ISO) und in den Vereinigten Staaten an. Diese Partei machte sich besonders zur Aufgabe, der Bruderschaft den scheinbar trotzkistischen Segen zu erteilen, sowie die Unterordnung der Arbeiterklasse unter Islamisten, „Demokraten“ und unter andere Gruppen der Bourgeoisie als „Einheitsfront“ auszugeben, ja sogar als Umsetzung von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution.

In Wirklichkeit ist alles, was die RS macht, eine Zurückweisung der Politik, die Trotzkis Vierte Internationale historisch entwickelte und mit der die International Socialists in den 1950er Jahren brachen.

Die Theorie der permanenten Revolution zeigt auf, dass das ägyptische Volk keines seiner grundlegenden Ziele erreichen kann – Beendigung der imperialistischen Unterdrückung, demokratische Rechte, Arbeitsplätze und soziale Gleichheit – solange es sich an einer Gruppierung der nationalen Bourgeoisie orientiert. In der Epoche des Imperialismus erfordert die Lösung grundlegender demokratischer und nationaler Aufgaben in den unterdrückten Nationen – Aufgaben, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert mit dem Aufstieg der Bourgeoisie einhergingen – die Machtübernahme durch die Arbeiterklasse. Dies wiederum kann nur als Bestandteil des Kampfes für die sozialistische Weltrevolution erreicht werden, die alle Ressourcen der nationalen und internationalen Ökonomie der Kontrolle der Arbeiter und der unterdrückten Massen unterstellt.

IST und ihr Ableger RS wiesen diese Perspektive schon vor langer Zeit zurück und behaupteten, die nationale Bourgeoisie könne, gestützt auf kapitalistische Eigentumsverhältnisse und Staatsführung, die Unabhängigkeit vom Imperialismus erreichen und eine funktionierende und unabhängige Wirtschaft aufbauen. Auf Jahrzehnte hinaus verwarf die IST jegliche Aussicht auf Verwirklichung des Sozialismus und trat stattdessen für eine Perspektive ein, die historisch auf den Stalinismus zurückgeht – das Eintreten für Bündnisse mit Parteien der Bourgeoisie, um beschränkte demokratische Reformen zu erreichen.

Die RS pflegt besonders enge und gute Beziehungen zum jüngeren, angeblich „reformwilligen“ Flügel der Bruderschaft, den sie hochjubelt. Trotz der Feindseligkeit der Brüder gegen die Arbeiterklasse und trotz ihrer Unterstützung für den Kapitalismus folgten die RS den Fußstapfen ihrer Schwesterorganisation, der britischen SWP, und unterstützten sie.

Seit den späten 1990er Jahren begann die SWP ihre Zusammenarbeit mit der Gruppe und nutzte dabei ihre Opposition gegen die amerikanischen Luftangriffe im Irak. So auch bei der Unterstützung der Intifada der Palästinenser, dem Aufstand, der durch Ariel Sharons provokativen Besuch der Al Aqsa Moschee im September 2000 angeheizt wurde. Die RS rechtfertigten dieses Bündnis mit einer Parole aus Chris Harmans Pamphlet The Prophet and the Proletariat: „Manchmal mit den Islamisten, nie mit dem Staat.“

Die Antikriegsbewegung, die sich 2001 an den von Amerika geführten Kriegen in Afghanistan und später im Irak entzündete, wurde nicht nur in Ägypten, sondern international zum politischen Vehikel der Zementierung der Beziehungen mit den Islamisten und verband die SWP fest mit den insbesondere im Nahen Osten vorherrschenden politischen Strömungen. Dabei eröffnete sich der SWP auch der Zugang zu beträchtlichen Geldmitteln.

Die Stop-the-War-Koalition (STWC), eine Allianz aus SWP, der Vereinigung der Muslime Großbritanniens, der stalinistischen Kommunistischen Partei Großbritanniens, der Kampagne für Nukleare Abrüstung und einigen kleineren pseudolinken Parteien, nahm an den ägyptischen Antikriegskonferenzen teil, die von 2002 bis 2008 jährlich abgehalten wurden.

Die Brüder und andere islamische Parteien dominierten darin als politische Strömungen. Als die SWP in der Respect-Koalition ein politisches Bündnis mit dem Labour-Abgeordneten und Kriegsgegner George Galloway schloss, sammelten sie bei verschiedenen muslimischen Geschäftsleuten auch Geldspenden miteinander. Dafür lobten SWP und ihr Anhang, wie die RS, unkritisch den antiimperialistischen „Widerstand“ von Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon – und schwiegen zu dem sektiererischen Streit, den die Islamisten anzettelten, um die Arbeiterklasse in Ägypten, im Libanon, im Irak und in Syrien zu spalten.

Die Politik von SWP und STWC lag ganz auf der Linie der Interessen der Bourgeoisie im Nahen Osten. Sie versuchten, die Antikriegsbewegung in eine Gefolgschaft des deutschen und französischen Imperialismus umzuwandeln. Deutschland und Frankreich ihrerseits wollten die Vereinten Nationen stärken und sie als Vehikel zum Ausbremsen des amerikanischen Militarismus einsetzen.

Die Kairoer Antikriegskonferenzen wurden in Koordination zur Konferenz der Bewegung des Sozialforums abgehalten, wo ebenfalls die Islamisten dominierten. Die Teilnahme der SWP, der RS und ähnlicher Gruppierungen lieferte die politische Tarnung für das pro-kapitalistische und gegen die Arbeiterklasse gerichtete Programm der Islamisten.

Im Juni und im November 2005 gründete die RS zur Koordinierung gemeinsamer Protestaktionen mit der Bruderschaft die National Alliance for Change (NAC) und die Free Students Union (FSU). Sie prahlte: „an den Orten, wo die FSU arbeitet, kam es wieder zu großartigen Fortschritten zwischen den Brüdern und der radikalen Linken.“

Die RS versuchten ihre Annäherung mit der Behauptung zu rechtfertigen, dass sich wegen des Eintritts einer jüngeren, pragmatischeren und liberaleren Schicht Zusammensetzung und Charakter der Moslembruderschaft geändert hätten.

Diese “reformorientierten” Schichten sind in Wirklichkeit jedoch eine Abteilung der Bourgeoisie, die drastisch zur Schau gestellte religiöse Symbolik und Ideologie als Hindernis für engere Beziehungen zu Washington und zur internationalen Finanzelite ansieht. Ihr Vorbild ist die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) des türkischen Premierministers Reccep Tayyip Erdogan. Die elenden sozialen Verhältnisse in der Türkei, über die die AKP zum Vorteil einer Wirtschaftselite herrscht, die brutalen Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei und im Irak, die Verhaftungen von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und politischen Gegnern sind ihnen völlig gleichgültig.

In Amerika lobte die ISO die Rolle der RS bei der Bildung einer weiteren Koalition liberaler und islamischer Kräfte im Jahr 2006: „Es muss gesagt werden, dass das Bündnis nur sehr schwerlich hätte aufrecht erhalten werden können, hätte die Linke die sektiererischen Ansichten einiger älterer Gruppierungen von Marxisten weiter gepflegt. Diese halten grundsätzlich daran fest, dass die Brüder ein Werkzeug der kapitalistischen Klasse sind, schlicht Verbündete des Neo-Liberalismus, und so weiter. Die Revolutionären Sozialisten spielten eine Schlüsselrolle dabei, das zu überwinden.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Der Putsch der Freien Offiziere von 1952

Um die Behauptungen der Revolutionären Sozialisten zu widerlegen, die der Moslembruderschaft eine „fortschrittliche“ und linksgerichtete Rolle andichten, ist es hilfreich, die politischen und sozialen Kräfte zu untersuchen, die das Militär 1952 an die Macht brachten. Diese Untersuchung bringt eine Reihe verblüffender Parallelen mit den heutigen Ereignissen zutage, nicht zuletzt zu der Sorte Volksfront, die jetzt von den RS propagiert wird, um ein eigenständiges Eingreifen der Arbeiterklasse in die revolutionäre Situation zu verhindern.

Ebenso wie viele andere Kolonial- und Halbkolonialländer, befand sich Ägypten nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs politisch im Umbruch. Die Wirtschaft des Landes war zusammengebrochen und fast alle sozialen Schichten waren bestrebt, das Joch des britischen Imperialismus abzuschütteln. Ägypten wurde von König Faruk, einer britischen Marionette, regiert. Großbritannien und Frankreich besaßen und kontrollierten mit dem Suezkanal die Haupteinnahmequelle und den Hauptarbeitsplatz des Landes.

Die bürgerlich-weltliche Wafd-Partei führte seit dem Aufstand von 1919 gegen die Briten die nationale Bewegung an und unterdrückte im Jahr 1924 den Arbeiteraufstand in Alexandria. Sie erwies sich, nachdem sie an die Regierung gekommen war, als unfähig, bedeutende soziale Reformen durchzuführen. Die Folge waren Massenstreiks, Demonstrationen, politische Unruhen und Instabilität. Diese Umstände stellten die Arbeiterklasse vor die Aufgabe der Machtergreifung.

Doch die stalinistische Bürokratie, die unter der trügerischen Losung vom Aufbau des „Sozialismus in einem Land“ die sozialistische Weltrevolution verriet, stellte sich dieser Perspektive in den Weg.

In Folge des Scheiterns des Hitler-Stalin-Pakts und des Angriffs von Nazideutschland auf die Sowjetunion im Jahr 1941 kam es zu Bündnissen Stalins mit Großbritannien und den alliierten Mächten. Stalin befahl daraufhin den Mitgliedern der kommunistischen Parteien, ihre Unterstützung für antikoloniale Bewegungen aufzugeben, die im Krieg eine Gelegenheit sahen, die Briten loszuwerden. Die spätere Unterstützung der Sowjetunion für die Aufteilung Palästinas und die Gründung Israels traf in der gesamten arabischen Welt auf Entrüstung.

Die kommunistische Partei Ägyptens sowie ihre verschiedenen Ableger waren in den 1930er Jahren von einer ultralinken Perspektive zur Umarmung bürgerlicher Parteien in einer Volksfront übergegangen. Hin und wieder umwarben sie die Islamisten, indem sie diese revolutionär nannten. Als sie die Islamisten jedoch als Faschisten bezeichneten, wurden sie von ihnen angegriffen.

Trotzdem erhielt die Demokratische Bewegung zur Nationalen Befreiung (DBNB), die von der ägyptischen kommunistischen Bewegung im Jahr 1947 begründet wurde, immer noch beträchtliche Unterstützung. Doch während sie behauptete, „die kämpfende Organisation der Arbeiterklasse“ zu sein, betonte sie, dass sie die Interessen „aller Klassen und aller patriotischen Gruppen der Nation“ verteidigen würde. Sie wandte Stalins „Zwei-Stufen“-Theorie an, die behauptete, in Kolonial- und Halbkolonialländern wie Ägypten müsse der Kampf für den Sozialismus zuerst die Stufe des „demokratischen Kapitalismus“ durchlaufen.

Während der sozialen Erhebungen der Jahre 1948 bis 1954 behauptete die DBNB, dass die revolutionären Bestrebungen der Massen unterdrückt werden müssten. Die Massen seien der „Volksfront“ und der „Nationalen“ Front der Wafd-Partei sowie der Moslembruderschaft unterzuordnen. Der Kampf für den Sozialismus könne erst nach dem Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution begonnen werden.

Die Unterstützer der Vierten Internationale in Ägypten bekämpften diese Denkrichtung, waren aber unter den ersten, die verhaftet und unterdrückt wurden.

Als die Wafd-Partei auseinanderfiel, wechselten breite Schichten der Bourgeoisie zur Moslembruderschaft, da sich diese als Werkzeug zur Bekämpfung des kommunistischen Einflusses in der Arbeiterklasse eignete. Der König schaltete zur Niederhaltung der Arbeiter die Armee ein, doch in dieser schwelte wütender Missmut über ihre Niederlage in Palästina. Im Jahr 1949 hatten Zirkel innerhalb der Armee das Komitee der Freien Offiziere gegründet. Viele waen von der Moslembruderschaft beeinflusst, darunter Oberst Gamal Abdel Nasser. Auch der spätere Präsident Sadat war Mitglied der Organisation.

Die Freien Offiziere fürchteten, die politische Opposition gegen König Faruk werde zu einer sozialistischen Revolution führen. Sie inszenierten unter dem Banner des ägyptischen Nationalismus vorbeugend einen Staatsstreich und jagten Faruk davon. Die Offiziere setzten General Ali Muhammad Nagib als Präsidenten ihrer Junta, des Revolutionsrates ein.

Nachdem er die Macht übernommen hatte, unterdrückte der Revolutionsrat Streiks und Demonstrationen der Textilarbeiter in Alexandria. Als Warnung, dass der Revolutionsrat keine unabhängigen Aktionen der Arbeiterklasse tolerieren werde, wurden die Streikführer auf den Fabrikgeländen gehängt.

Bis zu dem Zeitpunkt, als die DBNB sich gegen Nagibs Regime wandte, hatte sie bereits viel Einfluss auf die Arbeiterbewegung verloren. Das hierdurch erzeugte politische Vakuum führte schließlich 1954 zu Nassers Sieg im Machtkampf mit Nagib. Nasser fuhr damit fort, politische Parteien zu verbieten. Die DBNB, die kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie die Wafd-Partei wurden verboten. Die stalinistischen Führer wurden ins Gefängnis geworfen und die Gewerkschaften in massiver Weise unterdrückt.

Lediglich die Moslembruderschaft entging dem politischen Verbot. Die Führer der Bruderschaft hatten zunächst den Putsch der Freien Offiziere vom Jahr 1952 unterstützt und um Unterstützung für das Militär geworben. Erst nachdem Nasser auf einer weltlichen Verfassung bestand, wandten die Brüder sich gegen das Militär und unternahmen ein Mordattentat auf Nasser. Die Gruppe wurde daraufhin im Dezember 1954 verboten.

Die Bruderschaft erlebte einen jahrelangen politischen Niedergang. Nassers Bewegung und solche, die diese zum Vorbild nahmen, waren in der Lage, den Kalten Krieg zwischen der Sowjetunion und dem US-Imperialismus zu nutzen, um sich ein gewisses Maß an scheinbarer Unabhängigkeit zu sichern. Sie betrieben eine Politik, die ihnen einen antiimperialistischen Anstrich verlieh. In Ägypten gehörten hierzu der Sturz der Monarchie, der Abzug der britischen Truppen, die Verstaatlichung des Suezkanals sowie der erzwungene Rückzug Großbritanniens und Frankreichs in der Suezkrise von 1956. Dies alles führte zu einer Periode wirtschaftlicher und sozialer Reformen. Dazu zählten eine begrenzte Säkularisierung des Staates und ein Zerschlagen des großen Landbesitzes, die Verstaatlichung der Schlüsselindustrie und die Ausdehnung von Bildung, Grundinfrastruktur und soziale Dienste.

Die Rückkehr des Islamismus

In den 1970er Jahren betraten islamistische Gruppen wieder die politische Bühne, unter ihnen auch die Bruderschaft. Sie profitierte von der Anlehnung der ägyptischen Bourgeoisie an den US-Imperialismus, die eine entschiedene Umorientierung darstellte. Die Unterzeichnung des Camp-David-Abkommens und die Anerkennung Israels im Jahr 1978 markierten das Ende der ägyptischen Ambitionen, eine panarabische oder gar sozialistische Alternative für den Nahen Osten zu fördern.

Da die Stalinisten darauf beharrten, dass die Arbeiterklasse keine unabhängige politische Rolle zu spielen hätte, entstand ein politisches Vakuum. Das erlaubte den Islamisten, die antiimperialistischen Bewegungen im gesamten Nahen Osten zu dominieren. Die allgemeine Unterstützung für die islamistischen Gruppen wuchs besonders unter den ärmsten Schichten und der armen Landbevölkerung.

Die Absetzung des tyrannischen Schah-Regimes im Iran sowie die Revolution des Jahres 1979 inspirierten und begünstigten ein Geflecht schiitischer Gruppen. Zu ihnen zählten die Amal-Bewegung und die Hisbollah im Libanon, schiitische Oppositionsgruppen des irakischen Regimes sowie schiitische Minderheiten in den Golfstaaten.

Washingtons Verbündeter in dieser Region, Saudi-Arabien, reagierte auf diese Entwicklung mit der Unterstützung sunnitischer Gruppen, darunter der Moslembruderschaft. Die herrschende Elite in Saudi-Arabien und den Golfstaaten unterstützte sowohl die Bruderschaft als auch die Salafisten, die den saudischen Wahhabiten nahe stehen, finanziell, um fortschrittliche politische Tendenzen innerhalb der Arbeiterklasse zu bekämpfen und zu unterdrücken. Sie investierten in Unternehmen in Ägypten und im gesamten Nahen Osten und gründeten Banken sowie Finanzinstitute in Ägypten, London und Genf. Das islamische Finanzwesen war ausschlaggebend bei der Vernetzung vermögender Geschäftsleute mit politischen Islamisten und Islamgelehrten. Riad unterstützte Regierungen mit Geldmitteln, die bei wirtschaftlichen Reformen an strengste Bedingungen geknüpft waren.

Washington förderte das Wachstum dieser sunnitischen Bewegungen, um Moskaus Einfluss zurückzudrängen. Es benutzte sie als politische Waffe gegen den Iran oder radikalnationalistische Bewegungen wie die Baath-Parteien in Syrien und dem Irak, die für prosowjetisch gehalten wurden. Sie galten als explizit antikommunistische Kraft, welche die unterdrückten Massen mit radikal klingender Rhetorik desorientiert.

Von 1980 bis 1989 leitete die CIA in Afghanistan das größte geheime Unterstützungsprogramm in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Es sah vor, die Sowjetunion zu destabilisieren. Dieses Programm stattete die extremsten Mudschaheddin-Gruppen, darunter Osama bin Ladens al-Qaida-Netzwerk, finanziell und waffentechnisch aus, um das sowjetgestützte Regime in Kabul zu bekämpfen. Auf ähnliche Weise förderte die jordanische Monarchie die Bruderschaft und mobilisierte sie im Schwarzen September 1970 gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Auch Israel half der Bruderschaft, sich im Gazastreifen und im Westjordanland niederzulassen, um der PLO entgegenzuarbeiten. Die Brüder bildeten später die Basis der Hamas. Jordanien und Israel unterstützten die syrische Bruderschaft in ihrem Bürgerkrieg gegen das Baath-Regime in den Jahren 1976 bis 1982.

Ägyptens Präsident Sadat sorgte dafür, dass sein Staat sich der Neuausrichtung Washingtons anpasste: Er leitete Wirtschaftsreformen für den freien Markt ein und warb um ausländische Investitionen. Dies führte für die breite Masse der Bevölkerung in kürzester Zeit zu einem Niedergang des Lebensstandards, während zugleich eine neue Geschäftselite hervorgebracht wurde, innerhalb welcher viele mit der Bruderschaft in Verbindung standen oder mit ihr sympathisierten.

Schätzungen zufolge waren bis in die 1980er Jahre bereits 40 Prozent der Privatwirtschaft, hauptsächlich Grundbesitz- und Devisenspekulation, mit der Gruppe verbandelt. Viele aus dieser aufstrebenden islamischen Unternehmerklasse investierten in Banken und Finanzgeschäfte und gründeten Investmentfirmen, deren Kapital aus Golfölgeschäften stammte. Zur neuen islamischen Unternehmerklasse zählten auch mittelgroße Unternehmen, Kleinhändler, Handwerker und Arbeitsvermittler.

Das Militär kontrolliert schätzungsweise 40 Prozent der Wirtschaft. Diese beiden Gruppen bilden den Großteil der ägyptischen Bourgeoisie.

Im Jahr 1980 änderte Sadat die Verfassung. Die Scharia wurde als eine Hauptgesetzesquelle anerkannt. Er warb Moslembrüder und Islamstudenten an und benutzte sie, um sich der Führerschaft der Studentenbewegungen zu bemächtigen. Neben der wiedererstarkten Moslembruderschaft erschienen auch andere islamische Gruppen auf der Bildfläche, wie die Salafistengruppen um al-Dawa (der Aufruf) und Gruppen wie al-Dschama’a al-islamiyya.

Zwar blieb die Moslembruderschaft der Verfassung nach illegal, doch wurde ihr erlaubt, ihre auf die Sozialfürsorge beschränkten Tätigkeiten fortzusetzen, die die Moscheen betrieben. Diese Tätigkeiten gewann noch größere Bedeutung, als die Massen in immer tiefere Armut sanken. Da alle legalen Oppositionsparteien vollständig kaltgestellt waren, wuchs die Unterstützung für die islamistischen Gruppen, welche die einzige existierende Opposition zum Regime darstellten.

Die Haltung der Vereinigten Staaten zu den islamistischen Tendenzen änderte sich, als diese mit Washingtons strategischen Interessen in dieser Region in Konflikt gerieten. Im November 1979 besetzten militante Islamisten die Große Moschee in Mekka. Dies geschah während eines Aufstandes, der vom saudischen Regime brutal niedergeschlagen wurde. In den folgenden Jahren nahmen schiitische Milizen amerikanisches Personal und andere Westbürger in Geiselhaft, während die Hisbollah Angriffe gegen israelische Truppen im besetzten Südlibanon führte. Im April 1983 zerstörte der islamische Dschihad die US-Botschaft in Libanon. Im Oktober desselben Jahres folgte ein Selbstmordanschlag auf den US-Stützpunkt in Beirut, der den Rückzug der dortigen amerikanischen Militäreinheit im Jahr 1984 forcierte.

Unter der Bruderschaft in Ägypten entwickelten sich kleine Gruppen, die zu einem bewaffneten Aufstand gegen das Sadat-Regime aufriefen. Im September 1981 befahl Sadat ein scharfes Vorgehen gegen die politische Opposition. Kurz darauf wurde er durch ein Attentat des islamischen Dschihad getötet, der Ägyptens Friedensprozess mit Israel ablehnte. Zwischen dem Ende der 1970er Jahre und 2000 verübten militante Islamisten über 700 Attentate in Ägypten. Hauptziele waren die Wirtschaft und christliche Kopten. Über 2000 Menschen wurden getötet.

Dennoch wurde der Bruderschaft weiterhin ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt. Zwar konnte sie offiziell keine Wahlkandidaten aufstellen, doch sie unterstützte „unabhängige“ Kandidaten, denen eine Teilnahme ermöglicht wurde. Zu Beginn der 1990er Jahre kam sie im Bündnis mit der Islamischen Arbeiterpartei bei lokalen Wahlen zu einigem Erfolg. Die Antwort des Mubarak-Regimes war ein blutiges Durchgreifen mit Massenverhaftungen, Gefängnis und Folter.

Ende der 1990er Jahre begann die Bruderschaft, sich als politische Partei zu formieren. Sie erstellte einen Programmentwurf und überholte beständig die legalen Oppositionsparteien bei Wahlen. Bei den Wahlen von 2005 war sie praktisch die einzige organisierte Oppositionspartei zu Mubaraks herrschender Nationaldemokratischer Partei (NDP). Sie errang 88 Sitze, was über ein Fünftel des gesamten Parlaments ausmachte. Die Regierung verhaftete Tausende ihrer Mitglieder und versuchte, sie vor Militärgerichte zu stellen. Die Verfassung wurde abgeändert, um Unabhängigen die Teilnahme an Parlamentswahlen zu verwehren. Dies machte es der Bruderschaft unmöglich, an den Wahlen vom November 2010 teilzunehmen, die von massiver Wahlfälschung gekennzeichnet waren.

Die Bruderschaft und die revolutionären Entwicklungen im Jahr 2011

Obwohl die Moslembrüder vom Mubarak-Regime verfolgt wurden, versuchten sie, sich mit ihm zu arrangieren, anstatt an dessen Sturz zu arbeiten. Als im letzten Januar Massendemonstrationen begannen, weigerten sich die Moslembrüder und andere islamistische Gruppen, gegen die Junta zu kämpfen. Erst Ende Januar, als klar wurde, dass Mubarak nicht überleben konnte, traten die Moslembrüder in Aktion – mit dem Ziel, die politische Ordnung zu stützen.

Die Obama-Regierung war hinter den Kulissen tätig, um den Militär- und Geheimdienstapparat zu organisieren und zwang Mubarak, den Geheimdienstchef und Ex-General Omar Suleiman zum Vizepräsidenten zu ernennen. Sie begann auch, eine politische Alternative zu Mubarak vorzubereiten, sollte es nötig werden, ihn zu ersetzen. Einer der Kandidaten dafür war Mohamed ElBaradei, der ehemalige Chef der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), der Atomaufsichtsorganisation der Vereinten Nationen. Er war aus seiner Heimat Wien nach Ägypten zurückgekehrt, um zu verhindern dass die Proteste außer Kontrolle gerieten.

In jedem Fall konnte Washington die Lage nur mithilfe der Bruderschaft unter Kontrolle halten, denn sie stellte die einzige Partei, die größeren Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Das Weiße Haus nahm Kontakt mit den Moslembrüdern auf, die ihrerseits genauso gewillt waren, mit Washington zusammenzuarbeiten. Einer ihrer Führer sagte in einem Interview auf NBC News, sie könnten „mit den USA zusammenarbeiten.“ Sie versprachen, nicht mit eigenen Kandidaten zur Wahl anzutreten und ElBaradei zu unterstützen.

Die Revolutionären Sozialisten spielten bei diesem Vorhaben eine wichtige politische Rolle für die Obama-Regierung. Ihre Unterstützung für die Islamisten als Verbündete im Kampf für „soziale Gerechtigkeit“ deckte sich mit den Zielen des US-Imperialismus.

Als Suleiman am 6. Februar ankündigte, sich mit Vertretern der Oppositionsgruppen treffen zu wollen, um einen Ausweg aus der Krise zu finden, gehörten dazu auch die Moslembrüder, die Wafd, Tagammu, Mitglieder eines Komitees, das von Jugendgruppen ausgewählt wurde, und verschiedene Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.

Die RS stellten die Moslembrüder als reformistische und progressive Bewegung dar. Sie veröffentlichten Stellungnahmen, in denen sie dazu aufriefen „alle politischen und nationalen Kräfte in den Dialog mit dem Regime“ einzubeziehen. Die RS versuchten, die Arbeiter für die Moslembrüder und andere kapitalistische Parteien einzuspannen, indem sie dazu aufriefen eine „Führung aus den verschiedenen nationalen Kräften“ zu schaffen. Dies bezeichneten sie als eine besondere Art „Einheitsfront.“

Hierbei handelt es sich um einen Missbrauch und falsche Anwendung von Begriffen, die man historisch mit Trotzkis Forderungen nach einer Einheitsfront zwischen der deutschen Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei – beides Parteien mit einem großen Rückhalt in der Arbeiterklasse – gegen die Nazis in Verbindung bringt. Die RS bildeten ein Bündnis mit den Moslembrüdern, obwohl diese die Volkskomitees zerschlugen, mit denen Stadtviertel gegen Angriffe von Mubaraks Schlägern verteidigt werden sollten.

Ihr Ziel war es, die Entwicklung von echten Volksorganisationen zu verhindern und die Arbeiter unter die Kontrolle von „nationalen Kräften“ wie den Moslembrüdern, ElBaradei und seinesgleichen sowie der Gewerkschaftsbürokratie zu bringen. Die RS setzten sich für die Schaffung eines „obersten Rates“ ein, zu dem „Menschen gehören, die Vertrauen genießen, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, und die die Interessen ihres Rates gut vertreten können.“ Sie betonten, es sei besser „mit Kadern zu den Demonstranten zu sprechen“ – das heißt, mit erfahrenen Funktionären der Bruderschaft und ähnlicher Organisationen.

Am 11. Februar wurde Mubarak durch den Obersten Militärrat (SCAF, Surpreme Council of the Armed Forces) ersetzt, einer Junta unter Leitung von Verteidigungsminister Mohamed Hussein Tantawi. Zwei Tage später löste Tantawi das Parlament auf, setzte die Verfassung außer Kraft und gab der Junta diktatorische Vollmachten.

Die Junta behauptete, sie würde den Übergang zu demokratischer ziviler Herrschaft überwachen und setzte für den 19. März ein Referendum für eine neue Verfassung an. Wie falsch ihre demokratischen Fassade war, zeigte sich an den Forderungen nach einem Ende der Streiks und Proteste und der Drohung, das Kriegsrecht zu verhängen. Die Bruderschaft unterstützte das Referendum der Militärjunta, wurde als politische Partei zugelassen und schlug Wahlen für den November vor.

Die RS und andere nicht-islamistische Oppositionsgruppen riefen zwar formell dazu auf, die Verfassung der Junta abzulehnen, aber sie brachen nicht mit den Moslembrüdern. Stattdessen veröffentlichten sie am 25. Februar ein gemeinsames Statement, „Zur Gründung einer Koalition der Arbeiter der Revolution des 25. Januar“, in dem sie ein Bündnis zwischen „linken Kräften“ und den Moslembrüdern vorschlugen.

Die Islamisten mobilisierten ihre Unterstützer für das Referendum, das am 19. März erfolgreich war, mit 77 Prozent bei geringer Wahlbeteiligung.

Im Mai waren die Salafisten das tonangebende Element in einer antichristlichen Demonstration, die zu religiös motiverten Ausschreitungen führte, bei denen mindestens ein Dutzend Menschen getötet und 240 verwundet wurden, 65 davon wurden angeschossen. Die Junta segnete diesen Angriff ab, um religiöse Streitigkeiten zu schüren und die Arbeiterklasse zu spalten und um dem Militär einen Vorwand zu geben, gegen die Demonstranten loszuschlagen.

Die Massenproteste wuchsen während des Sommer an und die Jugend begann, eine „zweite Revolution“ zu fordern, um die Junta zu stürzen. Washington reagierte darauf, indem es ankündigte, einen „offenen Dialog“ mit den Moslembrüdern zu etablieren. Saudi-Arabien unterstützte die Salafisten als ihre Handlanger. Zusammen warfen die Islamisten – darunter auch die faschistische Partei Al-Gama’a al-Islamiya – den Demonstranten am Tahrir-Platz vor, sie seien „Kommunisten und Säkularisten“ und wollten die politische Macht an sich reißen, indem sie Zwietracht zwischen Volk und Armee sähten. Verschiedene islamistische Gruppen arbeiteten an einer gemeinsamen politischen Plattform und forderten am 29. Juli „Pro-Stabilitäts“-Proteste.

Trotzdem erhielten die Islamisten weiterhin wertvolle Unterstützung von Liberalen und pseudolinken Gruppen.

Die RS lehnten eine zweite Revolution ab und erklärten verrückterweise: „Keine zweite Revolution, sondern eine permanente Revolution bis zum Sturz des Regimes…“

Diese Versuche, den Forderungen nach einer zweiten Revolution Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution gegenüberzustellen, war vollkommen unehrlich. Der Kampf für eine permanente Revolution kann nur durch eine zweite Revolution der Arbeiterklasse gegen die Junta erfolgen. Was die RS angeht, so war es ihr Zeil, sicherzustellen, dass die bürgerlichen Kräfte, die die Junta stützen, ihre Diktatur „permanent“ machen können.

Am 27. Juli schlossen sich die RS, die Demokratische Arbeiterpartei und die Partei des Sozialistischen Bündnisses der Vereinten Volksfront an und unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung aller großen politischen Gruppierungen in Ägypten – auch der Moslembrüder, der Salafisten und al-Gama’a al-Islamiya. Sie erklärten sich bereit, alle „kontroversen Fragen“ außen vor zu lassen. Die Islamisten reagierten, indem sie ihre Anhänger für eine Kundgebung der Volksfront mobilisierten, bei der sie die deutliche Mehrheit gegenüber liberalen und „linken“ Gruppen stellten. Die größten Kontingente kamen von der salafistischen al-Nour (Das Licht) und den Moslembrüdern. Sie forderten einen islamischen Staat und riefen Parolen gegen „Säkularismus“ und „Kommunismus“

Die RS und andere pseudolinke Gruppen reagierten mit gespieltem Schock und Empörung und kündigten am 31. Juli an, dass sie nicht mehr an der Sitzblockade auf dem Tahrir-Platz teilnehmen würden. Das erlaubte es der Armee, mit tödlicher Gewaltanwendung den Platz zu räumen.

Die RS warben auch innerhalb der angeblich unabhängigen Gewerkschaften für die Moslembrüder. Nachdem im September eine Welle von Streiks ausgebrochen war, brachen diese Organisationen sie ab, um Forderungen nach dem Sturz des Militärrates zu verhindern, die die bürgerliche Herrschaft gefährdet hätten. Diese „unabhängigen“ Gewerkschaften werden in Wirklichkeit vom US-Außenministerium über den stramm antikommunistischen Gewerkschaftsbund AFL-CIO finanziert. Außenministerin Hillary Clinton sagte zu Aktivisten in Ägypten: „Wir sind uns sicher, dass die Regierung nicht gerne Gewerkschaften im Namen der politischen Opposition gegen das Regime unterstützt… was wir gehofft haben, ist eingetreten.“

Die RS sind auch begierig darauf, von der Zusammenarbeit mit dem AFL-CIO in Ägypten zu profitieren.

Am 2. Oktober, als die Ablehnung der Bevölkerung gegenüber dem Militärrat stieg, unterzeichneten die Parteien – darunter die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (der politische Arm der Moslembrüder), die salafistische al-Nour, die Wafd und die nasseristische Karama-Partei eine Vereinbarung, nach der im November Parlamentswahlen stattfinden sollten. Diese bezeichneten sie als wichtigen Schritt in Richtung Demokratie.Dabei wird das Militär dadurch mindestens bis Ende 2012 die Macht behalten, obwohl es versprochen hatte, es werde die Macht nach sechs Monaten abgeben. Laut Al-Ahram Online erklärten die Unterzeichner auch „ihre volle Unterstützung für den Obersten Militärrat und ihre Anerkennung seiner Rolle als Beschützer der Revolution und bei der Übertragung der Macht auf die Bevölkerung.“

Dieser Kuhhandel hat es dem Militärrat ermöglicht, seinen Griff um die Macht zu festigen, die Unterdrückung und gewaltsamen Angriffe auf Arbeiter weiterzuführen und die Notstandsgesetze zu erweitern.

Erneute Massenproteste haben die große Kluft zwischen der Arbeiterklasse und dem ganzen politischen Establishment gezeigt. Die Bruderschaft kritisierte öffentlich die Proteste gegen die Junta. Der Führer der Moslembrüder, Mohamed El Beltagi, wurde vom Tahrir-Platz vertrieben. Im Vorfeld der Wahlen gab es Massenproteste wegen des brutalen Vorgehens der Junta am 19. November gegen die Familien von Märtyrern der Revolution, durch das vierzig Menschen zu Tode kamen. Im ganzen Land wurde auf den Demonstrationen der Sturz des Militärrates gefordert.

Angesichts dieser Bedingungen forderten mehrere bürgerliche und kleinbürgerliche Politiker und Organisationen, darunter auch ElBaradei, eine „Regierung zur Rettung der Nation.“ Die Islamisten unterstützten diese Forderung. Die zentrale Aufgabe einer solchen Regierung, die von der gleichen Militärregierung eingesetzt würde, die die blutige Unterdrückung durchgeführt hat, wäre es angeblich im Namen der Einheit der „Revolution“ den unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse abzuwürgen, Aber kurzfristig wurde der Junta wieder die Initiative überlassen. Das machte es den Islamisten möglich, angesichts einer völlig diskreditierten liberalen Opposition und ihren pseudolinken Anhängseln die Wahlen zu dominieren.

Letzten Endes ist das Wachstum des politischen Islams in Ägypten und der Welt der Preis, den die Arbeiterklasse dafür gezahlt hat, sich den diversen nationalen bürgerlichen Organisationen unterzuordnen. Diese sind organisch unfähig, einen unabhängigen Kampf gegen den Imperialismus mit progressiven und demokratischen Mitteln zu führen.

Nationalismus, egal ob säkulärer oder religiöser, dient nur dazu, die Arbeiterklasse gegen ihre internationalen Brüder und Schwestern aufzubringen und sie den Interessen des Kapitalismus unterzuordnen. Das und die ideologische Verwirrung und politische Desorientierung, die durch die Verrätereien der Stalinisten und später der RS und anderer linker Gruppen entstanden, verhindern, dass die Arbeiterklasse effektive Mittel des Kampfes gegen die eigene herrschende Klasse und den Imperialismus entwickelt.

Die Perspektive der RS, mit Islamisten zusammenzuarbeiten und unter der Junta „demokratischen Spielraum“ zu schaffen, birgt große Gefahren. Die Einrichtung eines Parlamentes, das von den Moslembrüdern, al-Nour und Liberalen dominiert wird, schafft die Bedingungen für neue explosive Kämpfe zwischen der jetzt von der „offiziellen Opposition“ unterstützten Junta, ihren imperialistischen Geldgebern und der Arbeiterklasse.

Die Forderungen nach sozialer Gleichheit und echten demokratischen Rechten können nur durch einen bewussten revolutionären Kampf der Arbeiter und Bauern gegen die Junta und ihre Verteidiger durchgesetzt werden, ganz gleich, ob diese offiziell rechts oder links stehen. Dies erfordert den Aufbau einer Massenbewegung mit dem Ziel, eine Arbeiterregierung an die Macht zu bringen.

Um diesen Kampf erfolgreich zu führen, brauchen die ägyptischen Arbeiter zwei Dinge: Eine internationale sozialistische Strategie und ihre eigenen unabhängigen Kampforganisationen. Der Weg nach vorne liegt im Kampf zur Vereinigung der ägyptischen Arbeiter und der armen Landbevölkerung mit ihren Brüdern und Schwestern in der ganzen Region in einem vereinten Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Unterdrückung, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens als Teil der sozialistischen Weltrevolution. Das erfordert den Aufbau der revolutionären Führung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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