Perspektive

Guantánamo:

Zehn Jahre Folter und Unterdrückung

In dieser Woche vor genau zehn Jahren kamen die ersten Gefangenen, die Washington in seinem „weltweiten Krieg gegen den Terror“ machte, in dem Gefängnis der amerikanischen Marinebasis Guantánamo Bay auf Kuba an. Sie waren durch Medikamente ruhiggestellt, trugen Kapuzen auf den Köpfen und Fesseln an den Händen. Zehn Jahre danach ist das berüchtigte Gefangenenlager noch immer in Betrieb und was dort vor sich geht, wurde vom Kongress und Präsident Obama offiziell legalisiert.

Die Bush-Regierung hat das Lager ausdrücklich zu dem Zweck eingerichtet, darin Gefangene als „feindliche Kämpfer“ zu halten. Dieser Begriff wurde erfunden, um ihnen alle Rechte zu verweigern, die sie laut amerikanischer Verfassung als Angeklagte hätten, und auch die, die sie laut Genfer Konvention als Kriegsgefangene hätten. Unter Bush entschied das Justizministerium, dass die Marinebasis außerhalb des Geltungsbereiches aller ameirkanischen Gerichte liege, deshalb könnten die Gefangenen dort keine Rechtsmittel gegen ihre Inhaftierung in Anspruch nehmen.

Zweck dieses Arrangements war es, ein ideales Umfeld zu schaffen, in dem diejenigen, die vom US-Militär und den Geheimdiensten aus der ganzen Welt eingesammelt und nach Guantánamo gebracht wurden, ungestört gefoltert werden konnten.

An den Häftlingen wurde Waterboarding (simuliertes Ertrinken) und „Bryboarding“ (dem Opfer werden Tücher in den Mund gestopft, dann werden Mund und Nase zugeklebt, so dass es ersticken könnte) angewandt. Sie wurden mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt; mussten in schmerzhaften Stellungen verharren; sie wurden mit Stacheldraht und Glasscherben gefoltert; durften nicht einschlafen; wurden lange Zeit in extremen Temperaturen oder im Dunkeln gehalten. Um den Willen der Gefangenen zu brechen, wurden sie regelmäßig sexuell erniedrigt, außerdem wurde ihre Religion verunglimpft.

Wer in Hungerstreik trat, um gegen die Folter zu protestieren, wurde auf schmerzhafte Weise zwangsernährt, indem Plastikschläuche durch Nase und Mund bis in den Magen geführt wurden.

Häftlinge wurden zu Tode gefoltert, in den Selbstmord getrieben, oder überlebten jahrelange derartige Behandlungen, aber sind blind, verkrüppelt und geistig gebrochen.

Die Bush-Regierung behauptete fest, das die 775 in Guantánamo Gefangenen die „übelsten von allen“ seien, aber laut den Unterlagen der US-Regierung hatten 92 Prozent von ihnen keinerlei Beziehung zu al-Qaida oder zum Terrorismus. Nur sieben Personen – weniger als ein Prozent der Inhaftierten – wurden eines Verbrechens angeklagt. Die große Mehrheit waren unglückliche Opfer des Krieges gegen den Terror. Sie wurden in Pakistan und Afghanistan für Kopfgeld an die Amerikaner verkauft oder anderswo von der Straße weggefangen, ausschließlich wegen ihrer Herkunft und Religion.

Der Name Guantánamo wurde weltweit zu einem Synonym für US-Militarismus, Kriminalität und Aggression.

Obama, der numehr seit drei Jahren im Weißen Haus sitzt, wurde im Jahr 2008 vor allem deswegen gewählt, weil er einen „Wandel“ versprochen hatte. Damit appellierte er an die allgemeine Feindschaft und den Abscheu gegenüber den jahrelangen Angriffskriegen, den Angriffen auf demokratische Grundrechte und die hemmungslose Anwendung von Folter unter Bush.

Die herrschende Elite Amerikas hoffte, dass der Demokrat und erste afroamerikanische Präsident Washingtons Ansehen im Ausland verbessern würde, obwohl der US-Imperialismus weiterhin dieselben Ziele verfolgte.

Um den Wandel, für den Obamas Regierung angeblich stand, zu illustrieren, versprach er vor allem, Guantánamo innerhalb eines Jahres nach Amtsübernahme zu schließen. Er nannte es ein „trauriges Kapitel in der Geschichte Amerikas,“ das nun beendet würde.

Im November 2009 gab die Regierung jedoch zu, dass sie ihre eigene Frist nicht einhalten konnte. Stattdessen wurde die Schließung auf ein unbestimmtes Datum im Jahr 2010 verschoben.

Aber Obamas Versprechen hatte nie mehr als Symbolwert. Wie seine Regierung in Folge bewiesen hat, lehnt sie die Praktiken nicht ab, die das Lager Guantánamo so berüchtigt machten – unbegrenzte Haft ohne Prozess, außerordentliche Verhöre und Folter. Sie wollte nur die Anlage schließen und woanders ihr verbrecherisches Treiben fortsetzen.

In Wirklichkeit hat die US-Regierung an Plänen für ein „Guantánamo Nord“ gearbeitet. Die Gefangenen sollen aus Kuba in einen Gefängniskomplex in den USA verlegt werden, wo sie weiterhin ohne Anklage und Prozess gefangengehalten werden könnten.

Zur selben Zeit werden Tausende unter ähnlichen Bedingungen in Anlagen wie dem Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan oder in geheimen CIA-Gefängnissen gehalten. Gleichzeitig schützt die Obama-Regierung ihre Vorgänger entschlossen vor einem Prozess wegen Folter und anderer Verbrechen, die sie in ihrer Amtszeit begangen haben.

Im Januar 2011 unterzeichnete Obama ein Gesetz zum Militärhaushalt, durch das die Verlagerung von Gefangenen aus Guantánamo in Anlagen in den USA verboten wurde, und das die Schließung des Gefängnisses verhindert. Zwei Monate später ließ die Regierung auch die Prozesse vor Militärkommissionen wieder aufnehmen. Darüberhinaus machte Obama die unbegrenzte Haft zur offiziellen Politik seiner Regierung.

Schließlich unterzeichnete er am 31. Dezember 2011 den National Defense Authorization Act (NDAA). Dieser enthält Zusätze, die eine unbegrenzte Haft ohne Anklage und Prozess für Staatsbürger und Ausländer legalisieren. Damit werden die Menschenrechte der amerikanischen Verfassung, die Bill of Rights, der jahrhundertealte Habeas Corpus für nichtig erklärt und die Methoden eines Polizeistaates oder einer Militärdiktatur für rechtmäßig erklärt.

In Guantánamo sind noch immer 171 Menschen inhaftiert. Zwölf von ihnen sind seit zehn Jahren dort, nur einer davon wurde angeklagt und schuldig gesprochen. Dass sie weiterhin festgehalten werden, ist ein Verbrechen, das sofort geahndet werden muss. Alle, die hier Menschen hingeschickt, gefangengehalten und gefoltert haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Es geht nicht nur darum, „den Scherbenhaufen aufzukehren“, den die Vorgängerregierung hinterlassen hat. Dass die Polizeistaatsmethoden, die unter Bush eingeführt wurden, weiterhin angewandt und noch verschärft werden, zeigt, dass sie nicht das Produkt einer bestimmten Partei oder Ideologie sind, sondern von tiefen Widersprüchen im amerikanischen Kapitalismus diktiert sind.

Die stärkste treibende Kraft war die beispiellose Polarisierung zwischen einer winzigen reichen Elite, dem obersten einen Prozent, das den Reichtum und die politische Macht in der Hand hält, und der großen Masse der arbeitenden Bevölkerung, die politisch entmündigt ist und deren Einkommen, Arbeitsplätze und Lebensverhältnisse ständig angegriffen werden.

Die starke soziale Ungleichheit im heutigen Amerika macht echten demokratischen Fortschritt unmöglich. Die langanhaltende Wirtschaftskrise hat zu Sozialprotesten und Klassenkampf geführt, und als Antwort darauf neigt die herrschende Elite immer offener zur staatlichen Unterdrückung, um ihre Macht und ihre Privilegien zu verteidigen.

Durch Obamas Vorgehen droht, die verbrecherischen Praktiken aus Guantánamo in die USA zu holen und gegen die amerikanische Arbeiterklasse anzuwenden.

Die Verteidigung demokratischer Rechte, zu der auch die Abschaffung des ganzen Unterdrückungssystems gehört, kann nur Erfolg haben, wenn die Arbeiterklasse ihre unabhängige Stärke im Kampf um die politische Macht mobilisiert, den Kapitalismus abschafft und die Wirtschaft  so organisiert, dass sie die Bedürfnisse der Menschen erfüllt anstatt dem privaten Profitstreben zu dienen.

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