Perspektive

2012: Ein neues Jahr beginnt

Zu Beginn des neuen Jahres haben viele Menschen das Gefühl, dass 2012 von großen politischen und gesellschaftlichen Kämpfen gekennzeichnet sein wird.

2011 erhoben sich zuerst die Massen in Tunesien und Ägypten, dann entwickelten sich rund um den Globus in einem Land nach dem anderen gewaltige gesellschaftliche Proteste. Dieser historische Trend zeigt, dass eine neue Epoche verschärfter Klassenkämpfe begonnen hat.

Nach mehr als drei Jahren weltweiter Wirtschaftskrise hat die breite Masse der Arbeiterklasse nicht nur das Vertrauen in die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Kapitalismus verloren, sondern auch in seine moralische Legitimität. Die Ereignisse vom September 2008 und ihre Nachwirkungen beeinflussen das Bewusstsein der Menschen auf der ganzen Welt so tief, wie die Große Depression diejenigen beeinflusste, die in den späten zwanziger und dreißiger Jahren aufwuchsen.

Die politischen Führer herrschen im Interesse der Finanz- und Wirtschaftseliten und können der Bevölkerung keine positiven Lösungen anbieten. Sie können nicht einmal die kleinste Hoffnung wecken, dass es morgen besser zugehen wird als gestern. Die alles überlagernde Verzweiflung zeigte sich in der Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie warnte, dass 2012 für Europa „zweifellos schwieriger werden wird als 2011“, und dass dem Kontinent die „härtesten Prüfungen seit Jahrzehnten“ bevorstünden.

Wirtschaftsexperten sagen für Europa eine Rezession voraus. Das Überleben des Euro, der vor zwanzig Jahren durch den Vertrag von Maastricht ins Leben gerufen wurde, ist zweifelhafter denn je. In Asien, vor allem in China, gehen die Produktionszahlen aufgrund von Exporteinbrüchen stark zurück.

In den Vereinigten Staaten, von wo aus riesige Finanzspekulationen die Krise ausgelösten, werden die Erfolgsmeldungen vom „Aufschwung“ durch Rekordzahlen bei Armut und Langzeitarbeitslosigkeit widerlegt. In den vergangenen Jahren sank der Anteil der Arbeiterlöhne am Nationaleinkommen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die „neue Normalität“ wird in aller Welt von Massenarbeitslosigkeit, Armut und endlosen Angriffen auf Arbeitsplätze und Löhne bestimmt. Angesichts zunehmender Wut und wachsenden Widerstands gegen die tiefgreifende soziale Ungleichheit löst die herrschende Klasse systematisch alte, durch die Verfassung geregelte Strukturen demokratischer Rechte auf. Der Drang zu autoritären Herrschaftsformen und offener Diktatur wird, wie üblich, von einer Eskalation des imperialistischen Militarismus begleitet. Der „Krieg gegen den Terror“ dient immer offener als Vorwand für die Abschaffung demokratischer Rechte.

In den USA wird man sich an das Jahr 2011 erinnern, weil in diesem Jahr der Präsident der Vereinigten Staaten die Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers angeordnet hat, ohne sich dabei mit irgendwelchen rechtsstaatlichen Normen aufzuhalten. In der letzten Dezemberwoche unterzeichnete Obama einen Gesetzesentwurf, der es erlaubt, Amerikaner, denen vorgeworfen wird „den Terrorismus zu unterstützen“ – egal wie vage dies begründet wird – vor Militärtribunale zu stellen.

Genau wie in den dreißiger Jahren wächst mit der Wirtschaftskrise auch die Kriegsgefahr. Hinter den Kriegsdrohungen gegen den Iran stecken die Vorbereitungen der USA auf einen offenen Militärkonflikt mit China. Die USA sind nicht die einzigen, die versuchen, ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Der Krieg gegen Libyen eröffnete ein neues, blutiges Kapitel in der Geschichte des europäischen Imperialismus.

Im Dezember 2011 jährte sich zum zwanzigsten Mal die Auflösung der Sowjetunion, des Staates, der aus der Oktoberrevolution von 1917 hervorgegangen war. Das Ende der UdSSR, das durch jahrzehntelangen stalinistischen Verrat am internationalen sozialistischen Programm und den Prinzipien der Revolution vorbereitet wurde, führte bei den Kapitalisten zu einer wahren Orgie triumphaler Selbstbeweihräucherung. Nicht nur die Propagandisten in den Medien, sondern auch ein Heer von Akademikern erklärte die Epoche der sozialistischen Revolution für beendet. Einer dieser Intellektuellen, Francis Fukuyama, drückte die Euphorie über die Auflösung der UdSSR aus, indem er das „Ende der Geschichte“ proklamierte. Die Bedeutung dieser Phrase war offensichtlich: Der Kapitalismus werde für immer bestehen.

In diesen zwanzig Jahren hat sich vieles verändert: Angesichts von Wirtschaftskrisen, sinkendem Lebensstandard, wachsender sozialer Ungleichheit, Gesetzesübertretungen durch den Staat, Umweltkatastrophen und der wachsenden Gefahr eines neuen Weltkrieges breitet sich unter den Massen die Erkenntnis aus, dass der Kapitalismus gescheitert ist. Die zunehmenden sozialen Kämpfe, an denen bereits Millionen Menschen auf der ganzen Welt teilgenommen haben, zeigen, dass die Krise des Kapitalismus im subjektiven Bewusstsein der größten revolutionären Kraft der Welt angekommen ist – im Bewusstsein der internationalen Arbeiterklasse.

Wie im Anfangsstadium einer Massenbewegung üblich, gibt es Diskrepanzen zwischen dem historischen Ausmaß der Krise und dem vorhandenen Bewusstsein der Massen, die in den Kampf hineingezogen werden. Wie sollte es anders sein? Die Massen können nur durch Kämpfe Erfahrungen sammeln. Sie können ihre politische Desorientierung und Verwirrung nicht über Nacht überwinden, schließlich sind sie jahrzehntelang in die Irre geführt und verraten worden. Die alten Organisationen – reformistische Parteien und Gewerkschaften – nutzen den letzten Rest ihres Einflusses, um Proteste zu unterdrücken oder sie, wo das nicht geht, in Kanäle zu lenken, in denen sie der Herrschaft des Kapitalismus nicht gefährlich werden.

Die sozialen Kämpfe des Jahres 2011 haben die immensen Probleme der politischen Perspektive und der Führung der Arbeiterklasse im Weltmaßstab gezeigt. Die Bewegungen und Sozialproteste blieben weltweit größtenteils von linksliberalen, pseudoradikalen und halb-anarchistischen Tendenzen dominiert. Diese lehnen die politische Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf um die Macht auf Grundlage eines sozialistischen Programms ab. Daher konnte sich die herrschende Klasse wieder sammeln und, wie in Ägypten, zur Offensive gegen die revolutionären Massen übergehen.

Die Occupy-Bewegung und ähnliche Protestströmungen konnten innerhalb von wenigen Monaten großen Rückhalt in der Öffentlichkeit gewinnen. Sie haben der weitverbreiteten Wut über soziale Ungleichheit und der Feindschaft gegenüber einem politischen System, das von den Reichen kontrolliert wird, eine Stimme verliehen. Aber diese Bewegungen werden von Organisationen aus der Mittelschicht dominiert, die nicht das geringste Interesse daran haben, die Arbeiterklasse in den Kampf gegen das kapitalistische System zu führen.

Doch die politische Radikalisierung, die im Jahr 2011 begonnen hat, wird sich im neuen Jahr fortsetzen. Die Widersprüche im Wesen des Weltkapitalismus, die die herrschende Klasse zu Unterdrückung und Krieg treiben, treiben auch die Arbeiterklasse zur sozialistischen Revolution. Ihre Interessen können nur durch die Umwandlung der Gesellschaft als Ganzes verteidigt werden – das heißt, durch die Eroberung der politischen Macht, das Ende des Kapitalismus und die Neuorganisierung der Weltwirtschaft im Interesse der Menschheit.

Zu Neujahr fasst man traditionell Vorsätze. Entscheidet euch zum Auftakt von 2012 dazu, den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen, tretet der Partei für Soziale Gleichheit bei und baut mit uns gemeinsam die Vierte Internationale zur Weltpartei der sozialistischen Revolution auf!

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