Perspektive

Der Gefängnisbrand in Honduras – ein Verbrechen des Kapitalismus

Die offizielle Opferzahl nach dem furchtbaren Feuer, das am 14. Februar das Comayagua-Gefängnis in Zentralhonduras zerstörte, stieg am Freitag auf 356. Kurz zuvor war ein weiterer Insasse seinen Verbrennungen dritten Grades erlegen.

Je mehr über diese ungeheure Tragödie bekannt wird, umso mehr deutet darauf hin,, dass die Toten Opfer eines staatlich organisierten Massakers geworden sind – genauso tödlich, als wären sie von militärischen Todeskommandos, die in der jüngsten Geschichte des Landes eine solch blutige Rolle gespielt haben, niedergemäht worden.

Zunächst war das Feuer auf einen elektrischen Kurzschluss und dann auf die Zigarette eines Insassen, die eine Matratze entzündet haben soll, zurückgeführt worden. Am Donnerstag wurde bekannt, dass es von Wachen absichtlich zur Vertuschung einer Verschwörung gelegt worden sei, bei der bessergestellte Insassen einen Wächter geschmiert hatten, damit sie ihnen die Flucht ermöglichten. Die honduranischen Behörden durchleuchten Berichten zufolge die Bankkonten der Beamten des Gefängnisses.

Überlebende Gefangene berichten, dass auf sie geschossen wurde, während sie den Flammen zu entkommen versuchten. Sie haben die mit der Identifikation der Opfer beauftragten Forensiker aufgerufen, die Leichen nach Schusswunden zu untersuchen.

Die Feuerwehrmänner, die den Brand bekämpften, bestätigen das Gewehrfeuer. Sie trafen zwar innerhalb von weniger als zehn Minuten nach dem Notruf ein. Dieser Notruf ging aber erst zwanzig Minuten nach Ausbruch des Feuers bei ihnen ein. Noch mehr wertvolle Zeit wurde verloren, da sie das Gelände aus Angst, erschossen zu werden, nicht betreten konnten. Als sie endlich begannen, das Feuer zu bekämpfen, war es zu spät, um noch jemanden zu retten.

Gefangene und ihre Familien beschuldigen die Wachen, die Zellentüren nicht geöffnet und die Insassen so dem Tod durch Verbrennen ausgeliefert zu haben. Aber selbst wenn sie verantwortlich gehandelt hätten, wäre eine Katastrophe unvermeidlich gewesen, da sich nur zwei Wächter innerhalb des Gefängnisses befanden, um 852 Insassen zu retten. Die Behörden haben zugegeben, dass es keine Evakuierungspläne für einen Notfall gab.

Die Regierung von Honduras hat bestätigt, dass fast sechzig Prozent der in Comayagua Inhaftierten noch nicht verurteilt waren, sondern auf ihren Prozess warteten oder als mutmaßliche Gang-Mitglieder unter den drakonischen Gesetzen ins Gefängnis geworfen worden waren, die der Polizei erlauben, Personen schon auf Grund von Tätowierungen zu verhaften.

Wenn es jemals eine Katastrophe gegeben hat, die vorauszusehen war, dann die im Comayagua-Gefängnis. 2004 tötete ein ähnlicher Brand 107 Insassen im Gefängnis von San Pedro Sula, Honduras‘ zweitgrößter Stadt, und im Jahr davor starben 66 Gefangene und drei weibliche Besucher bei einem Massaker im El-Porvenir-Gefängnis in der Nähe der karibischen Küstenstadt La Ceiba.

Erst 2010 gab die inter-amerikanische Menschenrechtskommission einen Bericht heraus, der die entsetzlichen Zustände in honduranischen Gefängnissen anprangerte und die Regierung dringend aufforderte, etwas dagegen zu unternehmen. Doch die honduranische Regierung hat seitdem tatenlos zugesehen, wie sich die Verhältnisse in den Gefängnissen verschlechtert haben. Gleichzeitig hat sie ein Sparpaket nach dem anderen verabschiedet und Löhne und Lebensstandards gesenkt, um die Profite der Handvoll herrschender Familien, der internationalen Banken und der transnationalen Konzerne zu erhöhen, die die Niedriglöhne in den honduranischen Ausbeuterbetrieben, die auch als maquiladoras bekannt sind, ausnutzen.

Die Zustände in den Gefängnissen sind ein ziemlich genauer Gradmesser für die in einem Land herrschenden sozialen Bedingungen. In Honduras spiegeln sie eine Gesellschaft wider, die zu den ungleichsten der Welt gehört. Honduras ist nach Haiti das zweitärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wird von einer kleinen Gruppe von Großgrundbesitzern, Industriellen und Finanziers beherrscht. Sechzig Prozent der Bevölkerung leben in Armut und dreißig Prozent sind arbeitslos.

Die internationalen Medien verwiesen angesichts dieser Gräueltat auf die Mordrate in Honduras, die mit 82,1 auf einhunderttausend Einwohner die schlimmste in der Welt ist (verglichen mit einem Durchschnitt von 6,9), und auf die Rolle des Drogenhandels.

Praktisch unerwähnt blieb jedoch die lange und blutige Bilanz staatlicher Gewalt in Honduras, die eng mit der mehr als einhundertjährigen Unterdrückung des Landes durch den US-Imperialismus einhergeht.

Honduras wurde während der ersten drei Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts sieben Mal von US-Marines überfallen und war in den Achtziger Jahren Schauplatz von Morden, Folter und Unterdrückung, als es dem CIA als Stützpunkt für seine Operationen im „Kontra“-Krieg gegen Nicaragua diente. Es ist immer noch Standort der größten US-Militäreinrichtung in Lateinamerika, des Soto-Cano-Luftwaffenstützpunktes, der den honduranischen Behörden diese Woche 400 Leichensäcke für die Toten von Comayagua lieferte.

Die korrupten und reaktionären Institutionen des Landes und seine herrschende Elite sind durch eine Serie von amerikanisch inspirierten Militärputschen geformt worden, von denen der letzte, der von der Obama-Regierung unterstützt wurde, nur zweieinhalb Jahre zurückliegt.

Der derzeitige Präsident des Landes, Porfirio Lobo, hat es geschafft, das blutige Werk des Putsches vom Juni 2009 zu legitimieren, ohne dass einer seiner Führer strafrechtlich belangt wurde. Der gestürzte Ex-Präsident Manuel Zelaya, der 2009 von honduranischen Truppen im Schlafanzug aus dem Präsidentenpalast geschleppt wurde, hat mit dem Regime seinen Frieden geschlossen. Zelaya, ein wohlhabender Großgrundbesitzer, der sich durch populistische Rhetorik, ein Gefälligkeitsbündnis mit Venezuelas Hugo Chavez und einer Anhebung des Mindestlohnes den Zorn seiner Klasse zuzog, unterzeichnete im vergangenen Mai eine Vereinbarung mit Lobo, in der er die Legitimität der Regierung bestätigte und die Tugenden der „Demokratie“ anpries.

Für die arbeitenden Massen von Honduras ist die verbrecherische Verachtung angesichts des Todes der Gefangenen von Comayagua ein Zeichen, das den wahren Charakter dieser sogenannten Demokratie deutlich macht, in der Journalisten, Gewerkschafter, Menschenrechtsaktivisten, Arbeiter, Bauern und andere noch immer durch Todesschwadrone sterben.

Der öffentliche Wutausbruch angesichts der Gräueltat ist tief in der Entschlossenheit der honduranischen Arbeiter verwurzelt, sich ihrem Schicksal zu widersetzen. Das Massaker von Comayagua zeigt einmal mehr, dass es unmöglich ist, lebenswerte Bedingungen, demokratische Rechte und die Freiheit von imperialistischer Herrschaft zu erreichen, ohne die Arbeiterklasse in Honduras und ganz Amerika unabhängig im Kampf für die Beendigung der Klassenunterdrückung und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu mobilisieren.

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