Griechenland: Mit SYRIZA zurück zur PASOK

Angesichts der brutalen sozialen Angriffe in Griechenland, die Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Massenarmut verursachen, wenden sich Millionen Griechen von der offiziellen Politik ab und treten ihr mit offener Feindschaft gegenüber. Die größte Regierungspartei, die sozialdemokratische PASOK rutschte von 44 Prozent 2009 auf 8 bis 15 Prozent in jüngsten Umfragen ab. Gleichzeitig versuchen Parteien, die sich als links bezeichnen, die Lage zu stabilisieren und eine neue Regierung der Sozialkürzungen vorzubereiten.

Die treibende Kraft hinter einer Regierung der „linken“ Parteien ist dabei die „Koalition der radikalen Linken“ (SYRIZA). Sie hat die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und die Demokratische Linke (DIMAR) mehrfach zur Zusammenarbeit aufgefordert, was diese bisher aber ablehnten.

Vergangene Woche warb der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras bei einem Pressetermin im Roten Kreuz Krankenhaus in Athen für dieses Projekt. In dem Krankenhaus wurden in den letzten beiden Jahren massive Kürzungen durchgesetzt, sodass Pflegekräfte heute manchmal nur 500 Euro pro Monat verdienen. Außerdem droht dem Krankenhaus die Teilprivatisierung, gegen die sich viele Mitarbeiter zur Wehr setzen.

Vor kleinen Belegschaftsgruppen sprach sich Tsipras gegen die geplante Privatisierung und für eine bessere Finanzierung des Krankenhauses aus. Er bemühte sich, die Arbeiter davon zu überzeugen, dass eine linke Regierung die sozialen Gegensätze abschwächen und die bisherigen Kürzungen zurück nehmen würde.

Tsipras’ Rede war darauf ausgerichtet die Illusion zu schüren, dass „anständige Löhne, Renten, Schulen und Krankenhäuser“ auch im Rahmen des bestehenden EU-Diktats erreicht werden könnten und es möglich sei, die Finanzaristokratie durch Verhandlungen zu Zugeständnissen zu bewegen. Weil aber die Bevölkerung seit Monaten die gegenteilige Erfahrung macht, schlägt Tsipras radikale Töne an und spricht viel vom „Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit“, der sich in der momentanen Krise ausdrücke und verschärfe.

Forderungen nach entschädigungsloser Enteignung der Banken oder der Schaffung einer Arbeiterregierung kommen ihm aber nicht über die Lippen. Denn einer Politik im Interesse der Arbeiter, die sich konsequent gegen den Kapitalismus richtet und eine sozialistische Perspektive verfolgt, ist er extrem feindlich gesonnen.

Während sich gerade in Griechenland zeigt, dass kein einziges Recht der Arbeiter verteidigt werden kann, ohne die Macht der Finanzelite zu brechen, bereitet Tsipras stattdessen eine Linksregierung vor, die das Diktat der Europäischen Union und der Banken anerkennt und die Sparmaßnahmen so gestaltet, dass sie gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden können. Dieser Umstand wird umso deutlicher, je konkreter Tsipras in seiner Rede wird.

Von der WSWS gefragt, ob seine sozialen Forderungen nicht mit dem Verbleib in der EU kollidierten, die Griechenland seit zwei Jahren die schärfsten Kürzungen verordnet, entgegnete Tsipras, dass SYRIZA einen Austritt aus der EU nicht unterstütze. Er machte unmissverständlich deutlich, dass er sich mit denselben EU-Vertretern, die Griechenland in den letzten Jahren haben ausbluten lassen, an einen Tisch setzen werde, um, wie er sagt, „neu zu verhandeln“.

„Wenn wir es hinbekommen, eine Regierungskoalition zu bilden und die Macht im Land von Kräften übernommen wird, die die Interessen der Arbeiter und einfachen Leute verteidigt“, sagte Tsipras, „werden wir natürlich versuchen, die Kürzungsmaßnahmen und die derzeitige Politik anzuprangern. Wir werden starke Verhandlungen auf europäischer und internationaler Ebene führen und alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um gute Ergebnisse auf europäischer Ebene zu erzielen.“

Angesichts dessen, dass die EU von Anfang an die wichtigste Rolle dabei gespielt hat, die sozialen Rechte der Arbeiter in Griechenland unter Beschuss zu nehmen, ist die Formulierung „Verhandlungen zu führen“ nur ein anderer Ausdruck dafür, das Spardiktat zu akzeptieren. Alles Gerede über den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit ist nichts als Augenwischerei, wenn eine der bedeutendsten kapitalistischen Institutionen als Verhandlungspartner anerkannt wird.

Noch deutlicher wird Tsipras Position zur EU, bedenkt man seine Bündnispartner. In seiner Rede betont er, dass der Chef der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, eine Zusammenarbeit bisher zwar ablehne, die historische Notwendigkeit aber werde einsehen müssen.

„Wir glauben daran, dass unser Vorschlag nicht nur Bedeutung für Linke, sondern für alle Menschen hat, die ganz einfach verstehen, dass wir in einer Situation, in der unser Haus angegriffen wird und ein Dieb uns bestiehlt, den anderen helfen müssen, den Dieb hinauszuwerfen, auch wenn wir kleine Konflikte untereinander haben.“

Die Damen und Herren, mit denen Tsipras nur kleinere Konflikte ausficht, aber prinzipiell zusammenarbeiten will, sind aggressive Verteidiger der EU und der Banken in Griechenland. Der Pressesprecher der DIMAR, Andreas Papadopoulos, sagte gegenüber der WSWS, dass der Verbleib in der EU für die Partei ein übergeordnetes, strategisches Ziel sei. Sollten die EU-Institutionen dem Land erneut Sparmaßnahmen diktieren, würde eine Regierung seiner Partei in Verhandlungen treten, um „andere Maßnahmen mit sozialem Antlitz“ zu erreichen. Auch wenn dies scheiterte, käme ein Austritt aus der EU nicht in Frage. „Wir würden die EU unter keinen Umständen verlassen.“

Auch Kouverlis ist völlig klar, dass dies bedeutet, die nächsten Kürzungsrunden gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Deshalb fordert er autoritäre Maßnahmen, wie die Schaffung eines neuen Haushaltsministeriums, das besondere Vollmachten erhalten soll. „Wir wollen einen Haushaltsminister, dem alle anderen Minister untergeordnet sind“, sagte er der Tageszeitung Die Welt. Ein solcher Superminister soll nicht vom Regierungschef bestimmt, sondern direkt vom Parlament gewählt werden. „Bei Kabinettsumbildungen, wie sie in der griechischen Politik üblich sind, dürfte dieser Minister nicht ersetzt werden.“

Ein Haushaltsminister, dem alle anderen Minister untergeordnet sind, bedeutet aber nichts anderes, als die Finanzdiktatur der EU in die politische Diktatur der griechischen Regierung zu übertragen.

Die DIMAR wurde im Juni 2010 von Mitgliedern SYRIZAs gegründet, die den damaligen Kürzungspaketen der PASOK zustimmen wollten und sich auf eine Koalition mit der sozialdemokratischen Partei orientierten. Kouvelis erklärte damals: „Wir wollen eine Linke, die weder alle durch die Arbeiter erstrittenen Rechte meint verteidigen zu müssen, noch die Gewerkschaften für politische Ziele einsetzt.“[1]

Eine Koalition mit der DIMAR ist gleichbedeutend mit einer PASOK-Koalition. Nicht nur, weil immer mehr ehemalige PASOK-Funktionsträger zur DIMAR überlaufen, sondern auch, weil die DIMAR aktiv für eine Zusammenarbeit mit PASOK eintritt. „Wir sind daran interessiert in die Regierung einzutreten.“ sagt Papadopoulos. „Auch wenn wir Differenzen mit ihnen haben, stünden wir für eine Koalition mit der PASOK bereit.“

Auch SYRIZA hatte schon mehrfach eine Koalition mit der PASOK in Erwägung gezogen. Bereits 2009 erklärte Tsipras gegenüber Vertretern der italienischen Rifondazione Communista, dass er zu einer Koalition mit der PASOK bereit sei, wenn diese „mit der Notwendigkeit einer Veränderung der griechischen Gesellschaft nach links übereinstimme.“ Schwammiger kann man eine Bedingung kaum formulieren.

Die PASOK hatte 2009 die Regierungsgeschäfte nach vorzeitigen Neuwahlen von der konservativen Nea Dimokratia (ND) übernommen. Nachdem sie im Wahlkampf noch höhere Staatsausgaben für Soziales gefordert hatte, organisierte sie in den letzten zwei Jahren die soziale Konterrevolution. Jetzt, wo sie in den Augen der Massen diskreditiert ist, versucht SYRIZA ihr mithilfe der DIMAR neues Leben einzuhauchen.

Unterstützt wird sie dabei von zahlreichen „linken“ Gruppen, die sich etwas radikaler geben, sich in der grundlegenden Ausrichtung aber nicht unterscheiden. So tritt auch der griechische Ableger des „Committee for a Workers International“ (CWI) Xekinima für eine Koalition der „linken“ Parteien ein, die schon bei den nächsten Wahlen die Regierung bilden könnten. Ähnliche Positionen findet man bei der SEK (International Socialist Tendency, IST) oder OKDE (Usec).

Tatsächlich würde eine solche Regierung die Logik der PASOK weiterführen und das Diktat der EU gegen die griechischen Arbeiter durchsetzen. Um gegen die soziale Konterrevolution vorzugehen, müssen sich Arbeiter unabhängig von diesen Gruppen organisieren und direkt gegen die EU und ihre Institutionen kämpfen. Ihre Bündnispartner sind dabei die Arbeiter aller europäischen Länder.

 


[1] “We want a left that does not feel it is legitimate to defend all workers’ established rights, nor to pander to unions and associations for petty political gains.”

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