Bill Keller von der New York Times legt Regeln für nächsten Krieg fest

Am neunten Jahrestag des Beginns des Irakkrieges veröffentlichte der Kolumnist und ehemalige Herausgeber der New York Times, Bill Keller, einen Artikel, in dem er auf eigennützige Weise seine Rolle bei der Rechtfertigung des Krieges verheimlicht und die Regeln für den nächsten vorgibt.

Kellers Überschrift „In den Krieg hinein- und hinausstolpern“ entspricht dem hämischen und zynischen Charakter der begüterten Schicht etablierter Liberaler, zu der er gehört. Sie gehören heute zu den wichtigsten Anhängern des Imperialismus.

„Wenn man, so wie ich, in etwas so Wichtigem wie einem Krieg falsch lag, ist es wichtig, dass man gründlich darüber nachdenkt, wie man so einen Fehler in Zukunft vermeidet“, beginnt die Kolumne. „Wenn das für einen einfachen Kolumnisten zutrifft, dann noch ungleich mehr für diejenigen, die in der Lage sind, einen Krieg tatsächlich zu beginnen.“

Keller ist nur ein „einfacher Kolumnist?“ Welche Bescheidenheit! Man kann sich kaum vorstellen, dass er zu der Zeit als er in „etwas so Wichtigem wie Krieg falsch lag“, der Chefredakteur der New York Times war, einem der mächtigsten Meinungsbildungsorgane in den Vereinigten Staaten, und 650.000 Dollar Jahresgehalt kassierte.

Der ehemalige Chefredakteur sagt kaum etwas darüber, worin er im Vorfeld des Irakkrieges falsch gelegen hat, und auch nicht, warum er jetzt glaubt, es sei ein Fehler gewesen, den Krieg zu unterstützen, abgesehen von der beiläufigen Bemerkung, er habe „unsere Aufmerksamkeit und Energie von den viel wichtigeren Aufgaben in Afghanistan abgelenkt.“

Noch weniger Interesse hat er daran, zu überlegen, wozu es geführt hat, dass er „falsch gelegen“ hat: Millionen von Irakern wurden getötet, verwundet oder zur Flucht gezwungen, eine ganze Gesellschaft wurde um Jahrzehnte zurückgeworfen und mehr als 4000 US-Soldaten sind tot und Zehntausende verwundet.

Jede ernsthafte Untersuchung über den Irakkrieg würde unweigerlich auf die unverzichtbare Rolle der Times und ihres Redakteurs Keller aufmerksam werden, der der amerikanischen Bevölkerung die Lügen verkauft hatte, mit denen der Krieg gerechtfertigt wurde. Es ging nicht nur um einfache Kolumnen, sondern um eine langfristige Desinformationskampagne. Die Times und ihre Korrespondentin Judith Miller behaupteten, der Krieg sei notwendig, da das Regime in Bagdad Massenvernichtungswaffen herstelle. In einem Leitartikel und einer Kolumne nach der anderen wurde Stimmung für den Krieg gemacht. Die Times ist eine angesehene Zeitung und das Sprachrohr des offiziellen Liberalismus. In dieser Funktion wurde sie von der Bush-Regierung benutzt, um die Invasion im Irak zu rechtfertigen und den Ton für alle nationalen Medien vorzugeben.

Angesichts der Kriegsdrohungen gegen Syrien und den Iran stellt Keller eine Reihe von Fragen, die uns angeblich davor schützen sollen, noch einmal „falsch zu liegen.“

Die erste Frage lautet: „Inwieweit ist das unser Kampf?“ Er schreibt, im Fall des Afghanistankrieges sei die Antwort offensichtlich gewesen. Er beruft sich auf einen allgemeinen Konsens, dass es im Jahr 2001 „von großem nationalem Interesse war, die mörderischen Fanatiker zu bestrafen, die hinter den Anschlägen vom 11. September steckten.“

Wenn das stimmt, warum hat die Bush-Regierung ihr Militär nicht nach Saudi-Arabien geschickt, wo fünfzehn der neunzehn Attentäter vom 11. September und die ideologische Inspiration, Finanzierung und logistische Unterstützung für die Operation herkamen? Warum wurden die einen „Fanatiker“ auf die Abschussliste gesetzt und andere beschützt? Es hatte nichts mit einem „allgemeinen Konsens“ zu tun, sondern mit den geostrategischen Interessen des US-Imperialismus – vor allem der Kontrolle über die Ölreserven. Das Wort „Öl“ kommt in Kellers Kolumne nicht einmal vor.

Keller bezeichnet den Afghanistankrieg als, „wie es bei der Polizei heißt, zulässige Gewaltanwendung.“ Die Polizei benutzt diese Formulierung manchmal, wenn die Erschießung eines Menschen beschrieben wird, der scheinbar eine Waffe ziehen will, die sich hinterher als Geldbeutel herausstellt. Er will damit andeuten, die USA seien die Weltpolizei, die berechtigt sei, Gewalt anzuwenden, wenn sie es für gerechtfertigt hält.

Zu Kellers sonstigen Fragen gehören die nach den Kosten des Krieges (Libyen war ein leichtes Ziel, Syrien wird ein schwereres sein), welche Alternativen es gibt (er nennt Obamas Kriegsdrohungen gegen den Iran ein Mittel, Israel die Hände zu binden), wer den Krieg sonst noch unterstützt („in solchen optionalen Kriegen ist es nützlich, Gesellschaft zu haben“), und was mögliche unbeabsichtigte Folgen sein könnten.

Eine Frage fehlt vollkommen. Er hält es nicht für wichtig, sie zu stellen: Ist der Krieg legal? „Optionale Kriege“, wie Keller sie euphemistisch nennt, sind völkerrechtlich gesehen Angriffskriege.

Das Nürnberger Militärtribunal, das den überlebenden Führern des Dritten Reiches den Prozess machte, bezeichnete einen Angriffskrieg als etwas „seinem Charakter nach Böses“. Es erklärte: „Einen Angriffskrieg zu beginnen… ist nicht nur ein internationales Verbrechen, es ist das größte internationale Verbrechen. Von anderen Kriegsverbrechen unterscheidet es sich dadurch, dass sich in ihm die gesammelte Schlechtigkeit aller Verbrechen sammelt.“

Die Gründungscharta der Vereinten Nationen, die Washington unterschrieben hat, verpflichtet Mitgliedsstaaten, „in internationalen Beziehungen von Gewaltandrohung- und Anwendung gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates abzusehen.“

Für Keller und die anderen „liberalen“ Unterstützer des Imperialismus sind solche Formalitäten unwichtig. Sie haben sich von den Schäden erholt, die ihre Eitelkeit und ihr Ruf durch das Debakel im Irak erlitten haben und bereiten sich jetzt darauf vor, weitere Kriege zu unterstützen, die von einem Demokratischen Präsidenten mit denselben Begründungen – Massenvernichtungswaffen, Terrorismus, Menschenrechte – vorbereitet werden, die auch sein Republikanischer Vorgänger gegeben hat.

In ihrer völligen Missachtung des Völkerrechts zeigt sich der verbrecherische Charakter der amerikanischen Außenpolitik.

Keller schließt seine Kolumne mit der Feststellung: „Wenn wir auch sonst nichts aus dem Irak gelernt haben, dann doch eines: Bevor man die Truppen schickt, muss man die Fakten überprüfen.

Soll das ironisch sein? War es nicht angeblich die Rolle der New York Times und der Medien, die einmal als „vierte Gewalt im Staat“ bekannt waren, das Informationsmonopol der Regierung anzufechten und die angeblichen „Fakten“, mit denen Kriege gerechtfertigt wurden, zu hinterfragen?

Wir haben aus dem Irak jedenfalls eines gelernt: Angesichts der Explosion des amerikanischen Militarismus, beispielloser sozialer Ungleichheit und erbarmungsloser Angriffe auf demokratische Rechte, treten die von der Wirtschaft kontrollierten Medien als untertäniges Sprachrohr der Regierung auf. Sie haben nichts gelernt und käuen wieder und ergänzen die offiziellen Lügen, um einen noch verheerenderen Krieg für die Interessen des US-Imperialismus zu rechtfertigen.

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