Perspektive

Globale Rezession:

Finanzielle Turbulenzen nehmen zu

Die Finanzmärkte haben in diesem Jahr über weite Strecken einen Aufwärtstrend erlebt. Zu verdanken hatten sie das den Injektionen billigen Geldes durch die amerikanische und die europäischen Zentralbanken. Aber wie die rosige Haut eines Tuberkulosepatienten, ist auch der Aufschwung an den Aktienmärkten kein Zeichen wirtschaftlicher Gesundung, sondern eher Anzeichen einer Verschlimmerung der Krankheit.

Das Bild hat sich in den vergangenen Tagen geändert. Die Zinsen auf spanische und italienische Schulden haben stark angezogen, und es wird allseits vor einer weiteren Runde in der europäischen Finanzkrise gewarnt. Die Aussage eines vom TV-Sender Bloomberg zitierten Finanzanalysten lautet: „Die Eurokrise hat sich zurückgemeldet.“ Die Geschwindigkeit, mit der die Zinsen steigen, weise dabei „Elemente einer erneuten Panik der Märkte“ auf.

Die Ängste der Märkte im Fall Spanien begannen mit der Ankündigung von Premierminister Mariano Rajoy, die Regierung plane in den kommenden zwei Jahren Ausgabenkürzungen in Höhe von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Dies wäre das größte Kürzungsprogramm, das jemals in einem größeren Industrieland durchgeführt wurde.

Die neuen Turbulenzen haben ihren Ursprung aber weder in der besonderen Lage Spaniens, noch der Italiens, sondern in der wachsenden Verschlimmerung der Weltwirtschaftslage. Auch vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise ist kein einziges Problem gelöst. In den Worten eines gemeinsamen Berichtes der Financial Times und der Brookings Institution wird die Weltwirtschaft „noch immer künstlich am Leben erhalten“.

Was sie in Gange hält, sind die riesigen Geldsummen, die in das Finanzsystem hineingepumpt werden. Professor Eswar Prasad von der Brookings Institution schreibt: „Die Erholung der Weltwirtschaft stockt noch immer wegen eines Mangels an tatsächlicher Nachfrage, weil politische Werkzeuge überstrapaziert werden und nicht greifen, und die Finanzsysteme enorme Risiken und politische Unwägbarkeiten bergen.“

Die Direktorin des IWF, Christine Lagarde, warnte vergangene Woche in einer Rede, die Risiken der Weltwirtschaft „bleiben hoch“, und die Situation sei nach wie vor „fragil“. Lagarde rief zu einer Unterstützung der Politik wirtschaftlichen Wachstums auf. Das ist jedoch nichts weiter als das Schönreden der Sparprogramme, die von den globalen Banken und Finanzinstituten diktiert und mit Hilfe des IWF durchgesetzt werden.

Die Folgen dieser Programme zeigen sich am deutlichsten in Europa. Griechenland ist bereits auf den Stand der 1930er Jahre zurückgeworfen worden, während sich der Rezessionstrend auf dem gesamten Kontinent verstärkt.

Die jüngste Einschätzung der OECD deutet für 2012 auf ein Wachstum nahe null in ganz Europa hin. Für die überaus wichtige Wirtschaft Deutschlands wird im ersten Quartal des Jahres ein Wachstum von gerade einmal 0,1 Prozent erwartet, das im zweiten Quartal auf anämische 1,5 Prozent ansteigen soll.

Für Frankreich verzeichnen die entsprechenden Zahlen einen Rückgang von 0,2 Prozent, gefolgt von einem Anstieg von 0,9 Prozent. In Italien wird in beiden Quartalen ein Rückgang um 1,6 und 0,1 Prozent erwartet, während für Großbritannien eine Schrumpfung von 0,4 Prozent und ein darauf folgender Anstieg um 0,5 Prozent vorausgesagt wird.

Für die USA sagt die OECD zwar ein “robustes” Wachstum voraus; aber die jüngsten Arbeitslosenzahlen zeigen, dass die amerikanische Wirtschaft im März nur 120.000 neue Jobs geschaffen hat, weniger als die Hälfte der vergangenen drei Monate.

Seit Beginn des weltweiten Finanzzusammenbruchs im September 2008 weisen die Fürsprecher des kapitalistischen Systems immer wieder auf das Wachstum Chinas hin, das neue Pfade eröffne und ein „asiatisches Jahrhundert“ einläute.

Aber diese Spekulationen lassen die Tatsache außer Acht, dass Chinas Wachstum immer von der Weltwirtschaft abhängig war. So wie dieser Zusammenhang für Chinas Expansion wichtig war, ist er jetzt der Transmissionsmechanismus für die sich vertiefende Weltkrise.

Letzte Woche wurde bekannt, dass Chinas Wachstumsrate für die ersten drei Monate dieses Jahres 8,1 Prozent betrug. Das ist der niedrigste Wert seit acht Quartalen und lag unter der Voraussage der Regierung von 8,4 Prozent.

Dieser Rückgang ist keine Ausnahme. Chinas wirtschaftliche Expansion verlangsamt sich seit den letzten Monaten von 2010 Quartal um Quartal. Die Einfuhren deuten auf eine Schwächung der Wirtschaft hin. Die gesamten Einfuhren stiegen nur um 5,3 Prozent an. Ölimporte gingen um 5,8 Prozent zurück, Kupfer um 4,6 Prozent und Eisenerz um 3,2 Prozent.

Die tatsächlichen Zahlen für das BIP Chinas könnten sehr wohl unter den offiziellen liegen. Nach einer Analyse des Forbes-Magazins stieg die Erzeugung elektrischen Stroms, dessen Wachstum den Rest der Wirtschaft normalerweise übertrifft, nur um 7,1 Prozent. Das heißt, es ist möglich, dass das gesamte Wachstum nur sechs Prozent beträgt. „Die Entwicklung geht im Moment nach unten, und wir werden Tag für Tag Zeuge einer Dynamik, deren Umkehr immer schwieriger wird“, hieß es in dem Forbes-Artikel.

Der gleiche Trend zeichnet sich in Indien ab, wo das Wirtschaftswachstum auf unter sieben Prozent gefallen ist, und wo das industrielle Wachstum und die Investitionen rapide zurückgehen. Die Auswirkungen der europäischen Krise spiegeln sich in den Zahlen für Exporte nach Europa wider. Sie stiegen im März um 19,5 Prozent. Im Zeitraum 2010 bis 2011 waren sie noch um 37,6 Prozent gewachsen.

Die Tatsache, dass die Wirtschaft weltweit immer rascher in die Rezession abrutscht, hat unmittelbare Konsequenzen für die internationale Arbeiterklasse. Sämtliche Regierungen greifen sie mittels scharfer Sparmaßnahmen an, während die Wirtschaft in allen Bereichen Entlassungen und Lohnkürzungen durchsetzt.

Die Arbeiterklasse kann auf diese neue Offensive nur mit ihrer eigenen politischen Strategie reagieren: Sie muss sich international zusammenschließen und für Arbeiterregierungen und ein sozialistisches Programm kämpfen.

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