Perspektive

Griechenland und die Weltkrise des Kapitalismus

Der politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenbruch in Griechenland ist ein akuter Ausdruck der Krise des gesamten europäischen und des Weltkapitalismus.

Das Schicksal dieses kleinen Landes wird ausschließlich von den räuberischen Interessen der globalen Finanzinstitute und ihrer politischen Vertreter an der Spitze der nationalen Regierungen und der Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bestimmt.

Für die griechischen Arbeiter hat dies verheerende Folgen. Sie haben den bisher größten Niedergang ihres Lebensstandards seit der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg erlebt. Die Arbeitslosigkeit hat sich auf 22 Prozent verdoppelt, bei Jugendlichen auf 50,8 Prozent. Weitere Millionen befinden sich in prekären Arbeitsverhältnissen und Teilzeitarbeit.

Massenarbeitslosigkeit und Armut werden sich noch verschlimmern. Die soziale Konterrevolution ist außerdem ein Muster für ganz Europa, da die Wirtschaftskrise außer Kontrolle gerät und die Welt in eine noch tiefere Rezession stürzt als diejenige, die durch den Finanzkrach von 2008 ausgelöst wurde.

Die politische Pattsituation in Griechenland nach dem Zusammenbruch der beiden traditionellen Regierungsparteien bei der Wahl am 6. Mai findet vor dem Hintergrund einer schlechter werdenden wirtschaftlichen Lage in Europa, den USA und Asien statt. Sinkende Preise auf den Wertpapiermärkten, Herabstufungen der Banken, wachsende Arbeitslosigkeit und stagnierendes oder sinkendes Wachstum deuten auf ein Abrutschen in die Depression hin.

Auch in den USA herrschen Massenarbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit. Den Sparmaßnahmen in den europäischen Staaten wird in den amerikanischen Bundesstaaten und Kommunen nachgeeifert. In Kalifornien, dessen Wirtschaftsleistung mit der von Italien vergleichbar und größer als die von Spanien ist, fordert der Gouverneur weitere drastische Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den Löhnen im öffentlichen Dienst.

Die offiziellen Diskussionen über Griechenland haben etwas irreales an sich. Politiker sprechen vom bevorstehenden Zusammenbruch der Wirtschaft und den sozialen Folgen, fordern aber gleich darauf mehr Geld für die Banken und größere Opfer von der Bevölkerung.

Jeder Versuch, die Krise zu lösen, führt nur noch tiefer in die Krise. Das Geld der „Rettungspakete“ für Griechenland ist direkt auf die Konten seiner Hauptgläubiger geflossen. Alle weiteren Zahlungen werden ebenfalls von diesem unersättlichen Ungeheuer verschlungen werden.

Es ist unmöglich, noch weitere Opfer zu akzeptieren. Der Widerstand der arbeitenden Massen nimmt in ganz Europa zu. Dies zeigte sich nicht nur bei den Wahlen in Griechenland, sondern auch in Frankreich, und bei anderen Wahlen in Großbritannien und Deutschland, wo die Wähler diejenigen Parteien abstraften, die am ehesten mit dem Sparkurs in Verbindung gebracht werden.

Darin zeigt sich die extreme Verschärfung sozialer Spannungen, die ihre Wurzeln in der Existenz eines unlösbaren Konfliktes zwischen den Grundbedürfnissen der Massen und den Institutionen des kapitalistischen Europa haben.

Die griechischen Wähler zeigten ihren Widerstand, indem sie die Parteien abstraften, die direkt daran beteiligt waren, die Bedingungen der Rettungspakete auszuhandeln – die PASOK und die Nea Dimokratia. Aber von dieser Stimmung profitierte hauptsächlich Syriza, die für einen Teil der griechischen Bourgeoisie spricht, der den Zusammenbruch der Wirtschaft mit einer Verlängerung der Fristen für die Schuldentilgung verhindern und kleinere Veränderungen an den Bedingungen des Sparkurses vornehmen will, um den Widerstand der Massen zu besänftigen. Syriza verteidigt ausdrücklich die EU und den Euro, obwohl sie sich als Gegner der Sparpolitik inszeniert; aber diese beiden Positionen lassen sich nicht vereinbaren. Austerität und immer weitergehende Angriffe auf die Arbeiterklasse sind ein integraler Bestandteil der EU der Banker und der kapitalistischen Ordnung, die sie verteidigt.

Der Lösungsvorschlag der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) – Austritt aus dem Euro und Rückkehr zur Drachme – wird auch von zahlreichen internationalen Kommentatoren erwogen. Aber damit wären die griechischen Arbeiter dennoch der Gnade der internationalen Finanz ausgesetzt und die Herrschaft der griechischen Kapitalisten bliebe intakt, während der Wert ihrer Häuser, ihrer Löhne und ihrer Ersparnisse sofort um bis zu 80 Prozent sinken würde.

Immer größere Schichten der herrschenden Elite kommen zu dem Schluss, dass Griechenland gezwungen sein wird, aus der Eurozone auszutreten. Einige behaupten, das könne „kontrolliert“ vor sich gehen, und Griechenland solle einfach bis zum letzten Euro ausgepresst werden. Andere warnen, das Überleben des Euro sei in Gefahr, wenn sich die Finanzkrise auf den ganzen Kontinent – oder sogar noch weiter - ausdehne.

Letztere Sichtweise hat mehr Bezug zur Realität. Die weltweiten Finanzinstitute verfügen über Schuldansprüche gegenüber Griechenland in Höhe von 536 Milliarden Dollar, allerdings schätzt das Institute of International Finance, dass die realen Kosten für einen Austritt Griechenlands eher bei 1,2 Billionen Dollar liegen, darunter befänden sich auch „Killerverluste.“ Die Wirtschaftswoche schreibt, ein Austritt Griechenlands würde alleine die Regierungen der Eurozone 300 Milliarden Dollar kosten und eine Depression wie in den 1930ern auslösen.

Was noch wichtiger ist: ein Austritt Griechenlands wird unweigerlich den Zusammenbruch größerer Volkswirtschaften beschleunigen, die, wie Spanien, Portugal und Italien, schon in Schwierigkeiten sind. Der Sturm auf die griechischen Banken, die seit 2010 bereits mehr als ein Drittel ihrer Einlagen verloren haben, zeigt, dass noch weitere Gefahren drohen. In einem europäischen Land nach dem anderen kann sich schnell ein offener Sturm auf die Banken entwickeln.

Die griechischen und europäischen Arbeiter müssen sich den Folgen des Versagens des kapitalistischen Systems stellen. Keine der angebotenen „Lösungen“ der gegenwärtigen Krise geht von diesem Standpunkt aus. Dadurch bergen sie die Gefahr weiterer sozialer Zerstörungen und eines Abgleitens in die Barbarei.

Für den 17. Juni sind in Griechenland Neuwahlen angesetzt, aber damit wird die Krise genauso wenig gelöst werden wie durch die Wahlen in diesem Monat.

Eine neue Ära hat begonnen, in der nur die radikalste Lösung eine Aussicht auf Erfolg hat: Die griechischen Arbeiter müssen eine revolutionäre sozialistische und internationale Perspektive entwickeln, mit der sie die kommenden Kämpfe führen können. Das gleiche gilt für die Arbeiter in Europa, den USA und international

Die herrschende Klasse erwartet einen Aufschwung des Klassenkampfs und bereitet sich darauf vor. Sie weiß, dass sich das Schicksal Griechenlands in diesem Kampf entscheiden wird. Michalis Chrisochoidi (PASOK), der Minister für den Schutz der Bevölkerung, dem die Polizei und der Geheimdienst unterstehen, warnte diese Woche vor einem Austritt aus dem Euro. „Dann werden sich bewaffnete Banden mit Kalaschnikows durchsetzen, und wer die meisten Kalaschnikows hat, wird gewinnen... Es wird im Bürgerkrieg enden.“

Die griechische Bourgeoisie hat in der Geschichte gezeigt, dass sie vor nichts halt macht, um ihre Herrschaft zu sichern, auch nicht vor einer Militärdiktatur. Die Arbeiterklasse muss das wissen und entsprechend handeln.

Notwendig ist eine wirtschaftliche und politische Offensive zur Errichtung einer Arbeiterregierung. Eine solche Regierung muss die Kontrolle über die griechische Wirtschaft übernehmen, die Guthaben der Banken und Konzerne beschlagnahmen und eine weitere Kapitalflucht verhindern. Die Vertreter der Troika müssen zum Teufel gejagt und die Ressourcen Griechenlands dafür eingesetzt werden, alle nötigen Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung zu ergreifen und anständige Arbeitsplätze, Bildung, Wohnungen und Gesundheitsversorgung zu schaffen.

Diese Maßnahmen lassen sich nur im Rahmen einer allgemeinen politischen Mobilisierung der europäischen Arbeiterklasse gegen die Autoren der „griechischen Tragödie“ und ihrer eigenen Leiden realisieren. Die Arbeiter in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien müssen den Kampf für den Sturz von Hollande, Merkel, Monti, Rajoy, Cameron und allen anderen aufnehmen. Der Europäischen Union des Großkapitals und der Finanzparasiten muss die Perspektive der Errichtung einer Arbeiterregierung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegengestellt werden.

Wer erkennt, wie ernst die derzeitige Krise und die politischen Aufgaben sind, sollte sich dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale anschließen.

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