Diskussions-Portal für Schlecker-Mitarbeiter

Noch immer werden die Schlecker-Mitarbeiter darüber im Dunkeln gehalten, welche Investoren Angebote für den insolventen Konzern unterbreitet haben und welche Auswirkungen dies für die Beschäftigten haben wird. Hinter den Kulissen werden aber längst weitere Angriffe auf die Belegschaft vorbereitet.

Es ist höchste Zeit, dass sich sowohl die entlassenen als auch die verbliebenen Kollegen unabhängig von Verdi organisieren, um die Löhne und Arbeitsplätze zu verteidigen. Zu diesem Zweck haben wir unter www.aktionskomitees.de/schlecker ein Forum eingerichtet, in dem sich alle Betroffenen kostenlos und anonym anmelden können, um das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Bisher sind Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über den Sanierungstarifvertrag, der weitere Lohnkürzungen und möglicherweise auch Entlassungen beinhaltet, ohne Ergebnis geblieben. Verdi ließ aber schon verlauten, dass sie Geiwitz das Angebot gemacht habe, 10,5 statt der von ihm geforderten 15 Prozent der Personalkosten einzusparen. Welche konkreten Maßnahmen hierzu getroffen werden sollen, wurde nicht bekannt gegeben.

Zudem fordert Verdi die Mitarbeiter auf, von sich aus und ohne Verhandlungsergebnis vorsorglich auf eine geplante Lohnerhöhung von zwei Prozent und das anstehende Urlaubsgeld zu verzichten. Das sei ein deutliches Zeichen an Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz und an mögliche Investoren, dass die Belegschaft alle ihre Möglichkeiten ausschöpfe, damit es doch noch zu dem angestrebten Sanierungstarifvertrag komme, sagte Verdi-Sprecherin Christiane Scheller.

Angesichts dieser Ankündigungen und der üblen Rolle, die Verdi bei der Abwicklung Schleckers bisher gespielt hat, sollte man sich keine Illusionen machen: die Gewerkschaft wird alles daran setzen, die geforderten Kürzungen gegen die Belegschaft durchzusetzen.

In der Zwischenzeit werden die profitablen Filetstücke des Konzerns an den Meistbietenden verkauft, um die Gläubiger auszuzahlen – darunter die beiden Kinder des Firmenbesitzers Anton Schlecker. Die 145 profitablen Filialen der Drogeriekette in Tschechien werden von der Investmentgruppe P.K. Solvent übernommen. Die Schlecker-Tochter IhrPlatz mit ihren 480 Filialen wird wahrscheinlich an die Beteiligungsgesellschaft Dubag verkauft.

Verdi versucht derweil, alle Ansprüche der 11.000 Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrer Zustimmung im März entlassen wurden, abzuschmettern. Nachdem sich bisher 3.850 Betroffene über Verdis Rat hinweggesetzt und für eine Abfindung oder die Wiedereinstellung geklagt haben, machte die Insolvenzverwaltung zwei Klägerinnen vor dem Arbeitsgericht in Ulm das Angebot einer Abfindung in Höhe von 500 Euro. Auch wenn dieser Betrag lächerlich gering ist, wurde er am Ende doch nicht ausgezahlt. Weil Verdi Geiwitz gewarnt hatte, dass unter diesen Bedingungen jeder entlassenen Mitarbeiter 500 Euro einfordern könne, zog die Insolvenzverwaltung das Angebot zurück.

Es ist offensichtlich, dass die Mitarbeiter in dem Moment, in dem sie ihre Arbeitsplätze und Löhne verteidigen wollen, nicht nur mit der Konzernleitung und Insolvenzverwaltung, sondern auch mit Verdi konfrontiert sind. Es kann kein Schritt unternommen werden, ohne sich unabhängig von der Gewerkschaft zu organisieren.

Deshalb haben die World Socialist Web Site (wsws.org) und die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) ein Internet-Portal geschaltet, in dem sich Schlecker-Mitarbeiter unabhängig von Gewerkschaft und Betriebsrat über Erfahrungen im Betrieb, mit Verdi, dem Arbeitsamt oder der Insolvenzverwaltung austauschen und vernetzen können. Insbesondere Mitarbeiter, die gegen ihre Entlassung geklagt haben, sind aufgerufen, ihre Erfahrungen zu schildern. So kann verhindert werden, dass Mitarbeiter, die sich auf Verdi-Anwälte verlassen müssen, geprellt werden.

In anderen Foren werden kritische Stimmen schnell zensiert und gelöscht. Wir wollen dem gegenüber gerade einen Raum schaffen, in dem man sich kritisch auseinandersetzen kann. Um Kollegen zu schützen, behalten wir uns jedoch vor, Beiträge von Funktionären, die Mitarbeiter ausspionieren oder unter Druck setzen wollen, zu löschen.

Das Portal bietet außerdem die Möglichkeit, sich über die letzten Schlecker-News zu informieren und zu diskutieren. Alle Mitglieder können zudem Termine von Aktionen oder Treffen örtlicher Aktionskomitees einstellen.

Doch bei diesen organisatorischen Initiativen soll es nicht stehen bleiben. Die Insolvenz bei Schlecker steht in einem größeren politischen Zusammenhang. In Deutschland wird die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen immer häufiger benutzt, um reguläre Beschäftigung durch Niedriglohnarbeit zu ersetzen und soziale Rechte zu zerstören. Schon heute leben 23 Prozent der Arbeiter in Deutschland unter der Niedriglohngrenze.

Mit den geringen Löhnen in Deutschland werden jetzt Angriffe auf die Rechte der Arbeiter in Frankreich, Griechenland und Spanien gerechtfertigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon angekündigt, dass Deutschland und Europa bei Löhnen und Arbeitsbedingungen mit China oder Brasilien konkurrieren können müssten. Auf dieser Grundlage erleben wir in Europa die heftigsten sozialen Angriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zugleich wird deutlich, dass die Gewerkschaften zu Co-Managern der Unternehmen geworden sind, wie dies mit Verdi bei Schlecker der Fall ist. Sobald Arbeiter beginnen, die Angriffe zurückzuschlagen, sind sie mit dem Widerstand dieser Organisationen konfrontiert.

Um unter diesen Bedingungen die Löhne und Arbeitsplätze zu verteidigen, ist eine politische Perspektive nötig, die sich gegen die Logik des kapitalistischen Systems und die bürokratischen Apparate wendet. Das Portal soll daher auch dazu dienen, sich über diese Fragen auseinanderzusetzen.

Wir bitten Euch deshalb nicht nur, Euch selbst anonym auf dem Webportal anzumelden, sondern den Link auch an alle weiteren Schlecker-Mitarbeiter zu schicken, die Ihr kennt. Nur wenn wir viele werden, können wir für unsere Löhne und Arbeitsplätze kämpfen.

www.aktionskomitees.de/schlecker

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