Welchen Weg muss Griechenland einschlagen?

Es wird erwartet, dass Antonis Samaras, Chef der Nea Dimokratia (ND), in Griechenland eine Koalitionsregierung bildet, die die Aufgabe hat, die mit der Troika – dem IWF, der EU und der EZB - vereinbarten brutalen Sparmaßnahmen durchzusetzen.

Der Sieg der ND ist vor allem eine Anklage von SYRIZA, die als wichtigste Oppositionspartei aus den Wahlen hervorgegangen ist. Sie behauptet, dass es möglich sei, sich den Sparmaßnahmen zu widersetzen, ohne die EU und die griechische Bourgeoisie zu stürzen.

Die griechischen Parlamentswahlen bestätigten eindrucksvoll, dass den bestehenden Parteien jegliche Bereitschaft zum Kampf gegen die Diktate der Troika und der Banken fehlt. Der Sieg der ND war das Endergebnis einer Kampagne, die auf reiner Erpressung basierte. Einer nach dem anderen hatten die europäischen Regierungschefs gedroht, dass eine Stimme gegen die ND – die wichtigste Partei, die die mit der Troika getroffenen Sparmaßnahmen unterstützt – zu einem sofortigen Einfrieren des zur Rettung der griechischen Banken bestimmten Geldes, einem erzwungenen Austritt Griechenlands aus der Eurozone und einem katastrophalen Zusammenbruch der Wirtschaft führen werde.

Trotzdem erreichten die Parteien, die sich dieser Abmachung formell widersetzten, eine Mehrheit, wobei Syrizas Stimmanteil 27 Prozent betrug. 37,5 Prozent enthielten sich der Stimme – ein neuer Rekord. Dies zeigt die breite Unzufriedenheit mit dem gesamten politischen Establishment wie auch die Unfähigkeit vieler Wähler, die Kosten für eine Reise in ihren Heimatort aufzubringen, um dort die Stimme abzugeben.

Obwohl nur 42 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Parteien entfielen, die die Abmachungen offen unterstützen, verhandeln die verhassten Parteien ND und Pasok jetzt über eine Regierungsbildung. Sie hätten dank des 50-Sitze-Bonus, den ND auf Grund der anti-demokratischen griechischen Wahlgesetze als Wahlsieger erhält, eine Mehrheit. Eine solche Regierung hätte kein Volksmandat für ihre Politik und ebnet nur den Weg für eine Konfrontation zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse.

Samaras weiß um seine prekäre Position. Deshalb versucht er eine „Regierung der nationalen Rettung“ zu bilden, die „so viele Parteien wie möglich“ einschließt – die Demokratische Linke, eine Absplitterung von Syriza, und eine weitere kleine Partei – und spricht gleichzeitig von einer Neuverhandlung von Aspekten der Vereinbarungen mit der Troika.

Die europäischen Regierungschefs lehnten es rundheraus ab, von ihren vor der Wahl gestellten Forderungen abzuweichen. Auf dem G-20-Gipfel in Mexiko erklärte Bundeskanzlerin Merkel: „Wichtig ist, dass die neue Regierung die Zusagen einhält, die gemacht wurden. An diesen Reformschritten können keine Abstriche gemacht werden.“

Dass die Mehrheit der Wähler sich dennoch weigerte, die Abmachungen zu unterstützen, oder an einer Wahl teilzunehmen, die als richtungsweisend für die griechische und die europäische Zukunft dargestellt wurde, zeigt die tiefe Abneigung, die die seit 2009 eingeführten brutalen Einschnitte erzeugt haben. Syriza jedoch hat diese Abneigung nur in eine politische Sackgasse geführt.

Syrizas Führer Alexis Tsipras verbrachte die Kampagne damit, der herrschenden Elite zu versichern, dass er sich der EU verpflichtet fühle und die griechischen Schulden durch verschärftes Steuereintreiben begleichen wolle und nur kleinere Zugeständnisse und eine längere Rückzahlungsfrist fordere. Arbeitern gegenüber betonte er, eine Auflehnung gegen die EU und gegen den Kapitalismus sei undurchführbar, unrealistisch und der Weg in den nationalen Selbstmord.

Das spiegelt die Klasseninteressen und die politischen Illusionen der wohlhabenden Mittelschicht wider, für die Syriza spricht. Obwohl sie sich über die politische Katastrophe in Griechenland erregen, stehen die Führer der Syriza einer sozialistischen Strategie zu ihrer Bekämpfung feindlich gegenüber. Sie lehnen die breite Mobilisierung der gesamten europäischen Arbeiterklasse im Kampf gegen die EU und den Kapitalismus ab.

Jetzt plant Syriza, als loyale Opposition zu arbeiten. Vorgestern erklärte Tsipras absurder Weise, eine Regierung der ND entspreche dem „Mandat des Volkes“. Die Opposition sollte sich „kritisch und verantwortungsbewusst verhalten und ich habe Herrn Samaras gesagt, dass wir genau das vorhätten“, sagte er.

Der lähmende Effekt der Syriza-Politik und die Unterstützung, die Syriza international durch pseudo-linke Gruppen erhielt, gestatten der herrschenden Elite Handlungsfreiheit selbst zu einer Zeit, in der die in Griechenland gesehene Massenopposition gegen die Sparmaßnahmen sich auf ganz Europa ausweitet. Die Parteien, die mit den Sparmaßnahmen in Verbindung gebracht werden, werden regelmäßig an der Wahlurne abgestraft: Parteien, die Sparpolitik durchsetzen, werden unabhängig von ihrer Lagerzugehörigkeit bei Wahlen abgestraft: in Spanien die PSOE, in Portugal die sozialistische Partei, Berlusconis Forza Italia und Sarkozys UMP in Frankreich zählen zu den Opfern. Die nachfolgende Regierung versucht noch mehr Sparmaßnahmen durchzusetzen und trifft auf den entschlossenen Widerstand der Arbeiterklasse.

Deswegen gibt es in den herrschenden Kreisen keine Zuversicht, dass ihr Vorgehen in Griechenland, bis hin zum Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, die politische und wirtschaftliche Katastrophe abwenden kann.

Die Märkte brachen trotz dem Wahlsieg der ND in Griechenland ein. Die spanischen und italienischen Staatsanleihen stehen weiter unter dem Druck der Spekulanten und Bankaktien fielen in Deutschland und Frankreich. Der Chef des International Institute of Finance, Charles Daralla warnte die Führer der G-20: „Das Risiko einer globalen Rezession ist schon zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren sehr real.“

Unter diesen Bedingungen wird der “Plan B”, den Syriza und ihre Gesinnungsgenossen der herrschenden Klasse empfehlen, nicht eine Aufweichung der Sparpolitik bringen, sondern weitere scharfe Angriffe auf die Arbeiterklasse – und Unterdrückung durch Polizei und Militär.

Arbeiter und Jugendliche in ganz Europa müssen die zentrale Lehre aus Griechenland ziehen und einen entschiedenen Kurswechsel vollziehen. Die bittere Lehre aus Griechenland besagt, dass die Aufgabe nicht darin besteht, unter der Führung von Parteien wie Syriza die EU zu reformieren oder ihre Regierungen unter Druck zu setzen, um Zugeständnisse zu erreichen.

Stattdessen müssen neue Parteien der Arbeiterklasse aufgebaut werden, um eine soziale und politische Offensive gegen die Wirtschaftsinteressen, ihre Parteien und Regierungen und ihre kollektiven Ausführungsorgane in der EU und dem IWF zu entfesseln. Das Ziel müssen Arbeiterregierungen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa sein. Ohne den Aufbau einer wirklich sozialistischen und internationalistischen Führung, d.h. von Parteien des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, geht es nicht.

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