Perspektive

Der Militärputsch in Ägypten

Der Putsch der herrschenden Militärjunta vor der Stichwahl bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen stellt eine ernsthafte Bedrohung der ägyptischen Revolution und der Arbeiterklasse dar.

Der Putsch hat den von der Junta beschworenen „demokratischen Übergang“ als Betrug entlarvt. Mit der Unterstützung seiner imperialistischen Verbündeten in den USA und in Europa hat der herrschende Oberste Rat der Bewaffneten Streitkräfte (SCAF) alle Einrichtungen abgeschafft, die er ursprünglich ins Leben gerufen hatte, um die Illusion von einem Übergang zur Demokratie zu erzeugen.

Nachdem das Höchste Verfassungsgericht (SCC) das parlamentarische Wahlrecht am Donnerstag für verfassungswidrig befunden hatte, löste der SCAF das von Islamisten dominierte Parlament auf. Die Junta erhöhte die Sicherheit in Kairo. Am Freitag übernahmen Polizei und Sicherheitskräfte das Parlament und hinderten die Parlamentsmitglieder am Betreten des Gebäudes.

Die Junta kündigte auch an, sie werde am Dienstag die vom Parlament gewählte konstituierende Versammlung auflösen. Die Militärs planen, eine Verfassungserklärung herauszugeben, die die Zusammensetzung einer neuen Versammlung ebenso einseitig festlegt wie die Machtbefugnisse des neuen Präsidenten.

Unter diesen Bedingungen wird die Stichwahl zwischen Ahmed Schafik, dem letzten Premierminister unter Mubarak, und Mohammed Mursi, dem Kandidaten der islamistischen Moslembruderschaft, zu einer reinen Farce. Die Armee beabsichtigt eindeutig, festzulegen, welche Macht dem Präsidenten zugestanden wird. Welcher Kandidat auch immer gewählt wird, er wird nur eine Marionette des SCAF sein und die Aufgabe haben, die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Militärs zu verteidigen und jegliche Bewegung der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Die SCAF-Junta ergreift die volle Kontrolle über das politische Leben in Ägypten. Sie fordert die gesetzgebende Gewalt und das Haushaltsrecht, das sie dem islamistisch dominierten Parlament im Januar übergeben hatte, zurück und will selbst eine vorläufige Verfassung entwerfen. Nur einen Tag vor dem Putsch gab die Junta ein Dekret heraus, das der Polizei, dem Militär und dem staatlichen Geheimdienst gestattet, Zivilisten zu verhaften.

Diese Maßnahmen belegen, dass der „demokratische Übergang“ nichts als eine List war, um die beherrschende Rolle der Armee bei der Verteidigung der Privilegien der herrschenden Elite – zuerst und vor allem der ägyptischen Generäle - zu kaschieren. Vom Tag des Sturzes von Diktator Mubarak an bestand das Ziel darin, den ägyptischen Kapitalismus und die imperialistische Herrschaft im Nahen Osten gegen die mächtigste revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse seit Jahrzehnten zu verteidigen.

Mit dem Putsch versuchen die Generäle eine Atmosphäre unumschränkter militärischer Autorität herzustellen und eine Wiederholung der Situation wie in den frühen Wochen der Revolution zu vermeiden, als die das Gefühl hatten, sich bei der Niederschlagung der Massenproteste der Arbeiterklasse nicht auf die Soldaten verlassen zu können

Hauptziel des Putsches ist nicht die offizielle politische Opposition – weder die Islamisten, die das aufgelöste Parlament dominierten, noch die liberalen und kleinbürgerlichen „Linken“ Gruppen – sondern die entscheidende Kraft hinter der ägyptischen Revolution: das Proletariat.

Die Generäle werden erneute Streiks und Demonstrationen der Arbeiterklasse unbarmherzig niederschlagen. Der Putsch macht den Weg frei für eine Konfrontation zwischen der Junta und der Arbeiterklasse, die sich nur auf der Grundlage eines Kampfes zum Sturz der Junta und der Kapitalistenklasse, deren Interessen sie vertritt, verteidigen kann.

Die pseudo-linken Kräfte wie die Socialist Popular Alliance (Sozialistisches Volksbündnis – SPA), die ägyptische Sozialistische Partei, die Kommunistische Partei Ägyptens und die Revolutionären Sozialisten (RS) sind als Werkzeuge des US-Imperialismus und der Junta entlarvt. Sie hatten behauptet, die Arbeiter könnten innerhalb des Rahmens der von der Junta geschaffenen Einrichtungen für die grundlegenden Forderungen der Revolution kämpfen. Sie lehnten die Entwicklung eines revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse zum Sturz der Junta und den Kampf für den Sozialismus ab.

Nachdem der SCAF die Macht übernommen hatte, behaupteten sie, wie das Mitglied der RS, Mustafa Omar, Mubaraks Generäle würden „das politische und ökonomische System reformieren und ihm erlauben, demokratischer und weniger repressiv zu werden.“ Als die Arbeiterklasse sich gegen den SCAF wandte und die Forderung nach einer „zweiten Revolution“ aufstellte, wandten sie sich dagegen.

Die meisten pseudo-linken Parteien unterzeichneten dass sogenannte „Verpflichtungs-Dokument“, das den Präsidentschaftskandidaten präsentiert wurde. In ihm bekannten sie sich zur ägyptischen Verfassung von 1971 und befürworteten ausdrücklich die Rolle der Armee im politischen Leben des Landes. Nur wenige Tage vor dem Putsch gaben diese Parteien der Rolle der Junta ihren Segen.

Um die Konterrevolution zu bekämpfen, muss die Arbeiterklasse den Weg von Massenkämpfen gegen den ägyptischen Staat einschlagen. Dabei muss sie sich allen Versuchen widersetzen, sich mit den Architekten des Putsches in der ägyptischen Armee und ihren imperialistischen Beratern auszusöhnen. Dies bedeutet einen entschlossenen politischen Kampf für den Marxismus zur Zerschlagung des Einflusses pseudo-linker Apologeten des „friedlichen Übergangs“ der Junta.

Der Militärputsch stellt unzweideutig die Frage nach der Staatsmacht. Keine der Forderungen, die die ägyptische Arbeiterklasse im Januar vergangenen Jahres auf den Weg der Revolution brachte – Freiheit, soziale Gleichheit und ein Ende der Armut – kann erfüllt werden, ohne die Macht der Junta zu zerschlagen und sie durch eine Staatsmacht zu ersetzen, die von der Arbeiterklasse selbst kontrolliert wird.

Die Ereignisse haben die Perspektive der Permanenten Revolution bestätigt, für die die trotzkistische Bewegung - das Internationale Komitee der Vierten Internationale - kämpft. Diese beharrt darauf, dass grundlegende demokratische Rechte nur durch die sozialistische Revolution und die Errichtung der Arbeitermacht als Teil des Kampfes für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens gesichert werden können. Die Ereignisse der vergangenen Tage unterstreichen: Die zentrale Frage, vor der die ägyptische Arbeiterklasse steht, besteht im Aufbau einer neuen revolutionären Führung auf der Grundlage dieser Perspektive - dem Aufbau einer ägyptischen Sektion des IKVI.

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